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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 15.01.2003
Aktenzeichen: 6 Sa 1091/02 B
Rechtsgebiete: BGB, ArbGG, ZPO, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 620 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 2
ZPO § 256
BetrVG § 77
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 1091/02 B

Verkündet am: 15.1.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 15.01.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Becker als Vorsitzender und die ehrenamtlichen Richter Niederheide und Domschowski als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 26.6.2002 - 1 Ca 236/02 B - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über das Bestehen einer Anwartschaft des Klägers auf Leistungen aus dem Pensionsplan der Beklagten.

Der am geborene Kläger begann am 1.8.1988 bei der Beklagten seine Ausbildung zum Papiermacher auf Grund des Ausbildungsvertrags vom 6.7.1988. Zuvor hatte der Kläger am 30.6.1988 seinen Wehrdienst beendet und war ab 11.7.1988 bis zum Beginn seines Ausbildungsverhältnisses bei der Beklagten aushilfsweise beschäftigt. Das Ausbildungsverhältnis endete am 8.2.1991 mit dem vorzeitigen Bestehen der Abschlussprüfung. Ohne Unterbrechung arbeitete der Kläger bei der Beklagten weiter, und zwar ab 1.3.1991 gemäß dem unbefristeten Arbeitsvertrag vom 28.2.1991 als zweiter Maschinengehilfe KM 1. Am 1.10.1998 wurde dem Kläger eine Ehrung der Beklagten aus Anlass seines 10-jährigen Dienstjubiläums zuteil.

Über die Aufnahme des Klägers und eines weiteren Arbeitnehmers in den Pensionsplan der Beklagten kam es im Herbst 2001 zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat zu einem Schriftwechsel, in dem voneinander abweichende Standpunkte dargelegt wurden. Denn die Beklagte hatte den durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung zu Stande gekommenen Pensionsplan mit Schreiben vom 28.6.1988 zum 30.9.1988 gekündigt.

Der Kläger hat geltend gemacht, spätestens am 30.9.1988 entsprechend § 2 des Pensionsplans in einem "ständigen Dienstverhältnis" zur Beklagten gestanden zu haben. Die 10-jährige Wartezeit sei erfüllt.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, dass der Kläger Ansprüche auf Leistungen aus dem bestehenden Pensionsplan der Beklagten in der Fassung vom 30.12.1974 hat, da er die Voraussetzungen des § 2 dieses Pensionsplanes erfüllt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe bis zum Ablauf des Pensionsplans am 30.9.1988 nicht "in einem ständigen Dienstverhältnis" gestanden. Daher habe ihm keine Versorgungszusage erteilt werden können.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 26.6.2002 der Klage stattgegeben und den Streitwert im Urteil auf 4.000,-- € festgesetzt. Wegen der Würdigung des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen dieses ihr am 5.7.2002 zugestellte Urteil am 23.7.2002 Berufung beim Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich und mit weiterem Schriftsatz vom 23.8.2002 begründet.

Die Beklagte macht geltend, der Pensionsplan von 1974 enthalte insofern statusbezogene Aufnahmevoraussetzungen, als gemäß § 2 bestimmt ist:

"Jeder Arbeiter und Angestellte, der in einem ständigen Dienstverhältnis zur steht - nachstehend Mitarbeiter genannt - , hat Anspruch auf diese Vergütungen, wenn die Wartezeit gemäß § 5 dieses Planes und die sonstigen in diesem Plan für die Vergütungen im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen erfüllt sind."

Diese Vorschrift habe bereits - unstreitig - der ursprüngliche Pensionsplan vom 1.1.1961 enthalten. Später sei der Pensionsplan durch Betriebsvereinbarungen vom 6.8.1980, 22.12.1989 und 18.9.1991 geändert worden. Das Arbeitsgericht habe das befristete Ausbildungsverhältnis des Klägers fehlerhaft unter dem Begriff des "ständigen Dienstverhältnisses" des Pensionsplans vom 30.12.1974 subsumiert. Das Wort "ständig" bedeute sehr häufig, regelmäßig oder (fast) ununterbrochen wiederkehrend, andauernd. Das Wort "unständig" sei zu verstehen als nur befristet beschäftigt. Weder eine Aushilfskraft, ein Praktikant oder Volontär oder ein Auszubildender stehe in einem "ständigem Dienstverhältnis". Ausgehend vom Sprachgebrauch im Jahre 1961 müsse ein Arbeitsverhältnis bestanden haben, und zwar ein unbefristetes. § 2 des Pensionsplans sei im Zusammenhang mit § 620 Abs. 2 BGB zu verstehen, nämlich "ständiges Dienstverhältnis" als unbefristetes, das nicht für eine bestimmte Dauer abgeschlossen ist.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei aus dem Erfordernis der Wartezeit von 10 Jahren kein Anhaltspunkt für die Auslegung zu gewinnen. Werde allein auf eine 10-jährige Betriebszugehörigkeit abgestellt, so laufe § 2 des Pensionsplans leer. Nach § 2 des Pensionsplans sei aber gerade entscheidend, ob bis zum 30.9.1988 eine Versorgungszusage zu erteilen war. Zu diesem Zeitpunkt bestand aber nur das befristete Ausbildungsverhältnis mit der ausdrücklichen Bestimmung, dass "eine Weiterbeschäftigung nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses ... nicht gewährleistet werden" kann. Im Gegensatz zum Arbeitsverhältnis wird im Ausbildungsverhältnis keine vollwertige wirtschaftliche Gegenleistung des Auszubildenden erbracht. Die Zufälligkeit einer späteren Übernahme nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses könne keine rückwirkende Versorgungszusage bewirken. Dies gelte ebenso für die nachträgliche Anerkennung von Dienstjahren und deren Berücksichtigung bei der Berechnung von Dienstjubiläen.

Zum Zeitpunkt 30.9.1988 sei im Fall des Klägers von einem durch Befristung endenden Vertragsverhältnis auszugehen gewesen. Seine anschließende Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis müsse außer Betracht bleiben, weil die Versorgungszusage später nicht mehr zu erlangen war.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 26.6.2002 - 1 Ca 236/02 B - zugestellt am 5.7.2002, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe festzustellen, dass der Kläger eine unverfallbare Anwartschaft aus dem Pensionsplan der Beklagten in der gültigen Fassung erworben hat.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als der Rechtslage entsprechend. Sein am 11.7.1988 begonnenes Arbeitsverhältnis sei durch keinerlei vertragliche Abmachung befristet gewesen. Damit habe er vor Ablauf des Stichtages 30.9.1988 in einem ständigen Dienstverhältnis zur Beklagten gestanden und sei von der Versorgungszusage gemäß § 12 des Pensionsplanes begünstigt.

Der Kläger vergleicht sich mit einem namentlich benannten gleichzeitig mit ihm eingestellten Arbeiter, der auf Grund seiner unbefristeten Beschäftigung eine Versorgungszusage und inzwischen unverfallbare Anwartschaft erlangt hat. Als Voraussetzung der Versorgungszusage sei nicht nur das ständige Dienstverhältnis, sondern auch die Erfüllung der Wartezeit und der sonstigen Voraussetzungen anzusehen. Nach Ablauf seiner 10-jährigen Wartezeit ergebe sich, dass er in einem ständigen Dienstverhältnis zur Beklagten gestanden habe. Richtigerweise sei das Wort "ständig" als "ununterbrochen" auszulegen. Für die Erlangung der Anwartschaft sei eine 10jährige ununterbrochene Betriebszugehörigkeit ausreichend.

Wegen des weiteren Vorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die in dieser Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG in dieser vermögensrechtlichen Streitigkeit statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Beklagte hat sich ausführlich mit den Entscheidungsgründen des Urteils des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt und ist ihnen entgegengetreten. Damit ist ihre Berufung zulässig.

II.

Die Berufung ist begründet. Der Kläger hat keine unverfallbare Anwartschaft nach dem Pensionsplan der Beklagten erworben.

1.

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage mit dem neu gefassten Feststellungsantrag bestehen nicht. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO an alsbaldiger Feststellung des Bestands einer Anwartschaft nach dem Pensionsplan der Beklagten einerseits deswegen, weil er ohne Anwartschaft Eigenvorsorge für Alter, Invalidität und Hinterbliebene beginnen müsste, andererseits wissen muss, ob weitere Betriebstreue seine möglicherweise entstandene Anwartschaft erhöht oder er sich nur durch einen Arbeitsplatzwechsel eine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung verschaffen könnte.

2.

Eine Anwartschaft aus dem Pensionsplan der Beklagten konnte gemäß § 2 nur ein Arbeiter oder Angestellter erlangen, der wegen der Kündigung des als Gesamtbetriebsvereinbarung zu Stande gekommenen Pensionsplans zum 30.9.1988 zur Beklagten bis zu diesem Tage in einem "ständigen Dienstverhältnis" gestanden hat. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht.

3.

Der zum 30.9.1988 als Gesamtbetriebsvereinbarung gekündigte Pensionsplan gilt nicht gemäß § 77 BetrVG weiter, bis er durch eine andere Abmachung ersetzt wird, weil der Pensionsplan keine Angelegenheit betrifft, in der ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann. Da der Arbeitgeber frei entscheidet, ob er finanzielle Mittel für die betriebliche Altersversorgung zur Verfügung stellt, ist sowohl die Einführung wie die Abschaffung der betrieblichen Altersversorgung mitbestimmungsfrei (Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 7. Aufl., § 87 Rz. 907, Fitting/Kaiser/Heither/Engels, Betriebsverfassungsgesetz, 20. Aufl., § 87 Rz. 448). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist beschränkt auf die Ausgestaltung der zusätzlichen Leistungen des Arbeitgebers innerhalb des vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei vorgegebenen Rahmens.

4.

Zutreffend sieht die Beklagte in § 2 Pensionsplan eine rechtliche Voraussetzung (Blomeyer/Otto) oder statusbezogene Aufnahmevoraussetzung (Höfer) für die Erlangung einer Versorgungsanwartschaft. Der 1961, 6 Jahre nach der Gründung der Beklagten geschaffene Pensionsplan richtet sich damit nur an Mitarbeiter "in einem ständigen Dienstverhältnis" zu denen der Kläger während der Geltung des Pensionsplans bis zum 30.9.1988 nicht gehörte. Denn bei seinem am 6.7.1988 vereinbarten Ausbildungsverhältnis handelte es sich um einen bis 31.7.1991 befristeten Vertrag mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass damit eine Weiterbeschäftigung nach beendeter Ausbildung nicht verbunden ist. Das am 11.7.1988 begonnene Arbeitsverhältnis war bis 31.7.1988 befristet, weil sich daran das Ausbildungsverhältnis anschließen sollte.

5.

Die Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung in dem strittigen Punkt folgt den Grundsätzen der Gesetzes- und Tarifauslegung und nicht den Regeln der Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB). Bei der Auslegung ist maßgeblich auf den in der Gesamtbetriebsvereinbarung selbst zum Ausdruck gelangten Willen der Beteiligten abzustellen; Raum für die Feststellung eines vom Wortlaut abweichenden Willens der Betriebspartner besteht nicht. Daneben sind der Gesamtzusammenhang und der Sinn und Zweck der Regelung zu beachten.

Der in § 2 Pensionsplan enthaltene Relativsatz legt die Unterscheidung von ständig zu unständig beschäftigten Mitarbeitern fest, wobei Letztere von den Leistungen ausgeschlossen bleiben. Das Wort "ständig" bedeutet nach Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 7. Aufl., im Zusammenhang mit Mitarbeit: ununterbrochen, unaufhörlich, lt. Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, übertragen: fortwährend. Bereits die Wortauslegung ergibt, dass damit unbefristete Arbeitsverhältnisse im Gegensatz zu befristeten oder auflösend bedingten gemeint sind.

§ 2 Pensionsplan ist im Zusammenhang mit der Wartezeiten- Regelung(10 anrechenbare Dienstjahre) nach § 5 zu sehen. Hätten, wie der Kläger meint, die Betriebspartner nur auf die ununterbrochene Dauer des Beschäftigungsverhältnisses von mindestens 10 Jahren abstellen wollen, so wäre der Relativsatz in § 2 Pensionsplan obsolet. Dies entspricht nicht dem zum Ausdruck gekommenen Willen der Betriebsparteien.

Rückblickend betrachtet wird der Relativsatz in § 2 Pensionsplan nur in wenigen Fällen allein die Begründung einer Anwartschaft vereitelt haben, weil die Masse der unständig Beschäftigten, wenn nicht eine ständige Beschäftigung sich anschloss und dadurch die Anwartschaft begründet wurde, schon an der 10-jährigen Wartezeit scheitern musste. Derart lange Befristungsketten ohne Unterbrechung sind ganz ungewöhnlich. So beschränkt sich der Regelungsbereich des Relativsatzes in § 2 Pensionsplan auf den Kreis der im Zeitpunkt des Außerkrafttretens des Pensionsplans nicht ständig Beschäftigten, die nachträglich in unbefristete Arbeitsverhältnisse übernommen wurden.

6.

Wenn die Betriebsparteien mit der umstrittenen Regelung in § 2 Pensionsplan gerade diese Gruppe, die bei Auslaufen des Pensionsplans nur befristet beschäftigt war, von der Begründung einer Anwartschaft ausschließen wollten, ist dies unter dem Gesichtspunkt der Billigkeitskontrolle nicht zu beanstanden. Sie haben damit ein sachgerechtes Kriterium gewählt und konnten generalisierend davon ausgehen, dass bei befristeten Beschäftigungsverhältnissen der Anreiz zur Betriebstreue eine absolut nachrangige Bedeutung hatte gegenüber unbefristet Beschäftigten, die durch den Pensionsplan den gezielten Anreiz zu einer jahrzehntelangen Betriebstreue erhielten. Im Falle des Klägers hätte die Beklagte, die aus Kostengründen den Pensionsplan gekündigt hatte, ohne die Vorschrift des § 2 von einer Übernahme des Klägers nach Beendigung seiner Ausbildung absehen müssen, um das gesteckte Kostenziel zu erreichen, und seinen Arbeitsplatz durch eine Neueinstellung besetzen können. Dies hätte sich für den Kläger noch nachteiliger ausgewirkt als der Ausschluss vom Pensionsplan.

Gemäß § 91 ZPO hat der Kläger als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Weil von der Auslegung des § 2 des Pensionsplans nach Angaben der Parteien zwischen 50 bis 100 weitere Arbeitnehmer der Beklagten betroffen sind, hat die Kammer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bejaht und die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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