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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 24.04.2008
Aktenzeichen: 7 Sa 865/07
Rechtsgebiete: TVG


Vorschriften:

TVG § 4
1. Die Nachwirkung eines Tarifvertrages erstreckt sich nicht auf Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis erst im Nachwirkungszeitraum begründet wird.

2. Eine vorhandene betriebliche Übung begründet eine vertragliche Anspruchsgrundlage und mit Eintritt der weiteren Anspruchsvoraussetzungen die Entstehung des Anspruchs auch für neu eingetretene Arbeitnehmer. Sie kann jedoch gegenüber neu eintretenden Arbeitnehmern durch eindeutige einseitige Erklärung des Arbeitgebers beseitigt werden.

3. Die unwirksame Betriebsvereinbarung kann vorliegend nicht in eine vertragliche Einheitsregelung (Gesamtzusage) umgedeutet werden, da die Betriebsparteien erkennbar eine Regelung treffen wollten, deren Geltung nicht auf einzelvertraglicher Grundlage beruhen und von der sich der Beklagte zu 1) für die Zukunft mit den Mitteln des Betriebsverfassungsrechts wieder lösen können sollte.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 Sa 865/07

In dem Rechtsstreit

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 24. April 2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Leibold, den ehrenamtlichen Richter Herrn Rinke, den ehrenamtlichen Richter Herrn Sandte für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 09.05.2007, 3 Ca 516/06, wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 09.05.2007, 3 Ca 516/06, abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung für die Jahre 2003 bis 2005 zusteht.

Der Kläger war seit dem 06.05.2002 bei dem Beklagten zu 1) beschäftigt.

Der Beklagte zu 1) ist der Konkursverwalter der Firma Firma A. GmbH, die ein Sägewerk und Holzhandel mit ca. 280 Arbeitnehmern betrieb. Über das Vermögen dieser Firma wurde am 01.02.1995 das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1) zum Konkursverwalter bestellt. Der Beklagte zu 1) führte das Unternehmen bis zum 20.02.2006 fort.

Der Kläger schloss mit dem Beklagten zu 1) am 22.11.2004 einen schriftlichen Arbeitsvertrag, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 16 - 18 d.A.). Dieser Vertrag enthält keine Regelung über die Gewährung von Jahressonderzahlungen und keine Bezugnahme auf Tarifverträge. Ziffer 14 lautet:

Im übrigen gelten die zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung der Firma A. GmbH i.K. abgeschlossenen und zukünftigen Betriebsvereinbarungen.

Die Gemeinschuldnerin gehörte bis zum 31.12.1989 dem Sägewerksverband an, nach einem Unternehmensverkauf erfolgte der Austritt aus dem Verband. Sie zahlte bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens an alle Arbeitnehmer ein Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld in tariflicher Höhe.

Für die Sägeindustrie und die übrige holzbearbeitende Industrie in Niedersachsen und Bremen existiert ein Manteltarifvertrag, der u. a. folgende Regelungen enthält:

85. Die Urlaubsdauer beträgt 30 Arbeitstage für alle Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden.

95. Neben dem Urlaubsentgelt wird für den Erholungsurlaub nach Ziffer 85 ein zusätzliches Urlaubsgeld gewährt. Es beträgt 50% des Urlaubsentgelts.

108. Alle sonstigen gegenseitigen Ansprüche sind innerhalb einer Frist von 3 Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen und im Falle der Ablehnung durch die andere Partei innerhalb einer Frist von 2 Monaten beim Arbeitsgericht einzuklagen.

109. Nach Ablauf der angeführten Fristen sind die Ansprüche verwirkt, es sei denn, dass sie vorher durch den Arbeitnehmer oder durch den Betriebsrat schriftlich geltend gemacht bzw. eingeklagt worden sind.

Für den Bereich der holzbearbeitenden Industrie in den Ländern Niedersachsen und Bremen gibt es zudem einen Tarifvertrag über die stufenweise Einführung eines 13. Monatsverdienstes, in dem unter anderem geregelt ist:

2.

Arbeitnehmer, die am 1. Dezember in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen mindestens 3 Monate angehören, haben je Kalenderjahr einen Anspruch auf betriebliche Sonderzahlungen als Teil eines 13. Monatsverdienstes nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen.

3.

Die Sonderzahlung wird am 1. Dezember jeden Jahres fällig. Sie beträgt bei vollem Anspruch 1985 70%

eines durchschnittlichen Brutto-Monatsverdienstes.

In der Zeit nach der Konkurseröffnung gewährte der Beklagte zu 1) den Beschäftigten Sonderzahlungen in unterschiedlicher Höhe gemäß folgender Aufstellung:

 199550 % 70 % Betriebsvereinbarung vom 17.07.1995: "entsprechend dem Sägewerkstarif"
19960 % 0 % Betriebsvereinbarung vom 24.01.1996: freiwillig
1997 45,5 %Betriebsvereinbarung vom 14.11.1997
1998 51,61 %Betriebsvereinbarung vom 02.07.1998
199900 
200040%40% 
200130% + 20%20%Aushang vom 07.09.2001 und 04.12.2001
200210+10+10= 30%10%Aushang vom 02.07.2002 und 09.12.2002
2003 10%Aushang vom 28.07.2003 und 07.10.2003
20040%0%Aushang vom 27.07.2004
200510% Aushang vom 10.03.2005

In den Jahren 1995 bis 1998 erfolgten diese Zahlungen jeweils nach einer entsprechenden Vereinbarung des Beklagten zu 1) mit dem in dem Betrieb gebildeten Betriebsrat.

So wurde eine Betriebsvereinbarung vom 17.07.1995 (Bl. 19 - 20 d.A.) abgeschlossen mit folgenden Regelungen:

11: Die anteilige 13. Monatszahlung wird entsprechend dem Sägewerkstarif gezahlt.

12: Das zusätzliche Urlaubsgeld wird entsprechend dem Sägewerkstarif gezahlt.

14: Diese Vereinbarung hat eine Laufzeit bis 30.09.1998. Sie kann erstmals zum 30.09.1998 von beiden Seiten mit einer Frist von 3 Monaten vor Ablauf gekündigt werden.

Die Betriebsvereinbarung vom 24.01.1996 lautet:

Die in der Betriebsvereinbarung vom 17.07.95 unter Punkt 11 und 12 vereinbarte Leistung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes nach dem Sägewerkstarif wird in eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers, beschränkt auf das Kalenderjahr 1996, gewandelt.

Bei Ablauf des Kalenderjahres 1996 tritt die alte Betriebsvereinbarung in Kraft.

In einer Betriebsvereinbarung vom 14.11.1997 wurde vereinbart, dass der volle Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld in 1997 nicht erfüllt werden könne, und dass dieser Anspruch mit einer Sonderzahlung in Höhe von 45,5% brutto von einem Monatslohn/Gehalt, zahlbar mit dem Novemberlohn 1997, abzugelten sei.

Die Betriebsvereinbarung vom 02.07.1998 sieht die Erfüllung des zusätzlichen Urlaubsgeldes und des anteiligen 13. Monatsgehaltes mit einer Quote von 73,72% vor, was 51,61% eines Monatslohns entspricht.

Ein von dem Beklagten zu 1) eingeholtes Gutachten des Prof. D. vom 20.09.1999 über die Rechtmäßigkeit der Betriebsvereinbarungen über Urlaubs- und Weihnachtsgeld kam zu dem Ergebnis, dass eine Streichung oder Kürzung der Sonderzahlungen nicht durch Betriebsvereinbarungen erfolgen könne, aber per Regelungsabrede zulässig sei.

Daraufhin wurde in den folgenden Jahren, erstmals durch Vereinbarung vom 01.10.1999 (Bl. 47 - 49 d.A.), zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Betriebsrat folgendes vereinbart:

Konkursverwalter und Betriebsrat gehen davon aus, dass die Frage von Zahlungen für zusätzliches Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden kann. Sie sind jedoch im Rahmen einer bloßen Betriebsabsprache darüber einig, dass die Frage einer Zahlung nach Grund und Höhe an den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Insolvenzverwalters orientiert werden soll.

Aus diesem Grund wird klargestellt, dass die Inbezugnahme anderer Tarifvertragswerke gemäß Ziffer 8 dieser Betriebsvereinbarung die dort etwaig enthaltenen Regelungen über zusätzliches Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht erfasst.

Die Gewährung von Sonderzahlungen gab der Beklagte zu 1) in den Folgejahren jeweils durch Aushang wie folgt bekannt:

Aushang vom 07.09.01 (Bl. 64 d.A.):

Wie in der Sitzung am 07.09.2001 mit dem Betriebsrat erörtert, wird eine freiwillige Sonderzahlung in Höhe von 20% des verstetigten Monatslohnes geleistet.

Die Auszahlung erfolgt mit der Lohnabrechnung für August 2001.

Aushang vom 04.12.01 (Bl. 65 d.A.):

Wie in der Sitzung vom 30.11.01 mit dem Betriebsrat erörtert, wird eine freiwillige Sonderzahlung in Höhe von 20% des verstetigten Monatslohnes geleistet.

Die Auszahlung erfolgt mit der Lohnabrechnung für November 2001.

Aushang vom 02.07.2002 (Bl. 66 d.A.):

nach eingehender Besprechung mit dem Betriebsrat wird eine freiwillige Sonderzahlung von zunächst 30% des verstetigten Monatslohnes gezahlt und wie folgt ausbezahlt:

10% mit Abrechnungszeitraum Juni

10% mit Abrechnungszeitraum Juli

10% mit Abrechnungszeitraum August

Aushang vom 09.12.02 (Bl. 67 d.A.):

Wie in der Sitzung am 07.12.02 mit dem Betriebsrat erörtert, wird eine freiwillige Sonderzahlung in Höhe von 10% des verstetigten Monatslohnes geleistet.

Die Auszahlung erfolgt mit der Lohnabrechnung für Dezember 2002.

Aushang vom 28.07.03 (Bl. 68 d.A.):

Die gegenwärtige Lage des Unternehmens wurde mit dem Betriebsrat am 25. Juli eingehend besprochen. Sie lässt im Moment keine Sonderzahlung zu.

Die Möglichkeit zu einer Sonderzahlung wird im September erneut geprüft werden.

Aushang vom 07.10.2003 (Bl. 69 d.A.):

Nach eingehender Besprechung mit dem Betriebsrat wird für den Lohnabrechnungszeitraum Oktober eine freiwillige Sonderzahlung von 10% des verstetigen Monatslohnes gezahlt.

Mitarbeiterinformation vom 27. Juli 2004 (Bl. 70 d.A.):

Der Betriebsrat wurde am 24. Juli 2004 umfassend über die gegenwärtige Lage des Unternehmens informiert:

...

Mit diesen zusätzlichen Ausgaben ist die Belastungsgrenze des Unternehmens erreicht, Sonderzahlungen an die Mitarbeiter sind nach gegenwärtigem Stand in diesem Jahr nicht möglich.

Aushang vom 10.03.2005 (Bl. 71 d.A.):

nach eingehender Besprechung mit dem Betriebsrat wird ab dem Lohnabrechnungszeitraum März eine Erhöhung von 1,5% auf den verstetigen Monatslohn gewährt und für den Lohnabrechnungszeitraum April eine freiwillige Sonderzahlung von 10% des verstetigen Monatslohnes gezahlt.

Der Konkursverwalter verkaufte das Unternehmen durch Kaufvertrag vom 28.01.2006 zum 20.02.2006 an die Firma B. GmbH, die Beklagte zu 3). Mit der sanierenden Übertragung gingen alle Arbeitsverhältnisse auf die Betriebsübernehmerin über.

Der Beklagte zu 1) verzichtete in einem Aushang vom Februar 2006 (Bl. 144 d.A.) auf die Einhaltung der Ausschlussfrist für Ansprüche auf Weihnachtsgeld für das Jahr 2005 ohne Anerkennung von Rechtspflichten.

Der Kläger machte gegenüber dem Beklagten zu 1) die Zahlung von zusätzlichem Urlaubsgeld und Sonderzahlung für die Kalenderjahre 2003 bis 2005 unter Berücksichtigung der erfolgten Zahlungen geltend.

Mit seiner Klage vom 24.05.2006 verfolgte der Kläger diese Ansprüche auch gegen den Beklagten zu 1) persönlich (Beklagter zu 2)) sowie gegen die Betriebsübernehmerin als Beklagte zu 3).

Die Klage gegen die Beklagte zu 3) nahm er am 29.01.2007 zurück, nachdem er mit seiner neuen Arbeitgeberin einen Änderungsvertrag abgeschlossen hatte, in dem die Zahlung von Sonderzahlungen ab dem 20.02.2006 geregelt wurde (Bl. 128 - 130 d.A.). Dabei wurde unter anderem Folgendes vereinbart:

c)

Um im Rahmen der betrieblichen Angleichung von Arbeitszeiten, der Einführung einheitlicher Beurteilungsgrundsätze und Zuschläge die Harmonisierung der Verträge mit Wirkung ab 20.02.2006 zu erreichen und hierdurch Betriebsfrieden und Planungssicherheit für die Zeit ab dem Betriebsübergang zu gewährleisten, gewährt die Arbeitgeberin eine weitere Zahlung an Arbeitnehmerin/Arbeitnehmer in Höhe von 0,4 eines individuellen Bruttomonatsentgeltes (ohne Zuschläge), fällig mit der Dezemberabrechnung 2006.

Der sich hieraus ergebende Betrag ist aber arbeitnehmerseits an die Arbeitgeberin zurückzuzahlen, soweit sich in den gegen Dr. E. als Konkursverwalter der Firma A. GmbH in Konkurs u. a. als Gesamtschuldner geführten Rechtsstreitigkeiten ergeben sollte, dass bis zu dieser Höhe oder mehr für die Zeit nach dem 20.02.2006 Ansprüche auf Weihnachts- und Urlaubsgeld aus den vor Betriebsübergang geltenden Regelungen hergeleitet werden könnten.

Insoweit wäre die Harmonisierung durch die Neuregelungen zur Sonderzahlung und der bevorstehenden Einführung von Beurteilungsgrundsätzen bereits hergestellt. Gleiches gilt, wenn die Rechtsstreitigkeiten ohne Urteil enden. Bei vergleichsweiser Regelung gehen die Parteien bis zur Höhe von 0,4 Bruttomonatsentgelten vom Unterliegen der Gesamtschuldner und entsprechender Ansprüche für die Zeit ab 20.02.2006 aus, deren Bestand durch die Vertragsänderungen beseitigt wäre oder jedenfalls beseitigt ist.

Hat Arbeitnehmerin/Arbeitnehmer nicht gegen die Gesamtschuldner für die Zeit vor dem 20.02.2006 geklagt, ist ebenfalls eine Rückzahlung an die Arbeitgeberin geschuldet, entsprechend dem Betrag eventuell ausgeurteilter oder vergleichsweise erhaltener Beträge einer klagenden Partei, gleichfalls bis zu einer Höhe von maximal 0,4 individuellen Bruttomonatsentgelten (ohne Zuschläge).

...

4. Sonstiges

Mit Wirksamwerden der aufschiebend bedingten Änderungsverträge ist die/der den Vertrag annehmende Arbeitnehmerin/Arbeitnehmer verpflichtet, eine etwaige Klage wegen streitiger arbeitnehmerseits behaupteter Sonderzahlungsansprüche, soweit sie auch gegen die Arbeitgeberin (Firma B. GmbH) gerichtet ist oder gerichtet werden kann, insoweit zurückzunehmen bzw. nicht zu erheben. Im Übrigen können etwaige Klagen für die Zeit vor dem 20.02.2006 aufrechterhalten bleiben, so dass sich die Gesamtschuldparteien im Innenverhältnis auseinanderzusetzen haben.

Das Arbeitsgericht hat durch ein den Parteien am 15.05.2007 zugestelltes Urteil vom 09.05.2007, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 161 - 182 d.A.), den Beklagten zu 1) verurteilt, an den Kläger 1.013,33 € brutto nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Hiergegen richten sich die am 11.06.2007 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.08.2007 am 14.08.2007 begründete Berufung des Klägers sowie die am 13.06.2007 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.08.2007 am 16.08.2007 begründete Berufung des Beklagten zu 1).

Der Beklagte zu 1) ist der Auffassung, die geltend gemachten Ansprüche seien durch den von dem Kläger mit der Beklagten zu 3) getroffenen Änderungsvertrag erloschen. Der Kläger habe in dieser Vereinbarung auf die Sonderzahlungsansprüche verzichtet, die vor dem Betriebsübergang am 20.02.2006 entstanden seien. Damit seien auch die gegen den Beklagten zu 1) erhobenen Ansprüche kraft Gesetzes erloschen. Der gesetzliche Schuldbeitritt des Betriebsveräußerers nach § 613 a Abs. 2 BGB sei entsprechend den akzessorischen Sicherungsrechten zu behandeln, weshalb die Haftung des Betriebsveräußerers entsprechend § 767 Abs. 1 BGB beschränkt sei.

Es bestehe kein Anspruch auf die im Streit stehenden Jahressonderzahlungen aus betrieblicher Übung. Die Gemeinschuldnerin habe vor Konkurseröffnung nicht regelmäßig und vorbehaltlos Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld gewährt. Vielmehr hätten die Arbeitnehmer nicht näher definierte Einmalbezüge in unterschiedlicher Höhe und zu unterschiedlichen Jahreszeitpunkten erhalten. Der Kläger hätte deshalb die Höhe und die weiteren Einzelheiten seines Anspruchs im Einzelnen darlegen und beweisen müssen.

Konkursverwalter und Betriebsrat seien von einem ausschließlich kollektiv-rechtlichen und wieder kündbaren Anspruch aus der Betriebsvereinbarung vom 17.07.1995 ausgegangen. Die Frage bestehender individual-rechtlicher Ansprüche einzelner Arbeitnehmer sei für diese Betriebsvereinbarung bedeutungslos gewesen. Vereinbarungsgrundlage sei die Annahme gewesen, dass die in der Betriebsvereinbarung geregelten Sonderzahlungen ohne Gefährdung der Fortführungs- und Sanierungsaufgabe möglich seien.

Zudem liege eine abändernde betriebliche Übung vor. Die Arbeitnehmer hätten den angebotenen Abschluss eines den Arbeitsvertrag beschränkenden Änderungsvertrages angenommen durch die widerspruchslose Entgegennahme der veränderten Leistungen. Der Beklagte zu 1) habe objektiv davon ausgehen dürfen, dass die Arbeitnehmer die geänderte betriebliche Übung akzeptierten. Die Frage einer Stundung bzw. Nachzahlung habe nie zur Debatte gestanden.

Der Beklagte zu 1) habe in dem Vertrauen auf das Einverständnis der Arbeitnehmerschaft vorhandene liquide Mittel stets und ausschließlich für notwendige Re- und Umstrukturierungen zur Aufrechterhaltung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit eingesetzt. Die Umwandlung der kollektiv-rechtlichen Sonderzahlung in eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers habe einer Bankenforderung entsprochen auf entsprechende Verteilung der Sanierungslasten auch auf die Arbeitnehmer. Dies sei dem Kläger bekannt gewesen.

Die Beteiligung des Betriebsrats stehe der abändernden betrieblichen Übung nicht entgegen. Die erfolgten Zahlungen hätten sich allein an den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gemeinschuldnerin orientiert. Nur dies sei mit dem Betriebsrat erörtert worden.

Die Konkurssituation spreche für das Vorliegen einer abändernden betrieblichen Übung. Einer ausdrücklichen Änderung der arbeitsvertraglichen Beziehungen habe es gerade nicht bedurft, da der Kläger der geänderten Handhabung über einen Zeitraum von insgesamt 11 Jahren hinweg nicht widersprochen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Beklagten im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Schriftsätze seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.08.2007, 17.10.2007, 17.04.2008 und 23.04.2008.

Der Beklagte zu 1) beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 09.05.2007 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen sowie

das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen abzuändern und

die Beklagten zu 1) und 2) zu verurteilen, an den Kläger 1.099,27 € brutto Urlaubsgeld und 1.115,76 € brutto Sonderzahlung für das Jahr 2003, 1.115,75 € brutto Urlaubsgeld und 1.132,49 € brutto Sonderzahlung für das Jahr 2004 sowie 1.164,74 € brutto Urlaubsgeld und 1.182,21 € brutto Sonderzahlung für das Jahr 2005, mithin insgesamt 6.810,22 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, durch die tatsächliche Handhabung bis zum Jahre 1995 sei eine betriebliche Übung in Bezug auf das tarifliche Urlaubsgeld und die Sonderzahlung eingetreten. Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin C. habe nach der Betriebsübernahme im Jahr 1990 auf einer Betriebsversammlung sinngemäß erklärt: "Ihr braucht euch keine Sorgen machen, ich gehe zwar nicht in den Tarif, aber ihr kriegt alles bezahlt, wie es im Tarif steht."

Die Betriebsvereinbarung vom 17.07.1995 sei in eine Gesamtzusage als vertragliche Einheitsregelung umzudeuten. Hiermit sei beabsichtigt worden, bestehende Unklarheiten in den Rechtsgründen für die Zeit ab dem Konkurs verbindlich zu beseitigen und allen Betroffenen Ansprüche auf die Zahlung eines in der Höhe den tariflichen Bestimmungen entsprechenden Urlaubs- und Weihnachtsgeldes zu gewähren. Der Beklagte habe sich vertraglich gegenüber den begünstigten Arbeitnehmern binden wollen. Er habe die Betriebsvereinbarung auch nie gekündigt.

Die tariflichen Ausschlussfristen seien nicht anwendbar. Der Beklagte hätte zwar zahlreiche tariflichen Bestimmungen der Sägeindustrie Niedersachsen/Bremen angewandt, aber nicht alle. Es fehle zudem der nach dem Nachweisgesetz erforderliche Hinweis auf die Geltung der Ausschlussfristen in dem schriftlichen Arbeitsvertrag.

Schließlich hafte der Konkursverwalter auch persönlich. Der Beklagte zu 2) habe seit 1995 die im Streit stehenden Ansprüche sämtlicher Arbeitnehmer nicht befriedigt, obwohl er selbst die Betriebsvereinbarung vom 17.07.1995 habe abschließen lassen. Er habe über sämtliche Unterlagen des Unternehmens, insbesondere die Arbeitsverträge und die Lohnjournale verfügt. Er habe dann versucht, die berechtigten Ansprüche zu Fall zu bringen und dem Betriebsrat das Gutachten des Prof. D. vom 20.09.1999 vorgelegt. Dieses Gutachten gehe von falschen Voraussetzungen aus, soweit dort angenommen werde, es handele sich um freiwillige Leistungen.

Unter Berufung auf dieses Gutachten und unter Verwendung der von dem Betriebsrat unterzeichneten bloßen Betriebsabsprachen habe er dann die im Streit stehenden berechtigten Ansprüche nicht erfüllt. Aus dem Umstand, dass der Beklagte zu 2) jährlich mit dem Betriebsrat über die Frage von Sonderzahlungen konferiert habe, sei zu folgern, dass ihm die Rechtslage bekannt gewesen sei oder jedenfalls bekannt gewesen sein müsse. Der Beklagte habe mehrfach darauf hingewiesen, dass er "das Buch zu machen müsse", wenn er Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu zahlen habe.

Der Beklagte sei nicht lediglich Arbeitgeber, sondern als Konkursverwalter den Beschäftigten gegenüber in deren Eigenschaft als Massegläubiger verpflichtet. Er hätte erkennen müssen, dass die bestehenden Ansprüche der Beschäftigten aus der Masse nicht erfüllt werden könnten. Dennoch habe er den Betrieb fortgeführt, ohne diese Masseforderungen befriedigen zu können. Hierdurch habe er massiv konkursspezifische Pflichten verletzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Klägers im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Schriftsätze seiner Prozessbevollmächtigten vom 09.08.2007, 27.10.2007 und 20.03.2008 nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufungen beider Parteien sind statthaft, sie sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 519, 520 ZPO, 64, 66 ArbGG.

II.

1. Die Berufung des Beklagten zu 1) ist begründet.

1.1. Der Kläger hat gegen den Beklagten zu 1) keinen Anspruch auf eine Sonderzahlung für die Jahre 2003 bis 2005.

1.1.1. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus Ziffer 3 des Tarifvertrages über die stufenweise Einführung eines 13. Monatsverdienstes in den Betrieben der holzbearbeitenden Industrie für die Länder Niedersachsen und Bremen. Dieser Tarifvertrag ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anwendbar..

1.1.2. Die Anwendbarkeit dieses Tarifvertrages folgt nicht aus § 4 Abs. 1 und 5 TVG. Die Gemeinschuldnerin gehörte zwar bis zum 31.12.1989 dem Sägewerksverband an. Der Tarifvertrag galt deshalb bis zu diesem Zeitpunkt unmittelbar und zwingend zwischen der Arbeitgeberin und den bei ihr tätigen tarifgebundenen Arbeitnehmern. Er wirkte grundsätzlich auch noch nach dem Verbandsaustritt der Gemeinschuldnerin gemäß § 4 Abs. 5 TVG für die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Arbeitsverhältnisse nach.

Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wurde jedoch erst ab dem 01.07.2000 begründet. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Tarifbindung der Arbeitgeberin nicht mehr. Auf die Nachwirkung des Tarifvertrages kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen, da sich diese nicht auf Arbeitnehmer erstreckt, deren Arbeitsverhältnis im Nachwirkungszeitraum begründet wird, (BAG vom 10.12.1997, 4 AZR 247/96, AP Nr. 20 zu § 3 TVG, BAG vom 22.07.1998, 4 AZR 403/97, AP Nr. 32 zu § 4 TVG Nachwirkung).

1.1.3. Der Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatsverdienstes ist nicht ausdrücklich in dem von dem Kläger mit dem Beklagten zu 1) abgeschlossenen Arbeitsvertrag in Bezug genommen worden. Eine Bezugnahme erfolgte lediglich auf die geltenden Betriebsvereinbarungen, nicht jedoch auf die tarifvertraglichen Regelungen.

1.1.4. Dieser Tarifvertrag findet auch nicht kraft betrieblicher Übung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 18.04.2007, 4 AZR 653/05, AP Nr. 54 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag), von der abzuweichen kein Anlass besteht, ist unter betrieblicher Übung die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, dass ihnen eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden soll. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend gemäß § 151 BGB angenommen wird, erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen (BAG vom 16.06.2004, 4 AZR 417/03; BAG vom 26.05.1993, 4 AZR 130/93, BAGE 73, 191, 197; BAG vom 11.04.2006, 9 AZR 500/05, AP BGB § 667 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 667 Nr. 1; BAG vom 16.01.2002, 5 AZR 715/00, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 56 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 37; BAG vom 04.05.1999, 10 AZR 290/98, BAGE 91, 283, 287). Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte (BAG vom 30.05.2006, 1 AZR 111/05, AP BetrVG § 77 Nr. 23 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 14; BAG vom 16.01.2002, 5 AZR 715/00, a.a.O.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Die Wirkung einer Willenserklärung im Rechtsverkehr setzt ein, wenn der Erklärende aus der Sicht des Erklärungsempfängers einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert hat (BAG vom 28.06.2006, 10 AZR 385/05, AP BGB § 242 Nr. 74 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 7). Nicht erkennbare subjektive Vorstellungen des Arbeitgebers sind unerheblich (HWK/Thüsing 2. Aufl. BGB § 611 Rn. 232).

Eine betriebliche Übung entsteht dagegen nicht, wenn der Arbeitgeber zu den zu ihrer Begründung angeführten Verhaltensweisen durch andere Rechtsgrundlagen verpflichtet war (BAG vom 19.06.2001, 1 AZR 598/00, EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 67) oder irrtümlich auf Grund einer vermeintlichen Verpflichtung aus einer anderen Rechtsgrundlage sich zur Leistungserbringung verpflichtet glaubte (BAG vom 16.06.2004, 4 AZR 417/03). Wenn der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar auf Grund einer anderen und sei es auch tatsächlich nicht bestehenden Rechtspflicht hat erbringen wollen, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden (BAG vom 30.05.2006, 1 AZR 111/05, a.a.O.). Ein Anspruch aus betrieblicher Übung kann mithin nur dann entstehen, wenn es an einer anderen kollektiv- oder individualrechtlichen Grundlage für die Leistungsgewährung fehlt (BAG vom 24.11.2004, 10 AZR 202/04, AP Nr. 70 zu § 242 BGB betriebliche Übung).

Eine vorhandene betriebliche Übung begründet eine vertragliche Anspruchsgrundlage und mit Eintritt der weiteren Anspruchsvoraussetzungen die Entstehung des Anspruchs auch für neu eingetretene Arbeitnehmer (BAG vom 28.06.2006, 10 AZR 385/05, AP Nr. 74 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG vom 27.06.2001, 10 AZR 488/00, EzA Nr. 44 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Sie kann jedoch gegenüber neu eintretenden Arbeitnehmern durch eindeutige einseitige Erklärung des Arbeitgebers beseitigt werden (BAG vom 14.11.2001, 10 AZR 152/01, NZA 2002, 527).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

Dabei kann zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens eine betriebliche Übung bezüglich der im Streit stehenden Sonderzahlungen und des Urlaubsgeldes entstanden ist. Diese betriebliche Übung ist jedoch von dem Beklagten zu 1) nicht fortgeführt worden, wie die erfolgten Sonderzahlungen in unterschiedlicher Höhe in den Jahren ab 1996 zeigen. Bei Abschluss des Arbeitsvertrages war eine entsprechende betriebliche Übung somit tatsächlich nicht mehr vorhanden. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte zu 1) dem Kläger mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages auch konkludent die Teilhabe an einer vor Konkurseröffnung bestehenden betrieblichen Übung angeboten hat.

Der Beklagte zu 1) hat vielmehr durch Abschluss des Arbeitsvertrages vom 22.11.2004 gegenüber dem Kläger eindeutig zu erkennen gegeben, dass ihm vertraglich ein Anspruch auf eine Sonderzahlung gerade nicht zustehen soll. Denn der Arbeitsvertrag enthält weder einen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung noch werden einschlägige tarifliche Bestimmungen in Bezug genommen.

1.1.5. Nach dem Arbeitsvertrag gelten lediglich die mit dem Betriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen. Bei Abschluss des Arbeitsvertrages existierte in dem Betrieb allerdings keine wirksame Betriebsvereinbarung, die dem Kläger einen Anspruch auf die im Streit stehenden Zahlungen gibt.

Auf die Betriebsvereinbarung vom 17.07.1995 kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass diese Betriebsvereinbarung gegen das Regelungsverbot des § 77 Abs. 3 BetrVG verstößt und daher unwirksam ist. Nach dieser Vorschrift können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dieser Vorrang gilt unabhängig von einer Tarifgebundenheit des Arbeitgebers. Der Betrieb muss lediglich im Geltungsbereich des Tarifvertrages liegen (BAG vom 20.11.2001, 1 AZR 12/01, EzA Nr. 70 zu § 77 BetrVG 1972).

Dies ist vorliegend der Fall. Die im Streit stehenden Ansprüche sind in den Tarifverträgen für die Sägeindustrie und die sonstige holzbearbeitende Industrie in Niedersachsen/Bremen geregelt, so dass eine Anspruchsbegründung durch Betriebsvereinbarung nicht erfolgen konnte.

Hinzu kommt, dass der Betriebsrat und der Beklagte zu 1) in den Jahren ab 1996 von der Betriebsvereinbarung vom 17.07.1995 abweichende Vereinbarungen getroffen haben. Sie haben damit zweifelsfrei zu erkennen gegeben, dass die ursprüngliche Regelung nicht mehr maßgeblich sein soll. Deutlich wird dies insbesondere in den ab dem 01.10.1999 getroffenen Absprachen, in denen ausgeführt ist, dass Konkursverwalter und Betriebsrat davon ausgehen, dass die Frage von Zahlungen für zusätzliches Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden kann, und dass sie im Rahmen einer bloßen Betriebsabsprache darüber einig sind, dass die Frage einer Zahlung nach Grund und Höhe an den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Insolvenzverwalters orientiert werden soll.

1.1.6. Die unwirksame Betriebsvereinbarung vom 17.07.1995 kann auch nicht in eine vertragliche Einheitsregelung (Gesamtzusage) umgedeutet werden, wie das Arbeitsgericht ebenfalls mit zutreffender Begründung ausgeführt hat.

Die Betriebsparteien wollten erkennbar eine Regelung treffen, deren Geltung nicht auf einzelvertraglicher Grundlage beruhen und von der sich der Beklagte zu 1) für die Zukunft mit den Mitteln des Betriebsverfassungsrechts wieder lösen können sollte. Dies folgt aus der in Ziffer 14 vereinbarten Laufzeit und der vereinbarten Kündigungsmöglichkeit. Bestätigt wird dies durch die in der Folgezeit abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen, in denen von der Betriebsvereinbarung vom 17.07.1995 abgewichen wurde. Seit der Betriebsvereinbarung vom 01.10.1999 gingen der Beklagte zu 1) und der Betriebsrat zudem übereinstimmend davon aus, dass die Frage von Zahlungen für zusätzliches Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden kann.

Für eine vertragliche Einheitsregelung durch eine Gesamtzusage würden im Übrigen die gleichen Grundsätze gelten, die oben für die Geltung einer betrieblichen Übung bei einem neu in den Betrieb eintretenden Arbeitnehmer dargestellt worden sind. Denn der Beklagte zu 1) hat durch Abschluss des Arbeitsvertrages vom 22.11.2004 gegenüber dem Kläger eindeutig zu erkennen gegeben, dass ihm vertraglich ein Anspruch auf eine Sonderzahlung nicht zustehen soll.

1.1.7. Es besteht schließlich auch kein Anspruch des Klägers aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Gleichbehandlungs-grundsatz verbietet dem Arbeitgeber eine willkürliche, sachlich unbegründete Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt jedoch nicht vor, wenn sich der Arbeitgeber bei neu eintretenden Arbeitnehmern von einer in der Vergangenheit vorhandenen betrieblichen Übung lösen will. Die Differenzierung zwischen Arbeitnehmern, denen aufgrund arbeitsvertraglicher Bestimmungen ein Anspruch auf eine Sonderzahlung zusteht und Arbeitnehmern, bei denen dies nicht der Fall ist, ist nicht willkürlich.

Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Dem Kläger steht somit ein Anspruch auf eine Jahressonderzahlung für die Jahre 2003 bis 2005 nicht zu.

1.2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Urlaubsgeld für die Jahre 2003 bis 2005.

1.2.1. Ein derartiger Anspruch ergibt sich nicht aus dem von den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrag. Denn dort ist nicht vereinbart, dass sich der Urlaub nach den bestehenden tariflichen Bestimmungen richtet. Damit haben die Parteien Ziffer 95 des Manteltarifvertrages für die Sägeindustrie und die übrige holzbearbeitende Industrie in Niedersachsen und Bremen nicht in Bezug genommen.

1.2.2. Im Übrigen gelten für die Ansprüche des Klägers auf Urlaubsgeld obige Ausführungen unter 1.1, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.

1.3. Auf die Berufung des Beklagten zu 1) war somit das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage gegen den Beklagten zu 1) abzuweisen.

2. Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von 6.810,22 € brutto gegen den Beklagten zu 2). Die erkennende Kammer macht sich die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils unter II zueigen und nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Eine persönliche Haftung des Konkursverwalters besteht nach § 82 KO nur, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt hat, die ihm nach dem Gesetz obliegen, wobei er für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Konkursverwalters einzustehen hat (BGH vom 14.04.1987, IX ZR 260/06, NJW 1987, 3133-3135; BAG vom 25.01.2007, 6 AZR 559/06, AP Nr. 1 zu § 60 InsO). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Konkursverwalter eine Masseverbindlichkeit begründet, bei deren Begründung er erkennen kann, dass die Masse voraussichtlich zur Erfüllung nicht ausreichen wird (BAG vom 01.06.2006, 6 AZR 59/06, AP Nr. 2 zu § 61 InsO). Die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters beschränkt sich in einem derartigen Fall auf das so genannte negative Interesse.

Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt kann ein Schadensersatzanspruch des Klägers vorliegend nicht festgestellt werden. Es kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass die Masse nicht zu Erfüllung der im Streit stehenden Sonderzahlungen ausreicht. Der Beklagte hat Masseunzulänglichkeit zu keinem Zeitpunkt eingewandt. Der Kläger hat keine konkreten Tatsachen vorgetragen, die den Schluss zulassen, dass die Masse zur Erfüllung der im Streit stehenden Forderungen nicht ausreicht.

Der Konkursverwalter haftet im Übrigen nur für die schuldhafte Verletzung konkursspezifischer Pflichten.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht bereits ausgeführt, dass in der Nichterfüllung der im Streit stehenden Ansprüche des Klägers auf Urlaubsgeld und Sonderzahlungen seit 1996 nicht die Verletzung einer konkursspezifischen Pflicht liegt. Denn die Verpflichtung zur Erfüllung der im Streit stehenden Ansprüche auf Sonderzahlungen aus betrieblicher Übung ergibt sich nicht aus der Konkursordnung, sondern unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag (vgl. hierzu BAG vom 01.06.2006, a.a.O., Randziffer 22).

Hinzu kommt, dass dem Beklagten unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen eine Pflichtverletzung gerade nicht vorgeworfen werden kann. Vielmehr hat er für den Kläger und die übrigen Arbeitnehmer deutlich erkennbar in jedem Jahr zum Ausdruck gebracht, aufgrund der Konkurssituation zur Zahlung von Urlaubsgeld oder 13. Monatsentgelt nicht in der Lage zu sein. Dass diese Angaben objektiv falsch waren, behauptet der Kläger nicht. Der Kläger hat dann die jeweils angebotenen Zahlungen dadurch akzeptiert, dass er darüber hinausgehende Ansprüche nicht geltend gemacht hat.

Eine Pflichtverletzung des Beklagten kann entgegen der von dem Kläger vertretenen Auffassung auch nicht darin gesehen werden, dass er den Betrieb fortgeführt hat, obwohl er sich nicht zur Begleichung der geschuldeten Sonderzahlungen in der Lage sah. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte eine Fortführung des Betriebes und damit auch eine Weiterbeschäftigung des Klägers u. a. dadurch ermöglicht hat, dass er den Arbeitnehmern jährlich eine Sonderzahlung angeboten hat, die geringer war als die vor Konkurseröffnung betriebsübliche Handhabung. Der Kläger und seine Kollegen waren nicht verpflichtet, sich damit einverstanden zu erklären. Sie hätten durchaus erfolgreich ihre Ansprüche in jedem Jahr geltend machen können.

Grundsätzlich ist der Konkursverwalter dazu verpflichtet, sämtliche ihm als Arbeitgeber obliegenden Pflichten zu erfüllen. Erfüllt er während seiner Amtstätigkeit diese Verbindlichkeiten schlecht, nicht rechtzeitig oder gar nicht, so stellen die sich daraus ergebenden Schadensersatzansprüche lediglich Masseverbindlichkeiten dar, für die die Masse haftet. Eine persönliche Haftung wird nur in den Fällen angenommen, in denen der Konkursverwalter in besonderem Maß ein persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat.

Dies ist vorliegend nicht der Fall.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Gegen dieses Urteil ist deshalb ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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