Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 13.03.2002
Aktenzeichen: 2 TaBV 13/02
Rechtsgebiete: BetrVG 2001, WO zum BetrVG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG 2001 § 14
BetrVG 2001 § 19
WO zum BetrVG § 7
WO zum BetrVG § 10
ZPO § 935
ZPO § 940
1.

Der Abbruch einer Betriebsratswahl im Wege der einstweiligen Verfügung kommt in der Regel dann nicht in Betracht, wenn bei Durchführung der Betriebsratswahl lediglich mögliche Anfechtungsgründe nicht ausgeschlossen werden können und bei Abbruch der Betriebsratswahl eine betriebsratslose Zeit entstehen würde.

2.

Der Wahlvorstand kann seine Entscheidung über die Gültigkeit eines Wahlvorschlags jedenfalls dann korrigieren, wenn dadurch Wahlanfechtungsgründe entfallen und hierbei die Wochenfrist nach § 10 Abs. 2 WO gewahrt bleibt.

3.

Eine Prüfung der Wahlvorschläge ist jedenfalls dann unverzüglich im Sinn des § 7 Abs. 2 Satz 2 WO, wenn diese Prüfung noch am Tag der Einreichung der Wahlvorschläge erfolgt.

4.

Ein Wahlvorschlag einer Gewerkschaft im Sinn des § 14 Abs. 5 BetrVG 2001 liegt nicht vor, wenn für den Wahlvorstand nicht erkennbar ist, dass der Wahlvorschlag auch als Wahlvorschlag einer Gewerkschaft eingereicht werden sollte.

5.

Eine Anfechtungsberechtigung gegen Entscheidungen des Wahlvorstands haben (anders als bei der Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 2 BetrVG) auch einzelne Arbeitnehmer, deren aktives oder passives Wahlrecht betroffen ist.


2 TaBV 13/02

in dem Beschlussverfahren

wegen einstweiliger Verfügung/Arrest

Die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht Werner als Vorsitzender und der ehrenamtlichen Richter Semik und Kroh aufgrund der mündlichen Anhörung vom 12. März 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg, Kammer Coburg vom 08.03.2002, Az. 3 BVGa 2/02 C wird aufgehoben.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird mit Haupt- und Hilfsantrag zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Antragsteller, die Industriegewerkschaft Metall sowie die auf der Wahlvorschlagsliste der IG Metall zuerst genannten Wahlbewerber M... und B... begehren im Weg der einstweiligen Verfügung dem Antragsgegner zu untersagen, die für den 14.03.2002 anberaumte Wahl des Betriebsrats im Betrieb der Beteiligten durchzuführen, hilfsweise, dem Antragsgegner, dem Wahlvorstand aufzugeben, die Liste "IG Metall" mit deren 36 Wahlvorschlägen zur Betriebsratswahl am 14.03.2002 zuzulassen.

Im Wahlausschreiben des Wahlvorstands vom 30.01.2002 wurde bestimmt, dass Wahlvorschläge bis spätestens 13.02.2002, 16.00 Uhr einzureichen seien. Am letzten Tag der Frist gingen zwei Wahlvorschläge ein, nämlich der streitbefangene Vorschlag der Liste IG Metall und ein Wahlvorschlag mit dem Kennwort "unabhängige Kandidaten". Vom Vorsitzenden des Wahlvorstands wurde bestätigt, dass der Vorschlag der Liste IG Metall am 13.02.2002 um 09.00 Uhr eingereicht wurde. Am selben Tag um 16.15 Uhr trat der Wahlvorstand zu einer Sitzung zusammen und stellte fest, dass zwei Listen eingereicht worden seien, nämlich um 09.00 Uhr die Liste IG Metall und um 13.21 Uhr die Liste unabhängige Kandidaten.

Die Liste der IG Metall wurde beanstandet, da die Stützunterschriften Nr. 36 bis 69 und die Liste der Vorschläge nicht zusammenhingen, sondern zwei Blätter vorlagen. Diese wurden im Beisein aller Wahlvorstände mit einem Hefter zusammengeklammert. Es wurde mit vier Ja-Stimmen und einer Enthaltung beschlossen, die Liste trotz Mängel anzuerkennen. Die Antragstellerin B... war seinerzeit Mitglied des Wahlvorstandes. Sie hat am 28.02.2002 schriftlich ihren Rücktritt erklärt. Der weitere Antragsteller M... war Ersatzmitglied des Wahlvorstandes und hat am 04.03.2002 sein Amt ebenfalls niedergelegt.

Am 15.02.2002 erfolgte durch den Wahlvorstand, der nunmehr noch aus drei Personen besteht, die Bekanntmachung, dass zwei gültige Wahlvorschlagslisten eingereicht worden seien, nämlich der Wahlvorschlag unter dem Kennwort unabhängige Kandidaten als Liste 1 und der Wahlvorschlag der IG Metall als Liste 2. Am 28.02.2002 gab der Wahlvorstand einen Beschluss vom 27.02.2002 bekannt, wonach die eingereichte Liste der IG Metall (Liste 2) trotz bereits erfolgter Veröffentlichung nicht zur Wahl zugelassen werden könne.

Wegen des weiteren Inhalts der Bekanntmachung wird auf die vorliegende Kopie verwiesen. Die Antragstellerin B... und der Antragsteller M... legten unter dem 28.02.2002 gegen den Beschluss des Wahlvorstands vom 27.02.2002, die IG Metall-Liste nicht zur Betriebsratswahl zuzulassen, Einspruch ein, der am 04.03.2002 zurückgewiesen wurde.

Mit Schriftsatz vom 05.03.2002 beantragten die Antragsteller mit dem Hauptantrag, dem Wahlvorstand als Antragsgegner zu untersagen, die für den 14.03.2002 anberaumte Wahl des Betriebsrats im Betrieb der weiteren Beteiligten durchzuführen, hilfsweise, dem Antragsgegner aufzugeben, die Liste IG Metall mit deren 36 Wahlvorschlägen zur Betriebsratswahl am 14.03.2002 zuzulassen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Antragsteller seien in ihren Rechten verletzt, da der Antragsgegner einerseits nicht die pflichtgemäße Prüfung der Ordnungsgemäßheit des eingereichten Wahlvorschlags vorgenommen habe, andererseits auf Grund der durch Beschluss vom 13.02.2002 erfolgten Zulassung des Wahlvorschlags IG Metall einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Bei Einreichung des Wahlvorschlags am 13.02.2002, 09.00 Uhr habe der Vorsitzende des Wahlvorstands sofort den offensichtlichen Mangel der Liste feststellen können. Er sei verpflichtet gewesen, die Liste unverzüglich zu prüfen und das Ergebnis der Prüfung ebenso unverzüglich den Listenvertretern mitzuteilen. Anstatt jedoch sofort auf den offensichtlichen Mangel hinzuweisen und so den Listenführern Gelegenheit zur Behebung desselben zu geben, sei die Liste entgegengenommen und durch Beschluss des Wahlvorstands nach Ablauf der Einreichungsfrist noch am selben Tag für gültig erklärt und zur Wahl zugelassen worden.

Mit dem Hilfsantrag solle eine Berichtigung oder "Nachbesserung" der Handlungen des Wahlvorstandes erreicht werden. Es könne durch eine Entscheidung im Sinne des Hilfsantrags ein Rechtsmangel geheilt werden, was einer Anfechtung der Wahl im Nachhinein wenig Erfolg verheißen werde.

Das Arbeitsgericht hat mit dem am 08.03.2002 verkündetem Beschluss dem Antragsgegner untersagt, die für den 14.03.2002 anberaumte Betriebsratswahl durchzuführen.

Es hat im Wesentlichen ausgeführt, der eingereichte Wahlvorschlag "IG Metall" sei ungültig, da sich auf ihm nicht erforderlichen 50 Stützunterschriften befunden hätten, die Unterschriften Nr. 36 bis 69 seien nämlich auf einem gesonderten losen Blatt angebracht gewesen. Dies habe einen offensichtlichen, auf den ersten Blick erkennbaren Mangel dargestellt. Der Vorsitzende des Wahlvorstands hätte daher am 13.02.2002 gegen 12.30 Uhr, als er den Wahlvorschlag von dem Antragsteller M... in Empfang genommen habe, unverzüglich die weiteren Mitglieder des Wahlvorstands benachrichtigen müssen, dass ein offensichtlich ungültiger Wahlvorschlag eingegangen sei, damit der Wahlvorstand als Gremium den Listenvertreter über diesen unheilbaren Mangel hätte unterrichten können, um die Möglichkeit zu geben, unter Vermeidung dieses unheilbaren Mangels bis 16.00 Uhr einen gültigen Wahlvorschlag einzureichen. Dies sei nicht geschehen. Es handle sich um einen Pflichtenverstoß, der zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl führen würde, weil bei sofortigem Hinweis auf den Mangel die Chance bestanden hätte, bis 16.00 Uhr einen gültigen Wahlvorschlag einzureichen, was auf das Ergebnis der Wahl hätte Einfluss nehmen können. Im Übrigen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Gegen den am 08.03.2002 verkündeten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der Antragsgegner (Wahlvorstand) mit Schriftsatz vom 10.03.2002 und die weitere Beteiligte, die Firma C..., mit Schriftsatz vom 11.03.2002 ebenfalls Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde wurde in den jeweiligen Beschwerdeschriftsätzen sogleich begründet.

Der Verfahrensbevollmächtigte des Wahlvorstandes hat unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag ausgeführt, ein Wahlstopp komme nur bei Vorliegen von Nichtigkeitsgründen in Betracht, nämlich bei schwerwiegenden, offensichtlichen Fehlern. Eine Nichtigkeit habe das Arbeitsgericht in seiner mündlichen Begründung verneint. Der Wahlvorstand habe zwar einen unheilbar ungültigen Wahlvorschlag - insoweit seien sich sämtliche Beteiligten einig - zunächst als gültig anerkannt, sich aber dann in der Folgezeit rechtlichen Rat eingeholt und erfahren, dass sein Handeln rechtsunwirksam gewesen sei. Er habe daher richtig gehandelt, als er beschlossen habe, die Liste IG Metall nicht zur Wahl zuzulassen.

Auch die Firma C. als weitere Beteiligte bringt in der Beschwerde vor, das Arbeitsgericht verkenne, dass durch einstweilige Verfügung in ein laufendes Wahlverfahren zur Betriebsratswahl nach ganz überwiegender Rechtsprechung nur dann eingegriffen werden dürfe, wenn offensichtlich sei, dass ansonsten die gleichwohl durchgeführte Wahl nichtig sei oder wenn durch einen korrigierenden Eingriff eine ordnungsgemäße Wahl noch ermöglicht werde. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall nicht gegeben. Ein Pflichtenverstoß des Antragsgegners liege nicht vor. Die Pflicht zur Prüfung von Wahlvorschlägen und zur unverzüglichen Rückgabe im Falle der Ungültigkeit dürfe nicht zur Folge haben, dass die an den Wahlvorstand zu stellenden Anforderungen überspannt würden. Selbst dann, wenn der Wahlvorstand noch am gleichen Tag um 16.15 Uhr, also 15 Minuten nach der Abgabefrist den Wahlvorschlag als ungültig erkannt und sofort zurückgewiesen hätte, hätte er nicht schuldhaft gezögert, weder bei der Prüfung noch bei der Benachrichtigung der Antragstellerin.

Der Antragsgegner (Wahlvorstand) stellt in der Beschwerde folgenden Antrag:

1.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg (Kammer Coburg) vom 08.03.2002, Az. 3 BVGa 2/02 C wird abgeändert.

2.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die beteiligte Firma C... stellt folgenden Antrag:

1.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg Kammer Coburg vom 08.03.2002 - Aktenzeichen 3 BVGa 2/02 C, zustellt am 11.03.2002 wird aufgehoben.

2.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird in Haupt- und Hilfsantrag zurückgewiesen.

Die Antragsteller beantragen

die Zurückweisung der Beschwerden.

Der Antragsteller hat im Termin zur Anhörung der Beteiligten vortragen lassen, die eingereichte Liste IG Metall sei nicht ungültig, da diese auch als Wahlvorschlag einer Gewerkschaft aufgefasst werden könne. Unter den Unterzeichnern von Nr. 1 bis 35, die auf derselben Urkunde ihre Unterschrift gesetzt hätten, befänden sich neben den Antragstellern B... und M..., die Vertrauensleute der IG-Metall seien, noch weitere Unterzeichner, die ebenfalls Vertrauensleute der IG Metall seien. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller hat eine Liste der Vertrauensleute der beteiligten Firma vorgelegt. Danach sind im Betrieb 67 Vertrauensleute. Es sind neben den Antragstellern B... und M... auf der Namensliste der Vertrauensleute noch drei Namen durch Pfeil gekennzeichnet, die auf der Vorschlagsliste innerhalb der Nrn. 1 bis 35 unterzeichnet haben. Weiter überreichte der Verfahrensbevollmächtigte die Satzung der IG Metall, gültig ab 01.01.2000 sowie Richtlinien für die Vertrauensleutearbeit der IG Metall Ausgabe 1980.

Im Übrigen wird auf die übergebenen Unterlagen und die schriftsätzlichen Ausführungen der Beteiligten verwiesen.

II.

Die Beschwerden des Antragsgegners und der beteiligten Firma C... sind zulässig und in der Sache auch begründet.

1.

Die Beschwerdebefugnis ist für beide Beschwerdeführer gegeben. Beide Beschwerdeführer sind durch die angefochtene Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtstellung unmittelbar betroffen und auch beschwert. Es liegt nicht nur eine formelle Beschwer vor, die darin liegt, dass das Arbeitsgericht den Anträgen der Beschwerdeführer auf Zurückweisung des Antrags der Antragsteller nicht gefolgt ist, vielmehr auch eine materielle Beschwer. Dem Antragsgegner (Wahlvorstand) wurde nämlich untersagt, die für den 14.03.2002 angesetzte Wahl durchzuführen. Die beteiligte Firma C... hätte bei einem Abbruch der Betriebsratswahl für einige Zeit, nämlich bis zur Durchführung einer erneuten Betriebsratswahl keine gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer als Anspruchs- und Verhandlungspartner. Schließlich wären auch die bisher angefallenen Kosten des Wahlverfahrens vergeblich angefallen.

Die Beschwerden des Antragsgegners vom 10.03.2002 und der beteiligten Firma C... vom 11.03.2002 sind im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

2.

Der Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zulässig, jedoch in der Sache unbegründet.

a)

Entscheidungen und Maßnahmen des Wahlvorstands können auch schon vor Abschluss der Betriebsratswahl selbständig angefochten werden (vgl. BAG vom 15.12.1972 - 1 ABR 8/72 = AP Nr. 1 zu § 14 BetrVG 1972). Da das Wahlverfahren in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum durchzuführen ist, sind wegen der Dringlichkeit gerichtliche Entscheidungen häufig nur im Wege einer einstweiligen Verfügung rechtzeitig zu erlangen (vgl. Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 19. Aufl. § 18 Rz. 21 m.w.N.). Die vom Gesetz in § 935 ZPO vorgesehene Sicherungsverfügung, nämlich Erlass einer vorläufigen Regelung kommt hierbei kaum in Betracht, da die Durchführung der Wahl bis zur endgültigen Klärung der Rechtsfrage im Allgemeinen nicht ausgesetzt werden darf. Der Erlass einer Leistungsverfügung wird in der Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen zugelassen, wenn der Antragsteller auf die sofortige Erfüllung so dringend angewiesen ist, dass er ein ordentliches Verfahren nicht abwarten kann, ohne unverhältnismäßig großen, gar irreparablen Schaden zu erleiden (Reichold in Thomas-Putzo 22. Aufl. § 940 Rz. 6 m.w.N.).

Bei einer Anfechtung von Entscheidungen des Wahlvorstands kommen Leistungsverfügungen als berichtigende Eingriffe in das Wahlverfahren in Betracht und nur in besonderen Ausnahmefällen der Abbruch der Wahl (vgl. Fitting/Kaiser/Heither/Engels a.a.O. Rz. 22 ff.).

Antragsberechtigt ist jeder, der durch die Einzelmaßnahmen des Wahlvorstands in seinem aktiven oder passiven Wahlrecht betroffen wird und darüber hinaus auch die nach § 19 BetrVG Anfechtungsberechtigten (vgl. Kaiser/Heither/Engels a.a.O. Rz. 23 m.w.N.). Die Antragsteller zu 2) und 3) sind als Wahlbewerber und wahlberechtigte Arbeitnehmer somit antragsberechtigt, da sie sowohl in ihrem aktiven als auch in ihrem passiven Wahlrecht betroffen sind. Die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften sind nach § 19 Abs. 2 BetrVG zur Anfechtung der Wahl berechtigt. Für die Antragstellerin zu 1), die im Betrieb der beteiligten Firma C... vertreten ist, folgt daraus auch die Antragsbefugnis für den Erlass einer einstweiligen Verfügung als statthafter Rechtsschutzantrag gegen eine Entscheidung des Wahlvorstands vor der endgültigen Durchführung der Betriebsratswahl. Fitting/Kaiser/Heither/Engels a.a.O. beziehen sich hierbei auf die Entscheidung des BAG vom 05.03.1974 in AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972. Dort hat das BAG ausgeführt: Da die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften nach § 19 Abs. 2 BetrVG zur Anfechtung der Betriebsratswahl berechtigt seien, müsse ihnen die Beteiligungsbefugnis auch in einem präjudiziellen Vorverfahren zugebilligt werden. Im Bezugsfall war der Status eines Angestellten als leitender Angestellter streitig. Das BAG hat ausgeführt, die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften könnten bei ihrer Befugnis zur Wahlanfechtung im Interesse einer von vornherein zu schaffenden Klarheit hinsichtlich der Wahlberechtigung und der Wählbarkeit zum Betriebsrat auch einem entsprechenden Antrag des Arbeitgebers auf Feststellung der Eigenschaft als leitender Angestellter entgegentreten und selbst Rechtsmittel einlegen, wenn es um die Eigenschaft der beteiligten Angestellten als leitende Angestellte gehe. Da die Antragstellerin zu 1) nach § 19 Abs. 2 BetrVG zur Anfechtung der Betriebsratswahl berechtigt ist, kann sie im Hinblick auf die Anfechtbarkeit von Entscheidungen des Wahlvorstands vor Abschluss des Wahlverfahrens auch schon vor Abschluss des Wahlverfahrens von den in Betracht kommenden Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch machen, hier vom Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

b)

Der Hauptantrag der Antragsteller, der auf den Abbruch der für den 14.03.2002 anberaumten Wahl des Betriebsrats abzielt, ist unbegründet, da der eingereichte Wahlvorschlag "IG Metall" ungültig war und eine Zulassung des ungültigen Wahlvorschlags weder darauf gestützt werden kann, dass der Wahlvorstand nicht schon vor der Sitzung vom 13.02.2002, 16.15 Uhr auf die Ungültigkeit des Wahlvorschlags hingewiesen hat noch darauf, dass der Wahlvorstand zunächst den Wahlvorschlag als gültig behandelte.

aa)

Die Liste "IG Metall" war als Wahlvorschlag von wahlberechtigten Arbeitnehmern ungültig, da mindestens 50 Stützunterschriften erforderlich waren und die Unterschriften Nr. 36 bis 69 auf einem losen Blatt erfolgt waren. Nach völlig herrschender Auffassung, die auch die Antragsteller selbst teilen, sind Wahlvorschläge ungültig, wenn diese nicht zu einer einheitlich zusammenhängender Urkunde verbunden und gegen Trennung gesichert sind (vgl. Fitting/ Kaiser/Heither/Engels a.a.O. § 14 Rz. 56; LAG Bremen vom 26.03.1998, Az.: 1 TaBV 9/98 unter Hinweis auf die Entscheidung der 7. Kammer des LAG Nürnberg vom 13.03.1991, Az.: 7 TaBV 6/91 = LAGE Nr. 4 zu § 18 BetrVG 1972). Da unstreitig die Stützunterschriften Nr. 36 bis 69 sich auf einem gesonderten DIN A 4-Blatt befanden, das in keiner Weise mit dem Wahlvorschlag verbunden war, sondern erst in der Sitzung des Wahlvorstands mit Klammern angeheftet wurde, war der Wahlvorschlag als Wahlvorschlag von den wahlberechtigten Arbeitnehmern unheilbar ungültig.

bb)

Die Liste "IG Metall" ist auch nicht als Liste der Gewerkschaft IG Metall gemäß § 14 Abs. 3, Abs. 5 BetrVG 2001 gültig. Danach können die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften Wahlvorschläge machen, wobei jeder Wahlvorschlag einer Gewerkschaft von zwei Beauftragten unterzeichnet sein muss. Diese Voraussetzungen erfüllt der Wahlvorschlag der Liste "IG Metall" nicht.

Wer als Beauftragter der Gewerkschaft anzusehen ist, entscheidet die jeweilige Gewerkschaft selbst. Die Beauftragung muss sich allerdings entweder unmittelbar aus der Satzung der Gewerkschaft ergeben oder durch ihre satzungsmäßigen Organe ordnungsgemäß ausgesprochen worden sein (vgl. Fitting/Kaiser/Heither/ Engels a.a.O. § 14 Rz. 68 m.w.N.).

Die vorgelegte Satzung der IG Metall bestimmt in § 14 Ziffer 4 d) als Aufgabe des Ortsvorstandes: Unterstützung und Überwachung bei der Einleitung und Durchführung von Vertrauensleute-, Betriebsrats-, Jugend- und Auszubildendenvertretungs-, Schwerbehindertenvertrauensleute- und Aufsichtsratswahlen. Daraus ergibt sich nicht, dass Vertrauensleute allgemein als Beauftragte für die Einreichung eines Gewerkschaftsvorschlags im Sinn des § 14 BetrVG anzusehen sind. Die Richtlinien für die Vertrauensleutearbeit Ausgabe 1980, die als Richtlinien keinen Satzungsrang haben, bestimmen unter Punkt 2.4.2, dass der Vertrauenskörper unter Leitung der Ortsverwaltung den Wahlvorschlag der IG Metall zur Betriebsratswahl, zur Wahl der Jugendvertretung und zur Wahl des Schwerbehindertenvertrauensmanns aufzustellen und zu beschließen hat. Unabhängig vom rechtlichen Rang der Richtlinien 1980 ergibt sich aus der genannten Aufgabenstellung nicht, dass der Vertrauenskörper alleine oder gar einzelne Vertrauensleute als Teil des Vertrauenskörpers Beauftragte für die Einreichung von Wahlvorschlägen der Gewerkschaft im Sinn des § 14 BetrVG sind. Der Wahlvorschlag "IG Metall" ist auch nicht als Wahlvorschlag der Gewerkschaft durch zwei Beauftragte eingereicht worden, sondern als Wahlvorschlag von wahlberechtigten Arbeitnehmern. Der Wahhlvorstand hat nach § 7 Abs. 2 Satz 2 der Wahlordnung die eingereichten Vorschlagslisten unverzüglich, möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen nach ihrem Eingang zu prüfen und bei der Ungültigkeit oder Beanstandung einer Liste den Listenvertreter unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten. Inhalt und Umfang der Überprüfung ist davon abhängig, ob ein Wahlvorschlag von wahlberechtigten Arbeitnehmern vorliegt, der Wahlvorschlag einer Gewerkschaft oder etwa ein gemeinsamer Wahlvorschlag von einer Gewerkschaft und von wahlberechtigten Arbeitnehmern. Im Streitfall war nicht nur für den Wahlvorstand der Wahlvorschlag "IG Metall" ein Wahlvorschlag von wahlberechtigten Arbeitnehmern, vielmehr gingen erstinstanzlich alle Beteiligten auch davon aus, dass der Wahlvorschlag "IG Metall" ein Wahlvorschlag von wahlberechtigten Arbeitnehmern war. Die Antragsteller haben erstinstanzlich weder im Antragsschriftsatz vom 05.03.2002 noch im nachgereichten Schriftsatz vom 06.03.2002 geltend gemacht, der eingereichte Wahlvorschlag sei ein Wahlvorschlag der Gewerkschaft IG Metall oder ein Wahlvorschlag sowohl der IG Metall als auch von wahlberechtigten Arbeitnehmern. Auch im Tatbestand des angefochtenen Beschlusses findet sich kein Hinweis, dass etwa im Termin zur Anhörung der Beteiligten am 08.03.2002 die Antragsteller sich darauf gestützt hätten, es handle sich um einen Wahlvorschlag der Gewerkschaft, der von zwei Beauftragten unterzeichnet worden sei.

Der Wahlvorschlag der Liste "IG Metall" erfüllt somit weder die Voraussetzungen der Unterzeichnung durch zwei Beauftragte noch ist er als Wahlvorschlag der Gewerkschaft eingereicht worden. Die Entscheidung des LAG Hamm vom 10.03.1998, 3 TaBV 37/98, wonach Bevollmächtigte der Gewerkschaften jedenfalls dann nicht ihre Bevollmächtigung zur Einreichung eines gültigen Wahlvorschlags nachzuweisen haben, wenn der Wahlvorstand einen solchen Nachweis nicht in der Zweiwochenfrist des § 6 Abs. 1 Satz 1 Wahlordnung zum BetrVG gefordert hat, ist somit für den Streitfall nicht einschlägig.

cc)

Der beantragte Abbruch der Betriebsratswahl ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der zunächst fehlerhaften Zulassung der Liste "IG Metall" zur Betriebsratswahl oder wegen verspäteter Prüfung der Gültigkeit des Wahlvorschlags begründet. Der vom Wahlbewerber und Antragsteller M... um 9.00 Uhr in Empfang genommene Wahlvorschlag ist dem Vorsitzenden des Wahlvorstands gegen 12.30 Uhr am 13.02.2002 übergeben worden. Eine Pflichtverletzung des Wahlvorstands etwa deshalb, weil die Prüfung des Wahlvorschlags "erst" in der am gleichen Tag stattfindenden Sitzung um 16.15 Uhr und somit 15 Minuten nach Ende der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen erfolgte, ist nicht gegeben. Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 der Wahlordnung hat die Prüfung unverzüglich, möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen nach dem Eingang der Vorschlagsliste zu erfolgen. Die Sitzung des Wahlvorstands um 16.15 Uhr am letzten Tag der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen, bei der die Prüfung der eingereichten Wahlvorschläge erfolgte, liegt nicht nur im zeitlichen Rahmen des § 7 Abs. 2 Satz 2 der Wahlordnung, sie ist vielmehr als unverzügliche Prüfung zu bewerten. Ob eine ordnungsgemäße Einberufung des Wahlvorstands zu einem noch früheren Tageszeitpunkt möglich gewesen wäre, kann dahinstehen, ebenso, ob in der Zeit bis 16.00 Uhr noch die erforderlichen 50 Stützunterschriften hätten eingeholt und beim Wahlvorstand eingereicht werden können. Es mag zwar einiges dafür sprechen, dass der Wahlvorstand davon abgesehen hätte, die getrennten Blätter des Wahlvorschlags zusammenzuheften und den Wahlvorschlag als ungültig zurückzugeben hätte, wenn nach seiner Auffassung die restliche Zeit ausgereicht hätte, vor Fristende um 16.00 Uhr einen gültigen Wahlvorschlag mit den erforderlichen Stützunterschriften einzureichen. Es kann aber weder vorausgesetzt werden, dass der Wahlvorstand bei einer Beratung sogleich nach 12.30 Uhr die restliche Zeit als ausreichend angesehen hätte, noch vor Fristende um 16.00 Uhr einen gültigen Wahlvorschlag einzureichen noch, dass es den Listenführern tatsächlich gelungen wäre, die erforderlichen Unterschriften einzuholen und einen gültigen Wahlvorschlag bis 16.00 Uhr einzureichen. Das BAG hat in der zitierten Entscheidung vom 15.12.1972 AP Nr. 1 zu § 14 BetrVG 1972 den Wahlvorstand nicht für verpflichtet gehalten, einer Listenführerin gemäß § 8 Abs. 2 der Wahlordnung Gelegenheit zu geben, Beanstandungen einer am letzten Tag der Frist abgegebenen Vorschlagsliste zu beseitigen. Die Beschwerdekammer verkennt nicht, dass die zunächst erfolgte Zulassung der Liste "IG Metall" am 13.02.2002, die Bekanntmachung der Zulassung am 15.02.2002 und die schließlich am 28.02.2002 erfolgte Korrektur möglicherweise zu Irritationen bei den Wahlberechtigten geführt haben. Der Wahlvorstand hat mit dem Widerruf der Zulassung der Liste "IG Metall" zur Betriebsratswahl eine fehlerhafte Entscheidung korrigiert. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Entscheidung vom 04.10.1957 (AP Nr. 1 zu § 10 Wahlordnung zum Bundespersonalvertretungsgesetz) festgestellt, dass der Widerruf einer rechtsirrig getroffenen Anordnung durch den Wahlvorstand keine Anfechtbarkeit der Wahl begründet. Die Korrektur erfolgte auch rechtzeitig im Sinn des § 10 Abs. 2 Wahlordnung, nämlich vor Wochenfrist vor der Stimmabgabe. Ob ein Wahlanfechtungsgrund besteht, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Nach überwiegender Auffassung der Landesarbeitsgerichte, die gemäß § 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, in Verfahren einer einstweiligen Verfügung letztinstanzlich entscheiden, ist eine auf Abbruch einer eingeleiteten Betriebsratswahl gerichtete einstweilige Verfügung regelmäßig nur dann zuzulassen, wenn die Nichtigkeit der Wahl droht (vgl. LAG Frankfurt vom 29.04.1997; LAG Köln vom 17.04.1998, 5 TaBV 20/98; LAG Baden-Württemberg vom 20.05.1998, 8 TaBV 9/98; LAG Köln vom 29.03.2001, 5 TaBV 22/01). Das LAG Baden-Württemberg hat in der Entscheidung vom 16.09.1996, 15 TaBV 10/96 = LAGE Nr. 15 zu § 19 BetrVG 1972 angenommen, der Abbruch einer eingeleiteten Betriebsratswahl setze nicht voraus, dass die Nichtigkeit der Wahl drohe. Auch Wahlfehler, die nur zur Anfechtung einer Betriebsratswahl berechtigen, könnten zum Abbruch der Wahl führen, wenn sie so schwerwiegend seien, dass sie mit Sicherheit einer Anfechtung zum Erfolg verhelfen würden und im Rahmen des Anfechtungsverfahrens nicht korrigiert werden könnten. Auch diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es ist schon nach dem Sach- und Streitstand des vorliegenden Eilverfahrens nicht mit Sicherheit prognostizierbar, dass eine Wahlanfechtung erfolgreich sein werde.

c)

Auch der Hilfsantrag, dem Wahlvorstand aufzugeben, die Liste "IG Metall" mit deren 36 Wahlvorschlägen zur Betriebsratswahl am 14.03.2002 zuzulassen, ist unbegründet. Dass der Wahlvorschlag der Liste "IG Metall" als Wahlvorschlag von wahlberechtigten Arbeitnehmern nicht als gültig zu betrachten ist, legen auch die Antragsteller selbst zu Grunde. Die Voraussetzungen zur Annahme eines Wahlvorschlags der Gewerkschaft durch Unterzeichnung von zwei Beauftragten sind nicht gegeben (vgl. oben).

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer war somit der angefochtene Beschluss des Arbeitsgerichts vom 08.03.2002 aufzuheben und der Antrag auf einstweilige Verfügung mit dem Haupt- und Hilfsantrag zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 12 Abs. 5 ArbGG).

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§§ 85 Abs. 2, 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG).

Ende der Entscheidung

Zurück