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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 08.11.2004
Aktenzeichen: 5 TaBV 36/04
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbZG, MTV Einzelhandel Niedersachsen


Vorschriften:

BetrVG § 80 Abs. 1
BetrVG § 80 Abs. 2
ArbZG § 16 Abs. 2
MTV Einzelhandel Niedersachsen
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Betriebsrat Auskunft über die exakten Arbeitszeiten zu geben, soweit dessen Überwachungsaufgabe nach § 80 BetrVG dies erfordert. Er darf deshalb auf die exakte Feststellung der "Ist-Zeiten" nicht verzichten. Benutzt er zur Zeiterfassung kein elektronisches System, sondern "vertraut" er auf die Selbstaufschreibung der Arbeitnehmer, muss er durch wirksame Kontrollen gewährleisten, das die Arbeitszeiten zutreffend aufgeschrieben werden ( im Anschluss an BAG 6.05.2003 - 1 ABR 13/02 - ).
Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

5 TaBV 36/04

Verkündet am: 8. November 2004

In dem Beschlussverfahren

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen aufgrund der Anhörung am 8. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kiel und die ehrenamtlichen Richter Bartels und Kunze

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 28.01.2004 - 5 BV 13/03 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, den genauen Beginn und das genaue Ende der täglichen Arbeitszeit der Beschäftigten zu erfassen, um dem (antragstellenden) Betriebsrat entsprechend exakte Auskünfte erteilen zu können.

Die Arbeitgeberin betreibt in ihrer Filiale in .... ein Kaufhaus mit ca. 400 Beschäftigten auf einer Fläche von ca. 25.000 m². Sie wendet auf die Arbeitsverhältnisse den Manteltarifvertrag Einzelhandel Niedersachsen an, der vom 01.09.2003 bis zum 31.12.2006 gilt,(im Folgenden: MTV).

Die Beteiligten schlossen im Jahr 1997 eine Betriebsvereinbarung über Arbeitszeit und Pausen, die der Antragschrift anliegt. Im Zuge der Verlängerung der Ladenöffnungszeiten wurde diese Regelung zunächst durch Spruch der Einigungsstelle vom 26.06.2003 ergänzt und schließlich durch Betriebsvereinbarungen 24.09.2003 abgelöst, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Die Betriebsvereinbarung Arbeitszeit sieht für Vollzeitbeschäftigte Schichtzeiten vor. Sie werden durch sog. "Rollkalender" konkretisiert, aus denen sich ergibt, wann jeder einzelne Arbeitnehmer in der Frühschicht und wann er in der Spätschicht zu arbeiten hat und an welchen Tagen die sog. Rolltage (arbeitsfreie Tage) liegen.

Bei einem Überschreiten der geplanten Arbeitszeit müssen die Beschäftigten am folgenden Arbeitstag einen sog. "Passierschein" ausstellen und von dem Abteilungsleiter gegenzeichnen lassen.

In der Vergangenheit rügte der Betriebsrat verschiedentlich die Überschreitung geplanter Arbeitszeiten. Nachdem das Gewerbeaufsichtsamt Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz festgestellt hatte, forderte der Personalleiter die Arbeitnehmer im Hinblick auf die Dokumentationspflicht nach § 16 Abs. 2 ArbZG unter dem 13.11.2002 schriftlich auf, Arbeitszeiten über 8 Stunden nachzuweisen. Die Abteilungsleitungen wurden angewiesen, die ordnungsgemäße Führung des Anwesenheitsnachweises durch eine zusätzliche Kontrolle in den Mittagsstunden zwischen 12.00 und 15.00 Uhr abzuzeichnen und sich an jedem Tag zu überzeugen, dass ein korrektes Ausfüllen des Arbeitszeitendes erfolgt. Dadurch sollte gewährleistet werden, dass sich Arbeitnehmer nicht bereits vor ihrem tatsächlichen Arbeitsende in die Liste eintragen, was in der Vergangenheit in Einzelfällen vorkam.

Bei Arbeitnehmern mit einer täglichen Arbeitszeit von unter 8 Stunden findet hingegen keine minutengenaue Feststellung der Ist-Arbeitszeit statt.

Es werden weder die genauen Zeiten des Dienstantritts noch Tätigkeiten nach dem dienstplanmäßigen Dienstende erfasst. Insbesondere lässt die Arbeitgeberin Zeiten nicht kontrollieren und dokumentieren, die durch das sog. "Zu-Ende-Bedienen" und den Kassenabschluss über die geplante Arbeitszeit hinaus entstehen. Die sich aus den Rollgruppeneinteilungen ergebende Soll-Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten bzw. die vereinbarte Arbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten (jeweils unter 8 Stunden) wird lediglich in eine sog. Personalliste eingetragen. Darin wird die Soll-Arbeitszeit der einzelnen Arbeitnehmer festgehalten. Die tatsächliche Anwesenheit wird von den Abteilungsleitern durch eine entsprechende Eintragung in der "Ist-Spalte" abgehakt.

Die Arbeitgeberin verfügt über ein in den Betriebsräumen installiertes, funktionsfähiges elektronisches Zeiterfassungssystem, das nicht benutzt wird. Die Betriebsparteien führen seit längerem und bisher ergebnislos Gespräche über eine Betriebsvereinbarung Zeiterfassung.

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Arbeitgeberin zu verpflichten, den jeweiligen Arbeitsbeginn und das jeweilige Ende der täglichen Arbeitszeit der im Verkauf tätigen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten der Filiale zu erfassen sowie dem Betriebsrat vorzulegen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, nur zur Erfassung der über 8 Stunden hinausgehenden Arbeitszeit verpflichtet zu sein. Sie hat behauptet, es sei seit Einführung dieser Dokumentation zu keinen weiteren Verstößen gekommen.

Das Arbeitsgericht hat die Arbeitgeberin durch Beschluss vom 28.01.2004 nach einschränkender Auslegung des Antrags dazu verpflichtet, dem Betriebsrat Auskunft über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der im Verkauf tätigen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten der Filiale zu geben. Es hat diese Entscheidung im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Rechtssätze des Bundesarbeitsgerichts im Beschluss vom 06.05.2003 (1 ABR 13/02) damit begründet, dass der Betriebsrat Anspruch auf Mitteilung über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Beschäftigten an jedem Arbeitstag habe, um die Einhaltung des § 5 Abs. 1 ArbZG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG sowie der Betriebsvereinbarung Arbeitszeit überprüfen zu können. Dieser Anspruch sei durch die Führung des Anwesenheitsnachweises über die 8 Stunden überschreitende Arbeitszeit nicht erfüllt, einerseits weil der Betriebsrat einen vollständigen und nicht nur einen ausschnittweisen Unterrichtungsanspruch habe, andererseits weil die tatsächlichen Arbeitszeiten dort nur unvollständig erfasst seien.

Der Beschluss ist der Arbeitgeberin am 22.03.2004 zugestellt worden. Mit ihrer am 21.04.2004 eingelegten und am letzten Tag der Frist, die durch Beschluss vom 24.05.2004 bis zum 24.06.2004 verlängert worden ist, begründeten Beschwerde verfolgt sie ihren Zurückweisungsantrag nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 24.06.2004 weiter, auf dessen vollständigen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Die Arbeitgeberin behauptet, seit der Anweisung vom 13.11.2002 sei es nicht mehr zu bewussten oder unbewussten Fehleintragungen gekommen. Sie ist der Auffassung, der Betriebsrat könne nur verlangen, Einblick in die Personallisten sowie in die Listen der über 8 Stunden hinausgehenden Arbeitszeit zu nehmen, die nach Maßgabe des § 16 Abs. 2 ArbZG dokumentiert werde. Soweit für die übrigen Beschäftigten keine gesetzliche Verpflichtung bestehe, habe der Betriebsrat keinen Auskunftsanspruch, weil sie -die Arbeitgeberin - auf eine weitergehende, minutengenaue Erfassung von Daten verzichte und deshalb insoweit naturgemäß keine Auskunft geben könne. Zu einer solchen Erfassung der Arbeitszeiten sei sie auch unter Beachtung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 06.05.2003 (1 ABR 13/ 02) nicht verpflichtet, welche zu einer im Betrieb praktizierten Vertrauensarbeitszeit ergangen sei. Im vorliegenden Fall werde die Soll-Arbeitszeit der Beschäftigten dagegen in Rollkalendern festgestellt und deren Einhaltung überprüft. Bei dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Sachverhalt sei es letztlich den Beschäftigten in Eigenverantwortung überlassen geblieben festzulegen, wann sie ihre arbeitsvertragliche Pflicht erfüllten. Die Einführung einer "perfekteren" Arbeitszeiterfassung, beispielsweise durch ein elektronisches "Stempeluhr-System", könne vom Betriebsrat in Ermangelung eines entsprechenden Initiativrechts nicht verlangt werden.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 28.01.2004 - 5 BV 13/03 - abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen,

und verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 13.08.2003, auf dessen Inhalt ebenfalls ergänzend verwiesen wird. Der Betriebsrat nimmt den Standpunkt ein, die Rechtssätze des Bundesarbeitsgerichts in dem Beschluss vom 06.05.2003 (a.a.O.) seien nicht auf die Situation einer Vertrauensarbeitszeit begrenzt. Die Arbeitgeberin müsse den Betrieb so organisieren, dass sie die Durchführung der geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen selbst gewährleisten könne. Sie müsse sich über die entsprechenden Daten in Kenntnis setzen und dem Betriebsrat darüber Auskunft erteilen.

Die Arbeitgeberin dürfe generell nicht auf die Feststellung der tatsächlichen Arbeitszeit verzichten. Der Betriebsrat behauptet, Vor- und Abschlussarbeiten nach § 7 a Abs. 7 MTV würden nicht bei allen Arbeitnehmern erfasst und blieben deshalb teilweise unvergütet. Auch hinsichtlich der über 8 Stunden hinaus Beschäftigten dürfe die Arbeitgeberin nicht darauf "vertrauen", dass die Beschäftigten ihre Arbeitsstunden richtig festhielten. Dazu behauptet der Betriebsrat, es gebe weiterhin Fehleintragungen. Außerdem seien die 14 Leiter bzw. 8 Substituten der 35 Abteilungen bei einer Beschäftigtenstärke bis zu 90 Arbeitnehmern zu einer entsprechenden Dokumentation tatsächlich nicht in der Lage.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte und insgesamt zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1.

Der auf eine künftige Leistung gerichtete Antrag ist zulässig. Der Betriebsrat will erreichen, dass die Arbeitgeberin zukünftig die tatsächlichen Arbeitszeiten für die Arbeitnehmer exakt erfasst und ihm mitteilt, damit überprüft werden kann, ob die gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Regelungen eingehalten werden. Ein solcher, auf eine zukünftige Leistung gerichteter Antrag ist nach § 259 ZPO zulässig, wenn den Umständen nach die Besorgnis besteht, der Schuldner werde sich der Leistung entziehen. Das ist hier der Fall. Die Arbeitgeberin hat die begehrten Auskünfte bisher mit der Auffassung verweigert, sie sei zu minutiöser Zeiterfassung nur für die über 8 Stunden hinaus Beschäftigten verpflichtet; bezüglich dieser Gruppe habe sie ausreichende Vorkehrungen getroffen, dass die Arbeitszeiten korrekt erfasst würden.

2.

Der Antrag ist auch begründet. Der Betriebsrat kann von der Arbeitgeberin für alle im Verkauf beschäftigten Teilzeit- und Vollzeitarbeitnehmer Auskunft über den genauen Beginn und das genaue Ende der tatsächlichen täglichen Arbeitszeit verlangen, § 80 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 BetrVG.

a)

Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner gesetzlichen Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Der Verpflichtung entspricht ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats. Nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG sind dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Zu den Aufgaben im Sinne dieser Vorschrift gehört es, die Einhaltung der zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen zu überwachen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Diese Überwachungsaufgabe ist vom Vorliegen besonderer Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte unabhängig. Allerdings gehört die Wahrnehmung von Beteiligungsrechten nach dem Betriebsverfassungsgesetz ihrerseits zu den Aufgaben des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Die Unterrichtung soll es dem Betriebsrat ermöglichen, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob sich Aufgaben im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ergeben und er zu ihrer Wahrnehmung tätig werden muss. Die Grenzen des Auskunftsanspruchs liegen dort, wo ein Beteiligungsrecht offensichtlich nicht in Betracht kommt, wobei eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Aufgaben des Betriebsrats genügt. Deshalb muss zweistufig geprüft werden, ob überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben und ob im Einzelfall die begehrte Information erforderlich ist (vgl. BAG, 06.05.2003 - 1 ABR 13/02 - AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972 = EZA § 80 BetrVG 2001 Nr. 2 = NZA 2003, 1348 unter II. 3. a) der Gründe).

b)

Im vorliegenden Fall hat der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG die Einhaltung der Arbeitszeitregelungen nach dem Arbeitszeitgesetz (insbesondere § 3) sowie nach dem MTV (insbesondere §§ 5, 7 a) in Verbindung mit der Betriebsvereinbarung Arbeitszeit vom 24.09.2003 zu überwachen. Die vom Betriebsrat begehrten Auskünfte über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der im Verkauf tätigen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten sind dazu erforderlich. Der Betriebsrat muss nachvollziehen, ob die in der Anlage zur Betriebsvereinbarung geregelte regelmäßige tägliche Arbeitszeit und die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit nach § 5 Ziffer 1 MTV tatsächlich eingehalten wird, ob und wie häufig dringende Vor- und Abschlussarbeiten sowie Aufräumungs- und Kassenabschlussarbeiten geleistet werden und ob der dazu vorgegebene tarifliche Rahmen von täglich 15 Minuten eingehalten wird (§ 7 a Ziffer 7 MTV). Der Betriebsrat muss nachvollziehen können, ob und in welcher Form ein Freizeitausgleich stattgefunden hat (§ 7 a Ziffer 7 Satz 2 MTV), und ob und in welchem Umfang darüber hinaus zuschlagpflichtige Mehrarbeit geleistet wurde (§ 7 a Ziffer 5 MTV) bzw. wie dieser abgegolten bzw. ausgeglichen wurde (§ 7 a Ziffer 6 MTV), und ob ggf. bestehende Beteiligungsrechte nach § 87 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG gewahrt wurden, soweit Mehrarbeit nicht von der Betriebsvereinbarung vom 24.09.2003 abgedeckt ist.

Daneben benötigt der Betriebsrat diese Informationen über die tatsächliche Einhaltung der Arbeitszeit nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zur Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG in Verbindung mit § 5 Ziffern 2, 3 MTV. Selbst wenn sich die Beteiligten auf eine Betriebsvereinbarung Arbeitszeit geeinigt haben, so müssen sie - und insbesondere auch der Betriebsrat - stets überprüfen, ob die darin getroffenen Regelungen den tatsächlichen betrieblichen Verhältnissen noch gerecht werden. Dies gilt insbesondere auch für Teilzeitbeschäftigte, für die in der Betriebsvereinbarung vom 24.09.2003 bisher nur partiell Regelungen enthalten sind.

c)

Dem Auskunftsanspruch des Betriebsrat aus § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG in Verbindung mit § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber die exakten tatsächlichen Arbeitszeiten bewusst nicht erfasst.

aa)

Für den Anspruch des Betriebsrats aus § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG gilt allerdings im Grundsatz, worauf die Arbeitgeberin zutreffend hinweist, dass dem Betriebsrat die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen nur zur Verfügung zu stellen sind, wenn sie diese tatsächlich besitzt. Der Betriebsrat kann in der Regel nicht verlangen, dass ein Arbeitgeber nicht vorhandene Unterlagen für ihn erst erstellt. Die Überwachungsaufgabe des § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG macht den Betriebsrat nicht zu einem dem Arbeitgeber übergeordneten Kontrollorgan. Sie ist vielmehr im Licht der vertrauensvollen Zusammenarbeit zu sehen (vgl. BAG vom 06.05.2003, a.a.O. unter B II 2 d aa der Gründe).

bb)

Nach dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 06.05.2003 (a.a.O. unter B II 2 d cc (1) der Gründe) gilt dieser Grundsatz aber nicht für Daten zur Arbeitszeit der Arbeitnehmer, über die der Betriebsrat Auskunft begehrt und deren Kenntnis er zur Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe benötigt. Das Bundesarbeitsgericht unterscheidet zwischen Daten, die erst von dritter Seite beschafft werden müssen, und solchen, die nur "zur Kenntnis genommen und mitteilbar gemacht" werden müssen und zu deren Erfassung der Arbeitgeber verpflichtet ist. Zu einer solchen Wahrnehmung und Erfassung der anfallenden Daten zur Arbeitszeit der einzelnen Arbeitnehmer ist der Arbeitgeber bereits unabhängig von der Überwachungsaufgabe des Betriebsrats verpflichtet. Darauf, ob er die Daten erheben will, kommt es nicht an. Ein Verzicht auf die Erhebung von Arbeitszeitdaten der Arbeitnehmer stellt keine zulässige Ausübung der betrieblichen Organisations- und Leitungsmacht des Arbeitgebers dar, weil der Arbeitgeber seinen Betrieb so organisieren muss, dass die gesetzlichen, tariflichen und ggf. durch Betriebsvereinbarung geregelten Arbeitszeitgrenzen eingehalten werden. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG setzt voraus, dass der Arbeitgeber die Übereinstimmung betrieblicher Abläufe mit den normativen Vorgaben selbst überprüfen und erforderlichenfalls korrigierend eingreifen kann. Ihm obliegt die Verantwortung für die Führung des Betriebes (§ 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).

Zur Wahrnehmung der Daten ist der Arbeitgeber auch im Hinblick auf die Überwachungsaufgabe des Betriebsrats verpflichtet. Die benötigten Auskünfte sind zu deren Durchführung - anders als zusätzlich gewünschte Unterlagen - unverzichtbar. Der Arbeitgeber hat die betreffenden Informationen deshalb auch dann zu beschaffen, wenn er selbst meint, auf sie verzichten zu können. Anderenfalls hätte er es in der Hand, die Aufgabenwahrnehmung zu verhindern oder doch den Betriebsrat gegen dessen Willen zu eigenen Erkundigungen und Datenerhebungen zu zwingen. Dafür gibt es keine gesetzliche Grundlage. Der Arbeitgeber kann seiner Pflicht zur Auskunfterteilung auch nicht dadurch nachkommen, dass er den Betriebsrat auf die Möglichkeit zur eigenständigen Informationsbeschaffung nach § 80 Abs. 2, Abs. 3 BetrVG verweist (vgl. BAG vom 06.05.2003 a.a.O. unter B II 2 d cc (3) der Gründe).

cc)

Diese Rechtsgrundsätze hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 06.05.2004 (a.a.O.) für den Fall aufgestellt, dass der Betriebsrat einem Arbeitszeitmodell zugestimmt hat, bei dem auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit insgesamt verpflichtet wird (sog. Vertrauensarbeitszeit). Es hat dazu ausgeführt, es könne zwar im Rahmen einer betrieblichen Arbeitszeitregelung von dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG in der Weise Gebrauch gemacht werden, dass die Festlegung der Lage der Arbeitszeit dem zu schützenden Arbeitnehmer selbst überlassen bleibe. Der Zweck des Mitbestimmungsrechts, die Interessen des Arbeitnehmers an einer sinnvollen Arbeits- und Freizeitgestaltung zu schützen, würde auch auf diese Weise gewahrt. Bei einer solchen Arbeitszeitgestaltung sei aber zu gewährleisten, dass die gesetzlichen, tariflichen und ggf. betrieblichen Höchstarbeitszeitgrenzen beachtet würden. Lediglich die Wahl der dafür geeigneten Mittel liege in der Organisations- und Leitungsmacht des Arbeitgebers, nicht dagegen die Entscheidung, auf eine Kenntnisnahme der tatsächlichen Arbeitszeiten der Beschäftigten bewusst zu verzichten (vgl. BAG vom 06.05.2003, a.a.O. unter B II 2 d cc (2) der Gründe).

dd)

Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze führt aber auch für den vorliegenden Fall dazu, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, dem Betriebsrat Auskunft über die exakten Arbeitszeiten, also über den genauen Beginn und das genaue Ende der täglichen Arbeitszeit der teilzeit- und vollzeitbeschäftigten Verkäufer/Innen zu geben.

Im Gegensatz zu einer vereinbarten Vertrauensarbeitszeit werden zwar die Arbeitszeiten der Vollzeitbeschäftigten im Verkauf nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung vom 24.09.2003 nach Rollkalendern geplant, auf deren Grundlage festgelegt wird, wann der einzelne Arbeitnehmer in der Frühschicht und wann er in der Spätschicht zu arbeiten hat und an welchen Tagen die sog. Rolltage (arbeitsfreie Tage) liegen. Die sich aus den Rollgruppeneinteilungen ergebenden Soll-Arbeitszeiten der Vollzeitbeschäftigten bzw. die vereinbarte Arbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten (jeweils unter 8 Stunden) werden in eine sog. Personalliste eingetragen. Darin wird die Soll-Arbeitszeit der einzelnen Arbeitnehmer festgehalten. Die tatsächliche Anwesenheit wird von den Abteilungsleitern durch eine entsprechende Eintragung in der "Ist-Spalte" abgehakt. Der Betriebsrat kann aufgrund dieser Informationen erkennen, zu welchen Zeiten die einzelnen Arbeitnehmer eingeteilt sind und dass sie an diesen Tagen tatsächlich anwesend waren. Er kann nachvollziehen, ob der Arbeitseinsatz der im Verkauf beschäftigten Arbeitnehmer im Umfang der tariflichen Arbeitszeit sowie nach den Regelungen der Betriebsvereinbarung geplant wird. Da auch die Arbeitszeiten der Teilzeitbeschäftigten in die Personalliste eingetragen werden, kann er zudem erkennen, zu welchen Zeiten die Teilzeitbeschäftigten im Verkauf zur Arbeit eingeteilt und ob sie zu den eingeteilten Zeiten anwesend waren.

Da aber weder die genauen Zeiten des Dienstantritts noch Tätigkeiten nach dem dienstplanmäßigen Dienstende erfasst werden, kann der Betriebsrat aufgrund dieser Liste nicht feststellen, welche Zeiten über die geplante Arbeitszeit hinaus durch das sog. "Zu-Ende-Bedienen" und den Kassenabschluss sowie sonstige Vor- und Abschlussarbeiten entstehen. Auf eine solche minutiöse Feststellung und Erfassung der Ist-Arbeitszeiten verzichtet die Arbeitgeberin, obwohl diese Arbeitszeiten nach Maßgabe des § 7 a Abs. 7 in Verbindung mit Abs. 6 MTV vergütungspflichtig und vorrangig durch Freizeit auszugleichen sind. Die Arbeitgeberin trägt diesem Umstand zwar dadurch Rechnung, dass die betroffenen Arbeitnehmer bei einem Überschreiten der geplanten Arbeitszeit am Folgearbeitstag einen sog. "Passierschein" ausstellen und von dem Abteilungsleiter gegenzeichnen lassen können, um sich die Mehrarbeitszeit bestätigen zu lassen. Ob die Arbeitnehmer von dieser "Möglichkeit" allerdings Gebrauch machen, kontrolliert die Arbeitgeberin nicht und kann dem Betriebsrat deshalb darüber auch keine Auskunft erteilen. Die Feststellung, ob die Arbeitnehmer im Rahmen der tariflich vorgesehenen Zeiten tatsächlich arbeiten und ob Mehrarbeitszeiten tarifgerecht (unter Berücksichtigung etwaiger Zuschüsse) in Freizeit umgerechnet bzw. vergütet worden sind, kann aber nicht zuverlässig getroffen werden, wenn nicht sichergestellt ist, ob die Arbeitnehmer diese Zeiten in "Passierscheinen" jeweils anmelden. Auch lässt sich damit das nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung festzulegende Ausgleichsvolumen nicht zuverlässig ermitteln, wenn der Arbeitgeber nur darauf "vertraut", Arbeitnehmer würden sich ihre Mehrarbeit jeweils am Folgearbeitstag bestätigen lassen. Selbst wenn die Geltendmachung dieser Arbeitszeiten über den geplanten Umfang hinaus im eigenen wirtschaftlichen Interesse der Arbeitnehmer liegt, wäre es praxisfern anzunehmen, dass alle Beschäftigten die auftretende Mehrarbeitszeit gleichermaßen formal dokumentieren. Dass - wie die Arbeitgeberin in der mündlichen Verhandlung vortragen ließ - geringfügige Mehrarbeit durch einzelfallbezogene Absprache auf Abteilungsebene (etwa durch einen etwas späteren Arbeitsbeginn) ausgeglichen werde, steht dem gesetzlichen Auskunftsanspruch des Betriebsrats nicht entgegen, sondern begründet diesen zusätzlich. Der Betriebsrat hat nämlich nicht nur darauf zu achten, dass und in welchem Umfang die tatsächlichen Zeiten von den geplanten Zeiten abweichen, sondern auch nachzuvollziehen, dass diese nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung vom 24.09.2003 sowie zwischen und innerhalb der Abteilungen nach gleichen Maßstäben ausgeglichen werden.

Die Arbeitgeberin muss deshalb die tatsächlichen Arbeitszeitdaten der Arbeitnehmer exakt erfassen, zur Kenntnis nehmen und dem Betriebsrat auf Verlangen mitteilen, damit dieser seine Aufgaben nach § 80 Abs. 1 BetrVG und ggf. nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG wahrnehmen kann. Dazu bietet sich das im Betrieb vorhandene, funktionsfähige elektronische Arbeitszeitsystem an, ohne dass der Betriebsrat dessen Inbetriebnahme nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG allerdings verlangen kann. Ebenso wie für die Verpflichtung zur Aufzeichnungspflicht nach § 16 Abs. 2 ArbZG kann der Arbeitgeber Arbeitszeitnachweise in vielfältiger Weise erstellen lassen, z. B. durch Stundenzettel, Arbeitszeitkarten, Listen oder auch Eigenaufschreibungen der Beschäftigten, wobei er allerdings durch angemessene und wirksame Kontrollen sicherstellen muss, dass die tatsächlichen Arbeitszeiten ordnungsgemäß erfasst werden.

Der Betriebsrat kann danach verlangen, dass die Arbeitgeberin die tatsächlichen Arbeitszeiten für sämtliche Beschäftigten im Verkauf dokumentieren lässt, und zwar nicht nur optional und auch nicht nur für die über 8 Stunden Beschäftigten. Ob das insoweit praktizierte Verfahren wirksam ist, kann das Gericht bei einem großen Kaufhaus mit Abteilungen bis zu 90 Arbeitnehmern nicht feststellen, weil die Arbeitgeberin im Verfahren zum Nachweis nur Blanco-Bögen über das angeordnete Verfahren vorgetragen hat. Selbst unterstellt, dass eine Kontrolle des tatsächlichen täglichen Arbeitsendes nach der Anweisung vom 13.11.2002 durch die Abteilungsleiter möglich ist und erfolgt, müsste sich, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, der Betriebsrat nicht auf eine teilweise Erfüllung seines Auskunftsanspruchs verweisen zu lassen.

3.

Die Rechtsbeschwerde war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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