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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 10.06.2002
Aktenzeichen: 2 Sa 801/01
Rechtsgebiete: ZPO, InsO


Vorschriften:

ZPO § 51
ZPO § 240
InsO § 80
1.Ob im Fall der Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 240 Satz 1 ZPO im Rubrum der Schuldner oder der Insolvenzverwalter als Partei zu benennen ist, richtet sich danach, bei wem (noch oder wieder) die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners liegt.

2.Ist während der Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 240 ZPO ein schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unzulässig gewordenes Rechtsmittel zu verwerfen, so ist der Insolvenzverwalter als Partei im Rubrum zu benennen, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners (noch) bei ihm liegt.


2 Sa 801/01

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg

- Kammer 2 -

erlässt in dem Verfahren

wegen Kündigung

durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Werner ohne mündliche Verhandlung folgenden

Beschluss:

Tenor:

Der Antrag des Insolvenzverwalters, das Rubrum des Beschlusses vom 26. März 2002 zu berichtigen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Schuldnerin, die Firma I..., hat gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 31.05.2001, in welchem sie in einem Kündigungsverfahren unterlegen war, Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 05.11.2001 verlängerten Berufungsbegründungsfrist nicht begründet. Mit Beschluss vom 25.02.2002 des Amtsgerichts Schweinfurt, Az.: IN 248/01, wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, der I..., eröffnet und Rechtsanwalt J... als Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss vom 26.03.2002 wurde die schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens unzulässig gewordene Berufung als unzulässig verworfen, da sie nicht innerhalb der bis 05.11.2001 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet wurde.

Im Beschluss vom 26.03.2002 wurde im Passivrubrum nicht mehr die Schuldnerin, die Firma I..., angeführt, sondern der Insolvenzverwalter. Der Beschluss vom 26.03.2002 wurde dem Insolvenzverwalter am 28.03.2002 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 05.04.2002 beantragte dieser, das Rubrum des Beschlusses vom 26.03.2002 zu berichtigen und die Schuldnerin als Partei zu bezeichnen. Er hat vorgebracht, er sei nicht Partei des Rechtsstreits geworden. Der Rechtsstreit sei gemäß § 240 ZPO unterbrochen und vom Insolvenzverwalter nicht aufgenommen worden. Eine Parteiänderung auf Beklagtenseite sei nicht eingetreten. Der Umstand, dass der Insolvenzverwalter "Partei Kraft Amtes" sei, habe nicht zur Folge, dass er zugleich auch Partei des anhängigen Rechtsstreits werde. Es sei nicht angezeigt, sofort bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Umschreibung des Rubrums von der Schuldnerin unmittelbar auf den Insolvenzverwalter vorzunehmen. Dieser habe z.B. gemäß § 85 Abs. 2 InsO die Möglichkeit, die Aufnahme des Rechtsstreits abzulehnen, so dass sowohl der Schuldner als auch der Gegner den Rechtsstreit wieder aufnehmen könnten. Da der Rechtsstreit nach wie vor unterbrochen sei, könne ein möglicher Kostenerstattungsanspruch des Klägers nur eine einfache Insolvenzforderung im Sinn des § 38 InsO begründen. Eine Kostenentscheidung unter dem Rubrum nach der unzulässigen Änderung würde jedoch suggerieren, dass ein Erstattungsanspruch gegen den Insolvenzverwalter und damit eine Masseforderung im Sinn des § 55 InsO bestünde. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers traten dem Berichtigungsantrag des Insolvenzverwalters entgegen.

II.

Der Berichtigungsantrag des Insolvenzverwalters war abzulehnen.

1.

Das Berufungsverfahren wurde gemäß § 240 ZPO unterbrochen, da das anhängige Kündigungsschutzverfahren die Insolvenzmasse betraf (§ 240 Satz 1 ZPO). Dies ist im Übrigen auch unstreitig.

2.

Gemäß § 80 InsO hatte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Wirkung, dass das Recht der Schuldnerin, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter überging. Die Schuldnerin konnte ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die von ihr eingelegte Berufung deshalb auch nicht mehr zurücknehmen. Soweit der Insolvenzverwalter ausführt, er habe gemäß § 85 Abs. 2 InsO die Möglichkeit, die Aufnahme des Rechtsstreits abzulehnen, so dass sowohl der Schuldner als auch der Gegner den Rechtsstreit wieder aufnehmen könnten, so setzt die Möglichkeit der Aufnahme des Rechtsstreits durch die Schuldnerin zunächst voraus, dass zuvor die Aufnahme des Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter abgelehnt wurde. Dies ist nicht der Fall. Der Insolvenzverwalter hatte lediglich mit Schriftsatz vom 05.03.2002 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mitgeteilt, auf die Unterbrechung des Rechtsstreits gemäß § 240 ZPO hingewiesen und um Akteneinsicht gebeten, die gewährt wurde. Die Schuldnerin konnte somit weder den Rechtsstreit mangels Ablehnung der Aufnahme des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter aufnehmen noch das von ihr eingelegte Rechtsmittel der Berufung zurücknehmen.

3.

Die Umschreibung des Passivrubrums von der Schuldnerin auf den Insolvenzverwalter hat nicht die Wirkung, dass mögliche Kostenerstattungsansprüche des Klägers dadurch den Rang von Masseverbindlichkeiten im Sinn des § 55 InsO erhalten. Der Insolvenzverwalter scheint dies auch nicht zwingend anzunehmen, sondern lässt lediglich vortragen, eine Kostenentscheidung unter dem Rubrum nach der unzulässigen Änderung würde aber "suggerieren", dass ein Erstattungsanspruch gegen den Insolvenzverwalter und damit eine Masseforderung im Sinn des § 55 InsO bestünde. Masseverbindlichkeiten in Sinn des § 55 Abs. 1 Ziffer 1 InsO werden durch die Umschreibung des Passivrubrums auf den Insolvenzverwalter nicht begründet. Danach sind Masseverbindlichkeiten Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Der Insolvenzverwalter hat, wie er insoweit zutreffend vorbringt, im Berufungsverfahren keine Handlungen vorgenommen, die eine weitere Verbindlichkeit begründen könnten. Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Ziffer 2 und 3 InsO scheiden im Streitfall ohnehin aus.

4.

Auch wenn man mit dem Insolvenzverwalter von einer einfachen Insolvenzforderung im Sinn des § 38 InsO ausgeht, ist diese im Insolvenzverfahren und nicht etwa außerhalb des Insolvenzverfahrens gegenüber der Schuldnerin geltend zu machen.

Nur der Insolvenzverwalter kann Insolvenzforderungen bestreiten oder anerkennen, solange er die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hat.

5.

Die Verfahrensunterbrechung gemäß § 240 ZPO beruht darauf, dass der Schuldner mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen verliert und dieses durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter gemäß § 80 Abs. 1 InsO übergeht (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 23. Aufl., § 240 ZPO, Rz. 1). § 117 Abs. 1 InsO stellt nunmehr auch ausdrücklich fest, dass eine vom Schuldner erteilte Vollmacht, die sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen bezieht, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt. Der Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts vom Schuldner auf den Insolvenzverwalter führt zu dem von der herrschenden Meinung mit der Amtstheorie begründeten gesetzlichen Parteiwechsel vom Schuldner zum Insolvenzverwalter (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 51, Rz. 7; Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 51, Rz. 19; Thomas-Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 51, Rz. 26). Der Insolvenzverwalter vertritt weder den Schuldner, noch die Insolvenzgläubiger, noch die Masse, vielmehr besteht seine ihm im öffentlichen Interesse übertragene Funktion darin, das Insolvenzverfahren abzuwickeln und in eigener Parteistellung die Rechte des Schuldners und die der Insolvenzgläubiger an der Insolvenzmasse abzuwickeln (Zöller-Vollkommer, a.a.O.). Folgerichtig nimmt Thomas-Putzo (a.a.O., Rz. 16, Vorbemerkung vor § 50) an, dass der gesetzliche Parteiwechsel beginnt oder endet, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsberechtigung beginnt oder endet. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der beklagten I... endete somit mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 80 Abs. 1 InsO. Sie war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr berechtigt, die unzulässig gewordene Berufung zurückzunehmen. Sie konnte aber auch das Verfahren nicht gemäß § 85 Abs. 2 InsO aufnehmen, da eine Ablehnung der Aufnahme des Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter nicht vorlag. Eine Ablehnung der Aufnahme des Prozesses durch den Insolvenzverwalter hätte nicht dazu geführt, dass der Masse Prozesskosten zur Last gefallen wären (FK, InsO, App, § 85 Rz. 20). Dispositionsbefugt war allein der Insolvenzverwalter, so dass er wegen der bei ihm liegenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im Passivrubrum als Partei aufzunehmen war. Eine erneute Umschreibung des Passivrubrums auf die Firma I... wäre vorzunehmen gewesen, wenn bei Bejahung eines Aktiv-Prozesses im Sinn des § 85 InsO (vgl. im Einzelnen FK/App, a.a.O., Rz. 5) der Insolvenzverwalter vor der Verwerfung der Berufung die Aufnahme des Verfahrens abgelehnt hätte, da dann die Schuldnerin gemäß § 85 Abs. 2 InsO das Verfahren hätte aufnehmen können, also die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis insoweit wieder auf sie übergegangen wäre. Dass auf die Person abzustellen ist, die die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens hat, wird auch an den Bestimmungen des § 240 Satz 2 ZPO und des § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO deutlich. Danach tritt die Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 240 Satz 1 ZPO auch ein, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht (§ 240 Satz 2 ZPO "entsprechendes gilt" ...), also ein sogenannter "starker" vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird. Der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis tritt ein, wenn ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird und dem Schuldner ein allgemeines Veräußerungsverbot auferlegt wird (§ 22 Abs. 1 Satz 1 InsO). Der vorläufige Insolvenzverwalter ist in seiner Stellung dem endgültigen Insolvenzverwalter weitgehend angenähert (vgl. FK, InsO-Schmerbach, § 22, Rz. 5 a). Er ist ebenso wie der endgültige Insolvenzverwalter Partei Kraft Amtes (Musielak, a.a.O., § 51 Rz. 19; Zöller-Vollkommer vor § 50, Rz. 21; § 51, Rz. 7). Der im Streitfall nicht nur vorläufig bestellte Insolvenzverwalter war daher im Passivrubrum des Verwerfungsbeschlusses als Partei zu benennen.

6.

Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis kann während der Dauer der Unterbrechung wechseln. Abgesehen von den Fällen der Auswechslung des Insolvenzverwalters gemäß § 59 InsO oder der Bestellung eines zunächst "starken" vorläufigen Insolvenzverwalters und der späteren Berufung eines anderen zum endgültigen Insolvenzverwalter wechselt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis während der Unterbrechung des Verfahrens auch bei einer Ablehnung der Aufnahme des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter. Maßgeblich abzustellen ist somit nicht darauf, ob das Verfahren noch gemäß § 240 ZPO unterbrochen ist, sondern darauf, wer zum Zeitpunkt der Entscheidung und Zustellung der Entscheidung des Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis inne hatte.

Die Verwerfung des Rechtsmittels der Berufung war somit dem Insolvenzverwalter als demjenigen zuzustellen, der zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin hatte. Unabhängig davon, ob bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung die Beschwerde an das Bundesarbeitsgerichts (Rechtsbeschwerde gemäß § 77 ArbGG in der Fassung ab 01.01.2002; vorher sofortige Beschwerde nach § 519 b ZPO in Verbindung mit § 77 ArbGG in der Fassung bis 31.12.2001) zuzulassen ist und folglich eine Frist im Sinn des § 329 Abs. 1 ZPO zwingend eine Zustellung erfordert, ist schon eine bloße Bekanntgabe nach § 329 Abs. 2 ZPO an denjenigen zu richten, der die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hat. Unabhängig davon, ob man in Fällen eines rechtlich nicht vorgesehenen Rechtsbehelfs bei einem Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte oder bei greifbarer Gesetzeswidrigkeit lediglich eine befristete Gegenvorstellung für zulässig erachtet (vgl. BGH vom 07.03.2002, Az.: IX ZB 11/01, NJW 2002, 1577; BAG vom 22.10.1999, Az.: 5 AZB 21/99, DB 2000, 483) und im Falle der Erfolglosigkeit eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (vgl. Vorlagebeschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts an das Plenum vom 16.01.2002, Az.: 1 BvR 10/99, MDR 2002, R 15, wonach das Gesetz dem Bürger bei Gehörsverletzungen Rechtsschutz bereits durch die Fachgerichte selbst eröffnen muss), kann solche außerordentlichen Rechtsbehelfe nur der Inhaber des Verwaltungs- und Verfügungsrechts erheben. Da das Verwaltungs- und Verfügungsrecht zum Zeitpunkt der Entscheidung und Zustellung der Entscheidung noch der Insolvenzverwalter hatte, war er als Partei des Rechtsstreits im Passivrubrum anzuführen und ihm die Entscheidung zuzustellen. Die schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unzulässig gewordene Berufung konnte während der Unterbrechung verworfen werden (vgl. Thomas-Putzo, a.a.O., § 249, Rz. 10; Zöller-Greger, a.a.O., § 249, Rz. 9).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da Kosten im Berichtigungsverfahren solche des Rechtsstreits sind (vgl. Thomas-Putzo, a.a.O., § 319, Rz. 11).

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 319 Abs. 3 ZPO; § 64 VI ArbGG in Verbindung mit § 567 Abs. 1 ZPO n.F.).

Ende der Entscheidung

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