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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 27.03.2008
Aktenzeichen: 2 Sa 394/07
Rechtsgebiete: MTV für Arbeitnehmer des bayer. Bäckerhandwerks


Vorschriften:

MTV für Arbeitnehmer des bayer. Bäckerhandwerks § 6
MTV für Arbeitnehmer des bayer. Bäckerhandwerks § 12
1. Bei Führung eines Arbeitszeitkontos hat der Arbeitnehmer einen vertraglichen Anspruch auf Abrechnung nach Ablauf des Ausgleichszeitraums.

2. Nach Ablauf des Ausgleichszeitraums läuft eine auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Ausschlussfrist für den Anspruch auf Abrechnung. Ist dieser Anspruch verfristet, kann auch die Vergütung nicht mehr verlangt werden.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 Sa 394/07

in dem Rechtsstreit

wegen Arbeitsentgelt

Die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nürnberg Werner und die ehrenamtlichen Richter Bosch und Kreser aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. März 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 13.03.2007, Az. 6 Ca 7114/06, insoweit abgeändert, als der Klägerin ein höherer Betrag als EUR 1.610,38 zugesprochen wurde.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage in Höhe von EUR 2.410,06 abgewiesen.

III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 3/5, die Beklagte 2/5.

IV. Von den Kosten der 1. Instanz trägt die Klägerin 70 %, die Beklagte 30 %.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufung noch um restliche Arbeitsvergütung.

Die Klägerin war ab 04.08.2003 als Konditorin mit einer regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit von 173 Stunden und einem Bruttostundenlohn von EUR 11,03 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des Bayerischen Bäckerhandwerks vom 03.02.2000 Anwendung. Vor dem Arbeitsgericht schlossen die Parteien am 20.10.2006 einen Teilvergleich, wonach das Arbeitsverhältnis durch ordentliche betriebsbedingte fristgerechte Arbeitgeberkündigung vom 01.09.2006 zum 31.10.2006 endete.

Erstinstanzlich stritten die Parteien zuletzt über den von der Klägerin geforderten Betrag von EUR 5.206,16 brutto für 472 Mehrarbeitsstunden.

Die Klägerin arbeitete mit flexiblen Arbeitszeiten, für die ein Arbeitszeitkonto nach Maßgabe § 6 des Manteltarifvertrages für Arbeitnehmer des bayerischen Bäckerhandwerks geführt wurde (im Folgenden: MTV).

Dazu regelt § 6 MTV:

"...

3. Bei Anwendung dieser Flexibilisierungsregelung wird für jeden Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto eingerichtet, in welches die Mehrstunden (plus) und die Minderstunden (minus) einzutragen sind.

4. Monatlich erhält der Arbeitnehmer einen Auszug über sein Zeitkonto. Die Richtigkeit ist vom Arbeitnehmer zu bestätigen.

Erstellt der Arbeitgeber keinen Nachweis über das Zeitkonto oder liegt kein gegengezeichnetes Zeitkonto vor, dann gelten die Aufzeichnungen des Arbeitnehmers als verbindlich.

5. Der Flexibilisierungszeitraum kann bis zu 9 Monaten mit einem anschließenden Ausgleichszeitraum bis zu 3 Monaten betragen. Spätestens nach 12 Monaten muss das Zeitkonto ausgeglichen sein."

Im laufenden Beschäftigungsverhältnis erhielt die Klägerin keine Auszüge über ihr Arbeitszeitkonto.

Die Beklagte hat erstinstanzlich als Anlagen zum Schriftsatz vom 14.11.2006 Wochenberichte für die Klägerin vorgelegt für die Zeit vom 01.03. bis 14.03.2004 sowie vom 22.03. bis 18.04.2004. Für die Zeit vom 01.01.2005 bis 01.09.2005 und vom 01.01.2006 bis 30.09.2006 hat die Beklagte mit dem Schriftsatz vom 14.11.2006 vollständige Arbeitsaufzeichnungen vorgelegt, die von der Beklagten geführt wurden.

Die Klägerin legte eigene Aufzeichnungen ihrer Arbeitszeit vor vom Beginn des Beschäftigungsverhältnisses bis zum 30.09.2006 (Bl. 73-94 d.A.).

Die Klägerin hat vorgetragen, da die Beklagte keinen Nachweis über das Zeitkonto erstellt habe, seien ihre eigenen Aufzeichnungen als verbindlich anzusehen nach § 6 Ziffer 4 Abs. 2 MTV. Die Zeitkontenunterlagen der Beklagten für die Zeit ab 2005 seien insoweit fehlerhaft, als der Klägerin arbeitstäglich eine ganze Stunde als Pausenzeit von der von der Beklagten erfassten Zeit abgezogen worden sei. Tatsächlich habe sie im Hinblick auf die Fülle der Arbeit grundsätzlich nur 1/2 Stunde Pause arbeitstäglich genommen.

Tarifliche Ausschlussfristen müsse sich die Klägerin nicht entgegenhalten lassen, da die Beklagte ihr keine ordnungsgemäßen Lohn- oder Gehaltsabrechnungen ausgehändigt habe.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt folgenden Antrag gestellt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Mehrarbeitsvergütung zu einem Stundenlohn von EUR 11,03 für den Zeitraum 04.08.2003 bis 02.09.2006 gleich 472 Mehrarbeitsstunden, insgesamt also brutto EUR 5.206,16 zu bezahlen zuzüglich 5 % Punkte Verzugszinsen über dem Basiszinssatz aus EUR 5.206,16 seit dem 13.08.2006.

Das Arbeitsgericht hat mit dem am 13.03.2007 verkündeten Endurteil die Beklagte verurteilt, der Klägerin Vergütung für den Zeitraum vom 04.08.2003 bis 02.09.2006 in Höhe von EUR 4.020,44 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.08.2006 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Das Arbeitsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, dem Klageanspruch stünden die tariflichen Verfallfristen nicht entgegen. Die dreimonatige Ausschlussfrist nach der Fälligkeit gemäß § 12 MTV greife nur, wenn dem Arbeitnehmer eine ordnungsgemäße Lohn- oder Gehaltsabrechnung ausgehändigt worden sei. Wenn in einem Arbeitsverhältnis Mehrstunden oder Minderstunden nicht im Abrechnungszeitraum bei der Höhe des Entgelts berücksichtigt würden, sondern in einem Zeitkonto gebucht würden, so trete eine Fälligkeit des Zeitguthabens des Arbeitnehmers bzw. der Zeitschuld des Arbeitnehmers nicht jeweils monatlich ein analog der Fälligkeit der Vergütung nach § 614 BGB. Fälligkeit trete in solchen Fällen erst ein, wenn das Zeitkonto nach den getroffenen tariflichen oder arbeitsvertraglichen Vereinbarungen auszugleichen, also auf "0" zu stellen sei. In diesem Sinne trete die Fälligkeit des Zeitguthabens bzw. der Zeitschuld im Geltungsbereich des MTV ein mit dem Ablauf des Flexibilisierungszeitraums von 9 Monaten zuzüglich des Ausgleichszeitraums von 3 Monaten nach § 6 Ziffer 5 MTV, also 12 Monaten. Auf diesen zwölfmonatigen Ausgleichszeitraum könne sich die Beklagte nicht berufen. Zum einen habe sie im Prozess schon gar nicht angegeben, wann im Falle der Klägerin der Flexibilisierungszeitraum jeweils angelaufen sei und damit 12 Monate später das Zeitkonto hätte ausgeglichen werden müssen. Zum anderen ergebe sich aus den Aufzeichnungen der Beklagten, dass sie das Zeitguthaben für 2005, das sie mit 65,25 Stunden errechnet habe, nicht zum 31.12.2005 durch Auszahlung auf "0" gestellt habe, sondern ins Folgejahr vorgetragen habe. Aus den Zeitkontoaufzeichnungen für die Jahre 2005 und 2006 ergebe sich ferner, dass sie auch zu keinem unterjährigen Zeitpunkt das Zeitkonto durch Auszahlung des Zeitguthabens auf "0" gestellt habe. Die Beklagte habe mithin das Zeitkonto in Abweichung vom Tarifvertrag kontinuierlich über die Gesamtdauer des Beschäftigungsverhältnisses durchgeschrieben. Damit sei die Fälligkeit von Zeitguthaben oder Zeitschuld auch erst mit der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 31.10.2006 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt sei das Zeitguthaben bereits gerichtlich geltend gemacht gewesen.

Die Klägerin könne sich nicht auf ihre eigenen Aufzeichnungen zur Begründung ihrer Forderung berufen. § 6 Ziffer 4 MTV ordne zwar die Verbindlichkeit der Aufzeichnungen des Arbeitnehmers an, der MTV regle aber nicht, welchen Anforderungen die Aufzeichnungen des Arbeitnehmers genügen müssten, um als Aufzeichnungen im Sinne des MTV zu gelten. Nach Sinn und Zweck der tariflichen Vorschrift sei es nicht ausreichend, nur die täglichen Mehr- oder Minderstunden oder die tägliche Gesamtarbeitszeit festzuhalten. Die Klägerin könne somit ihre Forderung für das Jahr 2004 nicht auf die eigenen Aufzeichnungen stützen.

Für die Jahre 2005 und 2006 lägen dagegen Arbeitsaufzeichnungen von der Beklagten vor. Diese stellten eine taugliche Grundlage für die Beurteilung der von der Klägerin geleisteten Arbeitszeiten dar. Die Beklagte habe bis auf wenige Ausnahmen arbeitstäglich 1 Stunde Pausenzeit von der erfassten Arbeitszeit der Klägerin abgezogen. Die Klägerin habe bestritten, dass sie vor dem Hintergrund der vielen vorhandenen Arbeit bei der Beklagten mehr als die gesetzliche Pause genommen habe. Die Beklagte habe keinen Beweis dafür angetreten, dass die Klägerin arbeitstäglich tatsächlich die gesetzlich vorgeschriebene Pause von 30 Minuten verdoppelt und somit 60 Minuten Pause genommen habe. Der Klägerin stünden daher für 393 Arbeitstage für jeweils 1/2 Stunde zusätzliche Arbeitszeit Nachzahlungsansprüche zu (196,5 Arbeitsstunden x EUR 11,03 brutto = EUR 2.167,40 brutto). Nach § 5 MTV sei die wöchentliche bzw. monatliche Arbeitszeit im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten so zu verteilen, dass grundsätzlich 2 Tage in der Kalenderwoche arbeitsfrei blieben. Nach dem Tarifvertrag sei mithin grundsätzlich in einer Fünftagewoche zu arbeiten. Der Anspruch auf einen zweiten freien Tag entfalle aber in den Wochen, in denen ein gesetzlicher Feiertag auf einen Werktag falle. In diesem Fall gelte die durch einen Feiertag ausgefallene Arbeitszeit bei der Ermittlung der Wochenarbeitszeitstunden als Arbeitszeit (§ 5 Ziffer 1 Unterabs. 3 MTV). Aus den Aufzeichnungen der Beklagten zur Arbeitszeit der Klägerin ergebe sich, dass diese für die Feiertage, an denen sie nicht gearbeitet habe, keine Zeitgutschrift erhalten habe. Es handle sich in der Zeit vom 01.01.2005 bis 30.09.2006 um insgesamt 21 Feiertage. Bei einer gleichmäßigen Verteilung der Monatsarbeitszeit der Klägerin auf 5 Arbeitstage pro Woche ergebe sich eine tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden. Die Klägerin habe deshalb noch 21 Feiertage zu je 8 Stunden Anspruch auf eine Vergütung von EUR 1.853,04 brutto.

Die Beklagte bringt in der Berufung vor, die Klage sei in vollem Umfange unbegründet. Sie trägt vor, für die Zeit vom 01.01.2005 bis einschließlich September 2006 habe die Beklagte ein Zeitkonto geführt und im Verfahren vorgelegt. Für diesen Zeitraum könne sich die Klägerin nicht auf ihre eigenen Aufzeichnungen berufen. Es verbleibe insoweit vielmehr bei den allgemeinen Grundsätzen der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Die Klägerin müsse somit bei Bestreiten der weiteren Stunden durch den Arbeitgeber im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten über die übliche Arbeitszeit hinaus Arbeitsleistung erbracht worden sei. Außerdem müsse vorgetragen werden, ob die weiteren Stunden vom Arbeitgeber angeordnet oder zur Erledigung der ihm obliegenden Arbeiten notwendig oder vom Arbeitgeber gebilligt oder geduldet worden seien. Das Arbeitsgericht habe unzutreffend für 393 Arbeitstage in der Zeit vom 01.01.2005 bis 30.09.2006 jeweils 1/2 Stunde Arbeitszeit der Klägerin zugesprochen. Aufgrund des Prozessverlaufs habe die Beklagte nicht damit rechnen müssen, dass nach Widerruf des Vergleichs ein Urteil gefällt werde. Vielmehr habe sie aufgrund des Verlaufs der Verhandlung davon ausgehen müssen, dass zum Verkündungstermin am 13.03.2007 eine Schriftsatzfrist eingeräumt werde zu den in der mündlichen Verhandlung vom 27.02.2007 erteilten Hinweisen. Im Rahmen eines solchen Schriftsatzes wäre selbstverständlich zu den verdoppelten Pausen umfangreich und unter Angabe eines Zeugenbeweises Stellung wie folgt genommen worden: Die Klägerin sei starke Raucherin und habe arbeitstäglich nicht nur die gesetzlich notwendige Pause in Höhe von mindestens 30 Minuten, sondern in Höhe von insgesamt 1 Stunde genommen. Dies könnten die Zeugen C..., D... und E... bezeugen. So habe die Klägerin die Arbeit tagtäglich mindestens sechsmal für einen Zeitraum von 5 Minuten unterbrochen, um eine Zigarette zu rauchen. Die Klägerin hätte zumindest die Tage darlegen müssen, an denen vermeintlich unberechtigte Zeiten von der Arbeitszeit abgezogen worden seien. Hinsichtlich der Feiertagsvergütung sei es zumindest erforderlich, die einzelnen Feiertage, für die angeblich keine Zeitgutschrift erteilt worden sei, aufzulisten. Es sei in keiner Weise vorgetragen worden, dass sich aus den Aufzeichnungen der Beklagten zur Arbeitszeit ergebe, es sei für Feiertage, an denen die Klägerin nicht gearbeitet habe, keine Zeitgutschrift erteilt worden. Wegen des weiteren Sachvortrags der Beklagten in der Berufung wird auf die Berufungsbegründung vom 17.08.2007 verweisen.

Die Beklagte stellt in der Berufung folgende Anträge:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 13.03.2007, Aktenzeichen: 6 Ca 7114/06, wird abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Zurückweisung der Berufung.

Sie trägt vor, während der Dauer des Arbeitsverhältnisses sei bei der Beklagten keine elektronische Zeiterfassungsanlage vorhanden gewesen. Die Mitarbeiter der Beklagten hätten dementsprechend ihre individuelle Arbeitszeit eingetragen und bei Verlassen des Arbeitsplatzes dann auch die tatsächliche Arbeitszeit, zu der sie das Betriebsgelände verlassen hätten, handschriftlich eingetragen. Zum Wochenende seien die vorgenannten Einsatzarbeitspläne von der Buchhaltung der Berufungsführerin abgenommen und dort ausgewertet worden. Nach Erfassung aller Arbeitszeiten der Mitarbeiter am Monatsende sei dann von der Beklagten der nach deren Auffassung erbrachten Arbeitszeiten in der Lohnabrechnung der Lohn ausgezahlt worden. Die Beklagte habe die vorgetragenen Arbeitszeiten der Klägerin nur pauschal bestritten, was nicht ausreichend sei. Wegen des weiteren Sachvortrags der Klägerin in der Berufung wird auf die Berufungserwiderung vom 20.09.2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet.

1. Zum Anspruch der Klägerin auf weitere Vergütung wegen der Anrechnung einer vollen Stunde für die Arbeitspause:

a) Zur tarifvertraglichen Ausschlussfrist des § 12 MTV in Verbindung mit der Regelung in § 6 MTV betreffend ein Arbeitszeitkonto:

Nach Auffassung der Berufungskammer führt das Überschreiten des Flexibilisierungszeitraums bis zu 9 Monaten und darüber hinaus das Überschreiten der Frist von 3 Monaten für einen anschließenden Ausgleich gemäß § 6 Ziffer 5 MTV nicht etwa dazu, dass überhaupt keine Ausschlussfrist läuft. Das BAG hat in der Entscheidung vom 13.02.2002 Az. 5 AZR 470/00 Rz. 88 im JURIS-Ausdruck offen gelassen, ob ein Anspruch auf Berücksichtigung von Zusatzschicht und Schichtverlängerung monatlich fällig wird und laufend geltend gemacht muss oder ob der Arbeitnehmer wenigstens bis zum Ablauf des Ausgleichszeitraums bzw. bis zur vorzeitigen Schließung des Arbeitszeitkontos habe abwarten dürfen. Nach Ablauf des Flexibilisierungszeitraums von 9 Monaten und den Ausgleichszeitraums von 3 Monaten steht fest, dass eine Abrechnung über den Saldo zu erfolgen hat und der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsvertrag einen Anspruch auf Abrechnung hat. Ist der Arbeitnehmer der Auffassung wie vorliegend, dass er ein Guthaben beanspruchen kann, so ist er innerhalb der 3-monatigen Ausschlussfrist des § 12 MTV gehalten, den Abrechnungsanspruch geltend zu machen. Das BAG hat in der Entscheidung vom 05.09.2002 9 AZR 244/01 unter Rz. 64 im JURIS-Ausdruck ausgeführt, jedenfalls bei Vereinbarungen einer zweistufigen Ausschlussfrist sei davon auszugehen, dass der Lauf der tariflichen Ausschlussfrist erst mit Ende der Abrechnungsperiode beginne. Andernfalls wäre der Arbeitnehmer gezwungen, zur Vermeidung des Verfalls Klage zu erheben, obwohl er nicht sicher sein könne, dass sich aus dem Zwischensaldo tatsächlich Ausgleichsansprüche ergeben würden. Vorliegend beinhaltet § 12 MTV eine einstufige Ausschlussfrist, so dass für den Arbeitnehmer das mit einen Prozess verbundene Kostenrisiko nicht besteht, das darin liegt, dass bei Ablehnung des Arbeitgebers innerhalb der Frist für die 2. Stufe Klage zu erheben ist zur Vermeidung der Versäumung der Ausschlussfrist. Kann der Arbeitnehmer einen Zahlungsanspruch nicht geltend machen, weil er darauf angewiesen ist, dass der Arbeitgeber vorher eine Abrechnung erteilt, so ist der Lauf der Verfallfrist nur solange gehemmt, wie die Erteilung der Abrechnung noch verlangt werden kann (vgl. BAG vom 27.11.1984 3 AZR 596/82 unter II. 3 b der Gründe). Nach Ablauf des Ausgleichszeitraums von 3 Monaten nach dem Ende des Flexibilisierungszeitraums lief ab dem Zeitraum von 12 Monaten die 3-monatige Ausschlussfrist nach § 12 MTV für die Geltendmachung des Abrechnungsanspruchs. Ist diese Frist versäumt, kann ein Zahlungsanspruch nur für einen Zeitraum geltend gemacht werden, der sich aus dem längsten Flexibilisierungszeitraum, den 3-monatigen Ausgleichszeitraum und der sich anschließenden 3-monatigen Ausschlussfrist ergibt. Die Klägerin kann somit rückwirkende Ansprüche für einen Zeitraum von 15 Monaten geltend machen. Die Forderung für die Mehrarbeitsstunden wurde geltend gemacht mit der Klage vom 18.09.2006, die der Beklagten am 23.09.2006 zugestellt wurde. Fällig war zu diesem Zeitpunkt die Vergütung bis einschließlich August 2006. Der 15-Monatszeitraum (9 Monate Flexibilisierungszeitraum, 3 Monate Ausgleichszeitraum, 3 Monate Frist zur Geltendmachung nach § 12 MTV) reicht demnach bis 01.06.2005 zurück. Daraus ergeben sich 292 Tage, die mit je einer Stunde durch die Beklagte erfasst wurden. Die Klägerin hat somit die tarifliche Ausschlussfrist für die Zeit ab 01.06.2005 nicht versäumt.

b) Zu Grund und Höhe des Anspruchs der Klägerin wegen Abzugs einer vollen Stunde Pause von der Arbeitszeit:

Die Beklagte hat nach ihren Aufzeichnungen im Zeitraum 01.01.2005 bis 30.09.2006 jeweils eine Stunde Pause abgezogen mit drei Ausnahmen, die sämtlich einen Samstag betrafen, an dem die Klägerin nur vormittags arbeitete. An diesen drei Samstagen hat die Beklagte jeweils nur 0,50 Stunden als Pause in Abzug gebracht. Dies betrifft Samstag, den 05.03.2005, sowie die Samstage 11.03.2006 und 18.03.2006. Nach der Arbeitszeitregelung hatte die Klägerin Anspruch auf 1/2 Stunde Pause. Der Vortrag der Beklagten in der Berufung, die drei genannten Zeugen könnten bestätigen, dass die Klägerin die Arbeit tagtäglich mindestens sechsmal für einen Zeitraum von 5 Minuten unterbrochen habe, um eine Zigarette zu rauchen, ist nicht hinreichend substantiiert. So wie die Beklagte zutreffend vorträgt, dass der Arbeitnehmer, der Vergütung für Mehrarbeitsstunden verlangt, bei Bestreiten durch den Arbeitgeber darlegen muss, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus tätig geworden ist, so gilt auch umgekehrt, dass die Beklagte jeweils zu den einzelnen Tagen die Überschreitung der Pausenzeiten vorträgt und dabei angibt, an welchem Tag wie oft die Arbeitszeit unterbrochen wurde und in welchem zeitlichen Umfang dies jeweils geschehen ist. Wenn die Beklagte vorträgt, die Klägerin habe mindestens sechsmal arbeitstäglich die Arbeit unterbrochen, um eine Zigarette zu rauchen, so stellt dies eine pauschale Behauptung dar. Die Beklagte hat auch nicht dargestellt, welcher Zeuge zu welchem Arbeitstag benannt wird oder dass alle 3 benannten Zeugen an jedem Arbeitstag im Betrieb anwesend waren und entsprechende Beobachtungen machen konnte. Bei fast 300 betroffenen Arbeitstagen ist die Behauptung, die Klägerin habe arbeitstäglich mindestens sechsmal die Arbeit unterbrochen, um für einen Zeitraum von fünf Minuten eine Zigarette zu rauchen, nicht hinreichend substantiiert. Eine Beweiserhebung zu einer so pauschalen Behauptung würde ebenso zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis führen, wie die Beweiserhebung zu einer Behauptung eines Arbeitnehmers, er habe über einen längeren Forderungszeitraum hin jeweils täglich 1/2 Stunde Mehrarbeit erbracht. Die Beklagte ist darlegungs- und beweisbelastet für ihre Behauptung, die Klägerin habe nicht nur die ihr zustehende Pause von 1/2 Stunde genommen, sondern jeweils eine volle Stunde. Da die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen ist, hat die Klägerin Anspruch darauf, dass ihr für 292 Tage jeweils 1/2 Stunde vergütet wird, was den Betrag von EUR 1.610,38 ergibt (292 Tage : 2 = 146 x 11,03). Insoweit ist die Berufung wegen der Forderung für 474 Mehrarbeitsstunden unbegründet.

2. ...

Auf die Berufung der Beklagten hin war somit das angefochtene Urteil insoweit abzuändern, als der Klägerin ein höherer Betrag als EUR 1.610,38 zugesprochen wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Gegen dieses Urteil ist die Revision nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird hingewiesen (§ 72 a ArbGG).

Ende der Entscheidung

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