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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 06.04.2009
Aktenzeichen: 9 Sa 1304/08
Rechtsgebiete: BGB, GewO


Vorschriften:

BGB § 611
BGB § 626
GewO § 106
Eine Arbeitnehmerin, die nach dem Arbeitsvertrag als Küchenhilfe beschäftigt wird, ist nicht verpflichtet, der Anordnung des Arbeitgebers Folge zu leisten, die zur Küche gehörenden Sanitärbereiche einschließlich Toiletten zu reinigen.
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 Sa 1304/08

In dem Rechtsstreit

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 6. April 2009 durch

die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Dr. Hartwig, den ehrenamtlichen Richter Herr Krenzel, den ehrenamtlichen Richter Herr Licht

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 17.07.2008, 1 Ca 136/08, wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird die Beklagte verurteilt, die Klägerin auf der Grundlage des Arbeitsvertrages als Küchenhilfe bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens vertragsgemäß weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung des Arbeitsverhältnisses und um die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte. Anlass für den Ausspruch der Kündigung und die Abmahnung war die arbeitgeberseitige Anordnung an die Klägerin als Küchenhilfe auch die Sanitärräume einschließlich der Toiletten der Mitarbeiter nach Reinigungsplan zu reinigen.

Die Klägerin ist seit dem 01.08.1994 auf Grund eines schriftlichen Arbeitsvertrages bei der Beklagten bzw. dem Rechtsvorgänger als Küchenhilfe beschäftigt. Mit Wirkung zum 01.03.2008 vereinbarten die Parteien die Anwendung des TVöD und sonstiger einzelner Arbeitsbedingungen auf das Arbeitsverhältnis. Eine Änderung der Beschäftigung als "Küchenhilfe" war damit nicht verbunden.

Die Beklagte betreibt eine Großküche. Zu dem Küchentrakt gehört der Produktionsbereich, Lagerräume, ein Sozialraum und die dazugehörigen Toiletten. Die Räume sind grundsätzlich nicht für Dritte zugänglich. Die Küche war bis 31.12.2007 eine Abteilung der D. H. e. V.. Per 01.01.2008 erfolgte die Ausgliederung auf die Beklagte. Bei den Diakonischen Werken besteht eine Mitarbeitervertretung. Ein Betriebsrat wurde bei der Beklagten bislang nicht gewählt.

Von den ca. 40 Mitarbeitern der Beklagten arbeiten 25 im Küchenbereich, davon werden 14 Mitarbeiter als Küchenhilfen eingesetzt, von denen auf Grund der arbeitgeberseitigen Anordnung 12 Mitarbeiter die Sanitärbereiche reinigen. Diese Reinigungsarbeiten machen durchschnittlich 0,75 Stunden pro Tag aus und werden abwechselnd nach dem Einsatzplan auf die Mitarbeiter verteilt. Bis zum Jahre 2007 waren die Reinigungsarbeiten einschließlich der Toilettenreinigung fremdvergeben. Jedenfalls solange die Klägerin bei der Beklagten beschäftigt ist, war die Toiliettenreinigung immer fremdvergeben. Ob zu einem früheren Zeitpunkt die Reinigungsarbeiten auch von den Mitarbeitern der Beklagten übernommen wurden, ist streitig. Aus Kostengründen hat die Beklagte die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Reinigungsarbeiten nunmehr von den Mitarbeitern durchführen zu lassen.

Die Klägerin reinigte entgegen der Einteilung im Reinigungsplan die Sanitäreinrichtungen am 27.02.2000 nicht, was Gegenstand der Abmahnung vom 04.03.2008 war. Darüber hinaus erhielt die Klägerin eine zweite Abmahnung vom 26.03.2008, die jedoch nicht Gegenstand des Rechtstreits ist.

Am 03.04.2008 reinigte die Klägerin entgegen der Einteilung am Reinigungsplan erneut die Toiletten nicht, was Gegenstand der streitgegenständlichen Kündigung ist, gegen die die Klägerin sich mit Klage vom 03.04.2008 wendete.

Für das weitere jeweilige erstinstanzliche Vorbringen der Parteien wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 17.07.2008 verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Das Arbeitsgericht gab der Klage insgesamt statt. Wesentlicher Entscheidungsgrund des arbeitsgerichtlichen Urteils ist, dass die Klägerin nicht verpflichtet sei, als Küchenhilfe die Sanitärräume zu reinigen. Für die Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen. Das Urteil wurde der Beklagten am 11.08.2008 zugestellt. Hiergegen legte diese mit am 14.08.2008 eingegangenem Schriftsatz Berufung ein. Die Berufung wurde mit am 10.10.2008 eingegangenem Schriftsatz begründet. Die Berufungsbegründung wiederum wurde dem Beklagtenvertreter am 17.10.2008 zugestellt. Mit am 05.11.2008 eingegangenem Schriftsatz vom 03.11.2008 beantwortete er die Berufung und erweiterte die Klage.

Die Beklagte wendet sich gegen das Urteil des Arbeitsgerichts nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründung. Sie wiederholt und vertieft insbesondere ihr Vorbringen dazu, dass die Klägerin als Küchenhilfe verpflichtet sei, auch die Sanitärbereiche zu reinigen. Das folge daraus, dass der Sanitärbereich ein Teil der Betriebsstätte sei. Hierzu bezieht sich die Beklagte auf die Richtlinie 93/43/EWG des Rates vom 14.06.1993 über Lebensmittelhygiene und den dort hergestellten Zusammenhang zwischen Küche und Hygiene in der Küche. Eine Trennung zwischen Toilettenbereich und Küchenbereich sei nicht möglich. Das werde auch durch die als Anlage 3 zur Akte gereichte Hygieneleitlinie für Großküchen, Küchen des Gesundheitswesens und vergleichbare Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung untermauert. Im Übrigen sei die maßgebliche Vergütungsgruppe nach TVöD/BTMG für die Klägerin "Helferin von Köchen". Hilfstätigkeiten erfassten alle Tätigkeiten für die Küchen und damit auch die zu der Küche gehörenden Toiletten. Als Helferin müsse die Klägerin auch alle Flächen säubern, wozu der Sanitärbereich gehöre. Der Umfang der diesbezüglichen Arbeiten sei auch zeitlich untergeordnet und könne daher selbst bei einer anderen Eingruppierung als Entgeltgruppe 3 durch Anordnung des Arbeitgebers zugewiesen werden. Alle anderen Küchenhilfe würden ebenfalls die Toiletten reinigen. Dass Frau K. ausgenommen sei, läge daran, dass sie für EDV und andere Aufgaben zuständig sei; sie sei daher mit der Klägerin nicht vergleichbar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 17.07.2008, 1 Ca 136/08, abzuändern und nach den Schlussanträgen der Beklagten in erster Instanz zu erkennen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Klagerweiternd beantragt sie mit am 05.11.2008 eingegangenem Schriftsatz,

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin auf der Grundlage des Arbeitsvertrages als Küchenhilfe bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens vertragsgemäß weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klageerweiterung zurückzuweisen.

Die Klägerin bleibt nach Maßgabe der Berufungserwiderung dabei, dass sie als Küchenhilfe nicht verpflichtet sei, den Sanitärbereich zu reinigen. Dies treffe nach ihrer Auffassung schon auf die so genannten Verkehrsflächen und die Büroräume zu. Insoweit sei sie jedoch ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, die Reinigung zu übernehmen. Die Ausführungen der Beklagten, nach denen die Toilettenbereiche zum Küchenbereich gehörten, seien unbeachtlich. Maßgeblich sei für die Ausübung des arbeitsrechtlichen Direktionsrechts die Vereinbarung im Arbeitsvertrag. Im Übrigen läge ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor, weil auch Frau K. nicht die Toiletten reinigen müsse. Die Klägerin habe seit Beginn ihres Beschäftigungsverhältnisses keine Toiletten gereinigt. Das träfe bis 13.12.2007, also bis zur Beendigung des Reinigungsauftrages, auch für alle anderen Helferinnen zu. Für sie sei es selbstverständlich, dass sie auch die Arbeitsflächen in der Küche und auch dort den Fußboden reinige; nicht aber die Toiletten. Sie bleibt auch bei ihrer erstinstanzlich vertieften Auffassung, dass die Kündigung wegen fehlender Anhörung der Mitarbeitervertretung, die ein Übergangsmandat habe, unwirksam sei.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 64, 66 ArbGG, § 520 Abs. 3 ZPO).

II.

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die Kündigung vom 03.04.2008 beendet worden und zwar weder fristlos noch fristgerecht. Des Weiteren hat das Arbeitsgericht zu Recht erkannt, dass die Beklagte zur Entfernung der streitgegenständlichen Abmahnung nach § 611 BGB i. V. m. § 242 BGB verpflichtet ist.

1.

Das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung vom 03.04.2008 nicht fristlos beendet worden.

a)

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist dabei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in zwei Stufen zu prüfen. Zuerst ist festzustellen, ob ein bestimmter Sachverhalt an sich geeignet ist, einen Kündigungsgrund zu bilden, sodann ist im Wege einer umfassenden Interessenabwägung festzustellen, ob auch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls ein wichtiger Grund vorliegt (BAG vom 17.05.1984, 2 AZR 3/83, EzA § 626 BGB, n. F. Nr. 90 = AP § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlungen Nr. 14; BAG vom 02.03.1989, 2 AZR 280/88, EzA § 626 BGB n. F. Nr. 118 = AP § 626 BGB Nr. 101; KR-Fischermeier, 8. Aufl. § 626 BGB Rn. 83). Bei einer Arbeitsverweigerung kann in aller Regel grundsätzlich ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliegen. Voraussetzung ist allerdings ein Fall der sogenannten beharrlichen Arbeitsverweigerung. D. h. die Arbeitsverweigerung setzt eine Nachhaltigkeit im Willen voraus. Der Arbeitnehmer muss die ihm übertragene Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genügt, dass er eine Weisung des Arbeitgebers nicht befolgt. Vielmehr muss eine intensive Weigerung vorliegen. In Fällen, in denen die intensive Weigerung nicht festgestellt werden kann, muss eine erfolglose Abmahnung voran gegangen sein. Nur dann kann die Prognose erstellt werden, ob der Arbeitnehmer die Arbeit künftig weiter verweigern werde. Letztlich ist es im Rahmen des ultima-ratio-Prinzip auch möglich, das je nach Sachlage nur eine ordentliche Kündigung in Betracht kommt (vgl. BAG vom 21.11.1996 - 2 AZR 357/95, AP Nr. 130 zu § 626 BGB = EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 50 Ziff. II 4 a d.Gr. = Rn. 30/31; BAG v. 05.04.2001 - 2 AZR 580/99, RdNr. 24 = Ziff. II 2 a der Gründe und BAG v. 19.04.2007 - 2 AZR 78/06, zit. nach Juris, RdNr. 28 = Ziff. b II 3 a bb). Eine Arbeitsverweigerung setzt jedoch immer voraus, dass zum streitigen Zeitpunkt für die verlangte Aufgabe eine Arbeitspflicht bestand. Daran fehlt es.

b)

Zwar hat der Arbeitgeber nunmehr mit der Berufungsbegründung klargestellt, dass sich auch nach dem Ausspruch der Abmahnungen ein konkreter Kündigungsvorfall ereignet hat, nämlich die Nichtreinigung des Sanitärbereiches am 03.04.2008. Es bestand für die Klägerin jedoch keine Verpflichtung als Küchenhilfe die Sanitärbereiche, insbesondere die Toiletten zu reinigen.

aa)

Ob eine Arbeitspflicht zu einer bestimmten Aufgabe besteht, richtet sich grundsätzlich nach dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Nach § 106 Satz 1 Gewerbeordnung kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Das heißt, dass der Arbeitgeber in der Ausübung des Weisungsrechtes grundsätzlich frei ist - soweit das billige Ermessen gewahrt ist - , wenn die geltenden Arbeitsbedingungen nicht bereits anderweitig festgelegt sind. Hier ist zunächst der Arbeitsvertrag vom 16.02.1995 maßgeblich, der in § 1 bestimmt, dass die Klägerin als Küchenhilfe beschäftigt wird. Der Arbeitgeber ist damit darauf beschränkt, bei der Ausübung seines Weisungsrechtes nur Aufgaben zuzuweisen, die der Tätigkeit einer Küchenhilfe entsprechen. Da der Arbeitsvertrag keine weiteren Angaben zu den Aufgaben einer Küchenhilfe vornimmt und diese auch nicht aus anderen Vorschriften, insbesondere nicht dem anzuwendenden TVöD folgen, ist durch Auslegung des Arbeitsvertrages zu ermitteln, welche Tätigkeiten die Klägerin als Küchenhilfe schuldet. Dabei kann bei der Auslegung des Arbeitsvertrages auf das so genannte Berufsbild zurückgegriffen werden, also das, was die Allgemeinheit unter den Aufgaben einer Küchenhilfe versteht und auch auf die tatsächliche Handhabung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses. Insbesondere Letztes ist ein anerkanntes Auslegungskriterium, weil die Parteien damit selbst zu erkennen geben, wie sie einen Arbeitsvertrag verstehen (BAG vom 23.05.1984, 5 AZR 476/81, n. v., zit. N. Juris, Rn. 28).

bb)

Unbeachtlich bei der Auslegung der zu den Tätigkeiten einer Küchenhilfe gehörenden Aufgaben ist hingegen das mit der Eingruppierung verbundene Tätigkeitsbild. Die Eingruppierung richtet sich nach der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit der Mitarbeiter. Für die Eingruppierung nicht maßgeblich ist, inwieweit im Rahmen des Direktionsrechtes andere Aufgaben zugewiesen werden können. Lediglich dann, wenn eine Beschäftigungsart im Arbeitsvertrag nicht angegeben worden wäre, sondern beispielsweise nur Beschäftigungen nach einer bestimmten Vergütungsgruppe, wäre die Beklagte berechtigt, Aufgaben, die zu der genannten Vergütungsgruppe gehören, zuzuweisen. Insoweit wäre es auch denkbar, dass die Beklagte unterwertige Aufgaben zuweist, soweit deren Umfang der Eingruppierung nicht entgegenstehen. So ist jedoch der Arbeitsvertrag der Parteien nicht gestaltet. Das Direktionsrecht ist von vornherein durch die Angabe der Beschäftigungsart im Arbeitsvertrag begrenzt.

cc)

Zu dem Berufsbild einer Küchenhilfe gehören auch Aufräum-, Spül- und Reinigungsarbeiten. Die Küchenhilfe ist dafür verantwortlich, dass der Arbeitsbereich saubergehalten wird, indem die Arbeitsoberflächen, die Küchengeräte, Schränke und andere Vorrichtungen gereinigt werden und auch die Küche insgesamt gereinigt wird, etwa durch das Fegen und Wischen der Böden. Diese Reinigungsarbeiten sind aber beschränkt auf den Bereich der Küche, welche nach der Verkehrsanschauung keine Toiletten umfasst. Dass die Toiletten zu der Küche gehören und dem Küchenpersonal zur Verfügung stehen, ergibt sich aus § 6 Abs. 2 Satz 1 Arbeitsstättenverordnung und einer entsprechenden Verpflichtung des Arbeitgebers, Toiletten zur Verfügung zu stellen, führt aber nicht dazu, dass der Begriff der Küche und die damit zusammenhängenden Reinigungsarbeiten Toiletten erfassen. Küchen sind nach dem Sprachgebrauch dazu da, Speisen herzustellen, so dass zum Küchenbereich alle Maschinen und Geräte und Vorrichtungen gehören, die diesem Zweck dienen (vgl. Großer Brockhaus, Kompaktausgabe, 18. Aufl. "Küche"). Die Vorhaltung von Toiletten dient nicht der Herstellung von Speisen, sondern den menschlichen Bedürfnissen der in der Küche beschäftigten Mitarbeiter. Dass hier ein mittelbarer Zusammenhang besteht, reicht nicht aus, um eine arbeitsvertragliche Verpflichtung auch zum Reinigen der Toiletten des Küchenpersonals zu begründen.

dd)

Ebenso wenig verfängt die Argumentation der Berufungsbegründung, wonach zu dem Großraum Küche auch die Sanitärbereiche für die Mitarbeiter gehörten. Letzteres ergibt sich aus § 6 Abs. 2 Satz 1 der Arbeitsstättenverordnung, wonach Toiletten zur Verfügung zu stellen sind. Daraus folgt aber nicht, dass der Toilettenbereich unmittelbar zum Bereich der Küche gehört. Die Hygienerichtlinien und Leitlinien für Hygiene in Großküchen wiederum lassen auch keine Rückschlüsse auf das arbeitsrechtliche Direktionsrecht zu. Diese verfolgen einen anderen Schutzzweck, nämlich die Einhaltung der Lebensmittelhygiene. Dass in diesem Zusammenhang auch der Umgang mit den dazugehörenden Toiletten und das entsprechende Verhalten der Mitarbeiter geregelt wird, ist unter Hygienegesichtspunkten selbstverständlich, führt aber nicht dazu, dass der Toilettenbereich mit der Arbeitsstätte "Küche" im arbeitsrechtlichen Sinne gleichzusetzen ist. Jedenfalls folgt aus den Richtlinien keine Erweiterung des arbeitsrechtlichen Direktionsrechts oder gar eine Änderung der arbeitsvertraglichen Verpflichtung.

ee)

Ebenso wenig führt die Führung einer einheitlichen Kostenstelle durch die Beklagte für die gesamte Betriebsstätte, also einschließlich der Toiletten dazu, dass eine Einschränkung oder Erweiterung des arbeitsrechtlichen Weisungsrechtes vorgenommen werden kann. Wie die Kostenstellen gestaltet werden, ist Sache des Arbeitgebers, lässt aber keine Rückschlüsse auf die Auslegung des Arbeitsvertrages zu.

ff)

Auch aus der Handhabung des Arbeitsverhältnisses in der Vergangenheit lassen sich keine Rückschlüsse ziehen. Seit Bestehen des Arbeitsverhältnisses waren die Aufgaben immer fremd vergeben. Weder die Klägerin noch andere Helferinnen haben in dieser Zeit Reinigungsarbeiten außerhalb der Küche vorgenommen. Da für die Auslegung des konkreten Arbeitsvertrages nur die Zeit während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses maßgeblich ist, kommt es auch nicht darauf an, ob vor Bestehen des Arbeitsverhältnisses der Klägerin mit der Beklagten bzw. der Rechtsvorgängerin Küchenhilfen Reinigungsarbeiten übernommen haben. Ebenso unerheblich ist es, ob tatsächlich andere Küchenhelferinnen in dem Betrieb der Beklagten oder in anderen Einrichtungen der D.e. V. Küchenhilfen Reinigungsarbeiten übernehmen. Zum einen ist das abhängig von der Ausgestaltung des jeweiligen Arbeitsvertrages. Zum anderen gilt der Grundsatz "wo kein Kläger, da kein Richter". Wenn andere Mitarbeiter ohne Anerkennung einer Rechtspflicht oder ohne Überprüfung der Arbeitsverpflichtung die übertragenen Aufgaben übernehmen, begründet dies keine Verpflichtung der Klägerin, dies ebenfalls zu tun.

Da die Verpflichtung der Klägerin zum Reinigen der Toiletten bereits nach ihrem Arbeitsvertrag nicht besteht, kommt es auf die Ausübung des billigen Ermessens im Sinne des § 106 Satz 1 Gewerbeordnung i. V. m. § 315 BGB gar nicht mehr an. Die Anordnung war vom Direktionsrecht nicht erfasst.

2.

Aus denselben Erwägungen ist das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die Kündigung vom 03.04.2008 mit Ablauf der Kündigungsfrist gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 TVöD am 31.12.2008 beendet worden. Da die Klägerin Kündigungsschutz hat, ist das Vorliegen eines verhaltensbedingten Kündigungsgrundes im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG erforderlich. Ein solcher kann auch hier eine Arbeitsverweigerung darstellen. Mangels Arbeitspflicht der Klägerin liegt eine Arbeitsverweigerung jedoch, wie ausgeführt, nicht vor.

3.

Die Klägerin hat Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 04.03.2008 aus der Personalakte. Ein Arbeitnehmer kann die Entfernung einer missbilligenden Äußerung des Arbeitgebers aus seiner Personalakte verlangen, wenn diese Äußerung unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, die den Arbeitnehmer in seiner Rechtsstellung und in seinem beruflichen Fortkommen beeinträchtigen können. Ob dieser Anspruch schuldrechtlich aus §§ 611, 242 BGB oder als quasinegatorischer Anspruch gemäss § 1004 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht herzuleiten ist, kann dahinstehen. Die unberechtigte Abmahnung ist geeignet, den Arbeitnehmer in seiner Rechtsstellung zu beeinträchtigen (BAG vom 05.08.1992 - 5 AZR 531/91, AP Nr. 8 zu § 611 BGB Abmahnung; vom 15.4.1999, 7 AZR 716/97, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Abmahnung Rn. 19). Da der in der Abmahnung genannte Vorwurf eine unrichtige Tatsachenbehauptung darstellt, ist die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen. Die Abmahnung rügt einen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Verpflichtung der Klägerin, die Sanitäreinrichtungen zu reinigen. Da eine solche Verpflichtung der Klägerin nicht bestand, wie bereits ausgeführt, enthält die Abmahnung unrichtige Tatsachenbehauptungen.

III.

Der im Wege der zulässigen Anschlussberufung gestellte Weiterbeschäftigungsantrag ist ebenfalls begründet.

1.

Ein in erster Instanz voll obsiegender Kläger kann zum Zwecke der Klageerweiterung Anschlussberufung einlegen (vgl. BAG 29. September 1993 - 4 AZR 693/92 - BAGE 74, 268; 30.05.2006 - 1 AZR 111/05 - AP § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt Nr. 23). Einer Bezeichnung der Anschlussberufung als solche bedarf es nicht (BGH 3. November 1989 - V ZR 143/87 -NJW 1990, 447:Zöller/Gummer/Heßler ZPO 26. Aufl. § 524 Rn. 6) .

Demgemäß handelt es sich bei der von der Klägerin zweitinstanzlich vorgenommenen Klageerweiterung der Sache nach um eine Anschlussberufung. Nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG ist eine Anschlussberufung zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung.

Da die Klageerweiterung innerhalb der Frist des § 524 Abs. 2 ZPO bei Zustellung der Berufungsbegründung am 17.10.2008 und Eingang des Erweiterungsschriftsatzes vom 03.11.2008 am 05.11.2008 eingegangen ist, ist die Anschlussberufung zulässig. Die Klageerweiterung ist auch sachdienlich nach §§ 533, 529 ZPO, da sie geeignet ist, den zwischen den Parteien bestehenden Streit insgesamt zu erledigen.

2.

Der Weiterbeschäftigungsantrag ist zulässig, da hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO. Er gibt insbesondere an, zu welchen Arbeitsbedingungen die Klägerin beschäftigt werden soll, nämlich nach ihrem Arbeitsvertrag. Dass hierzu nicht die Reinigung von Sanitärbereichen gehört, ergibt sich aus diesem Urteil und muss daher nicht gesondert in den Tenor aufgenommen werden. Bei der Ermittlung des vollstreckbaren Inhalts eines Weiterbeschäftigungsantrages sind auch die Urteilsgründe zur Auslegung heranzuziehen.

3.

Die Begründetheit des Weiterbeschäftigungsanspruches im Kündigungsschutzprozess folgt aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht i. V. m. § 611 BGB in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.2.1985 (GS 1/84, AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14). Der Beschäftigungsanspruch muss nur dann zurückstehen, wenn überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers bestehen. Die Beklagte hat keine Gründe vorgebracht, die gegen eine Weiterbeschäftigung sprechen können.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung insgesamt, einschließlich der Anschlussberufung zu tragen. Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß anliegender Rechtsmittelbelehrung wird verwiesen.

Ende der Entscheidung

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