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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 14.07.2005
Aktenzeichen: 7 Sa 1257/04
Rechtsgebiete: ERTV Mobil, MuSchG, GG, EGV


Vorschriften:

ERTV Mobil § 4
ERTV Mobil § 11
MuSchG § 14
GG Art. 3
EGV Art. 119
1. Der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld ist ein gesetzlich begründeter arbeitsvertraglicher Anspruch auf teilweise Fortzahlung des Arbeitsentgelts, der Lohnersatzcharakter hat. Er stellt ein regelmäßiges Entgelt im Sinne des Tarifvertrages dar und ist deshalb bei der Berechnung des ergebnisbezogenen Entgelts zu berücksichtigen.

2. Der im Streit stehende Tarifvertrag enthält keinen Anhaltspunkte dafür, dass während der Zeiten des Mutterschutzes das regelmäßige Monatsentgelt zugrunde zu legen ist, das die Klägerin erhalten hätte, wenn sie nicht schwanger geworden wäre.

3. Eine Tarifregelung, nach der für eine Einmalzahlung mit Lohncharakter der tatsächlich gezahlte Lohn zugrunde zu legen ist, ist nicht willkürlich und damit gleichheitswidrig.

4. Diese tarifliche Regelung ist durch objektive Faktoren gerechtfertigt, die nichts mit der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben. Bei einer Vergütung, die auf einen Leistungsbeitrag des Arbeitnehmers und eine Beteiligung am Unternehmenserfolg abstellt, kann nicht beanstandet werden, dass die Tarifvertragsparteien maßgeblich auf das tatsächlich gezahlte Monatsentgelt und damit indirekt auf die erbrachte Arbeits-leistung unter Berücksichtigung von Lohnersatzleistungen abstellen.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 Sa 1257/04

In dem Rechtsstreit

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 09. Juni 2005 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Leibold, den ehrenamtlichen Richter Herrn Kupetz, den ehrenamtlichen Richter Herrn Brandhorst für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 24.06.2004, 12 Ca 37/04, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 401,74 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.10.2003 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 52 % und die Beklagte zu 48 %.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, wie sich die Mutterschutzzeiten der Klägerin auf ihren Anspruch auf ein ergebnisbezogenes Entgelt auswirken.

Die 1961 geborene Klägerin ist seit dem 16.03.1998 bei der Beklagten als Kundenbetreuerin in dem Call-Center beschäftigt. Sie bezog bis August 2002 ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 2.569,50 € und danach von 2.649,50 € bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden.

Die Klägerin befand sich vom 25.09.2002 bis einschließlich 29.01.2003 in Mutterschutz. Die Beklagte zahlte an die Klägerin für die Monate September bis Dezember 2002 einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe von insgesamt 4.106,20 € (Bl. 38 bis 41 d.A.).

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet unter anderem der Entgeltrahmentarifvertrag für die T-Mobil (ERTV Mobil) Anwendung. Hiernach steht der Klägerin ein jährliches ergebnisbezogenes Entgelt zu, dessen Berechnung sich nach der Anlage 2 zum ERTV Mobil (Bl. 6 - 12, 54 d.A.) richtet. Diese Anlage enthält u. a. folgende Regelungen:

§ 1 Ergebnisbezogenes Entgelt

(2) ... Das jährliche ergebnisbezogene Entgelt bemisst sich nach dem für die Zielvereinbarungsperiode gezahlten regelmäßigen Monatsentgelt.

Ergebnisniederschrift zu Abs. 2 Satz 2:

Im Falle der Arbeitsunfähigkeit wird das regelmäßige Monatsentgelt zugrunde gelegt, was er erhalten hätte, wenn keine Arbeitsunfähigkeit eingetreten wäre.

(3) Das ergebnisbezogene Entgelt ... beträgt ... ab dem Geschäftsjahr 2002 10 v.H. des in der Zielvereinbarungsperiode gezahlten regelmäßigen Monatsentgelts (Zielbetrag).

Ergebnisniederschrift zu Abs. 3

...

Bezugspunkt für die Höhe des ergebnisbezogenen Entgelts ist die Summe des gezahlten regelmäßigen Monatsentgelts ohne Sonderzuwendung und ohne Urlaubsgeld.

...

(6) Bei einer ununterbrochenen krankheitsbedingten Ausfallzeit von mehr als 6 Monaten wird der Zielbetrag anteilig entsprechend der Abwesenheiten gekürzt. Teile eines Kalendermonats bleiben unberücksichtigt.

Die Beklagte gewährte der Klägerin ein ergebnisbezogenes Entgelt für das Jahr 2002 in Höhe von 2.253,13 € brutto und berücksichtigte bei der Berechnung die Mutter-schutzzeiten der Klägerin nicht. Unter Zugrundelegung des der Klägerin bei einer tatsächlichen Arbeitsleistung auch während des Mutterschutzes zustehenden Monatsentgelts errechnet sich demgegenüber ein Zahlungsanspruch in Höhe von 3.095,64 €. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird Bezug genommen auf die Anlage B 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 17.06.2004 (Bl. 52, 53 d.A.).

Die sich hieraus ergebende Differenz von 842,50 € brutto macht die Klägerin mit der vorliegenden Klage geltend.

Das Arbeitsgericht hat durch ein der Beklagten am 12.07.2004 zugestelltes Urteil vom 24.06.2004, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 57 - 62 d.A.), die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 842,50 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.10.2003 zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei gemäß § 1 der Anlage 2 zum ERTV Mobil verpflichtet, diesen Betrag an die Klägerin als restliches ergebnisbezogenes Entgelt für das Jahr 2002 zu zahlen. Bezogen auf eine durchgehende Beschäftigung der Klägerin ergebe sich ein Anspruch in unstreitiger Höhe von 3.095,64 € brutto. Für die von der Beklagten vorgenommene anteilige Kürzung finde sich weder im Gesetz noch in dem einschlägigen Tarifvertrag eine Stütze.

Grundsätzlich seien nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts arbeitsleistungsbezogene Einmalzahlungen mit reinem Entgeltcharakter auch in den Fällen zu gewähren, in denen dem Arbeitnehmer aufgrund gesetzlicher, tariflicher oder sonstiger Regelung das Entgelt auch ohne zeitliche Arbeitsleistung fortzuzahlen sei. Für Zeiträume der Beschäftigungsverbote gemäß §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG folge diese zwar nicht daraus, dass diese Zeiten einer tatsächlichen Arbeitsleistung gleichzustellen seien. Die Vergütungspflicht des Arbeitgebers werde jedoch für diese Zeiträume trotz fehlender Arbeitsleistung nicht in vollem Umfang aufgehoben. Er bleibe vielmehr gemäß § 14 MuSchG zur Zahlung eines Zuschusses zum Mutterschaftsgeld verpflichtet. Daraus folge, dass sich die Zeiten der Beschäftigungsverbote nicht anspruchsmindernd auf ein 13. Monatsgehalt, das als arbeitsleistungsbezogene Zahlung vereinbart sei, auswirkten. Entsprechendes gelte auch für die im vorliegenden Fall vereinbarte tarifliche Leistung, bei der es sich um ein jährlich zu zahlendes Entgelt handele, das arbeitsleistungsbezogen sei.

Es könne dahingestellt bleiben, ob eine arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Vereinbarung, die eine Kürzung einer arbeitsleistungsbezogenen Sonderzahlung für Zeiten der Beschäftigungsverbote vorsehe, rechtlich zulässig sei. Eine derartige Kürzungsvereinbarung enthalte der einschlägige Tarifvertrag nämlich nicht.

Unerheblich sei der Einwand der Beklagten, der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld stelle kein regelmäßiges Monatsentgelt dar und könne demnach nicht mitgerechnet werden. Die Höhe des zugrunde zu legenden Monatsentgelts sei zwischen den Parteien nämlich nicht im Streit. Streitig sei allein, ob die Zeiträume der Beschäftigungsverbote berücksichtigungsfähig seien.

Aus der Regelung in § 1 (6) lasse sich ebenfalls keine Kürzungsmöglichkeit für Zeiträume von Beschäftigungsverboten ableiten. Diese Regelung mache vielmehr umgekehrt deutlich, dass die tarifliche Regelung offenbar Zahlungen auch für solche Zeiträume vorsehe, für die keine Entgeltansprüche beständen.

Hiergegen richtet sich die am 06.08.2004 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12.10.2004 am 12.10.2004 begründete Berufung der Beklagten.

Die Beklagte ist der Auffassung, sie habe zu Recht die Zeiten des Mutterschutzes bei der Berechnung des ergebnisbezogenen Entgelts unberücksichtigt gelassen. Das jährliche ergebnisbezogene Entgelt bemesse sich nach dem für die Zielvereinbarungsperiode gezahlten regelmäßigen Monatsentgelt. Aus der Ergebnisniederschrift ergebe sich, welches regelmäßig gezahlte Monatsentgelt zugrunde zu legen sei. Bezugspunkt sei danach die Summe des gezahlten regelmäßigen Monatsentgelts ohne Sonderzuwendung und ohne Urlaubsgeld. Der Anspruch auf Mutterschaftsgeld sei eine Sonderleistung, die der Arbeitgeber nicht regelmäßig jeden Monat gemäß Vertrag zu leisten habe. Daraus folge, dass das Mutterschaftsgeld bei der Berechnung des ergebnisbezogenen Entgelts nicht berücksichtigt werden könne.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handele es sich bei dem Mutterschaftsgeld um einen gesetzlich begründeten arbeitsvertraglichen Anspruch auf teilweise Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld diene dem Entgeltschutz der Mutter während der Schutzfrist und habe damit Lohn-ersatzcharakter. Dieses Mutterschaftsgeld habe die Klägerin erhalten, ihr Entgelt sei damit nach dem Sinn von § 14 MuSchG gesichert. Für die Berechnung des rein leistungsbezogenen Entgelts könnten diese Lohnersatzleistungen demgegenüber nicht mitgerechnet werden. Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien werde nur das regelmäßige Monatsentgelt, das heißt der Lohn für die regelmäßig geleistete Arbeit, bei der Berechnung des ergebnisbezogenen Entgelts berücksichtigt.

Die tarifliche Regelung für den Fall der Arbeitsunfähigkeit lasse sich nicht auf das Mutterschaftsgeld übertragen. Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall diene dazu, den Lohn zu sichern, obwohl der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung wegen seiner Erkrankung nicht erbringen könne. Demgegenüber verfolge die Regelung über den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld den Zweck, das in Art. 6 Abs. 4 GG der Gemeinschaft auferlegte Schutz- und Fürsorgegebot zu Gunsten der Mutter in einer Weise zu verwirklichen, dass an den finanziellen Belastungen des Mutterschutzes nicht nur der Staat und die gesetzliche Krankenversicherung beteiligt werden, sondern auch der Arbeitgeber.

Die Tarifregelung, die nur den Fall des krankheitsbedingten Ausfalls besonders, aber alle anderen Ausfallzeiten gleich behandele, sei nicht willkürlich und damit gleichheitswidrig im Sinne von Art. 3 GG. Es fehle bereits an der Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte.

Es liege auch kein Verstoß gegen das Lohngleichheitsgebot nach Artikel 119 EGV vor. Es fehle an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Beklagten im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf den Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12.10.2004 (Bl. 96 - 99 d.A.).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe der Schriftsätze ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12.11.2004.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 519, 520 ZPO, 64, 66 ArbGG.

Die Berufung ist auch teilweise begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiterer 401,74 € brutto als ergebnisbezogenes Entgelt für das Jahr 2002. Dies ergibt eine Auslegung der Anlage 2 zum ERTV Mobil.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungs-ergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzu ziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, zuletzt BAG vom 23.02.2005, 4 AZR 79/04).

Nach der im Streit stehenden tariflichen Regelung bemisst sich das jährliche ergebnisbezogene Entgelt nach dem für die Zielvereinbarungsperiode gezahlten regelmäßigen Monatsentgelt. Der Tarifvertrag bezieht sich damit zunächst auf § 4 ERTV Mobil, der darunter das regelmäßige Monatsentgelt je Vergütungsgruppe bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit gemäß der Vergütungstabelle versteht.

Darüber hinaus enthält auch die Ergebnisniederschrift zu Abs. 3 eine Auslegungsregel, was unter "gezahlten regelmäßigen Monatsentgelt" zu verstehen ist. Bezugspunkt ist hiernach die Summe des gezahlten regelmäßigen Monatsentgelts ohne Sonder-zuwendung und ohne Urlaubsgeld.

Aus dem Umstand, dass sowohl in dem Tarifvertrag selbst (§ 1 (2), (3)) als auch in der Ergebnisniederschrift abgestellt wird auf das "gezahlte" Monatsentgelt, folgt, dass zunächst maßgeblich darauf abzustellen ist, welches Entgelt regelmäßig an die Klägerin tatsächlich gezahlt worden ist.

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung ergibt eine verfassungs- und europarechtskonforme Auslegung, dass der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld ein regelmäßiges Monatsentgelt im Sinne des Tarifvertrages darstellt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, von der abzuweichen kein Anlass besteht, handelt es sich bei dem Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 Abs. 1 Mutterschutzgesetz um einen gesetzlich begründeten arbeitsvertraglichen Anspruch auf teilweise Fortzahlung des Arbeitsentgelts, der Lohnersatzcharakter hat (BAG vom 24.02.1999, 10 AZR 258/98, AP Nr. 213 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG vom 25.02.2004, 5 AZR 160/03). Es liegt deshalb ein Monatsentgelt im Sinne des Tarifvertrages vor, das auch tatsächlich gezahlt worden ist.

Der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld ist auch "regelmäßig" gezahlt worden. "Regelmäßig" bedeutet, dass etwas nach einer bestimmten Regel erfolgt und sich in gewissen Abständen wiederholt. Aus den von der Beklagten erteilten Lohnabrechnungen folgt, dass die Beklagte der Klägerin während des gesamten Mutterschutzzeitraums einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe von täglich 41,90 € gezahlt hat. Die Zahlung erfolgte somit "regelmäßig" im Tarifsinne.

Der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld ist nicht mit einer Sonderzuwendung oder Urlaubsgeld zu vergleichen, die nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien nicht zu dem gezahlten regelmäßigen Monatsentgelt zählen. Bei diesen in der Ergebnisniederschrift aufgeführten Sonderzahlungen handelt es sich um Leistungen, die der Arbeitgeber nicht regelmäßig jeden Monat, sondern zu einem bestimmten Anlass gewähren muss. Hiervon zu unterscheiden ist der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, der, wie dargelegt, Entgeltcharakter hat und für die Dauer der Mutterschutzfristen regelmäßig, nämlich täglich, in gleicher Höhe anfällt.

Aus der Tatsache, dass die Ergebnisniederschrift diese Sonderzahlungen ausdrücklich ausschließt, folgt andererseits, dass nicht ausschließlich auf das regelmäßige Monatsentgelt gemäß der Vergütungstabelle im Sinne von § 4 ERTV Mobil abzustellen ist, da hierzu die genannten Ansprüche zweifelsfrei nicht zählen. Maßgeblich ist vielmehr, was die Beklagte tatsächlich regelmäßig als Lohn oder Lohnersatz geleistet hat.

Unerheblich ist, dass die Klägerin während der Dauer des Mutterschutzes keine Arbeitsleistung erbringen musste. Der Tarifvertrag stellt nicht auf die tatsächliche Anwesenheit im Betrieb ab, sondern legt als Bemessungsgrundlage das zu Grunde, was an den Arbeitnehmer während des maßgeblichen Zeitraumes regelmäßig als Entgelt gezahlt worden ist.

Dass ein Lohnersatzanspruch nach dem Willen der Tarifvertragsparteien für die Berechnung eines reinen leistungsbezogenen Entgelts zu Grunde gelegt werden kann, folgt im Übrigen auch aus den Regelungen für den Fall der Arbeitsunfähigkeit. Nach der Ergebnisniederschrift wird im Falle der Arbeitsunfähigkeit das regelmäßige Monatsentgelt zu Grunde gelegt, das der Arbeitnehmer erhalten hätten, wenn keine Arbeitsunfähigkeit eingetreten wäre. Erst nach einer ununterbrochenen krankheitsbedingten Ausfallzeit von mehr als sechs Monaten erfolgt zudem eine Kürzung des Zielbetrages.

Unter Berücksichtigung des tatsächlich gezahlten Zuschusses zum Mutterschaftsgeld ergibt sich folgende Berechnung des der Klägerin zustehenden ergebnisbezogenen Entgelts für das Jahr 2000:

 Tatsächlich gezahltes Monatsentgelt:26.717,80 €
Hiervon 10%:2.671,78 €
Hiervon 2/3: 1.781,19 €
Hiervon 1/3:890,59 €

Individualzielerreichung:

 GewichtungZielbetragZielerreichungsgradAnteil
30%534,36 €137% 732,07 €
40%712,48 € 95% 605,61 €
30%534,36 € 74% 117,56 €
   1.455,24 €

Unternehmenszielerreichung:

 ZielbetragZielerreichungsgradAnteil
 890,59 €134,70%1.199,63 €
    
Gesamtergebnis:  2.654,87 €
Bereits gezahlt:  2.253,13 €
Restlicher Anspruch:   401,74 €

Die Berufung der Beklagten war mithin zurückzuweisen, soweit die Beklagte zur Zahlung dieses Betrages, der nach den §§ 288, 286 BGB seit dem 13.10.2003 zu verzinsen ist, verurteilt worden ist.

Im Übrigen war die Berufung der Beklagten erfolgreich.

Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass bei der Bemessung des im Streit stehenden ergebnisbezogenen Entgelts für die Zeit ihres Mutterschutzes das Entgelt zu Grunde gelegt wird, das sie bezogen hätte, wenn ein Beschäftigungsverbot nicht eingetreten wäre.

Der Tarifvertrag enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass während der Zeiten des Mutterschutzes das regelmäßige Monatsentgelt zugrunde zu legen ist, das die Klägerin erhalten hätte, wenn sie nicht schwanger geworden wäre. Eine entsprechende Regelung ist in dem Tarifvertrag lediglich für den Fall der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Die Klägerin war während des im Streit stehenden Zeitraums jedoch gerade nicht arbeitsunfähig.

Die Regelung über die Arbeitsunfähigkeit kann auf die Zeiten der Beschäftigungsverbote nicht entsprechend angewandt werden. Eine entsprechende Anwendung scheitert daran, dass die Parteien des Tarifvertrages ausdrücklich geregelt haben, was Bezugspunkt für das ergebnisbezogene Entgelt ist. Maßgeblich ist, wie dargelegt, das tatsächlich gezahlte regelmäßige Monatsentgelt, wozu auch der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld zählt, nicht jedoch ein fiktives Monatsentgelt. Die Tarifvertragsparteien haben konkret geregelt, in welchem Fall hiervon eine Ausnahme zu machen ist, nämlich nur bei eingetretener längerer Arbeitsunfähigkeit. Es liegt deshalb keine Regelungslücke vor, die im Wege der Auslegung gefüllt werden müsste.

Die im Streit stehende tarifliche Regelung verstößt auch nicht gegen Art. 3 GG, weil sie Arbeitnehmerinnen im Mutterschutz anders behandelt als arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer.

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass sich die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld vom Anspruchszweck her unterscheiden (BAG vom 14. Dezember 1995, 6 AZR 297/95, AP Nr. 1 zu § 11 TV Arb Bundespost). Nach dieser Entscheidung dient die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall dazu, dem Arbeitnehmer den Lohn zu sichern, obwohl er die Arbeitsleistung wegen seiner Erkrankung nicht erbringen kann. Demgegenüber verfolgt die Regelung über den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld den Zweck, das in Art. 6 Abs. 4 GG der Gemeinschaft auferlegte Schutz- und Fürsorgegebot zu Gunsten der Mutter in der Weise zu verwirklichen, dass an den finanziellen Belastungen des Mutterschutzes nicht nur der Staat und die gesetzliche Krankenversicherung beteiligt werden, sondern auch der Arbeitgeber. Eine Tarifregelung, nach der eine Einmalzahlung mit Lohncharakter zwar den Beziehern von Entgelt, nicht aber anderen Arbeitnehmern und damit u. a. auch nicht den Beziehern von Mutterschaftsgeldzuschuss zusteht, ist nach dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht willkürlich und damit gleichheitswidrig.

Es liegt auch kein Verstoß gegen das Lohngleichheitsgebot nach Art. 119 EGV vor. Eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts fehlt, weil nicht festgestellt werden kann, dass weibliche Arbeitnehmer schlechter behandelt werden als männliche Arbeitnehmer. Soweit der Tarifvertrag als Bezugsgröße auf das tatsächlich gezahlte Monatsentgelt abstellt, werden Frauen im Verhältnis zu Männern nicht benachteiligt.

Art. 119 EGV ist unmittelbar anwendbares nationales Recht und gibt einem Arbeitnehmer einen unmittelbaren Anspruch gegen seinen Arbeitgeber (vgl. EuGH vom 7. Februar 1991, Rs C-184/89, "Nimz", AP Nr. 25 zu § 23 a BAT; BAG vom 25. Juli 1996, 6 AZR 138/94, AP Nr. 6 zu § 35 BAT, zu II 1 a der Gründe). Das gemeinschaftsrechtliche Lohngleichheitsgebot hat auch Vorrang gegenüber Tarifverträgen. Dies folgt aus Art. 4 der Richtlinie 75/117/EWG, wonach die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass mit dem Grundsatz des gleichen Entgelts unvereinbare Bestimmungen in Tarifverträgen nichtig sind oder für nichtig erklärt werden (EuGH vom 27. Juni 1990 - Rs C-33/89 - "Kowalska" - AP Nr. 21 zu Art. 119 EWG-Vertrag; BAG vom 26. Mai 1993, 5 AZR 184/92, AP Nr. 42 zu Art. 119 EWG-Vertrag, zu II 1 der Gründe; BAG vom 25. Juli 1996, aaO, zu II 1 a der Gründe).

Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erfasst Art. 119 EGV auch die sog. mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts. Eine solche liegt vor, wenn eine benachteiligende Regelung zwar unterschiedslos auf Männer und Frauen anzuwenden ist, sie aber erheblich mehr Angehörige des einen als des anderen Geschlechts betrifft und nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben (BAG vom 23. April 1998, 6 AZR 558/96, nv; EuGH vom 13. Mai 1986 - Rs C-170/84 - "Bilka" - AP Nr. 10 zu Art. 119 EWG-Vertrag; EuGH vom 31. Mai 1995 - Rs C-400/93 - AP Nr. 68 zu Art. 119 EWG-Vertrag; BAG vom 25. Juli 1996, aaO, zu II 1 b der Gründe).

Es kann bereits nicht festgestellt werden, dass durch das Abstellen auf das gezahlte regelmäßige Monatsentgelt tatsächlich mehr Frauen benachteiligt werden als Männer. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass die Bezugsgröße für die Berechnung des ergebnisbezogenen Entgelts sich immer dann reduziert, wenn tatsächlich keine Arbeitsleistung erbracht wird, also auch in den Fällen der Gewährung von unbezahltem Sonderurlaub. Dies trifft aber Männer in gleichem Umfang wie Frauen.

Die tarifliche Regelung ist zudem durch objektive Faktoren gerechtfertigt, die nichts mit der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben. Denn bei dem im Streit stehenden ergebnisbezogenen Entgelt handelt es sich gemäß § 1 der Anlage 2 zum ERTV Mobil um eine Vergütung des Leistungsbeitrages des Arbeitnehmers und eine Beteiligung am Unternehmenserfolg. Hinsichtlich dieses Zahlungszweckes ist nicht zu beanstanden, wenn die Tarifvertragsparteien maßgeblich auf das tatsächlich gezahlte Monatsentgelt und damit indirekt auf die erbrachte Arbeitsleistung unter Berücksichtigung von Lohnersatzleistungen abstellen.

Auf die Berufung der Beklagten war das arbeitsgerichtliche Urteil entsprechend abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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