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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 02.04.2007
Aktenzeichen: 4 Ta 38/07
Rechtsgebiete: ArbGG, GVG


Vorschriften:

ArbGG § 5 Abs. 1 S. 3
ArbGG § 48
GVG § 17a
1. Wird der bisher angestellte Filialleiter im Rahmen der Umwandlung der Filiale in eine eigenständige Vertriebsgesellschaft zum Geschäftsführer der GmbH bestellt, besteht der Arbeitsvertrag nach Abschluss des Geschäftsführer-Dienstvertrages nicht fort und lebt bei einer Kündigung des Dienstvertrages auch nicht wieder auf.

2. Die prozessuale Sonderregelung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG führt - von einer Vereinbarung der Parteien im Rahmen des § 2 Abs. 4 ArbGG abgesehen - auch dann zur Unzulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen, wenn wegen der Weisungsabhängigkeit des Fremdgeschäftsführers auf dessen Dienstverhältnis materiellrechtlich arbeitsrechtliche Bestimmungen zur Anwendung gelangen sollten.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG BESCHLUSS

4 Ta 38/07

in dem Rechtsstreit

wegen: Kündigung

hier: Rechtswegzuständigkeit

Die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Roth ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg vom 10.10.2006, Az.: 7 Ca 1588/06, wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.

2. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 6.060,00 festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger war bei der Firma C... auf der Grundlage des schriftlichen Anstellungsvertrages vom 16.06.1981 (Kopie Bl. 30 - 32 d.A.) seit dem 01.07.1981 als Verkaufsleiter beschäftigt.

Mit Wirkung ab dem 01.03.1991 wurde er mit schriftlichem Geschäftsführer-Vertrag vom 07.03.1991 (Kopie Bl. 3 - 5 d.A.) zum Geschäftsführer der Firma C... bestellt. Die Bestellung wurde auch handelsrechtlich vollzogen. Bei der Beklagten handelt es sich um die Rechtsnachfolgerin dieser Firma.

Mit seiner zum Arbeitsgericht Würzburg erhobenen Kündigungsschutzklage vom 03.07.2006 wendet sich der Kläger gegen die Kündigung seines Dienstverhältnisses mit Schreiben vom 27.06.2006 (Kopie Bl. 7 d.A.) zum 31.12.2006.

Der Kläger macht geltend, er habe nur formal die Position eines Geschäftsführers inne gehabt, sei aber tatsächlich weiterhin wie ein Arbeitnehmer von den Auflagen und Weisungen der Gesellschafter und Mitarbeiter der Firma B... Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH mit Sitz in D... abhängig gewesen. Deshalb sei die Vertragsbeziehung weiterhin als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren. Mit der Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft sei ein Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen worden (Kopie Bl. 34, 35 d.A.). In der Zusatzvereinbarung (Kopie Bl. 44,45 d.A.) zu dem Gesellschaftsvertrag der Beklagten (Kopie Bl. 38 - 43 d.A.) sei die Zuständigkeit des Verkaufsleiters Süd der herrschenden Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft und dessen Weisungsrecht auch dem Geschäftsführer der örtlichen Vertriebsgesellschaft gegenüber festgeschrieben worden. Mit der Geschäftsführerbestellung sei eine Anhebung des damaligen Gehaltes nicht verbunden gewesen. Mit Abschluss des Geschäftsführer-Vertrages sei das zum damaligen Zeitpunkt bereits seit mehreren Jahren bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgehoben worden.

Die Beklagte rügt den bestrittenen Rechtsweg, da neben dem Geschäftsführer-Dienstverhältnis kein ruhendes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden habe. Gegen die Kündigung seines Dienstvertrages als Gesellschafter könne der Kläger selbst dann den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht beschreiten, wenn er tatsächlich im Innenverhältnis wie ein Arbeitnehmer von den Weisungen Dritter abhängig gewesen sein sollte.

Bezüglich des exakten Inhalts der streitgegenständlichen schriftlichen Verträge und des Sachvortrags der Parteien wird auf die in dem Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Arbeitsgericht Würzburg hat mit Beschluss vom 10.10.2006 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht Würzburg verwiesen.

Gegen den ihnen am 25.10.2006 zugestellten Beschluss haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit dem noch am selben Tag beim Arbeitsgericht Würzburg eingegangenen Schriftsatz vom 08.11.2006 sofortige Beschwerde eingelegt.

Der Kläger behauptet, nur aus steuerrechtlichen Überlegungen seien die damals rechtlich unselbständigen Niederlassungen der Firma in D... in selbständige Vertriebsgesellschaften umgewandelt worden. Als damaliger Niederlassungsleiter habe er nur formal die Stellung eines Geschäftsführers übertragen bekommen, ohne dass sich an seiner Verantwortung und an seiner Weisungsgebundenheit etwas geändert habe. Wegen der Beschneidung seiner Kündigungsschutzes erweise sich der Geschäftsführervertrag gemäß der §§ 134, 138 BGB als nichtig.

Das Arbeitsgericht Würzburg hat mit Beschluss des Vorsitzenden ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.

Diese Entscheidung ist mit Beschluss des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 14.02.2007, Az.: 4 Ta 205/06, aufgehoben und die Beschwerdesache zur Nachholung der Abhilfeentscheidung unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter an das Ausgangsgericht zurückverwiesen worden.

Dieses hat nunmehr mit weiterem Beschluss unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter vom 27.02.2006 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie erneut dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.

Hinsichtlich näherer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakten Bezug genommen.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Sie ist statthaft, §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, und form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 78 Satz 1 ArbGG, 569 Abs. 1 und 2 ZPO.

2. Die Beschwerde ist sachlich nicht begründet.

Das Erstgericht hat mit zutreffender Begründung die Unzulässigkeit des bestrittenen Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen festgestellt und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit verwiesen. Aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG liegt keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern i.S.d. § 2 Abs. 1 Ziffer 3 ArbGG vor.

Es kann insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg verwiesen und von einer rein wiederholenden Darstellung abgesehen werden.

Im Hinblick auf das Vorbringen in dem Beschwerdeverfahren sind nur folgende ergänzende Ausführungen veranlasst:

a) Aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gilt ein Geschäftsführer einer GmbH selbst dann nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes, wenn er als Fremdgeschäftsführer gleich einem Arbeitnehmer den Gesellschaftern und ihren Vertretern gegenüber deren Weisungen unterworfen ist. Dieser Umstand berührt nicht die prozessuale Situation des Klägers, der sich gegen die Kündigung seines Vertragsverhältnisses wendet, sondern führt allenfalls zur Anwendbarkeit materieller arbeitsrechtlicher Vorschriften (vgl. hierzu LAG Hamm vom 12.01.2007 - 2 Ta 286/06 - in Juris; BAG vom 14.06.2006 - 5 AZR 592/05 - NZA 2006, 1154; LAG Köln vom 21.03.2006 - 7 Ta 14/06 - EzA-SD 2006, Nr. 13, 15; jeweils m.w.N.).

b) Zwischen dem Kläger und der Rechtsvorgängerin der Beklagten ist am 07.03.1991 ein wirksamer Geschäftführer-Anstellungsvertrag zustande gekommen. Dies unabhängig davon, ob die Umwandlung der bis dahin unselbständigen Filialen in selbständige Filialunternehmen auf rein steuerlichen Überlegungen oder sonstigen wirtschaftlichen oder rechtlichen Überlegungen der Inhaberin dieser Filialen beruhte.

Es handelt sich hierbei um kein Scheingeschäft gemäß § 117 BGB, denn die Umwandlung der Filialen in jeweils eigenständige Gesellschaften ist tatsächlich erfolgt und dies machte es erforderlich, auch die Positionen organschaftlicher Vertreter dieser neuen Vertriebsgesellschaften zu besetzen. Dies war der Grund für den Abschluss des Geschäftsführer-Vertrages mit dem Kläger, der bis dahin als angestellter Filialleiter die örtliche Verkaufsstelle führte.

Auf der Basis des schriftlichen Vertrages vom 07.03.1991 ist der Kläger in der Folgezeit auch tatsächlich für die Vertriebsgesellschaft tätig gewesen.

Die Tätigkeit eines Geschäftsführers ist weder gesetzlich verboten gemäß § 134 BGB noch sittenwidrig gemäß § 138 BGB, so dass diese Regelungen der Wirksamkeit des streitgegenständlichen Geschäftsführervertrages nicht entgegenstehen.

Selbst wenn sich an der Weisungsunterworfenheit des Klägers durch den Abschluss des Geschäftsführervertrages tatsächlich nichts geändert haben sollte und er nur aus formalen Gründen die rechtlichen Position eines organschaftlichen Vertreters übertragen bekommen haben sollte, würde es sich um kein unzulässiges Umgehungsgeschäft in Bezug auf arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen handeln. In diesem Fall könnte allenfalls das bisherige Arbeitsverhältnis weiterhin die Grundlage der Tätigkeit als Organ der Gesellschaft geblieben sein (so ausdrücklich BAG vom 14.06.2006, a.a.O., Rz. 26).

Die Vertragsparteien haben es im Rahmen des § 2 Abs. 4 ArbGG in der Hand, die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen bei einer solchen Vertragskonstellation zu begründen. Hiervon haben die Parteien im vorliegenden Fall keinen Gebrauch gemacht.

c) Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist nicht ein neben dem Dienstverhältnis als Filialleiter/Geschäftsführer des Filialunternehmens bestehendes weiteres Rechtsverhältnis der Parteien.

Das unstreitig zwischen den Parteien zunächst bestandene Arbeitsverhältnis bestand nicht als weitere Rechtsbeziehung neben dem Dienstverhältnis als Geschäftsführer fort oder lebte bei dessen Beendigung wieder auf.

In dem Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrages durch einen angestellten Mitarbeiter liegt nämlich im Zweifel die endgültige konkludente Aufhebung des bisherigen Arbeitsvertrages. Nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien soll regelmäßig neben dem Dienstverhältnis nicht noch ein Arbeitsverhältnis ruhend fortbestehen. Die vertraglichen Beziehungen werden vielmehr insgesamt auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt und die bisherige Grundlage verliert ihre Bedeutung. Eine andere Auslegung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, für die zumindest deutliche Anhaltspunkte vorliegen müssen. Für die Beurteilung des Parteiwillens können die Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen und die Gründe der Geschäftsführerbestellung ebenso von Bedeutung sein wie die Laufzeit des Geschäftsführerverhältnisses und verbesserte Vertragsbedingungen (so BAG vom 14.06.2006, a.a.O., Rz. 18).

Im vorliegenden Fall bestehen keine deutlichen Anhaltspunkte dafür, dass neben dem Dienstverhältnis als Geschäftsführer noch ein weiteres Rechtsverhältnis als Arbeitnehmer fortbestehen sollte.

Es wurden zwar im Wesentlichen die bisherigen Vertragsbedingungen fortgeschrieben aber hinsichtlich der Vertragsdauer in § 4 des Vertrages eine für den Kläger günstigere Regelung getroffen. Die fest vereinbarte Mindestdauer des Vertrages von nahezu fünf Jahren mit jeweils automatischer jährlicher Verlängerung stellt den Kläger im Hinblick auf die bisherige Regelung seiner Kündigungsfristen besser. Die Vertragsgestaltung entspricht üblichen Regelungen in Geschäftsführerverträgen. Aus einer solchen vertraglichen Regelung kann darauf geschlossen werden, dass die endgültige Ablösung des Arbeitsverhältnisses beabsichtigt ist (so BAG vom 14.06.2006, a.a.O., Rz. 23).

Der Kläger hatte als bisheriger Filialleiter auch eine Stellung im Unternehmen inne, die es nahegelegt hat, dass er bei der Umwandlung der Filiale in ein selbständiges Unternehmen in derselben Leitungsfunktion weiter tätig werden sollte. Nunmehr jedoch als der organschaftliche Vertreter, den die Vertriebsgesellschaft aufgrund gesellschaftsrechtlicher Bestimmungen haben musste. Insoweit regelt der Geschäftsführervertrag dieselbe vom Kläger zu erbringende Leitungstätigkeit nur in dem erforderlichen neuen rechtlichen Gewande. Dass die bisherige Vertragskonstellation noch ruhend fortbestehen sollte, kann nicht angenommen werden, denn die selbständige Vertriebsgesellschaft benötigt neben dem Geschäftsführer keinen angestellten Filialleiter, da diese Funktion vom Geschäftsführer der Filialgesellschaft selbst ausgeübt werden sollte.

Insofern gäbe die Beibehaltung der bisherigen Vertragskonstellation keinen betriebstechnischen Sinn.

III.

1. Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Bei Festsetzung des Gegenstandswertes ist die Hälfte des Streitwerts der Hauptsache in Ansatz gebracht worden, der sich aus der Anwendung des § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG ergibt.

3. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter erfolgen, § 78 Satz 3 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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