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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 17.06.2002
Aktenzeichen: 2 Ta 175/01
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 84 Abs. 1
1. Ein Handelsvertreterverhältnis liegt nur vor, wenn die wesentlichen gesetzlich normierten Elemente, die das Bild des Handelsvertreters prägen, vorliegen.

2. Das ist nicht mehr anzunehmen, wenn

a) der "Handelsvertreter" in einem Ladengeschäft für eine Getränkemarktkette anonyme Bargeschäfte mit Endverbrauchern tätigt und

b) wegen der Anonymität der Bargeschäfte

aa) vertragliche Bindungen zur Handelskette nicht vermittelt werden,

bb) Berichte über einzelne Geschäfte und Kunden im Sinn des § 86 HGB nicht in Betracht kommen,

cc) ein Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB ausscheidet,

dd) eine Provision nach § 87 Abs. 3 Ziff. 1 HGB nach Beendigung des Vertragsverhältnisses wegen eines angebahnten Geschäftsabschlusses nicht entstehen kann.

Rechtsmittel ist zugelassen.


2 Ta 175/01

in dem Rechtsstreit

wegen Kündigung und sonstiges

Die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Werner ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bayreuth, Kammer Hof, vom 06.09.2001 - Az.: 3 Ca 226/01 H - aufgehoben.

2. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 1.500,-- festgesetzt.

5. Die Rechtsbeschwerde wird für die Beklagte zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen und vorsorglich ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 05.02.2001 sowie einer weiteren außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 23.02.2001.

Der Kläger war zunächst mit "Handelsvertretervertrag" vom 05.06.1998 als "Handelsvertreter" für die Beklagte tätig. Er hatte von der Beklagten in T..., M.. Straße ... ein Ladengeschäft gepachtet, um dort die Produkte der Beklagten zu vertreiben. Dieses Vertragsverhältnis endete am 29.02.2000.

Mit dem Vertrag vom 04.07./07.07.2000 wurde ein weiterer "Handelsvertretervertrag" zwischen den Parteien geschlossen mit der Maßgabe, dass der Kläger nunmehr ein Ladengeschäft in ... S..., D...-Straße ... pachtete und die Produkte der Beklagten zu vertreiben hatte. Auf den Inhalt dieses Vertrages (Bl. 20 - 33 d. A.) wird verwiesen.

Der Kläger hat im Klageschriftsatz vom 21.02.2001 folgende Anträge gestellt:

1.

Es wird festgestellt, dass die fristlose Kündigung der Beklagten vom 05.02.2001 unwirksam ist und dass das Arbeitsverhältnis über den 05.02.2001 bis 31.07.2001 ungekündigt fortbesteht.

2.

Es wird festgestellt, dass die mit Brief vom 05.02.2001 vorsorglich ausgesprochene Kündigung zum nächst zulässigen Termin unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis bis 31.07.2001 fortbesteht.

3.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Mit Klageerweiterung vom 28.02.2001 wandte er sich gegen eine weitere Kündigung vom 23.02.2001 mit dem Antrag:

Es wird festgestellt, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten, ausgestellt von ihren Bevollmächtigten Dr. B... & Kollegen vom 23.02.2001 unwirksam ist und dass das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbesteht.

In der Klageschrift hat der Kläger auf Seite 4 ausgeführt "Rein vorsorglich beantrage ich für den Fall, dass, wenn das Arbeitsgericht meinen sollte, nicht zuständig zu sein, das Verfahren dann an das zuständige Landgericht Hof zu verweisen." Auf Seite 5 der Klage führte er im letzten Absatz aus: "Der Kläger hat Anspruch darauf, mindestens bis 31. Juli 2001 beschäftigt zu sein, selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass arbeitsrechtlich eindeutig und unmissverständlich klargestellt ist, dass er als Arbeitnehmer beschäftigt ist und entsprechend vergütet wird."

Das Arbeitsgericht hat zunächst mit Beschluss vom 11.04.2001 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten bejaht und einen sic-non-Fall im Sinne der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 19.12.2000, NZA 01, 285; 17.01.2000, NZA 01, 341) bejaht.

Auf die Beschwerde der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg durch Beschluss vom 09.08.2000 den Beschluss des Arbeitsgerichts Bayreuth/Kammer Hof vom 11.04.2001 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Arbeitsgericht Bayreuth/Kammer Hof zurückverwiesen. Das LAG hat eine Doppelrelevanz im Sinne der vom Arbeitsgericht zitierten Rechtsprechung des BAG verneint und ausgeführt, der Kläger habe durch den vorsorglich im Rahmen der Klageschrift gestellten Verweisungsantrag zum Ausdruck gebracht, dass er sich gegen die Kündigungen auch dann wehren wolle, wenn er kein Arbeitnehmer der Beklagten sei. Damit setzten die beantragten Feststellungen nicht notwendigerweise voraus, dass sich der Kläger zum Zeitpunkt der angegriffenen Beendigungstatbestände in einem Arbeitsverhältnis befunden habe.

Das Arbeitsgericht hat sodann mit Beschluss vom 05.09.2001 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Hof verwiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger sei als Handelsvertreter im Sinn des § 84 Abs. 1 HGB tätig gewesen und habe unstreitig in den letzten sechs Monaten des Vertragsverhältnisses monatlich mehr als 2.000,-- DM Garantieprovision bezogen, so dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG in Betracht gekommen sei. Der Kläger sei auch weder Arbeitnehmer noch arbeitnehmerähnliche Person. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hof vom 05.09.2001 (Bl. 124 f. der Hauptsacheakten) verwiesen.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 12.09.2001 zugestellten Beschluss hat dieser mit Schriftsatz vom 20.09.2001, beim Ausgangsgericht eingegangen am 21.09.2001, und vorab per Telefax vom 20.09.2001 sofortige Beschwerde eingelegt.

Er bringt vor, der Kläger sei angestellter Handelsvertreter im Sinn des § 84 Abs. 2 HGB. Er habe nämlich seine Tätigkeit nicht im Wesentlichen frei gestalten können. Zwar sei in § 3 Abs. 1 des "Handelsvertretervertrages" zwischen der Beklagten und dem Kläger formal festgelegt, dass der Kläger bei der Führung seiner Geschäfte gegenüber der Beklagten nicht weisungsgebunden sei, dies habe jedoch der praktischen Durchführung des Vertrages nicht entsprochen. Zunächst sei festzuhalten, dass der Kläger das "Ladengeschäft" gerade von der Beklagten gepachtet habe. Diese habe zudem sehr weitgehend die Modalitäten der Führung bestimmt, konkrete Anweisungen erteilt und umfangreiche Kontrollen durchgeführt. Auch die Öffnungszeiten seien dem Kläger vorgegeben gewesen. Wenn beispielsweise Konkurrenzunternehmen schon um 8.00 Uhr geöffnet hätten, habe dies der Kläger ebenfalls machen müssen. Im Übrigen wird auf den schriftsätzlichen Vortrag des Klägers in der Beschwerde verwiesen.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und führt aus, die Tatsache, dass der Kläger das Ladengeschäft von der Beklagten gepachtet habe, spreche eher für als gegen eine selbständige Stellung. Ein unselbständiger Arbeitnehmer pachte nämlich nicht die Betriebsstätte seines Arbeitsplatzes, vielmehr werde dem typischen Arbeitnehmer die Betriebsstätte seitens des Arbeitgebers kostenfrei zur Verfügung gestellt. Unrichtig sei, dass die Beklagte sehr weitgehend die Modalitäten der Führung bestimme. Der Kläger verwalte Vermögen und Gelder der Beklagten, so dass der insoweit risikobehafteten Beklagten entsprechende Kontrollrechte als Äquivalent zu der dem Kläger übertragenen Befugnis und Verantwortung zustehen würden. Diese seien - allgemein gehalten - auch in § 2 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages vereinbart. Die vom Kläger angeführte Weisungsunterworfenheit bestehe gerade im Spielraum, der dem Dienstberechtigten bezüglich der Ausgestaltung der Vertragspflichten eröffnet sei. Soweit diese im Einzelnen geregelt seien, stehe einem Weisungsrecht der konkret bestimmte Inhalt des Dienst- bzw. Handelsvertretervertrages entgegen, wie das Landesarbeitsgericht Baden Württemberg im Beschluss vom 09.09.1998, Az.: 4 Ta 16/98, ausgeführt habe. Wegen des weiteren Vortrags der Beklagten in der Beschwerde wird auf deren schriftsätzliche Ausführungen verwiesen.

Das Beschwerdegericht hat mit Schreiben vom 08.01.2000 an die Prozessbevollmächtigten die Frage aufgeworfen, ob das Vertragsverhältnis der Parteien als Handelsvertretervertrag zu bewerten sei.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache auch begründet.

1.

Ob der Klageantrag vom 21.02.2001 als sic-non-Fall im Sinn der Rechtsprechung des BAG anzusehen ist, kann noch dahinstehen. Der Kläger hat einerseits zwar vorsorglich Verweisung an das Landgericht Hof beantragt, andererseits am Schluss der Klage ausgeführt, er habe Anspruch darauf, mindestens bis 31.07.2001 beschäftigt zu sein, selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass arbeitsrechtlich eindeutig und unmissverständlich klargestellt ist, dass er als Arbeitnehmer beschäftigt ist und entsprechend vergütet wird. In diesem Zusammenhang ist die vereinbarte Kündigungsfrist unter § 10 des Vertrages von Bedeutung, wonach das Vertragsverhältnis im ersten und zweiten Jahr der Vertragsdauer mit einer Frist von drei Monaten zum Schluss eines Kalendermonats möglich ist. Die Kündigung der Beklagten vom 05.02.2001 könnte somit als ordentliche Kündigung das Vertragsverhältnis zum 31.05.2001 beenden. Der Antrag, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 05.02.2001 hinaus bis 31.07.2001 ungekündigt fortbesteht, kann somit allenfalls dann auch als aut-aut-Fall betrachtet werden, wenn der Kläger den Fortbestand des Vertragsverhältnisses bis 31.07.2001 daraus ableiten will, dass er bis zu diesem Zeitpunkt eine Garantieprovision zu erhalten habe. Diese Garantieprovision bis 31.07.2001 leitet er offenbar aus der Abrechnung vom 11.12.2000 her (Bl. 39 d.A.). Unabhängig davon, ob eine solche Zusage besteht, wäre eine solche Zusage kein Hindernis, das Vertragsverhältnis ordentlich mit der Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende zu beenden, so dass schon der Antrag in der Klage vom 21.02.2001 eher für einen sic-non-Fall spricht. Aus dem Klageantrag vom 21.02.2001 und der Begründung wird erkennbar, dass der Kläger nicht nur das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den Zeitraum der ordentlichen Kündigungsfrist hinaus begehrte, sondern unabhängig von der Frage der Rechtswegzuständigkeit geklärt haben möchte, dass er als Arbeitnehmer beschäftigt und entsprechend vergütet wird, also die Statusfrage entschieden haben wollte.

2.

Einen sic-non-Fall stellt aber jedenfalls der Antrag in der Klageerweiterung vom 28.02.2001 dar, wonach der Kläger beantragt festzustellen, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.02.2001 unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbesteht. Damit ist auch für den zuerst gestellten Antrag wegen der Kündigung vom 05.02.2001 der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zumindest gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG eröffnet, da insoweit die vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 31.08.1999, AP Nr. 6 zu § 2 ArbGG 1970 Zuständigkeitsprüfung, angeführten Bedenken der möglichen Erschleichung des Rechtswegs nicht bestehen. Beide angegriffenen Kündigungen betreffen dasselbe Vertragsverhältnis, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist somit hinsichtlich beider Anträge gegeben. Die von der Beklagten erhobenen Einwendungen gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Schriftsatz vom 17.04.2001 hält das Landesarbeitsgericht für unbegründet und schließt sich weiterhin der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an.

3.

Eine Bindungswirkung zur Entscheidung des LAG Nürnberg vom 09.08.2000 besteht nicht, da in dieser Entscheidung über den Rechtsweg nicht entschieden wurde, vielmehr die Sache zur erneuten Entscheidung an das Arbeitsgericht Bayreuth, Kammer Hof, zurückverwiesen wurde.

4.

Unabhängig von den Ausführungen zu 1) und 2) hält das Beschwerdegericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen auch deswegen für gegeben, weil im Streitfall der Kläger nicht als selbständiger Handelsvertreter im Sinn des § 84 Abs. 1 HGB anzusehen ist. Wäre er Handelsvertreter, so käme es nach herrschender Auffassung nicht mehr darauf an, ob er im Übrigen noch als arbeitnehmerähnliche Person angesehen werden könnte (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 5 Rz. 28 m.w.N.).

Maßgeblich für die rechtliche Qualifizierung des Vertragsverhältnisses ist nicht die Bezeichnung des Vertragstyps, wie ihn die Parteien gebraucht haben, vielmehr kommt es darauf an, wie das Vertragsverhältnis aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen ist (vgl. z.B. BAG vom 26.05.1999, 5 AZR 469/98 = AP Nr. 104 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Ebenso hat der BGH in der Entscheidung vom 22.06.1972, Az. VII ZR 36/71 = BB 1972, 938, 939, ausgeführt, maßgebend für die rechtliche Einordnung sei nicht die von den Parteien im Vertrag gewählte Bezeichnung, sondern die wirkliche Tätigkeit, andernfalls wäre einer Umgehung des zwingenden § 89 b HGB Tür und Tor geöffnet.

Bei einem Vergleich der Tätigkeit des Klägers mit einem aufgrund Arbeitsvertrag tätigen Verkäufers in einem Filialladengeschäft sind als wesentliche Unterschiede festzustellen, dass der Kläger den Laden von der Beklagten gepachtet hat und nach dem Vertrag die Tätigkeit nicht persönlich zu erbringen hatte. Die Beklagte hat sowohl den Handelsvertretervertrag als auch den Pachtvertrag vorformuliert und als eine wirtschaftliche Einheit bezeichnet und die Verträge so ausgestaltet, dass die rechtliche Beendigung des Handelsvertretervertrages auch zur rechtlichen Beendigung des Pachtverhältnisses zu führen hatte und umgekehrt. Die Beklagte, die die Verträge vorformuliert hat, verweist darauf, dass bundeseinheitlich so verfahren werde und hat dem Kläger nicht etwa eine Option gelassen, ein anderes Geschäftslokal anzumieten oder lediglich als Verkäufer tätig zu werden. Er konnte nur ja oder nein sagen. Die einzelnen von der Beklagten vorformulierten Verpflichtungen, die soweit gingen, dass der Kläger nach § 6 Abs. 3 für den von der Beklagten eingerichteten Telefon- und Telefaxanschluss dem Leistungsanbieter hierfür eine Bankeinzugsermächtigung zu geben hatte, spiegeln das Ungleichgewicht der Verhandlungspositionen der Parteien wider und lassen nicht erkennen, dass die schriftlich vorliegenden Verträge dem tatsächlichen Willen beider Parteien entsprechen. Der Umstand, dass der Kläger mit der Beklagten einen Pachtvertrag geschlossen hat und dies die Beklagte bundeseinheitlich so verlangt, wie aus ihren Vorbringen sich ergibt, kann somit nicht als ausreichendes Argument für eine unternehmerische Tätigkeit des Klägers herangezogen werden. Darauf hatte unter anderem aber die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte beim Statusfeststellungsverfahren nach §§ 7 a ff. SGB IV abgestellt. Dieser Bescheid ist nicht maßgeblich für die Frage des Rechtswegs, sondern betrifft die Frage einer nach § 7 Abs. 4 SGB IV vermuteten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und nimmt im Übrigen in § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB IV Handelsvertreter von der Vermutung aus, die im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten und über ihre Arbeitszeit bestimmen können.

Auf die fehlende Verpflichtung des Klägers zur persönlichen Erbringung der Dienstleistung kommt es nicht an (vgl. BAG vom 26.05.1999, a.a.O., sowie vom 19.11.1997, AP Nr. 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit).

Zutreffend ist, dass die Tätigkeit eines Handelsvertreters nicht voraussetzt, dass dieser die Kunden aufsucht, so dass beispielsweise auch die Inhaber von Lottoannahmestellen als Handelsvertreter angesehen worden sind. Der BGH hat in der zitierten Entscheidung vom 22.06.1972 bei einem Bezirksstellenleiter ein Handelsvertreterverhältnis angenommen und zur Ausgleichspflicht nach § 89 b HGB entschieden. Eine Übertragung der Entscheidung auf das Vertragsverhältnis des Klägers zur Beklagten würde unter anderem ebenfalls die Frage einer Ausgleichspflicht nach § 89 b HGB aufwerfen. Im Hinblick auf die Anonymität der Geschäftsvorfälle in dem vom Kläger betriebenen Getränkemarkt und fehlender Kundenlisten (vgl. zu dieser Problematik die von Hager in NJW 2002, S. 1463 ff. (1471) zitierte Entscheidung des LG Frankfurt vom 10.12.1999, Az.: 3/8 O 28/99, unveröffentlicht und nicht rechtskräftig) dürfte eine Übertragung des Status eines Betreibers einer Lottoannahmestelle auf die Tätigkeit des Klägers in einem Filialgetränkemarkt nicht in Betracht kommen. Insbesondere sind die Kunden der Lottoannahmestelle nicht im gleichen Maße anonym wie bei einem Getränkeabholmarkt, da diese im Gewinnfall ihre Ansprüche nachweisen können. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des BGH zur Qualifizierung der Tätigkeit der Betreiber von Lottoannahmestellen das Online-Verfahren noch nicht bestand, vielmehr die einzelnen Lottospieler auf den Lottoscheinen mit Namen und Adresse angegeben waren.

Bei einer unbefangenen Betrachtung ist die Tätigkeit des Klägers weit eher mit der Tätigkeit eines angestellten Verkäufers zu vergleichen als mit der eines Handelsvertreters. Dafür spricht auch die Bestimmung des § 87 a Abs. 1 Satz 1 HGB. Danach hat der Handelsvertreter Anspruch auf Provision, sobald und soweit der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat. Wenn die Kunden im Getränkemarkt die Ware gekauft haben, dann hat der Unternehmer (hier die Beklagte) das Geschäft nicht mehr auszuführen, also den Vollzug des Geschäftes vorzunehmen. Eine Vermittlungstätigkeit im Sinn des § 84 Abs. 1 HGB ist bei den Barverkäufen im Getränkemarkt durch den Kläger nicht anzunehmen. Auch als Abschlussvertreter im Sinn des § 84 Abs. 1 HGB wird der Kläger nicht tätig. Die Abschlusstätigkeit eines Handelsvertreters im Sinn des § 84 Abs. 1 HGB stellt einen Unterfall der Vermittlung dar, bei der der Vermittler auch den Abschluss vollzieht (vgl. Baumbach-Hopt, HGB, 30. Aufl., § 84, Rz. 24). Der Kläger wird wie ein angestellter Verkäufer in einem Einzelhandelsbetrieb tätig und nicht als sogenannter Warenvertreter. Die Tätigkeit des Warenvertreters ist darauf gerichtet, durch Werbung neuer Kunden laufende Geschäftsbeziehungen zwischen dem vertretenen Unternehmen und dem Abnehmer oder Lieferanten herzustellen oder bestehende Geschäftsverbindungen zu erweitern (Küstner/von Manteuffel, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, 2. Aufl., Rz. 109). In diesem Sinne wird der Kläger durch den Verkauf von Getränken an Endverbraucher nicht tätig, vielmehr wie ein angestellter Verkäufer in einem Einzelhandelsgeschäft. Das gemeinsame Merkmal der beiden in Betracht kommenden Aufgabenkreise des Handelsvertreters als Vermittlungsvertreter oder als Abschlussvertreter besteht darin, dass durch eine kraft Vertrages geschuldete Dienstleistung des Handelsvertreters vertragliche Bindungen des Unternehmers mit einem anderen herbeigeführt werden sollen (Schlegelberger, HGB, 5. Aufl., § 84, Rz. 16). Durch die anonymen Barverkäufe an Kunden werden in diesem Sinn Bindungen zwischen der Beklagten und den einzelnen Kunden weder hergestellt, noch könnte der Kläger über die einzelnen Abschlüsse nähere Berichte geben (vgl. Baumbach/Hopt, a.a.O., § 86, Rz. 40 ff.). Da der Kläger nicht im Sinn des § 84 Abs. 1 HGB Geschäfte vermittelt, kommt es im Hinblick auf die Anonymität der einzelnen Barverkäufe auch nicht zu den für das Handelsvertreterverhältnis typischen Fallgestaltungen, wonach der Handelsvertreter bei einem Geschäftsabschluss nach Beendigung des Vertragsverhältnisses Anspruch auf Provision hat, wenn er das Geschäft vermittelt oder es eingeleitet und so vorbereitet hatte, dass der Abschluss überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist (§ 87 Abs. 3 Ziffer 1 HGB). Bei einer Gesamtbewertung aller Umstände ist schließlich von Bedeutung, dass die Beklagte durch ihre vorformulierten Vertragsbedingungen dem Kläger kaum einen Spielraum lässt. Er muss sich hinsichtlich der Öffnungszeiten nicht nur an die örtlichen Wettbewerbsverhältnisse halten, sondern etwaige Änderungen der Öffnungszeiten mindestens zwei Wochen im Voraus der Beklagten melden (§ 5 des Vertrages). Die Beklagte machte weiter den Bestand des Handelsvertretervertrages davon abhängig, dass der Kläger auch den Pachtvertrag mit ihr schloss und machte insoweit Auflagen, die die betriebliche Organisation bis in Details bestimmten. So konnte nach § 6 Abs. 3 der Kläger nicht etwa selbst entscheiden, ob er einen Telefaxanschluss wünscht, vielmehr bestimmte die Beklagte, dass sie einen Telefon- und Telefaxanschluss einrichtet und der Kläger dem Leistungsanbieter hierfür eine Bankeinzugsermächtigung erteilt. Insoweit bestehen jedenfalls hinsichtlich der Bankeinzugsermächtigung schon Bedenken hinsichtlich der Verbindlichkeit der Vorgabe. Die Gesamtbetrachtung aller Umstände ergibt somit, dass der Kläger nicht als selbständiger Handelsvertreter in Sinn des § 84 Abs. 1 HGB anzusehen ist.

Der Kläger ist somit zumindest auch dann, wenn er nicht persönlich von der Beklagten abhängig sein sollte, jedenfalls als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen. An die Stelle der persönlichen Abhängigkeit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Diese ist bereits gegeben, wenn die Beschäftigung für einen Auftraggeber überwiegt und die daraus fließende Vergütung die entscheidende Existenzgrundlage darstellt (vgl. BAG vom 30.08.2000, 5 AZB 12/00, unter Hinweis auf BAG vom 14.01.1997, 5 AZB 22/96 = AP Nr. 41 zu § 2 ArbGG 1970; BAG vom 28.09.1995, 5 AZB 32/94, RZK I 10 a Nr. 19).

Auf die Beschwerde des Klägers hin war somit der Beschluss des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 09.06.2001 aufzuheben und festzustellen, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zulässig ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 Abs. 2 GKG. Der Streitwert des Zwischenstreits über den zulässigen Rechtsweg entspricht jedenfalls im Beschwerdeverfahren nicht dem des Hauptsachewerts. Angemessen erscheint in der Regel nur ein Bruchteil des Hauptsachewerts (vgl. Zöller u.a., ZPO, 20. Aufl., Rdnr. 16 zu § 3 "Rechtswegverweisung").

Ende der Entscheidung

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