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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 29.07.2005
Aktenzeichen: 4 Ta 153/05
Rechtsgebiete: GewO, BGB, ZPO


Vorschriften:

GewO § 6 II
GewO § 109 I 1
BGB § 126 I
ZPO § 888 I
1. Eine vom Arbeitgeber im Arbeitszeugnis verwendete überdimensionierte, im Wesentlichen aus bloßen Auf- und Abwärtslinien bestehende Unterschrift ist nicht ordnungsgemäß, wenn dadurch der Verdacht aufkommen kann, der Arbeitgeber wolle sich von dem Zeugnisinhalt, zu dessen Aufnahme in das Zeugnis er durch rechtskräftiges Urteil verpflichtet worden ist, distanzieren.

2. Der Arbeitgeber wird durch die Beschränkung der Freiheit, eine Unterschrift beliebig zu gestalten, nicht in unzumutbarer Weise in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG) beeinträchtigt. Das auf Art. 12 GG gestützte Interesse des Arbeitnehmers an der - durch Vorlage eines ordnungsgemäßen Zeugnisses erleichterten - Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes ist gewichtiger.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG BESCHLUSS

4 Ta 153/05 in dem Rechtsstreit

wegen sonstiges

Die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Prof. Dr. Dr. Holzer-Thieser ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 29.06.2005 - Az.: 6 Ca 9420/03 - wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Mit rechtskräftigem Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 10.03.2004 ist der Beklagte verurteilt worden, das am 15.07.2003 ausgestellte Zeugnis der Klägerin inhaltlich abzuändern.

Daraufhin erstellte der Beklagte ein neues Zeugnis, das mit einer Unterschrift versehen war, die nach ihrem Erscheinungsbild von einem Kind stammt. Die Klägerin hat diese Unterschrift nicht akzeptiert und beim Arbeitsgericht beantragt, den Beklagten durch Verhängung eines Zwangsgeldes zur Neuausstellung des Zeugnisses unter Anbringung der vom Beklagten üblicherweise verwendeten Unterschrift zu verurteilen. Mit Beschluss vom 11.01.2005 gab das Arbeitsgericht dem Antrag statt und setzte für den Fall der Nichterfüllung ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 2.000,-- fest. Die vom Beklagten eingelegte sofortige Beschwerde blieb erfolglos. Daraufhin erstellte der Beklagte ein neues Zeugnis, versehen mit einer Unterschrift im Ausmaß von ca. 14,5 cm (breit) x ca. 10 cm (hoch) und bestehend praktisch ausschließlich aus Auf- und Abwärtslinien. Die Klägerin hält diese Form der Unterschriftsleistung ebenfalls nicht für ordnungsgemäß und damit ihren Zeugniserstellungsanspruch für nicht erfüllt. Sie hat erneut beantragt, den Beklagten durch Verhängung eines Zwangsgeldes zur Neuausstellung des Zeugnisses unter Anbringung der vom Beklagten üblicherweise verwendeten Unterschrift zu verurteilen.

Mit Beschluss vom 29.06.2005, dem Beklagtenvertreter am 01.07.2005 zugestellt, hat das Arbeitsgericht dem Antrag der Klägerin stattgegeben und ein Zwangsgeld von EUR 4.000,-- verhängt. Mit Schriftsatz vom 05.07.2005, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 08.07.2005 eingegangen, hat der Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, er habe die Freiheit, jederzeit seine Unterschrift zu ändern, die Größe der Unterschrift sei ohne Bedeutung, zumal er beabsichtige, die zuletzt beanstandete Unterschrift zukünftig immer dann zu verwenden, wenn die Maße der zu unterzeichnenden Urkunde eine entsprechend große Unterschrift zuließen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

1. Das vom Beklagten mit Schreiben vom 30.05.2005 der Klägerin übersandte (neuerliche) Zeugnis ist nicht ordnungsgemäß.

Gemäß §§ 109 I 1, 6 II GewO hat die Klägerin Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis, d.h. ein "durch Namensunterschrift" unterzeichnetes Zeugnis (§ 126 I BGB). Die Anforderungen, die an eine Unterschrift zu stellen sind, ergeben sich aus dem konkreten Zweck der jeweiligen Vorschrift, die eine Unterschrift verlangt.

Ein Zeugnis hat die Aufgabe, dem beurteilten Arbeitnehmer die Suche eines neuen Arbeitsplatzes zu erleichtern. Es soll den Arbeitsplatzanbieter, dem das Zeugnis vorgelegt wird, über persönliche Daten des Beurteilten informieren. Diese Information hat so zu erfolgen, dass beim Leser keine Zweifel über die Ernsthaftigkeit des Zeugnistextes aufkommen. Solche Zweifel werden erzeugt, wenn der beurteilende Arbeitgeber eine Unterschrift verwendet, die völlig überdimensioniert ist (hier 10 cm mal 14,5 cm) und außerdem praktisch ausschließlich in Auf- und Abwärtslinien besteht. In dieser Verbindung ihrer Merkmale weicht die vom Beklagten geleistete Unterschrift von der bei Unterschriften allgemein üblichen Gestaltung signifikant ab. Solche Unterschriften sind absolut ungebräuchlich. Dies bestätigt auch der Beklagte selbst, der sich bislang stets einer im Rahmen des Üblichen gehaltenen Unterschrift befleißigt hat (vgl. z.B. Zwischenzeugnis vom 11.06.2003).

Durch die vom Beklagten im beanstandeten Zeugnis gewählte Unterschrift wird beim Leser der Verdacht erzeugt, der Unterzeichner stehe nicht hinter dem Text des Zeugnisses, er wolle sich vielmehr distanzieren, er wolle in dieser Hinsicht ein Signal an den Leser aussenden, z.B. weil er - wie im vorliegenden Fall - zur Aufnahme bestimmter Formulierungen ins Zeugnis rechtskräftig verurteilt worden ist. Die Klägerin muss schon nicht hinnehmen, dass auch nur die Möglichkeit besteht, bei einem Arbeitsplatzanbieter werde dieser Verdacht hervorgerufen.

Vom Beklagten wird auch nichts Unzumutbares verlangt, wenn er das Zeugnis mit der in der Vergangenheit verwendeten Unterschrift versieht. Sein allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG) wird hierdurch nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt, zumal das Interesse der Klägerin, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Vorlage eines ordnungsgemäßen Zeugnisses eine adäquate neue Arbeitsstelle zu finden, durch Art. 12 GG geschützt ist und im vorliegenden Fall diesem Interesse der Klägerin ein höherer Wert beizumessen ist als dem Interesse des Beklagten, seine Unterschrift beliebig zu gestalten. Diese Interessenlage ist bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "Namensunterschrift" i.S.d. § 126 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen.

2. Im Übrigen hat der Beklagte auch in der Beschwerdeinstanz nicht dargelegt, dass die im letzten Zeugnis vorgenommene Unterzeichnung überhaupt die für ihn charakteristische Unterschrift ist. Das kann sie nur bei einem nachhaltigen Gebrauch sein. Der Beklagte hat sich auf keine Urkunden berufen, bei denen er mit demselben Schriftbild und derselben Größe unterschrieben hätte. Für die ordnungsgemäße Erfüllung des Zeugnisanspruchs ist der Arbeitgeber darlegungsbelastet. Der Beklagte hätte also im Einzelnen darlegen müssen, dass er fortgesetzt die neue Unterschrift verwendet hat. Es genügt nicht der Hinweis, er wolle zukünftig die neue Unterschrift verwenden.

3. Damit muss nicht mehr der Frage nachgegangen werden, ob das Verhalten des Beklagten von unsachlichen Motiven bestimmt war, und damit schon deshalb der im letzten Zeugnis verwendeten Unterschrift keine Erfüllungswirkung bezüglich des ausgeurteilten Zeugniserstellungsanspruchs zukommen kann.

4. Da der Beklagte den ausgeurteilten Zeugniserstellungsanspruch durch Verwendung einer nicht ordnungsgemäßen Unterschrift nicht erfüllt hat, ist der auf § 888 I ZPO gestützte Beschluss des Arbeitsgerichts nicht zu beanstanden. Angesichts der Hartnäckigkeit des Verhaltens des Beklagten begegnet auch die Höhe des verhängten Zwangsgeldes keinen Bedenken.

Damit ist die sofortige Beschwerde des Beklagten mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

III.

Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben (§§ 78 S. 2, 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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