Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 30.06.2003
Aktenzeichen: 5 TaBV 91/02
Rechtsgebiete: BGB, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 613 a
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
BetrVG § 99 Abs. 1
BetrVG § 99 Abs. 4
BetrVG § 101
1) Unterlässt der Arbeitgeber die Eingruppierung eines einzustellenden Arbeitnehmers und entsteht dadurch ein betriebsverfassungswidriger Zustand nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, kann der Betriebsrat entsprechend § 101 BetrVG verlangen, dass der Arbeitgeber den betreffenden Arbeitnehmer nach Maßgabe der anzuwendenden Vergütungsordnung eingruppiert, die Zustimmung dazu beantragt und ein Verweigerungsfall das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchführt.

2) Ein betriebsverfassungswidriger Zustand setzt in einem solchen Fall eine im Betrieb anzuwendende Vergütungsordnung voraus. Die in einem Haustarifvertrag geregelte Vergütungsordnung entfaltet für Arbeitnehmer, die nach dem Übergang des Betriebes eingestellt werden, keine unmittelbare rechtliche Wirkung mehr, sofern der Tarifvertrag nicht arbeitsvertraglich in Bezug genommen wird (BAG 20.06.2001 - 4 AZR 295/00.

3) Entscheidet sich der Arbeitgeber dafür, zukünftig individuelle Vergütungsabreden zu treffen, ohne auf ein bestimmtes Entlohnungssystem zurückzugreifen, fällt die in dem Haustarifvertrag geregelte Vergütungsnordung.


Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

5 TaBV 91/02

Verkündet am: 30. Juni 2003

In dem Beschlussverfahren

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen aufgrund der Anhörung am 30. Juni 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kiel und die ehrenamtlichen Richter Sinn und Wojke

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 19.06.2002 - 8 BV 10/01 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die nach Übernahme des Betriebes durch die Antragsgegnerin eingestellten Arbeitnehmer nach Maßgabe eines bei der Rechtsvorgängerin geltenden Gehaltstarifvertrages einzugruppieren sind.

Bei dem Betrieb der Antragsgegnerin in L. handelte es sich ursprünglich um einen Betrieb der G. (im Folgenden: G.).

Die G. verständigte sich am 06.03.2000 mit der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen sowie mit der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft auf einen Gehaltstarifvertrag, der die Tätigkeits- und Anforderungsbeschreibungen für die einzelnen Tarifgruppen rückwirkend ab dem 01.01.2000 regelte. Die im Betrieb L. beschäftigten Arbeitnehmer der G. wurden ebenso wie die in den Betrieben H. und O. Beschäftigten entsprechend diesem Tarifvertrag in die einzelnen Tarifgruppen eingruppiert und entsprechend vergütet.

Zum 01.07.2001 pachtete die Antragsgegnerin die Betriebe in L., H. und O.. Nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten liegen die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs nach § 613 a BGB vor.

Die Antragsgegnerin nahm Umgruppierungen von Arbeitnehmern, die bereits vor dem 30.06.2001 im Betrieb L. beschäftigt waren, auch nach dem 01.07.2001 in Anwendung des Gehaltstarifvertrages vom 06.03.2000 vor. Die Eingruppierung von nach dem 01.07.2001 eingestellten Arbeitnehmern lehnte sie hingegen mit der Begründung ab, die Gehälter seien jeweils individuell vereinbart.

So unterrichtete die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Schreiben vom 06.06.2001 über die beabsichtigte Einstellung des Arbeitnehmers K. als Software-Entwickler mit Wirkung zum 16.07.2001 zu einem monatlichen Gehalt von 5.800,00 DM brutto und bat insoweit um Zustimmung zur Einstellung. Mit Schreiben vom 13.06.2001 stimmte der Antragsteller der Einstellung von Herrn K. zu, verweigerte gleichzeitig aber die Zustimmung zur Eingruppierung, da diese nicht nach dem Gehaltstarifvertrag erfolge.

Mit Schreiben vom 20.06.2001 unterrichtete die Antragsgegnerin den Antragsteller über die beabsichtigte Einstellung der Arbeitnehmerin Bö. für die Personalabteilung mit Wirkung zum 01.09.2001, befristet bis zum 31.08.2002, zu einem monatlichen Gehalt von 6.270,00 DM brutto. Mit Schreiben vom 06.07. 2001 stimmte der Antragsteller der beantragten Einstellung von Frau Bö. zu und verweigerte gleichzeitig die Zustimmung zur Eingruppierung aus den vorgenannten Gründen.

Ebenso informierte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 06.07.2001 über die beabsichtigte Einstellung der Software-Entwickler B. zum 01.02.2002 zu einem Gehalt von 6.500,00 DM brutto, R. zum 01.09.2001 zu einem Gehalt von 6.150,00 DM brutto sowie erneut K. zum 01.10.2001 zu einem Gehalt von 5.800,00 DM brutto. Mit Schreiben vom 12.07.2001 stimmte der Antragsteller den beantragten Einstellungen dieser drei Arbeitnehmer zu und verweigerte wiederum die Zustimmung zur Eingruppierung aus den gleichen Gründen.

Zugleich forderte der Antragsteller die Antragsgegenerin mit Schreiben vom selben Tag auf, bis zum 02.08.2001 das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG beim Arbeitsgericht einzuleiten. Für den Fall des ergebnislosen Fristablaufs kündigte der Antragsteller an, beim Arbeitsgericht einen Antrag nach § 101 BetrVG einzureichen. Mit Schreiben vom 17.07.2001 lehnte die Antragsgegnerin einen Antrag auf Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG ab, weil der Gehaltstarifvertrag ab dem 01.07.2001 im Betrieb keine Anwendung mehr finde und sie mit neu eingestellten Arbeitnehmern ein Festgehalt individuell und frei vereinbare. Die Arbeitnehmer K., Bö., B. und R. stellte sie demgemäß zu den beabsichtigten Terminen und zu den vereinbarten Festgehältern ein.

Mit Schreiben vom 16.04.2002 informierte die Antragsgegnerin den Antragsteller über die beabsichtigte Übernahme der Auszubildenden Bu., L. und U. mit Wirkung ab 01.07.2002 als Software-Entwickler zu einem individuell vereinbarten monatlichen Festgehalt von 2.700,90 € brutto. Der Antragsteller stimmte der Einstellung der betreffenden Arbeitnehmer antragsgemäß zu, verweigerte jedoch auch hier die Zustimmung zur Eingruppierung.

Im Betrieb der Antragsgegnerin in M. haben sich die dortigen Betriebsparteien durch Betriebsvereinbarung vom 22.03.1993 auf ein betriebliches Gehaltssystem verständigt. Danach beträgt das monatliche Gehalt für DV-Entwickler in der Eingangsstufe D 1 2.343,00 € brutto, auf das die Antragsgegnerin eine Zulage von 204,52 € zahlt.

Mit dem vorliegenden Antrag nach § 101 BetrVG begehrt der Antragsteller die Eingruppierung der Arbeitnehmer K., Bö., B. und R. nach Maßgabe des Gehaltstarifvertrages vom 06.03.2000. Er hat dazu die Auffassung vertreten, der Gehaltstarifvertrag wirke nach dem Übergang des Betriebes als betriebliche Vergütungsordnung weiter.

Außerdem habe die Antragsgegnerin bei der Vergütungsvereinbarung mit den drei Auszubildenden Bu., L. und U. das Gehaltssystem der Betriebsvereinbarung der GA. in M. angewandt. Ohne Beteiligung des Antragstellers verstoße dies gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG und begründe somit einen Unterlassungsanspruch.

Der Antragsteller hat beantragt,

1. gegenüber dem Betriebsrat die Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer K., Bö., B. und R. in die Tarifgruppen des Gehaltstarifvertrages, abgeschlossen zwischen der GmbH G. einerseits, der HBV und DAG andererseits, einzugruppieren, die Zustimmung des Antragstellers zu dieser Eingruppierung zu beantragen und im Verweigerungsfalle das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen,

2. der Antragsgegnerin zu untersagen, ohne Zustimmung des Antragstellers bzw. Ersetzung der Zustimmung durch eine Entscheidung der Einigungsstelle das Gehaltssystem der Betriebsvereinbarung der GA. M. im Betrieb L. anzuwenden.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen,

und sich auf den Standpunkt gestellt, eine Eingruppierung der betreffenden Arbeitnehmer/Innen sei nicht erforderlich, weil der Gehaltstarifvertrag ab dem 01.07.2001 im Betrieb der Beteiligten keine Anwendung mehr finde. Auch das Gehaltssystem der Betriebsvereinbarung GA. M. werde im Betrieb der Antragsgegnerin nicht angewandt. Bei der Vereinbarung des Gehaltes orientiere sie sich vielmehr am Gehaltswunsch des Bewerbers, am Arbeitsmarkt sowie am Gehaltsniveau in M..

Das Arbeitsgericht hat die Anträge durch Beschluss vom 09.06.2002 zurückgewiesen und die Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

Der nach Maßgabe des § 101 BetrVG zulässige Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, eine Eingruppierungsentscheidung zu treffen, den Betriebsrat daran zu beteiligen und ggf. das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG einzuleiten, sei unbegründet. Die Nichteingruppierung der Arbeitnehmer K., Bö., B. und R. in das Gehaltssystem des Tarifvertrages vom 06.03.2000 sei nicht betriebsverfassungswidrig. § 99 BetrVG begründe selbst keine Verpflichtung des Arbeitgebers, einen Arbeitnehmer einzugruppieren. Eingruppierung sei ein Akt der Rechtsanwendung und setze daher eine Rechtsnorm voraus, aus der sich die Lohn- oder Gehaltsgruppe, der die auszuübende Tätigkeit des Arbeitnehmers entspreche, unmittelbar ablesen lasse. Fehle es wie im vorliegenden Fall an einer solchen Ordnung, komme eine Eingruppierung nicht in Betracht. Der Gehaltstarifvertrag vom 06.03.2000 finde auf die nach dem Betriebsübergang am 01.07.2001 begründeten Arbeitsverhältnisse keine Anwendung. Mit dem Betriebsübergang verlören die kollektivvertraglichen Regelungen ihre unmittelbare und zwingende Wirkung. Sie wirkten für vor dem Betriebsübergang eingestellte Arbeitnehmer nur noch als arbeitsvertragliche Regelungen fort.

Auch der Unterlassungsanspruch sei unbegründet. Es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin die für den Betrieb M. geschlossene Betriebsvereinbarung im Betrieb L. anwende. Der Umstand, dass sich die Antragsgegnerin bei der Vereinbarung der Gehälter mit den übernommenen Auszubildenden an dieser Vereinbarung orientiert habe, sei noch keine Form der Eingruppierung. Dagegen spreche zum einen, dass die Orientierung an dem Gehaltsniveau der Betriebsvereinbarung nur eines von mehreren Kriterien dargestelle, und zum anderen, dass das Anfangsgehalt des DV-Entwicklers in M. niedriger sei als im Betrieb der Beteiligten, was einer unmittelbaren Anwendung der Betriebsvereinbarung entgegenstehe.

Der Beschluss ist dem Antragsteller am 12.08.2002 zugestellt worden. Mit seiner am 10.09.2002 eingelegten und am 16.09.2002 begründeten Beschwerde verfolgt er seine Anträge im Wesentlichen weiter.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass für die nach dem 01.07.2001 eingestellten Arbeitnehmer überhaupt keine kollektive Lohn- und Gehaltsgruppenordnung gelte. Zwar sei der Gehaltstarifvertrag vom 06.03.2000 nach Übergang des Betriebes nicht unmittelbar auf die Arbeitsverhältnisse der danach eingestellten Arbeitnehmer anwendbar. Jedoch gelte dieser Tarifvertrag bis zum Abschluss einer mitbestimmten betrieblichen Regelung als betriebliche Vergütungsordnung weiter. Wenn die Antragsgegnerin den Gehaltstarifvertrag nur noch auf vor dem Betriebsübergang begründete Arbeitsverhältnisse anwende, spalte sie die Belegschaft auf. Dass es nach § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG nicht zwei Lohngerechtigkeiten im Betrieb geben dürfe, habe das BAG unlängst in seinem Beschluss vom 11.06.2002 - 1 AZR 390/01 - bestätigt. Wolle der Arbeitgeber die alte Vergütungsordnung nach dem Wegfall der tarifvertraglichen Bindung durch eine andere ablösen, müsse er den Betriebsrat beteiligen, und zwar unabhängig davon, ob der Betriebsrat seine Beteiligung zuvor eingefordert habe. Ob der Arbeitgeber wie im entschiedenen Fall eine neue Vergütungsordnung an die Stelle der tariflichen Regelung gesetzt habe, oder ob wie im vorliegenden Fall die Antragsgegnerin Arbeitsentgelte frei vereinbare, sei kein maßgeblicher Unterschied. Denn ein Arbeitgeber dürfe sich nicht einseitig von der bisherigen betrieblichen Vergütungsordnung lösen. Nach dem Grundsatz der "Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzungen" hätten die neu eingestellten Arbeitnehmer trotz Wegfalls der Tarifbindung Anspruch auf eine Eingruppierung nach der bisher geltenden Vergütungsordnung.

Daraus folge, dass die Antragsgegnerin seine - des Antragstellers - Zustimmung einholen und ggf. das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchführen müsse.

Den Unterlassungsantrag zu 2. hat der Antragsteller beschränkt auf die Übernahme des Gehaltssystems der Betriebsvereinbarung GA. M. bei der Eingruppierung von Auszubildenden. Sie hält diesen Antrag für begründet, weil die Antragsgegnerin die drei übernommenen Auszubildenden nach einem bestimmten Schema gleich vergütet habe. Sie wende die Systematik des Gehaltssystems der GA. M. in ihrem Betrieb an und nehme die weitergehende Qualifikation als Wirtschaftsinformatiker zum Anlass, durchgängig eine Zulage von 242,48 € zu zahlen. Hierbei handele es sich um eine kollektive Maßnahme, die nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig sei.

Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten,

1. gegenüber dem Betriebsrat die Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer K., Bö., B. und R. in die Tarifgruppen des Gehaltstarifvertrages, abgeschlossen zwischen der GmbH G. einerseits, der HBV und DAG andererseits, einzugruppieren, die Zustimmung des Antragstellers zu dieser Eingruppierung zu beantragen und im Verweigerungsfalle das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen,

2. der Antragsgegnerin zu untersagen, ohne Zustimmung des Antragstellers bzw. Ersetzung der Zustimmung durch eine Entscheidung der Einigungsstelle das Gehaltssystem der Betriebsvereinbarung der GA. M. im Betrieb L. bei der Eingruppierung von Auszubildenden anzuwenden.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen,

und verteidigt die angefochtene Entscheidung mit der Auffassung, der Antragsteller versuche mit einem "Trick", einen Mitbestimmungstatbestand zu konstruieren. Er wolle die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB umgehen, wonach ein Haustarifvertrag nach Übergang des Betriebes kollektivrechtlich nicht mehr fortgelte. Dies habe zwangsläufig zur Folge, dass sie - die Antragsgegnerin - die nach dem 01.07.2001 eingestellten Arbeitnehmer, mit denen sie die Anwendung des Tarifvertrages auch individualrechtlich nicht vereinbart habe, nicht nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG eingruppieren müsse. Im Widerspruch zu dieser Rechtslage könne das Ergebnis auch nicht dadurch erzielt werden, dass der die Antragsgegnerin nicht bindende Tarifvertrag als betriebliche Vergütungsordnung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG qualifiziert werde. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehe nach dieser Bestimmung auch nicht deshalb, weil sie - die Antragsgegnerin - bei Neueinstellungen von bestimmten Entlohnungsgrundsätzen ausgegangen sei. Sie habe vielmehr mit den vier Bewerbern ein monatliches Festgehalt in jeweils unterschiedlicher Höhe vereinbart, ohne sich von irgendeinem Bewertungssystem leiten zu lassen.

Den Antrag zu 2. hält die Antragsgegnerin schon aus tatsächlichen Gründen für unbegründet. Die in L. übernommenen Auszubildenden bezögen ein höheres Gehalt als die in M. eingestellten Arbeitnehmer. Am Gehaltsniveau in M. habe sie - die Antragsgegnerin - sich lediglich orientiert.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte und insgesamt zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.

1.

Der Antragsteller kann nicht entsprechend § 101 BetrVG verlangen, dass die Antragsgegnerin die im Antrag bezeichneten Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer nach dem Tarifvertrag vom 06.03.2000 eingruppiert, seine Zustimmung dazu beantragt und im Verweigerungsfall das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchführt.

a)

Der in § 101 BetrVG normierte Anspruch des Betriebsrats auf Aufhebung einer betriebsverfassungswidrig durchgeführten personellen Einzelmaßnahme gibt dem Betriebsrat zwar die Möglichkeit, sein Beteiligungsrecht bei einer Eingruppierung mit einem solchen Antrag zur Geltung zu bringen, wenn dieses vom Arbeitgeber nicht beachtet worden ist. Denn durch eine Eingruppierung ohne Zustimmung des Betriebsrats würde ein betriebsverfassungswidriger Zustand geschaffen, der nur dadurch beseitigt werden kann, dass der Arbeitgeber - wenn auch nachträglich - die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung einholt und bei Verweigerung der Zustimmung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren betreibt. Unterlässt der Arbeitgeber überhaupt eine Eingruppierung des Arbeitnehmers, muss der Betriebsrat nach § 101 BetrVG vom Arbeitgeber die Durchführung der Eingruppierung unter Wahrung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats verlangen können.

b)

Die Nichteingruppierung des Arbeitnehmers stellt sich aber nur dann als betriebsverfassungswidriger Zustand nach § 99 Abs. 1 Ziffer 1 BetrVG dar, wenn der Arbeitgeber zu einer Eingruppierung verpflichtet ist und diese nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats durchführen kann (vgl. BAG 20.12.1988 - 1 ABR 68/87 - AP Nr. 62 zu § 99 BetrVG 1972 = NZA 1989, 518 unter III. 2. c) der Gründe; BAG 09.02.1993 - 1 ABR 51/92 - unter B II. 2. und 3. der Gründe; GK-BetrVG/Kraft § 99 Rn. 45).

c)

§ 99 BetrVG begründet selbst keine Verpflichtung des Arbeitgebers, einen Arbeitnehmer einzugruppieren. Eine solche Verpflichtung des Arbeitgebers kann sich nur aus anderen Rechtsvorschriften ergeben. Sie setzt voraus, dass die vom Arbeitnehmer zu verrichtende Tätigkeit von einer Lohn- oder Gehaltsgruppenordnung erfasst wird. Diese kann in einem auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifvertrag enthalten sein, sich aber auch aus einer Betriebsvereinbarung ergeben (vgl. BAG 20.12.1988 ebenda) oder aus einem vom Arbeitgeber aufgestellten Entgeltschema folgen (ErfK/Hanau/Kania, 3. Aufl., § 99 BetrVG Rn. 11; GK-BetrVG/Kraft § 99 Rn. 38). Der Umstand, dass der Arbeitgeber auch dann, wenn eine Gehalts- oder Lohngruppenordnung nicht besteht, das Arbeitsentgelt nach bestimmten Kriterien individuell unterschiedlich bemisst, stellt hingegen noch keine Eingruppierung dar (vgl. BAG 20. 12.1988 ebenda). Eingruppierung im Sinne des § 99 BetrVG ist die Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu nach Tätigkeitsmerkmalen bestimmten Lohn- oder Gehaltsgruppen. Eingruppierung ist ein Akt der Rechtsanwendung und setzt daher eine Rechtsnorm voraus, aus der sich die Lohn- oder Gehaltsgruppe, der die auszuübende Tätigkeit des Arbeitnehmers entspricht, unmittelbar ablesen lässt. Fehlt es an einer solchen Ordnung, kommt eine "Eingruppierung" des Arbeitnehmers nicht in Betracht. Dass eine solche Ordnung für die Zukunft unter den Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auch auf Initiative des Betriebsrats hin geschaffen werden kann, ändert nichts daran, dass bis zur Vereinbarung einer solchen Ordnung eine Eingruppierung im Sinne von § 99 BetrVG nicht erfolgen kann.

Diese Rechtsgrundsätze des BAG vom 20.12.1988 (a.a.O.) sind allerdings zu denen des Beschlusses des BAG vom 11.06.2002 -1 AZR 390/01- abzugrenzen. In diesem Fall hatte der Arbeitgeber nach Beendigung Haustarifvertrages angestellte Arbeitnehmer weiter generell nach dem bisherigen System, aber ohne Rücksicht auf Lebensaltersstufen vergütet und auch eine Höhergruppierung aufgrund Bewährungsaufstiegs nicht mehr vorgenommen. Das BAG hat entschieden, dass diese modifizierte Anwendung des früheren tariflichen Entgeltschemas eine mitbestimmungspflichtige Änderung bestehender Entlohnungsgrundsätze darstellt. Zwar habe der Betriebsrat während der Laufzeit des Vergütungssystems nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG nicht mitzubestimmen gehabt. Mit dem Wegfall der Tarifbindung habe aber eine das Mitbestimmungsrecht ausschließende zwingende tarifliche Regelung nicht mehr bestanden. An der Einführung des neuen Entlohnungssystems sei der Betriebsrat nicht beteiligt worden. Darin liege ein Verstoß gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mit der Folge, dass die Vergütungsordnung mit der vor der Änderung bestehenden Struktur weiter anzuwenden sei. Denn eine Maßnahme des Arbeitgebers, die der notwendigen Mitbestimmung entbehre, sei rechtswidrig und unwirksam. Nach der "Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzungen" könne die Verletzung des Mitbestimmungsrechts auch bei Neueinstellungen dazu führen, dass Ansprüche auf eine höhere Vergütung als die vertraglich vereinbarte entstehen (vgl. BAG 11.06.2002 a.a.O., vgl. insbesondere unter III. 2. ff) der Gründe).

Diese Rechtsgrundsätze aus dem Urteil vom 11.06.2002 (a.a.O.) lassen sich auf die vorliegende Fallkonstellation indes nicht ohne weiteres übertragen. Im Ausgangspunkt haben beide Fälle gemein, dass die jeweiligen Haustarifverträge keine unmittelbare Wirkung für neu eingestellte Arbeitnehmer entfalten. Auch wenn § 4 Abs. 5 TVG bestimmt, dass die Rechtsnormen eines Tarifvertrages nach seinem Ablauf weiter gelten, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden, erstreckt sich diese Nachwirkung nach ständiger Rechtsprechung des BAG nicht auf Arbeitsverhältnisse, die erst während des Nachwirkungszeitraums begründet werden (vgl. zuletzt 11.06. 2002 a.a.O. unter I. 2. der Gründe). Ebenso entfalten die tarifvertraglichen Regelungen mit dem Übergang des Betriebes nach § 613 a Abs. 1 BGB für Arbeitnehmer, die nach dem Betriebsübergang eingestellt werden, keine rechtliche Wirkung mehr. Nach § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB werden sie nur für bereits vor Betriebsübergang eingestellte Arbeitnehmer zu sonstigen arbeitsvertraglichen Bestimmungen (vgl. BAG 20.06.2001 - 4 AZR 295/00 - AP Nr. 18 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = EzA § 613 a BGB Nr. 203 unter I. 2. b) der Gründe). In beiden Fällen kann der Arbeitgeber für neu eingestellte Arbeitnehmer frei darüber befinden, ob er zukünftig Vergütungsabsprachen trifft, ohne auf eine bestimmte Vergütungsordnung zurückzugreifen, oder ob er die bisherigen tariflichen Entlohnungsgrundsätze durch eine andere Vergütungsordnung ersetzen will. Entscheidet er sich dafür, zukünftig individuelle Vergütungsabreden zu treffen, wobei er nach dem Beschluss des BAG vom 20.12.1988 (a.a.O.) das Arbeitsentgelt durchaus nach bestimmten Kriterien unterschiedlich bemessen kann, fällt die bisherige Vergütungsordnung ersatzlos weg. Führt er aber ein neues Entlohnungssystem ein, unterliegt dieses als kollektive Maßnahme dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Hier unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von demjenigen, der dem Beschluss des BAG vom 11.06.2002 (a.a.O.) zugrunde liegt.

Dass die Antragsgegnerin Arbeitnehmer, die sie vor dem Betriebsübergang eingestellt hat, weiter nach Maßgabe des Tarifvertrages vom 06.03.2000 umgruppiert, steht dem Ergebnis nicht entgegen. Denn dazu ist sie nach § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet. Andererseits muss sie bei den nach Betriebsübergang eingestellten Arbeitnehmern keine kollektive Vergütungsgruppenordnung anwenden, weil sie mit den beteiligten Gewerkschaften weder einen gleichlautenden Haustarifvertrag abgeschlossen noch sich auf eine ersetzende Vereinbarung verständigt hat (§ 613 a Abs. 1 S. 3 BGB). Soweit damit für vor und nach einem Betriebsübergang eingestellte Arbeitnehmer unterschiedliche Grundsätze zur Vergütung Anwendung finden, ist dieser Bruch in der betrieblichen Lohngerechtigkeit normimmanent. Will der Betriebsrat eine betriebliche Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit wahren, steht es ihm frei, von sich aus das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auszuüben. Denn der Betriebsrat hat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung ein Initiativrecht (vgl. GK-BetrVG/Kraft § 87 Rn. 949 ff.).

d)

Die Antragsgegnerin ist aber gegenüber den Arbeitnehmern K., B. und R. nicht zur Eingruppierung nach Maßgabe des Gehaltstarifvertrages vom 06.03.2000 verpflichtet und muss deshalb den Antragsteller auch nicht nach Maßgabe des § 99 BetrVG beteiligen.

Sie hat mit den Arbeitnehmern K., B. und R. unterschiedliche Vergütungsvereinbarungen getroffen. Herrn K. hat sie zu einem Gehalt von 5.800,00 DM brutto eingestellt, mit Herrn B. ein monatliches Gehalt von 6.500,00 DM brutto vereinbart und sich mit Herrn R. auf 6.150,00 DM brutto verständigt. Diese Arbeitnehmer sind in der Funktion des Software-Entwicklers eingestellt worden. Das Bruttomonatseinkommen der für die Personalabteilung zunächst befristet eingestellten Frau Bö. beläuft sich auf 6.270,00 DM. Die Gehälter sind individuell vereinbart und nicht nach einem Vergütungssystem bemessen worden.

2.

Der Antragsteller kann auch nicht verlangen, dass das Gericht der Antragsgegnerin untersagt, bei der Eingruppierung von Auszubildenden im Betrieb L. ohne seine Zustimmung bzw. deren Ersetzung durch eine Entscheidung der Einigungsstelle das Gehaltssystem der Betriebsvereinbarung GA. M. anzuwenden.

Der bei einer Verletzung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 BetrVG grundsätzlich anerkannte allgemeine Unterlassungsanspruch (vgl. BAG 03.05.1994 - AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972) ist im vorliegenden Fall deshalb nicht begründet, weil die Antragsgegnerin im Betrieb L. nicht die im Betrieb M. geltende Vergütungsordnung anwendet, auch nicht für die Übernahme von Auszubildenden. Soweit sie mit den Angestellten Bu.,L. und U. jeweils ein Gehalt von 2.790,00 € brutto vereinbart hat, hat sie sich bei dem einheitlich zugrunde liegenden Angebot lediglich am Gehaltsniveau für im Betrieb M. übernommene Auszubildende orientiert und bei der Erhörung inbesondere die weitergehende Qualifikation als Wirtschaftsinformatiker berücksichtigt. Die Antragsgegnerin hat damit nicht die Betriebsvereinbarung der GA. M. angewendet und daraufhin eine bestimmte Zulage gezahlt, sondern insgesamt ein höheres Festgehalt angeboten und mit den Angestellten vereinbart.

Der Unterlassungsanspruch ist auch nicht deshalb begründet, weil der Antragsteller sein Initiativrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ausgeübt und für Auszubildende bestimmte Entlohnungsgrundsätze vorgeschlagen, die Antragsgegnerin Verhandlungen aber abgelehnt hat. Nach den Erkenntnissen aufgrund der letzten mündlichen Verhandlung ist bisher vom Betriebsrat eine solche Initiative nicht ausgegangen.

III.

Das Gericht hat die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück