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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 07.06.2004
Aktenzeichen: 5 Sa 2024/03
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 1004 Abs. 1
GG Art. 1 Abs. 2
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 5
Erklären die zurückgetretenen Mitglieder des Personalrats per E-Mail und am Schwarzen Brett, sie würden eine Wiederwahl des bisherigen Vorsitzenden nicht mittragen, weil unter seinem Vorsitz eine sachliche, zielführende, ausgewogene Personalratsarbeit nicht bzw. nur unter schwierigen Bedingungen möglich sein, so liegt darin in der Regel keine herabsetzende Schmähkritik, sondern eine im demokratischen Prozess hinzunehmende Meinungsäußerung. Sie vermag weder einen Anspruch des Personalratsvorsitzenden auf Widerruf noch auf Unterlassung zu begründen. Dies gilt insbesondere dan, wenn dieser zuvor seinerseits scharfe Kritik erhoben hat (hier: der Vorwurf der Wahlverschleppung).
Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 2024/03

Verkündet am: 07.06.2004

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 07.06.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kiel, den ehrenamtlichen Richter Heiker und die ehrenamtliche Richterin Janßen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 01.10.2003 - 1 Ca 161/03 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien sind Mitarbeiter des WSA WHV. Sie streiten um Unterlassung und Widerruf von Äußerungen, die die Beklagten im Zusammenhang mit ihrem Personalratsamt gegenüber dem Klägerabgegeben haben, dem ehemaligen Vorsitzenden des Personalrats.

Die Parteien gehörten dem 1999 gewählten Personalrat an, der Kläger als Sprecher der Mehrheitsgruppe der Arbeiter und Vorsitzender, die Beklagten als Mitglieder der Gruppe der Angestellten und Beamten. Nach erfolgreicher, am 10.06.2002 rechtskräftiger Wahlanfechtung musste für die Gruppe der Arbeiter eine Wiederholungswahl stattfinden. Der verbleibende Personalrat bestand aus den Beklagten. Die Wahlen fanden im Oktober 2002 statt.

Unter dem 28.10.2002 richtete der Kläger zusammen mit dem Gewerkschaftssekretär H. der Gewerkschaft ver.di und unter Adresse der Gewerkschaft ein Schreiben an den Amtsleiter, den Bezirkspersonalrat, den Wahlvorstand und den Restpersonalrat, das auszugsweise folgenden Inhalt hat:

"Da der Wahlvorstand seiner Verpflichtung zur Einladung einer konstituierenden Sitzung spätestens am 6. Arbeitstag nach dem letzten Wahltag nicht nachgekommen ist, kommen heute um 14.00 Uhr, in Gegenwart eines Rechtsschutzsekretärs, die gewählten Personalratsmitglieder der Gruppe der Arbeiter in der Verdi-Geschäftsstelle zusammen, um ihren Gruppensprecher zu wählen.

Mit den entsprechenden Vorbereitungen ist der Listenführer W. J. beauftragt, der sich heute um 7.00 Uhr offiziell bei der SEZ entsprechend abgemeldet hat.

Über weitere Schritte werden Sie in Kenntnis gesetzt.

Nach einer über 4 1/2-monatigen Verschleppung der Wiederholungswahl auch durch den Dienststellenleiter protestieren wir gegen jede weitere Verzögerung hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Zusammensetzung der Personalvertretung beim WSA WHV."

Die Mitglieder der neu gewählten Mehrheitsgruppe der Arbeiter des Personalrats schrieben ferner an den bisherigen Restpersonalrat beim WSA WHV im Hinblick auf die Einladung zur Sitzung am 30.10.2002 auszugsweise Folgendes:

Wie bereits per Fax am 28.10.2002 mitgeteilt ... hat sich die Gruppe der Arbeiter wegen schwerer Versäumnisse des Wahlvorstandes gemäß BPersVG am gleichen Tage in den Geschäftsräumen von ver.di ihren Sprecher gewählt. Diese Handlungweise ist mit dem Rechtssekretär beim verdi-Bezirk in Bremen abgestimmt. Das einstimmige Ergebnis für den Gruppensprecher lautet:

W. J..

Entsprechende Protokolle können beim verdi-Sekretär J. H. eingesehen werden.

Der Tagesordnungspunkt Neuwahl des Sprechers der Gruppe der Arbeiter entfällt damit. Des Weiteren ist zu bemerken, dass, wenn der bisherige Restpersonalrat die Rolle des Wahlvorstandes übernimmt, um dessen Versäumnisse zu heilen, er dieselbe Neutralitätsverpflichtung hat. Dies bezieht sich auf die Tagesordnung, wo ausschließlich auf die Vornahme von Wahlen gemäß §§ 32 und 33 sich zu beschränken ist. Bei dieser "Konstituierung" ist die Situation von 1999 so weit wie möglich zu wiederholen. Da wir zwei neu in den PR gewählte Mitglieder dabei haben, müssen diese auch die Gelegenheit bekommen, ihr Votum für den 1. Stellvertreter und den 2. Stellvertreter abzugeben. Dies sind Beschlüsse, die das ganze Gremium zu treffen hat. ...

Von diesem Schreiben erhielten der Wahlvorstand sowie der Dienststellenleiter und der Bezirkspersonalrat eine Abschrift.

Daraufhin gaben die Beklagten am 30.10.2002 am Schwarzen Brett und per E-Mail an alle Mitarbeiter des Amtes folgende Erklärung ab:

"Liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute sollte in der Personalratssitzung auf Grund der Wiederholungswahl der Arbeiter ein Vorsitzender gewählt werden.

Die Beamten und Angestellten im Personalrat sowie deren Vertreter hatten sich im Vorfeld darüber verständigt, dass sie eine Wiederwahl des bisherigen Vorsitzenden W. J. nicht mittragen werden.

Unseres Erachtens ist eine sachliche Personalratsarbeit im Sinne aller Beschäftigten unter seinem Vorsitz nicht möglich.

Insbesondere sei darauf hingewiesen, dass die gegenüber dem Wahlvorstand, dem Restpersonalrat sowie der Amtsleitung erhobenen Vorwürfe (Verschleppung der Wahl, nicht rechtmäßige Berufung des Wahlvorstandes usw.) eine Zusammenarbeit unmöglich macht. Auch im Vorfeld war eine zielführende, ausgewogene Personalratsarbeit auf Grund seiner Verhaltensweise nur unter schwierigen Bedingungen möglich. Leider ist es uns nicht gelungen, einen anderen Vorsitzenden, der unserer Meinung nach Arbeiter sein sollte, zu finden.

Der Rücktritt sämtlicher Beamten und Angestellten, sowie deren Vertreter war aus den vorgenannten Gründen unausweichlich.

Der Rücktritt hat zur Folge, dass unverzüglich Neuwahlen einzuleiten sind.

Wir bedauern ausdrücklich, dass eine Einigung nicht möglich war."

Der Kläger forderte die vier Beklagten über seinen Prozessbevollmächtigten auf, derart verunglimpfende und ehrenrührige Behauptungen zu unterlassen, diese gegenüber den Mitarbeitern des Amtes zu widerrufen, im Falle der Zuwiderhandlung als pauschalierten Schadensersatz bzw. Vertragsstrafe 300,00 € an einen karitativ tätigen Verband zu zahlen sowie die Rechtsanwaltskosten des Klägers zu übernehmen. Da die Beklagten das ablehnten, erhob der Kläger mit am 11.03.2003 beim Arbeitsgericht Wilhelmshaven eingegangenem Schriftsatz Klage.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Erklärung der Beklagten vom 30.10.2002 beinhalte eine herabsetzende Schmähkritik, die ehrenrührig und beleidigend sei und ihn als Querulanten darstelle. Der Kläger hat vorgetragen, ihm sei in der Amtsöffentlichkeit durch die falsche Tatsachenbehauptung geschadet worden, eine zielführende ausgewogene Personalratsarbeit sei mit ihm nur schwer möglich gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

1.

die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, beleidigende und ehrenrührige Äußerungen über ihn, wie z. B.

- eine sachliche zielführende und ausgewogene Personalratsarbeit im Sinne aller Beteiligten sei mit ihm unmöglich sowie

- eine Zusammenarbeit mit ihm sei unmöglich,

zu unterlassen,

2.

die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, personalrats- und wahlvorstandsinterne Äußerungen des Klägers amtsöffentlich im Wasserschifffahrtsamt Wilhelmshaven zu verbreiten,

3.

den Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen zu Ziffern 1 und 2 gegen sie ein Ordnungsgeld von bis 250.000,00 €, ersatzweise bis zu 6 Monaten Ordnungshaft festgesetzt werde,

4.

die Beklagten zu verurteilen, die zu Ziffer 1 genannten Äußerungen gegenüber den Mitarbeitern des Wasserschifffahrtsamtes (WSA) WHV bis 14 Tage nach Rechtskraft des Urteils zu widerrufen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben den Standpunkt eingenommen, es liege keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers vor. Äußerungen der Beklagten seien nicht ehrenrührig und zudem sachlich begründet gewesen. Eine Geheimhaltungspflicht der durch den Kläger geübten Kritik habe nicht bestanden. Die Beklagten hätten ihr grundgesetzlich geschütztes Recht auf freie Meinungsäußerung ausgeübt und dies auch kenntlich gemacht. Sie hätten lediglich die Wählerschaft über die Gründe des Rücktritts als Personalratsmitglieder informiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die nach § 2 Abs. 1 Ziffer 9 und Abs. 3 ArbGG in zulässiger Weise vor das Arbeitsgericht gebrachte Klage durch Urteil vom 01.10.2003 abgewiesen, im Wesentlichen mit folgender Begründung: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung der Beeinträchtigung aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB. Die von ihm beanstandeten Äußerungen vom 30.10.2002 seien weder der Form noch dem Inhalt nach ehrverletzend. Die vier Beklagten hätten in statthafter Weise von ihrem Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Artikel 5 GG) Gebrauch gemacht. Es sei sachlich gerechtfertigt, dass sie sich an die Mitarbeiter des Amtes, die Wähler, gewandt und diesen die Gründe für den Rücktritt mitgeteilt hätten. Dabei hätten sie auch den wahren Rücktrittsgrund nennen dürfen, nämlich dass eine sachliche Personalratsarbeit im Sinne aller Beschäftigten unter dem Vorsitz des Klägers nicht möglich sei. Soweit darin eine erhebliche Kritik an der Person des Klägers gelegen habe, habe er diese hinnehmen müssen. Der Vorwurf, der Kläger habe auf Grund seiner Verhaltensweise schwierige Bedingungen für eine zielführende, ausgewogene Personalratsarbeit geschaffen, enthalte zwar eine Kritik am Verhalten des Klägers. Wer sich aber in den Personalrat wählen lasse, müsse eine solche Kritik aushalten können, die nicht überzogen und weder ehrenrührig noch beleidigend sei. Der Kläger sei dadurch nicht als Querulant dargestellt worden. Ihm sei deshalb zuzumuten, sich mit den Rücktrittsgründen der Beklagten im Betrieb politisch auseinanderzusetzen.

Soweit der Kläger darüber hinaus die Verpflichtung anstrebe, es zu unterlassen, personalrats- und wahlvorstandsinterne Äußerungen des Klägers amtsöffentlich zu verbreiten, sei die Klage unschlüssig, weil die Äußerungen nicht konkretisiert seien. Auch der pauschale Antrag, beleidigende und ehrenrührige Äußerungen über den Kläger zu unterlassen, werde durch das Tatsachenvorbringen des Klägers nicht begründet.

Das Urteil ist dem Kläger am 04.11.2003 zugestellt worden. Mit der am 26.11.2003 eingelegten und am 11.12.2003 begründeten Berufung verfolgt er sein Klageziel nach Maßgabe der Schriftsätze vom 10.12.2003 sowie vom 23.01.2004 weiter, auf die ergänzend Bezug genommen wird. Der Kläger meint, er könne von den Beklagten Widerruf und Unterlassung von ehrverletzenden Äußerungen verlangen. Im Ausgangspunkt teilt er die Auffassung des Arbeitsgerichts, wonach sachliche Kritik an Personalratsarbeit erlaubt und wichtig sei, sofern diese personalratsintern ausgeübt werde. Eine persönliche Herabwürdigung in der Amtsöffentlichkeit müsse vom Kläger hingegen nicht hingenommen werden. Die von ihm - dem Kläger - selbst erhobene Kritik der Wahlverschleppung durch die Beklagten sei berechtigt gewesen, weil die Beklagten es über 4 1/2 Monate nicht geschafft hätten, zu einer konstituierenden Sitzung des Wahlvorstandes einzuladen. Der ihm gegenüber öffentlich erhobene Vorwurf, zur Zusammenarbeit nicht fähig zu sein, sei sachlich nicht fundiert und stelle sich als "Schmähkritik" dar. Die Beklagten hätten allein das Ziel verfolgt, ihn in der Wählerschaft zu diffamieren und seine Aussichten auf eine Wiederwahl zu minimieren. Dies gelte auch für die weitere Behauptung, eine zielführende, ausgewogene Personalratsarbeit sei aufgrund seines Verhaltens nur unter schwierigen Bedingungen möglich.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten nach den zuletzt in der ersten Instanz gestellten Anträgen zu verurteilen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen,

und verteidigen die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 15.01.2004 sowie vom 28.01.2004, auf die ergänzend Bezug genommen wird. Sie sind der Auffassung, der Wählerschaft ihren Rücktrittsgrund so mitteilen zu müssen, wie dieser sich aus ihrer Sicht darstelle.

Entscheidungsgründe:

I.

Die frist- und formgerecht eingelegte und insgesamt zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit zutreffenden Erwägungen, die sich das Berufungsgericht nach § 543 Abs. 1 ZPO zu Eigen macht, abgewiesen. Die Begründung der Berufungsentscheidung wird deshalb im Hinblick auf das zweitinstanzliche Vorbringen auf folgende Gründe beschränkt:

1.

Verletzt ein Arbeitnehmer durch ehrverletzende Äußerungen das nach § 823 Abs. 1, 2 BGB geschützte Persönlichkeitsrecht eines anderen Arbeitnehmers, kann er von diesem analog §§ 12, 1004 Abs. 1 BGB Unterlassung und Widerruf verlangen. Ein Unterlassungsanspruch setzt dabei die Gefahr wiederholter ehrverletzender Äußerungen voraus. Für einen Widerrufsanspruch ist Voraussetzung, dass durch die unwahre Tatsachenbehauptung eine fortdauernde Rufbeeinträchtigung vorliegt. Der Widerruf muss erforderlich sein, um diese Rufbeeinträchtigung zu beseitigen und darf nicht nur als Ehrenerklärung oder Genugtuung für den Verletzten dienen. Darüber hinaus muss der Widerruf geeignet sein, die Ansehensminderung zu beseitigen oder zu mildern (LAG Niedersachsen 24.06.2003 - 13 Sa 54/03 - unter Hinweis auf BGH 15.11.1994 - VI ZR 56/94).

Rechtlicher Ausgangspunkt ist der von Art. 1 und 2 GG garantierte Persönlichkeitsschutz (vgl. BAG 27.02.1985 = BAGE GS 48, 122, 136, 139 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht mit Hinweis auf BVerfGE 34, 269, 280 = AP Nr. 21 zu Art. 2 GG). Das Persönlichkeitsrecht wird als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB vor objektiv rechtswidrigen Eingriffen geschützt. Gegenstand dieses Rechts ist die Achtung der individuellen Persönlichkeit. Beschränkt wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch kollidierende Grundrechte Dritter, insbesondere durch das Recht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG sowie durch Persönlichkeitsrechte Dritter (Erfurter Kommentar/Dieterich Art. 2 GG Rn. 65 unter Hinweis auf BVerG 06.05.1997 E 96, 56 = NJW 1997, 1769). Im Bereich des Zivilrechts müssen Persönlichkeitsrechte und andere Grundrechte der Teilnehmer am Rechtsverkehr zum Ausgleich gebracht werden. Soweit nicht beiden Grundrechtspositionen Geltung verschafft werden kann, ist unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, welches Interesse zurückzutreten hat. Dazu sind im Zweifel die Gerichte durch Auslegung und Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften verpflichtet (Erfurter Kommentar/Dieterich Art. 2 GG Rn. 66).

Ob ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht durch eine ehrverletztende Äußerung objektiv rechtswidrig ist, hängt wesentlich davon ab, inwieweit es sich hierbei um eine zulässige Ausübung der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG handelt. Tragendes Merkmal des Schutzbereichs der Meinungsfreiheit ist die persönliche Meinung. Kennzeichnend ist ihre Subjektivität, also das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens und Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung. Unerheblich sind die Bedeutsamkeit, die Richtigkeit oder gar Vernünftigkeit einer Äußerung (BVerfG 22.06.1982 E 61, 1, 7 ff. = NJW 1983, 1415). Selbst polemische und beleidigende Werturteile fallen in den Schutzbereich, soweit sie als Teil des Meinungskampfes verstanden werden müssen. Diese Grenze überschreitet erst die sogenannte "Schmähkritik", die nur noch auf Verunglimpfung abzielt und für die Meinungsbildung - und sei es auch in noch so polemischer zugespitzter Form - keine Rolle mehr spielt (BVerfG 26.06.1990 E 82, 272, 283 f.; Erfurter Kommentar/Dieterich Art. 5 GG Rn.). Zwar ist von einer subjektiv wertenden Meinungsäußerung theoretisch die reine Tatsachenbehauptung zu unterscheiden, die an sich einem Wahrheitsbeweis zugänglich ist. Allerdings sind die subjektiven und objektiven Elemente einer Meinungsäußerung regelmäßig so eng verknüpft und wechselseitig aufeinander bezogen, dass sie sich praktisch nicht trennen lassen. Meinungsbezogene Tatsachenbehauptungen fallen deshalb im Zweifel ebenfalls in den Schutzbereich des Art. 5, 1 GG, wenn sie offensichtlich falsch sind (BVerfG 09.10.1991 E 85, 1 = NJW 1992 1439; kritisch Erfurter Kommentar/Dieterich Art. 5 GG Rn. 7, der mit weiteren Schrifttumsnachweisen der Auffassung ist, falsche Tatsachenbehauptungen seien ebenso wie unhaltbare Meinungen prinzipiell in den Grundrechtsschutz einzubeziehen). Die tolerable Grenze eines Eingriffs in die Meinungsfreiheit lässt sich mit Hilfe genereller und abstrakter Normen nicht abschließend festlegen. Es kommt auf den konkreten Inhalt sowie die Form der Meinungsäußerung und die gesamten Begleitumstände sowie auf die Folgen an. Das zeigt sich besonders deutlich bei der Abgrenzung zum Ehrenschutz. Was beleidigend ist und von den Betroffenen in der konkreten Situation noch hingenommen werden muss, hängt von der Feststellung und Bewertung vielfältiger Faktoren ab, die sich jeder Verallgemeinerung entziehen. Grundsätzlich allerdings ist zu berücksichtigen, dass Meinungsäußerungen im Zusammenhang mit einem politischen Diskurs um ein Wahlamt nur in äußersten Fällen eingeschritten werden darf. Dies gilt im Wahlkampf der politischen Parteien (BverfG 22.06.1982 E 61, 1 = NJW 1983, 1415) und entsprechend bei anderen demokratischen Wahlen, so auch bei der Personalratswahl.

2.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze stellen die Äußerungen der Beklagten im Schreiben vom 30.10.2002, das sie am "Schwarzen Brett" ausgehängt und per E-Mail den Mitarbeitern der Dienststelle zugänglich gemacht haben, keinen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar.

Zwar sind die Äußerungen der Beklagten geeignet, das Persönlichkeitsrecht des Klägers zu verletzen. Wenn ihm öffentlich vorgehalten wird, eine sachlich zielführende und ausgewogene Personalratsarbeit und Zusammenarbeit im Sinne aller Beteiligten sei mit ihm nicht möglich, so liegt in dieser Erklärung ein Gemenge von Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung, das den Kläger im ungünstigen Licht erscheinen lassen soll und erscheinen lässt. Die Äußerung besagt, dass der Kläger die zentrale Aufgabe, als Vorsitzender des Personalrats das Gremium im Sinne konstruktiv sachlicher Arbeit zu leiten, weder in der Vergangenheit bewältigt hat noch dazu zukünftig in der Lage ist. Dass der Kläger dadurch öffentlich diskreditiert werden soll, liegt auf der Hand.

Indes ist dieser Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht objektiv rechtswidrig. Er ist von der Freiheit der Meinungsäußerung im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung umfasst. Die Äußerungen beinhalten eine ganz überwiegend wertende Komponente. Die Beklagten haben zum Ausdruck gebracht, dass sie den Kläger für die Aufgabe des Personalratsvorsitzenden für ungeeignet halten. Dies stellt im Rahmen der Auseinandersetzung um ein Personalratsamt ebenso wenig eine Form unberechtigter Schmähkritik dar, wie die vom Kläger selbst gegenüber dem bisherigen Restpersonalrat unter Vorhaltung von Versäumnissen in der Vergangenheit erhobene Ermahnung, die Neutralitätsverpflichtung zu wahren. Derartige Meinungen dürfen wechselseitig im demokratischen politischen Prozess geäußert werden, und zwar intern wie öffentlich. Stellen sie den Grund für den Rücktritt der Mitglieder des Personalrats dar, sind sie geradezu geboten, zumal die Verzögerung der Wahl nach dem Rücktritt bei den Wählern zusätzliche Fragen aufwirft. Der Kläger wird auch nicht erwarten können, auf der einen Seite in den Schreiben vom 28.10. und 30.10.2002 scharfe Kritik anzubringen, die sich namentlich an den Dienststellenleiter sowie den Wahlvorstand richtet, und auf der anderen Seite selbst von Kritik verschont zu bleiben, obwohl sein Führungsstil zum Rücktritt einzelner Personalratsmitglieder und Neuwahl geführt hat. Dies ist der demokratische Prozess. Wer sich einer Wahl und politischen Auseinandersetzung stellt, muss mit ihr umgehen können. Die auch hier zu ziehende Grenze einer persönlichen Schmähkritik ist nicht überschritten, denn die Vorhaltungen der Beklagten beziehen sich ausschließlich auf seine Zusammenarbeit im Rahmen der Personalratstätigkeit und zielen nicht auf den Kläger persönlich oder seine Arbeitsleistung ab.

Mangels objektiv rechtswidriger Persönlichkeitsrechtsverletzung kommt weder ein Anspruch auf Unterlassung noch auf Widerruf in Betracht.

Selbst wenn man in der Erklärung, eine sachliche zielführende und ausgewogene Personalratsarbeit im Sinne aller Beteiligten sei mit dem Kläger nicht möglich, im Gegensatz zu den vorstehenden Ausführungen eine überwiegende Tatsachenbehauptung sehen würde, so ist nicht ersichtlich, dass die Äußerungen der Beklagten über den inzwischen abgeschlossenen Personalratswahlkampf hinaus nachteilige Folgen für den Kläger haben. Die Beklagten haben die Angriffe auf die Person des Klägers nur einmal unternommen und nicht wiederholt. Der Kläger ist nicht mehr Vorsitzender des Personalrats, er gehört dem Gremium nur noch als einfaches Mitglied an.

II.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Es bestehen keine Gründe zur Zulassung der Revision.

Ende der Entscheidung

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