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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 07.07.2008
Aktenzeichen: 8 Sa 329/08
Rechtsgebiete: MTV Süßwarenindustrie


Vorschriften:

MTV Süßwarenindustrie
Wird eine Schicht wegen eines auf einen Werktag fallenden Feiertags auf einen Sonntag vorgezogen, an dem im allgemeinen im Betrieb in dieser Zeit nicht gearbeitet wird, handelt es sich hierbei nicht um eine übliche Schicht- und Wechselschichtarbeit an Sonn- und Feiertagen im Sinne von § 4 II Ziff. 1 MTV Süßwarenindustrie. Die Schicht ist mit einem Zuschlag nach § 4 II Ziff. 1 c des Tarifvertrages zu vergüten.
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 Sa 329/08

In dem Rechtsstreit

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2008 durch

die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Stöcke-Muhlack, den ehrenamtlichen Richter Herrn Prof. Bertrand, den ehrenamtlichen Richter Herrn Bathge für Recht erkannt:

Tenor:

1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg - 2 Ca 549/06 - vom 31.01.2008 wird kostenpflichtig zu-rückgewiesen.

2) Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Höhe eines tariflichen Zuschlags für Arbeiten, die am Sonntag während einer zeitlich vorverlegten Schicht geleistet worden sind.

Der Kläger ist seit dem 6. Januar 1992 bei der Beklagten als Hygieniker zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.143,91 € beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet zumindest kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Manteltarifvertrag für die Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer der Süßwarenindustrie Anwendung (im Folgenden: MTV Süßwarenindustrie). Die Beklagte ist ein Mehrschichtbetrieb mit Früh-, Spät- und Nachtschichten. Der Kläger leistet Schichtarbeit. Die Schichten sind wie folgt eingeteilt:

Frühschicht

Beginn Dienstag 06:00 Uhr

Ende Samstag 14:00 Uhr

Spätschicht

Beginn Montag 14:00 Uhr

Ende Freitag 22:00 Uhr

Nachtschicht

Beginn Sonntag 22:00 Uhr

Ende Freitag 06:00 Uhr

An den Sontagen (14. April und 25. Mai 2006) der Woche vor Karfreitag und Himmelfahrt im Jahre 2006, in der der Kläger für die Nachtschicht (Beginn Sonntag 22.00 Uhr) eingeteilt war, wurde für ihn die erste Nachtschicht auf die Zeit von 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr vorverlegt. In der Zeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr hat der Kläger an diesem Tage dann nicht arbeiten müssen. Sein nächster Arbeitstag war Montag, 22:00 Uhr, bis Dienstag 06:00 Uhr früh und entsprechend fortlaufend bis zum Feiertag. An den beiden Feiertagen hatte der Kläger frei. Für die Arbeit an den Sonntagen (9. April 2006 und 21. Mai 2006) von 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr zahlte die Beklagte dem Kläger eine Zulage in Höhe von 25 v.H. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger für diese Tage einen Zuschlag in Höhe von 60 v.H. Er beruft sich auf § 4 II. Ziff. 1. c) MTV Süßwarenindustrie (Arbeiten am Sonntag). Die Differenz gegenüber der von der Beklagten gezahlten Zulage beträgt unstreitig 69,80 € brutto.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die wegen der anstehenden Feiertage auf 14.00 Uhr am Sonntag vorgezogene Schicht sei nicht im Rahmen der üblichen Schicht- und Wechselschichtarbeiten an Sonn- und Feiertagen erfolgt. Es handele sich um Arbeiten an Sonntagen nach Ziff. 1. c), die mit 60 v.H. zu vergüten seien.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 69,80 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Juni 2006.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die vom Kläger geleisteten Arbeiten am 9. April und 21. Mai 2006 seien übliche Schichtarbeiten. Letztlich seien die üblichen Schichten des Klägers lediglich auf die beiden Sonntage vorgezogen worden. Hätte der Kläger am Karfreitag und Himmelfahrt seine Schicht abgeleistet, hätten ihm lediglich 25 v.H. für die übliche Schicht- und Wechselschichtarbeit an Sonn- und Feiertagen zugestanden.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 69,80 € brutto nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es handele sich um Sonntagsarbeit, nicht um übliche Schichtarbeiten an Sonn- und Feiertagen. Dies folge bereits daraus, dass an Sonntagen, auf welche die Feiertagsschichten vorgezogen worden seien, üblicherweise nicht gearbeitet werde, weil sonst die Schichten auf diesen Tag nicht hätten vorgezogen werden können. Ein anderes Verständnis hätte zur Konsequenz, dass jede durch Betriebsvereinbarung auf einen Sonntag gelegte Schicht zur üblichen Schichtarbeit werde, so dass Schichtarbeiten an Sonntagen grundsätzlich nicht zu einem Zuschlag von 60 v.H. führen könnten.

Gegen dieses ihr am 7. Februar 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. Februar 2008 Berufung eingelegt und diese innerhalb der Verlängerungsfrist am 6. Mai 2008 begründet.

Sie trägt vor:

Der Tarifvertrag gehe von einer der Auffassung des Arbeitsgerichts abweichenden Systematik aus. Der Tarifvertrag gewähre die in § 4 II. Ziff. 1. MTV Süßwarenindustrie aufgeführte Erschwerniszulage für konkret benannte und in § 4 I. MTV Süßwarenindustrie zuvor definierte Arbeiten. Übliche Schichtarbeit sei nach seinem Sinn die Arbeit, die nach dem Schichtplan den Sonn- und Feiertag aus betriebs- oder branchenüblichen Gründen einbeziehe. Der Tarifvertrag spreche nicht von der "regelmäßigen", sondern von der "üblichen Schicht".

Nach § 4 II. 1. d) MTV Süßwarenindustrie werde für übliche Schicht- und Wechselschichtarbeiten an Sonntagen und Feiertagen eine Zulage in Höhe von 25 v.H. gewährt. Für Arbeit an Sonntagen sei demgegenüber nach § 4 II. 1. c) MTV Süßwarenindustrie ein Zuschlag in Höhe von 60 v.H. zu zahlen. Gemäß § 4 I. Ziffer 5. MTV Süßwarenindustrie lasse diese Bestimmung eine zeitlich abweichende betriebliche Festlegung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszeiträume unter Berücksichtigung der Schichtzeiten zu. Die Verschiebung komme hauptsächlich für dreischichtige Betriebe in Frage, um die Schichtzeiten und ihren Wechsel besser einteilen zu können. Nach dem Manteltarifvertrag richte sich die Zuschlagspflicht für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit dann nach dieser zeitlich abweichenden betrieblichen Festlegung der Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Infolgedessen handele es sich bei der zeitlich abweichend festgelegten betrieblichen Sonntags- und Feiertagsarbeit um übliche Schichtarbeit, für die sich der zu zahlende Zuschlag nach § 4 II. 1. d) MTV Süßwarenindustrie richte.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 31. Januar 2008 - 2 Ca 549/06 - die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 4. Juni 2008, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 86, 87 d. A.).

Zu den weiteren Ausführungen der Parteien zur Sach- und Rechtslage wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Berufung bleibt der Erfolg versagt. Sie ist zwar statthaft; auch ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Sonntagszuschlags in Höhe von 60 v. H. für den 14. April und den 25. Mai 2006. Der Anspruch ergibt sich aus § 4 II. 1. c) MTV Süßwarenindustrie.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Wortlaut der Tarifnorm entnommen, dass die mit Zustimmung des Betriebsrats wegen des bevorstehenden Feiertags auf Sonntag 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr vorgezogene Nachtschicht, die der Kläger normalerweise in der Nacht von Sonntag auf Montag 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr abzuleisten hat, nicht unter § 4 II. 1. d) MTV Süßwarenindustrie (übliche Schicht- und Wechselschichtarbeit an Sonn- und Feiertagen) fällt, sondern unter § 4 II. Ziffer 1. c) MTV Süßwarenindustrie (Arbeiten an Sonntagen). Nur diese Auslegung findet in dem Tarifwortlauf seine Grundlage.

1.

Gemäß § 4 II. Ziffer 1. c) des Manteltarifvertrages Süßwarenindustrie sind für Mehr-, Schicht-, Wechselschicht-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit folgende Zuschläge zu zahlen:

a) für Mehrarbeit, die in die Tageszeit von 6 bis 22 Uhr fällt 25 v. H. ab der 3. Mehrarbeitsstunde täglich 40 v. H.

b) für Nachtarbeit

Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit,

die in die Nachtzeit von 22 bis 6 Uhr fallen 15 v. H.

die regelmäßig länger als 14 Tage überwiegend in die Nachtzeit von 22 bis 6 Uhr fallen 20 v. H.

sonstige Nachtarbeit 60 v. H.

c) für Arbeiten an Sonntagen 60 v. H.

d) für übliche Schicht- und Wechselschichtarbeit an Sonntagen und Feiertagen 25 v. H.

e) für Arbeit

- an gesetzlichen Feiertagen, die auf einen Werktag fallen

- am Ostersonntag und Pfingstsonntag sowie

- am 1. Weihnachtsfeiertag, am Neujahrstag und am 1. Mai, sofern diese auf einen Sonntag fallen 150 v. H.

- an sonstigen gesetzlichen Feiertagen, sofern sie auf einen Sonntag fallen 125 v. H.

2.

Die Tage, für die der Kläger mit der vorliegenden Klage Zuschläge in Höhe von 60 v.H. geltend macht, waren Sonntage. Er arbeitete an diesen Tagen in der Zeit von 14.00 Uhr bis 22.00 Uhr. Die Voraussetzungen des § 4 II. 1. c) MTV Süßwarenindustrie sind erfüllt.

3.

Die Beklagte kann sich nicht auf die hiervon abweichende Zuschlagshöhe nach § 4 II. 1. d) MTV Süßwarenindustrie berufen. Die Voraussetzungen liegen nicht vor. Die von der Beklagten mit Zustimmung des Betriebsrates auf 14.00 Uhr vorverlegte Schicht ist keine "übliche Schichtarbeit" am Sonntag im Sinne der Tarifvorschrift. Das ergibt die Auslegung der Tarifnorm. Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Schicht mit Zustimmung des Betriebsrats vorverlegt und in den Schichtplan eingetragen worden ist. Allein dadurch wird sie nicht zur üblichen Schichtarbeit an Sonntagen.

a)

Zwar handelt es sich bei beiden Arbeitstagen um Schichtarbeiten am Sonntag, so dass der Tatbestand des § 4 II. 1. d) in Betracht zu ziehen und von § 4 II. 1. c) abzugrenzen ist.

Schichtarbeit wird von den Tarifvertragsparteien selbst in § 4 I. Ziffer 1. definiert. Schichtarbeit ist danach die regelmäßige tägliche vereinbarte Arbeitszeit, unabhängig von der zeitlichen Lage. Die Definition für die Schichtarbeit hat keinen eigenen Regelungsgehalt, sondern dient lediglich der Klarstellung. Schichtarbeit (auch Schichtzeit oder Schicht) beinhaltet die Zeit, in der der jeweilige Arbeitnehmer ununterbrochen im Betrieb sein muss, um die ihm obliegende Arbeit zu leisten (Dörflinger/Andritzky, Bundes-Manteltarifvertrag für die Süßwarenindustrie - Kommentar - § 4 Rz. 1).

Entscheidend für die Höhe des Zuschlages ist aber nicht allein das Vorliegen von Schichtarbeit. Der Tarifvertrag stellt ausdrücklich auf "übliche Schichtarbeit" ab. Übliche Schichtarbeit definiert der Tarifvertrag nicht. Der Begriff ist auszulegen.

b)

Die Auslegung normativer Teile von Tarifverträgen folgt nach der ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regelung. Auszugehen ist vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Wortlaut zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm ist mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Norm seinen Niederschlag gefunden hat. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien die Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigen werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (vgl. für viele BAG vom 31. Juli 2002 - 10 AZR 578/01 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Wohnungswirtschaft Nr. 3 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Primärnummer 167 mwN).

c)

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich die folgende Auslegung: Übliche Schichtarbeit liegt nur vor, wenn diese innerhalb der sonst betriebsüblich festgelegten Schicht geleistet wird. Die durch Änderung eines Schichtplans festgelegte Schicht ist dann nicht als übliche Schicht im Sinne des Tarifvertrages anzusehen, wenn sie in einen Zeitraum fällt, in dem im Betrieb im allgemeinen nicht gearbeitet wird. Hierfür sprechen der Wortlaut des Tarifvertrages sowie sein Sinn und Zweck ebenso wie der systematische Gesamtzusammenhang.

aa)

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff "üblich" gleichbedeutend mit gebräuchlich, gewohnt, hergebracht, herkömmlich verwendet (Wahrig, Deutsches Wörterbuch 7. Aufl. Seite 1287, auch: "er kam mit der üblichen Verspätung; um die übliche Zeit; es ist bei uns üblich, dass ...; dass ist hier nicht üblich, so üblich; vom üblichen abweichend; wie üblich [nhd. Bildung zu üben" wie es geübt wird, wie es Brauch ist"]).

Dieses Wortverständnis spricht bereits dafür, dass die von der Beklagten auf Sonntag 14:00 Uhr vorgezogene Schichtarbeit nicht als gewohnte, gebräuchliche, hergebrachte oder herkömmliche Schicht zu verstehen ist. Sonntagsarbeit in der Zeit von 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr ist im Betrieb normalerweise nicht vorgesehen. Am Sonntag beginnt die Arbeit mit der Nachtschicht um 22.00 Uhr, die Spätschicht beginnt erst am Montag um 14.00 Uhr und die Frühschicht am Dienstag um 6.00 Uhr.

bb)

Für das Ergebnis spricht auch der Sinn und Zweck der Zulage. Durch sie sollen die besonderen Belastungen ausgeglichen werden, die aus einem Wechsel der Arbeitszeit abweichend von den betriebsüblich festgelegten Zeiten entstehen. Die Auswirkungen auf den Lebensrhythmus des Arbeitnehmers erreichen in diesem Fall nämlich eine Schwere, die von den sonst gewohnten Erschwernissen abweichen. Ein Unterschied zu den gewohnten Sonntagsschichten ist vorliegend darin zu sehen, dass der Zeitrahmen ein anderer ist. Darüber hinaus ist er - ebenfalls anders als gewohnt - nur für einen einzigen Tag verändert. Gerade hierin liegt die Auswirkung auf den Lebensrhythmus des Arbeitnehmers.

cc)

Auch der systematische Gesamtzusammenhang unterstützt diese Auslegung. § 4 Ziff. 1. MTV Süßwarenindustrie enthält eine Aufzählung verschiedener Tatbestände, bei deren Vorliegen für Mehr-, Schicht-, Wechselschicht-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit Zuschlagszahlungen zu leisten sind. Die Ziff. 1. a) - e) unterteilt die unterschiedlichen Fälle und die Zuschlagshöhe. Ziff. 1. c) sieht ebenso wie Ziff. 1. b) für Arbeiten am Sonntag bzw. sonstige Nachtarbeit den erhöhten Zuschlag von 60 v. H. vor. Dass es sich hier um Ausnahmen handeln muss, ist zu erkennen (vgl. hierzu auch Dörflinger/Andritzky, a.a.O. § 4 Rz. 15).

dd)

Entgegen der Auffassung der Beklagten weicht die Kommentierung in Dörflinger/Andritzky (aaO § 4 Rz. 16) von dieser Auslegung nicht ab. Dort wird ausgeführt: Für Arbeit an Sonntagen ist ein Zuschlag von 60 v. H. zu zahlen; handelt es sich jedoch bei der Sonntags- und Feiertagsarbeit um übliche Schichtarbeit, so ist nur ein Zuschlag von 25 v. H. zu zahlen; übliche Schichtarbeit in diesem Sinne liegt vor, wenn der Schichtplan den Sonn- und Feiertag aus betriebs- oder branchenüblichen Gründen einbezieht und die Arbeit an diesen Tagen zulässig ist; der Grund für diese Sonderregelung liegt darin, dass die Arbeitnehmer nach dem Schichtplan für die Arbeit an diesen Tagen einen Ausgleich an Freizeit in der Woche erhalten.

Die Kommentierung betrifft nicht den vorliegenden Fall, sondern verhält sich nur allgemein zu der Ausnahmeregelung. Sie differenziert nicht genügend. Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, dass die Beklagte den Sonntag betriebsüblich zwar in den Schichtplan einbezieht. Dies geschieht jedoch lediglich im Sinne einer Verschiebung nach § 9 Abs. 2 ArbZG. Die bei der Beklagten vorgesehene Sonntagsruhe wird betriebsüblich um zwei Stunden in den Sonntag zurückverlegt (auf 22:00 Uhr). Sie ist letztlich als Arbeit am Montag anzusehen (vgl. Schliemann, ArbZG § 9 Rz. 10f.; s. dort auch Schaubild 11). Eine Vorverlegung um zehn Stunden in den Sonntag ist gewöhnlich nicht vorgesehen. Sie ist nur ausnahmsweise wegen des anstehenden Feiertags einzelfallspezifisch verlegt worden. Für die Annahme einer Ausnahmeregelung spricht auch Ziffer 7. a) der Betriebsvereinbarung, die eine Vereinbarung der freien Tage bis zum 30.11. des Vorjahres vorsieht und für die Verlegung der Schichten, die auf einen Feiertag fallen, zwei Möglichkeiten anbietet.

ee)

Bei anderem Verständnis wäre der Begriff "üblich" zudem auch überflüssig. Die Tarifvertragspartner haben in § 4 I. Ziff.1. definiert, was Schichtarbeit ist. Nach § 4 I. Ziff. 5. kann eine Verschiebung der Zeiträume der Sonntagsarbeit entsprechend den Schichtzeiten im Einverständnis mit dem Betriebsrat betrieblich festgelegt werden. Käme es nach dem Verständnis der Beklagten nur allgemein auf die Einbeziehung des Sonntags im Schichtplan an, hätte es des Zusatzes "üblich" nicht bedurft. Die Tarifvertragsparteien hätten von Schichtarbeit am Sonntag oder von wirksam vereinbarter Schichtarbeit sprechen können.

d)

Die Auslegung steht ebenfalls nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.09.2007 ( - 4 AZR 617/06 - (nicht amtlich veröffentlicht); AP Nr 205 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie). In dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht den Begriff "unregelmäßige Nachtschicht" ausgelegt. Die Begriffe "üblich" und "regelmäßig" bzw. "unregelmäßig" werden bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht synonym verwendet. "Regelmäßig" bedeutet "nach einer bestimmten Regel geschehend" (vgl. BAG vom 19.09.2007, a.a.O), während "üblich" im Sinne von "gewohnt", "gebräuchlich" benutzt wird (s.o. II. 3. c) aa). Dafür, dass die Tarifvertragsparteien beide Begriffe gleichermaßen verwenden wollten, finden sich keine Anhaltspunkte.

III.

Insgesamt musste der Berufung daher der Erfolg versagt bleiben. Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 ZPO).

IV.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtsfrage, die entscheidungserheblich ist, war die Revision zuzulassen. Die entscheidende Rechtsfrage betrifft die Auslegung eines Niedersachsen übergreifenden Tarifvertrages.

Ende der Entscheidung

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