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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschluss verkündet am 07.05.2007
Aktenzeichen: 9 TaBV 80/06
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 20
BetrVG § 23 Abs. 3
1. Die Wahlbeobachtung durch vor dem Wahllokal postierte Mitarbeiter der Personalabteilung des Arbeitgebers ist keine Behinderung der Betriebsratswahl.

2. Der Betriebsrat besitzt kein Interesse daran, rückwirkend feststellen zu lassen, daß ein Verhalten des Arbeitgebers eine nicht angefochtene Betriebsratswahl behindert hat.

3. Der Betriebsrat ist antragsbefugt, soweit er geltend macht, ein Verhalten des Arbeitgebers im Rahmen einer Betriebsratswahl stelle eine groben Verstoß im Sinne von § 23 Abs. 3 BetrVG dar.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

9 TaBV 80/06

In dem Beschlussverfahren

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen aufgrund der Anhörung am 7. Mai 2007 durch

den Richter am Arbeitsgericht Kreß, den ehrenamtlichen Richter Herrn Grieger, den ehrenamtlichen Richter Herrn Rieken beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hameln vom 06.07.2006, 1 BV 5/06, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin die Betriebsratswahl behindert hat und über Unterlassungsansprüche des Betriebsrates.

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) (nachfolgend: Arbeitgeberin) betreibt eine Maschinenfabrik und beschäftigt ca. 800 Arbeitnehmer. Der Antragsteller, Beschwerdeführer und Beteiligte zu 1) ist der bei ihr gebildete 13-köpfige Betriebsrat (nachfolgend: Betriebsrat).

Am 01.03.2006 fand im Betrieb der Arbeitgeberin die turnusmäßige Betriebsratswahl statt. Der Wahlvorstand hatte zur Durchführung der Wahl ein Wahllokal eingerichtet und folgende Öffnungszeiten festgesetzt:

05.00 Uhr bis 07.30 Uhr

09.00 Uhr bis 13.00 Uhr

13.30 Uhr bis 15.30 Uhr.

Am 01.03.2006 hielten sich vor 5.00 Uhr in dem Wahllokal bereits die Personalleiterin der Arbeitgeberin B. und die Mitarbeiterin der Personalabteilung T. auf. Die beiden Mitarbeiterinnen richteten einen Tisch für sich ein, weil sie die Wahl beobachten wollten. Auf Aufforderung des Mitglieds des Wahlausschusses B. verließen die beiden Mitarbeiterinnen den Raum.

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob sich die beiden Mitarbeiterinnen anschließend an einen Tisch direkt vor das Wahllokal setzten - so der Betriebsrat - oder seitlich vor das Wahllokal stellten - so die Arbeitgeberin - .

In der Zeit von 5.00 Uhr bis 7.30 Uhr beobachteten die Personalleiterin B. und die Mitarbeiterin T. das Wahllokal, in der Zeit vom 9.00 Uhr bis 11.00 Uhr die Personalleiterin B. und die Mitarbeiterin L., in der Zeit von 13.00 Uhr bis 15.30 Uhr die Mitarbeiterinnen X. und Y.. Die Personalleiterin B. kam kurz nach 15.00 Uhr ebenfalls hinzu.

Die Mitarbeiterinnen führten eine Strichliste und notierten hierauf die Namen von Mitarbeitern, die zwar vor 11.00 Uhr das Wahllokal betreten hatten, ihre Stimme aber erst nach 11.00 Uhr abgaben (Bl. 14 bis 16 d. A.). Der Mitarbeiter C. wurde von der Personalleiterin B. nach seinem Namen befragt, weil er ihr nicht namentlich bekannt war.

Die Betriebsratswahl wurde nicht angefochten.

Mit seinem am 24.03.2006 beim Arbeitsgericht Hameln eingereichten Antrag begehrt der Betriebsrat die Feststellung, dass die Arbeitgeberin die Betriebsratswahl behindert habe, sowie ferner der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Arbeitnehmer anzuweisen, sich bei einer Betriebsratswahl vor dem Wahllokal aufzuhalten und die an der Betriebsratswahl teilnehmenden Arbeitnehmer zu registrieren.

Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, die Kontrolle der Teilnahme an der Betriebsratswahl durch die Personalleiterin B. und andere Mitarbeiterinnen der Personalabteilung stelle eine Wahlbehinderung dar. Durch die Einrichtung eines "Kontrollpunktes" direkt vor dem Wahllokal habe die Arbeitgeberin auf die wahlberechtigten Arbeitnehmer unzulässigerweise Druck ausgeübt. Alle das Wahllokal aufsuchenden Mitarbeiter hätten zur Kenntnis genommen, dass ihre Teilnahme an der Wahl von der Personalabteilung durch die Eintragung in Listen registriert werde. Das Bundesarbeitsgericht habe mit Beschluss vom 06.12.2000 (- 7 ABR 34/99 -) entschieden, es sei unzulässig, dass Wahlbewerber Einblick in die Wählerliste während des Wahlvorgangs erhielten, weil diese Information über die Wahlbeteiligung genutzt werden könnte, um unzulässigen Druck auf Wahlberechtigte auszuüben. Im Hinblick auf diese Entscheidung verletze die lückenlose Kontrolle der Betriebsratswahl durch Mitarbeiter der Personalabteilung der Arbeitgeberin den Grundsatz der Freiheit der Wahl. Durch die ausgeübte Kontrolle würden Arbeitnehmer zumindest verunsichert, ob sie an der Wahl teilnehmen oder davon lieber Abstand nehmen sollten. Unter den Mitarbeitern habe Empörung über das Verhalten der Arbeitgeberin geherrscht. Mitglieder des Betriebsrates seien darauf angesprochen worden, ob die von der Personalleiterin B. ausgeübte Kontrolle zulässig sei.

Der Betriebsrat hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Antragsgegnerin die Betriebsratswahl im Betrieb der Antragsgegnerin am 01.03.2006 dadurch behindert hat, dass die Personalleiterin der Antragsgegnerin Frau B. und die Mitarbeiterin der Personalabteilung Frau T. von 5.00 Uhr bis 7.30 Uhr, Frau B. und die Mitarbeiterin der Personalabteilung Frau L. von 9.00 Uhr bis 11.00 Uhr und die Mitarbeiterinnen der Personalabteilung Frau X. und Frau Y. von 13.30 Uhr bis 15.30 Uhr vor dem Eingang des Wahllokals Listen darüber führten, welche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Antragsgegnerin an der Betriebsratswahl teilgenommen haben,

2. der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, Arbeitnehmer anzuweisen, sich vor dem zwecks Durchführung der Stimmabgabe im Rahmen einer Betriebsratswahl eingerichteten Wahllokal aufzuhalten und dort die an der Betriebsratswahl teilnehmenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebes namentlich in einer Liste zu erfassen,

3. der Antragsgegnerin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 2 ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000,00 € anzudrohen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Die Arbeitgeberin hat vorgetragen, kein Mitarbeiter sei von den Wahlbeobachtern daran gehindert worden, an der Betriebsratswahl teilzunehmen.

Mit Beschluss vom 06.07.2006 hat das Arbeitsgericht Hameln die Anträge zurückgewiesne. Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, der Antrag zu 1. sei unzulässig, weil der Betriebsrat nicht dargelegt habe, woraus sich sein Interesse an einer vergangenheitsbezogenen Feststellung ergebe. Der Antrag zu 2. sei unbegründet. Es sei nicht ersichtlich, dass die Arbeitgeberin Arbeitnehmer angewiesen habe, sich vor dem Wahllokal aufzuhalten, um dort die an der Betriebsratswahl teilnehmenden Arbeitnehmer namentlich in einer Liste zu erfassen. Soweit Namen erfasst worden seien, sei dies im Zusammenhang mit der Überprüfung des Zeitpunkts der Stimmabgabe geschehen. Der Betriebsrat habe nicht dargelegt, warum es dem Arbeitgeber verwehrt sei, eventuell vorliegende erhebliche Verstöße gegen das Wahlrecht festzustellen, um dann anschließend zu prüfen, ob er die Wahl anfechten wolle.

Gegen den ihm am 02.08.2006 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat mit einem am 31.08.2006 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit einem am 28.09.2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Betriebsrat macht geltend, das Arbeitsgericht habe zwar zutreffend ausgeführt, dass es dem Arbeitgeber nicht verwehrt sei, Verstöße gegen das Wahlrecht festzustellen und dazu entsprechende organisatorische Vorkehrungen zu treffen. Diese dürften jedoch nicht zu einer Behinderung der Betriebsratswahl führen. Mit der Fragestellung, ob das Verhalten der Arbeitgeberin am 01.03.2006 eine Wahlbehinderung dargestellt habe, habe sich das Arbeitsgericht nicht auseinandergesetzt. Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass nicht ersichtlich sei, dass die Arbeitgeberin die Mitarbeiter angewiesen habe, sich vor dem Wahllokal aufzuhalten. Die Arbeitgeberin habe selbst eingeräumt, dass die Personalleiterin B. und weitere Mitarbeiterinnen aus der Personalabteilung dort Position bezogen hätten, um die an der Betriebsratswahl teilnehmenden Arbeitnehmer zu beobachten und zu registrieren. Für die Entscheidung, ob dieses Verhalten eine Behinderung der Betriebsratswahl dargestellt habe, komme es auf das subjektive Wollen der Arbeitgeberin nicht an. Eine Personalleiterin, die zusammen mit weiteren Mitarbeiterinnen demonstrativ vor dem Wahllokal Position beziehe, um von dort aus zu kontrollieren, verdeutliche gegenüber den Arbeitnehmern, dass deren Teilnahme an der Betriebsratswahl registriert werde, und zwar nicht nur vom Wahlvorstand in der Wählerliste, sondern von der Personalleiterin höchstpersönlich. Arbeitnehmer könnten sich bei der Frage der Freiheit der Wahl durchaus unter Druck gesetzt fühlen, wenn sie wüssten, dass arbeitgeberseitig ihre Teilnahme registriert werde. Mitarbeiter der Arbeitgeberin hätten sich kontrolliert gefühlt und sich gegenüber Betriebsratsmitgliedern über das Verhalten der Personalleiterin B. vor dem Wahllokal beschwert.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Hameln vom 06.07.2006 - 1 BV 5/06 - abzuändern und

1. festzustellen, dass die Arbeitgeberin die Betriebsratswahl im Betrieb behindert, wenn die Personalleiterin der Arbeitgeberin und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Personalabteilung während der gesamten Zeit der Durchführung der Stimmabgabe vor dem Wahllokal anwesend sind und Listen darüber führen, welche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Arbeitgeberin an der Betriebsratswahl teilnehmen bzw. die Teilnahme von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Arbeitgeberin an der Betriebsratswahl beobachten,

2. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anzuweisen, sich vor dem zwecks Durchführung der Stimmabgabe im Rahmen einer Betriebsratswahl eingerichteten Wahllokal aufzuhalten und dort die an der Betriebsratswahl teilnehmenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebes zu registrieren,

3. der Arbeitgeberin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 2. ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000,00 € anzudrohen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin verteidigt den angefochtenen Beschluss als zutreffend.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.

II.

Die statthafte Beschwerde (§ 87 Abs. 1 ArbGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 2 Satz 1, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG in Verbindung mit §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

A.

Die Beschwerde ist in ihrem Antrag zu 1. unbegründet, weil dem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

1.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Feststellungs- und Leistungsanträgen (vgl. BAG vom 20.04.1999 - 1 ABR 13/98 - AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 43; BAG vom 17.03.1987 - 1 ABR 65/85 - AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 7; BAG vom 10.04.1984 - 1 ABR 73/82 - AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 3) besteht für die gerichtliche Entscheidung über Verpflichtungen aus einem konkreten Vorgang kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, wenn dieser Vorgang abgeschlossen ist und keine Rechtsfolgen mehr erzeugt.

Diese Rechtsprechung erkennt allerdings an, dass konkrete Streitfälle oft Ausdruck einer generellen Streitfrage sind, die immer wieder zu ähnlichen Auseinandersetzungen führen kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes können deshalb das Bestehen und der Umfang eines betrieblichen Mitbestimmungsrechtes trotz der tatsächlichen Erledigung eines aktuellen Konflikts im Wege eines Feststellungsantrags zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden, wenn der betreffende Streit auch künftig im Betrieb auftreten kann (BAG vom 10.12.2002 - 1 ABR 7/02 - AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 59; BAG vom 16.04.2002 - 1 ABR 34/01 - AP BetrVG 1972 § 87 Akkord Nr. 9; BAG vom 15.01.2002 - 1 ABR 13/01 - AP BetrVG 1972 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 12).

2.

Auch vorliegend beruft sich der Betriebsrat auf ein berechtigtes Interesse daran, über den konkreten Anlass - Betriebsratswahl 2006 - eine grundsätzliche Entscheidung über die Zulässigkeit des Verhaltens der Arbeitgeberin zu erlangen. Dem Betriebsrat ist zuzugeben, dass sich bei künftigen Betriebsratswahlen Maßnahmen der Arbeitgeberin wie während der Betriebsratswahl am 01.03.2006 ohne weiteres wiederholen können.

Ein Interesse des Betriebsrates an der begehrten Feststellung ist dennoch zu verneinen. Der Betriebsrat erblickt in dem beanstandeten Verhalten der Arbeitgeberin eine Wahlbehinderung. Der regelmäßige Weg, Verstöße gegen die zum Schutz der Wahl erlassene Vorschrift des § 20 BetrVG geltend zu machen, ist der der Wahlanfechtung gemäß § 19 BetrVG. Die Betriebsratswahl vom 01.03.2006 wurde nicht angefochten. Nach Ablauf der Wahlanfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 BetrVG ist ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Feststellung von Verstößen gegen die Vorschriften der Betriebsratswahl nicht gegeben, weil damit die Folgen eines Verstoßes gegen das Verbot der Behinderung der Betriebsratswahl gemäß § 20 BetrVG nicht mehr beseitigt werden können. Mehr als die theoretische Feststellung kann der Betriebsrat mit seinem Antrag nicht erzielen, auch nicht im Sinne der Klärung einer für die Wahlanfechtung wesentlichen Frage. Der Betriebsrat kann mit der begehrten Feststellung auch keine Präventivwirkung für alle zukünftigen Betriebsratswahlen erreichen. Eine in diesem Sinne ergehende Entscheidung würde für künftige Wahlen keiner verbindlichen materiellen Rechtskraftwirkung fähig sein. Sollten sich daher die vom Betriebsrat gerügten Verstöße bei einer künftigen Betriebsratswahl wiederholen, bliebe auch dann nur der in § 19 BetrVG vorgesehene Weg der Anfechtung der Betriebsratswahl (vgl. OVG Lüneburg vom 03.02.1961 - P OVG 9/60 - AP PersVG § 76 Nr. 15; BVerwG vom 23.10.1969 - VII P 14.58 - PersVG § 10 Nr. 3; Richardi/Thüsing, BetrVG, 10. Aufl., § 20 Rn. 32).

B.

Der Antrag zu 2. ist zulässig, aber unbegründet.

1.

Der Antrag ist zulässig.

a)

Der Betriebsrat hat den Antrag in der Beschwerdeinstanz dahingehend geändert, dass er nunmehr beantragt, der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Arbeitnehmer anzuweisen, die an der Betriebsratswahl teilnehmenden Arbeitnehmer des Betriebes zu registrieren. Erstinstanzlich hatte der Betriebsrat die Unterlassung der namentlichen Erfassung der an der Betriebsratswahl teilnehmenden Arbeitnehmer in einer Liste begehrt. Bei dem in der Beschwerdeinstanz gestellten Antrag handelt es sich um eine Antragserweiterung, weil das "Registrieren" von Wählern bereits durch zielgerichtetes Beobachten geschehen kann und nicht die namentliche Erfassung bedingt.

b)

Nach § 87 Abs. 2 Satz 3 ArbGG in Verbindung mit § 81 Abs. 3 ArbGG kann im Beschlussverfahren der Antrag noch in der Beschwerdeinstanz geändert werden. Eine Antragsänderung liegt dann vor, wenn der Streitgegenstand eines anhängigen Verfahrens geändert oder erweitert wird (BAG vom 31.01.1989 - 1 ABR 60/87 - AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 12; BAG vom 19.02.1991 - 1 ABR 36/90 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 26). Eine solche Antragsänderung ist zulässig, wenn entweder die übrigen Beteiligten zustimmen oder das Gericht die Antragsänderung für sachdienlich hält. Im vorliegenden Fall hat die Arbeitgeberin der Antragsänderung zugestimmt, indem sie ohne Widerspruch auch den neuen Antrag erörtert hat, § 81 Abs. 3 Satz 2 ArbGG.

2.

Der Antrag genügt dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Der Antrag, mit dem dem Arbeitgeber aufgegeben wird, bestimmte Handlungen zu unterlassen, muss hinreichend bestimmt sein. Der Arbeitgeber muss wissen, in welchen Fällen ihn eine Sanktion durch Verhängung eines Ordnungsgeldes treffen kann (BAG vom 25.08.2004 - 1 AZB 41/03 - AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 41; BAG vom 28.02.2003 - 1 AZB 53/02 - AP ArbGG 1979 § 78 n. F. Nr. 2). Der Betriebsrat will mit seinem Antrag verhindern, dass die Arbeitgeberin Mitarbeiter anweist, sich im Rahmen einer Betriebsratswahl vor dem Wahllokal aufzuhalten, um die an der Betriebsratswahl teilnehmenden Arbeitnehmer zu registrieren. Es geht dem Betriebsrat um die Untersagung der zielgerichteten Kontrolle der Betriebsratwahl durch die Arbeitgeberin, indem die Arbeitgeberin beobachtet, wer an der Wahl teilnimmt, Arbeitnehmer in Listen einträgt bzw. anhand von geführten Strichlisten feststellen kann, wie viele Mitarbeiter teilgenommen haben. Dem Betriebsrat geht es um die Untersagung der "Einrichtung eines Kontrollpunktes" direkt vor dem Wahllokal. Mit diesem Inhalt ist der Antrag hinreichend bestimmt. Auch die Arbeitgeberin hat den Antrag in dieser Weise verstanden.

3.

Der Betriebsrat ist auch antragsbefugt, weil er durch die begehrte Entscheidung unmittelbar in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung betroffen wird.

Verstöße gegen § 20 Abs. 1 und 2 BetrVG können zur Wahlanfechtung nach § 19 BetrVG führen. Mit der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden gemäß § 26 Abs. 1 BetrVG endet das Amt des Wahlvorstandes, der Wahlverstösse gegenüber dem Arbeitgeber rügen könnte. Ab diesem Zeitpunkt ist der Betriebsrat Träger der im Betriebsverfassungsrecht normierten kollektiven Arbeitnehmerrechte, zu denen auch die Wahlschutzbestimmung des § 20 BetrVG gehört. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Betriebsrat auch befugt, gegenüber dem Arbeitgeber Unterlassungsansprüche gemäß § 23 Abs. 3 BetrVG geltend zu machen, die auf einen Verstoß des Arbeitgebers gegen § 20 BetrVG gestützt werden. Für eine Antragsbefugnis des Betriebsrates spricht auch, dass sich Verstöße des Arbeitgebers gegen § 20 BetrVG in den Fällen, in denen Arbeitnehmer durch Handlungen des Arbeitgebers von der Teilnahme an der Betriebsratswahl abgehalten werden, auf die Zusammensetzung des gewählten Betriebsrates auswirken können.

4.

Der Antrag ist unbegründet.

Der Betriebsrat kann von der Arbeitgeberin nicht gemäß § 23 Abs. 3 BetrVG verlangen, es zu unterlassen, Mitarbeiter anzuweisen, sich im Rahmen einer Betriebsratswahl vor dem Wahllokal aufzuhalten und dort die an der Betriebsratswahl teilnehmenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebes zu registrieren.

a)

Gemäß § 23 Abs. 3 BetrVG kann dem Arbeitgeber bei groben Verstößen gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG aufgegeben werden, eine Handlung zu unterlassen. Die groben Pflichtverletzungen müssen objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend sein.

b)

Die vom Betriebsrat beanstandete Anweisung der Arbeitgeberin an die Mitarbeiter der Personalabteilung verstößt nicht gegen § 20 Abs. 1 oder Abs. 2 BetrVG.

aa)

Gemäß § 20 Abs. 1 BetrVG darf niemand die Wahl des Betriebsrates behindern, insbesondere darf kein Arbeitnehmer in der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechtes beschränkt werden. § 20 Abs. 1 BetrVG schützt die freie Willensbetätigung über das Verbot der Wahlbehinderung. Gemäß § 20 Abs. 2 BetrVG darf niemand die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen. § 20 Abs. 2 BetrVG schützt die freie Willensbildung über das Verbot der Wahlbeeinflussung. Der Schutz des § 20 Abs. 1 und 2 BetrVG bezieht sich auf die Wahl des Betriebsrates. Wahl bedeutet hier nicht nur die eigentliche Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts. Dieser Begriff ist vielmehr im weitesten Sinne zu verstehen und umfasst alle mit der Wahl zusammenhängenden oder ihr dienenden Handlungen, Betätigungen und Geschäfte (Richardi/Thüsing, BetrVG, 10. Aufl., § 20 Rn. 4; ErfK-Eisemann, 7. Aufl., § 20 BetrVG Rn. 2).

bb)

§ 20 Abs. 1 Satz 1 BetrVG verbietet damit jede Behinderung der Wahl, gleichgültig in welcher Weise sie geschieht. Eine Behinderung der Wahl im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 BetrVG liegt vor, wenn ein Wähler in der Ausübung seiner Rechte, Befugnisse oder Aufgaben beeinträchtigt oder beschränkt wird, beispielsweise wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer daran hindert, das Wahllokal aufzusuchen. Während § 20 Abs. 1 BetrVG darauf abzielt, die tatsächliche Durchführung der Wahl und dabei, wie sich aus § 20 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ergibt, in erster Linie die freie Willensbetätigung der Wahlbeteiligten zu sichern, ist § 20 Abs. 2 BetrVG auf die Sicherung der freien Willensbildung der Wahlbeteiligten gerichtet (GK-BetrVG/Kreutz, 8. Aufl., § 20 Rn. 24). Die Einflussnahme auf den Willensentschluss von Wahlbeteiligten ist verboten; unmaßgeblich ist, ob sie tatsächlich Erfolg hat. Insoweit genügt bereits der Versuch einer Beeinflussung, sofern die Einflussnahme nur grundsätzlich geeignet ist, das Verhalten irgendwie zu beeinflussen (GK-BetrVG/Kreutz, 8. Aufl., § 20 Rn. 25). Als Wahlbeeinflussung ist jede Begünstigung oder Benachteiligung zu verstehen, die darauf abzielt, dass Wahlberechtigte (Arbeitnehmer des Betriebes) ihr Wahlrecht nicht nach der eigenen Willensentscheidung, sondern im gewünschten Sinne des Beeinflussenden ausüben (Richardi/Thüsing, BetrVG, 10. Aufl., § 20 Rn. 14; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 23. Aufl., § 20 Rn. 20). Dadurch soll die Integrität der Wahl geschützt werden.

cc)

Der Betriebsrat hat nicht vorgetragen, dass die vom Betriebsrat gerügte Anweisung der Arbeitgeberin zur Folge hatte, dass die Teilnahme an der Betriebsratswahl im Sinne von § 20 Abs. 1 BetrVG tatsächlich erschwert oder unmöglich gemacht worden ist. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Mitarbeiterinnen der Personalabteilung an einem Tisch gesessen und welche Eintragungen sie in Listen vorgenommen haben. Durch die bloße Anwesenheit der Personalleiterin der Arbeitgeberin sowie weiterer Mitarbeiterinnen vor dem Wahllokal wurde kein Arbeitnehmer im Sinne von § 20 Abs. 1 BetrVG physisch daran gehindert, das Wahllokal zwecks Stimmabgabe aufzusuchen.

Entgegen der Ansicht des Betriebsrates stellt die Beobachtung der das Wahllokal aufsuchende Mitarbeiter auch keine psychische Wahlbehinderung dar. Betriebsratswahlen sind betriebsöffentlich. Zwar ergibt sich dies nicht unmittelbar aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Jedoch gehört das Prinzip der Öffentlichkeit der Wahl zu den wichtigsten Sicherungen freier demokratischer Wahlen, da es eine effektive Kontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung von Wahlen gewährleistet. Die Teilnahme an der Betriebsratswahl lässt sich schon deswegen nicht geheimhalten, weil im Wahllokal andere Personen (Wahlhelfer, Wähler) anwesend sind bzw. sein können. Der Betriebsrat hat auch nicht vorgetragen, dass sich durch die Präsenz von Mitarbeiterinnen der Personalabteilung der Arbeitgeberin unmittelbar vor dem Wahllokal ein Mitarbeiter vom Wählen hat abhalten lassen.

Auch die Bestimmungen der Wahlordnung sind nicht darauf angelegt, den Wahlberechtigten dauerhaft vor der Kenntnis anderer zu schützen, ob er sein Wahlrecht wahrgenommen hat. Vielmehr ist dies anhand der aufzubewahrenden Wahlunterlagen noch während der gesamten Dauer der Betriebsratsperiode feststellbar. Der Wahlvorstand ist verpflichtet, die Wahlakten dem Betriebsrat auszuhändigen, sobald sich dieser konstituiert hat (§§ 19 Wahlordnung, 29 Abs. 1 BetrVG). In die Wahlakten besteht ein Einsichtsrecht, und zwar sowohl der Arbeitnehmer wie des Arbeitgebers, aber auch jeder im Betrieb vertretenen Gewerkschaft, weil sich daraus unter Umständen die Begründung einer Wahlanfechtung ergibt (BAG vom 6.12.2000 - 7 ABR 34/98 - AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 48).

Auch die dem Schutz des Wahlergebnisses dienende Vorschrift des § 107 c StGB schützt den Wähler auf Dauer nur davor, dass andere erfahren, wie, nicht dagegen ob er gewählt hat.

Die Beobachtung der Wahl durch Mitarbeiterinnen der Personalabteilung der Arbeitgeberin verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der geheimen Wahl. Das die Mitarbeiterinnen der Personalabteilung Einsicht in das durch den Grundsatz der geheimen Wahl geschützte Wahlverhalten des Einzelnen, d. h. die Stimmabgabe, nehmen konnten (§ 12 Wahlordnung) ist nicht erkennbar. Solange die Stimmabgabe geheim und unbeeinflusst (d. h. ohne einen direkten Kontakt zwischen Wahlbeobachter und Arbeitnehmer) erfolgen kann, ist die Anwesenheit von Mitarbeiterinnen der Personalabteilung der Arbeitgeberin vor dem Wahllokal nicht unzulässig. Die Mitarbeiterinnen der Personabteilung haben auch keine Versuche unternommen, Mitarbeiter vor oder bei der Stimmabgabe zu beeinflussen.

dd)

Der Verneinung eines Verstoßes der Arbeitgeberin gegen § 20 BetrVG steht die vom Betriebsrat herangezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 06.12.2000 (7 ABR 34/99 - AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 48) nicht entgegen. Das Bundesarbeitsgericht hatte darüber zu entscheiden, ob der Grundsatz der allgemeinen Freiheit der Wahl dadurch verletzt werde, wenn der Wahlvorstand einem Wahlbewerber Einsichtnahme in die mit Stimmabgabevermerken versehene Wählerliste gewährt. Das Bundesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Chancengleichheit der Wahlbewerber sei nicht mehr gewährleistet, wenn einzelne Wahlbewerber aufgrund der nur ihnen vom Wahlvorstand eröffneten Kenntnis über das Wahlverhalten der Wahlberechtigten während des noch laufenden Wahlvorganges gezielt auf Wahlberechtigte zugehen könnten, von denen sie sich noch eine ihnen günstige Stimmabgabe erhofften. Dadurch würden die Chancen dieser Wahlbewerber gegenüber den Chancen der übrigen Wahlbewerber objektiv verbessert. Die Freiheit der Wahl werde auch dadurch verletzt, weil die Wahlbewerber in die Lage versetzt würden, Wahlberechtigte mit dem gezielten Hinweis und dem Vorhalt anzusprechen, der Wahlberechtigte habe, wie sich aus den Wahlunterlagen ergebe, von seinem Wahlrecht noch keinen Gebrauch gemacht. Der Wahlberechtigte sei dem Druck ausgesetzt, sich dafür rechtfertigen zu müssen, noch nicht gewählt zu haben.

Der dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 06.12.2000 zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Das Bundesarbeitsgericht hat ausgeführt, die unzulässige Drucksituation entstehe nicht bereits unmittelbar durch den Einblick Dritter in die vom Wahlvorstand geführte, mit Stimmabgaben versehene Liste. Es hat maßgeblich darauf abgestellt, dass die Wahlbewerber erst hierdurch in die Lage versetzt würden, Wahlberechtigte, die noch nicht gewählt hätten, während des noch laufenden Wahlvorganges gezielt anzusprechen mit der Folge, dass diese gezwungen seien, sich zu rechtfertigen. Dem ist die bloße Wahlbeobachtung durch die Arbeitgeberin nicht gleichzustellen. Die Arbeitgeberin hat keine Mitarbeiter angesprochen, ob und warum sie zur Wahl gehen und somit keinen Einfluss auf deren Wahlentscheidung genommen.

Die Beschwerde war deshalb insgesamt zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung ist nach § 2 Abs. 2 GKG nicht zu treffen, weil das Beschlussverfahren gerichtskostenfrei ist.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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