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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 27.05.2002
Aktenzeichen: 4 Ta 80/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 121
ZPO § 127
Scheidet ein in einer Anwaltskanzlei angestellter Rechtsanwalt, der während seiner Zugehörigkeit zu dieser Kanzlei antragsgemäß der Prozesspartei im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden war, später aus dieser Kanzlei aus, steht keinem der verbliebenen Rechtsanwälte ein Beschwerderecht (hier: Aufhebung der Beiordnung bis zum Ausscheiden des beigeordneten Anwalts und statt dessen Beiordnung eines Mitglieds der verbliebenen Kanzlei bis zu diesem Zeitpunkt) zu.

Die Beiordnung erfolgt auf Antrag der Partei, nicht des/der Rechtsanwalts/Rechtsanwälte. Sie ist personen- nicht sozietätsbezogen.

Ein eigenes Antrags- oder Beschwerderecht gegen den Beiordnungsbeschluss steht, von den Fällen des § 48 Abs. 2 BRAGO abgesehen, nur der Partei zu.

Eine (spätere) Abänderung des Beiordnungsbeschlusses kann auch nicht im Einverständnis beider Rechtsanwälte erfolgen. Anspruchsberechtigt gegenüber der Staatskasse bleibt der beigeordnete Rechtsanwalt. Ob und inwieweit ein (finanzieller) Ausgleich stattzufinden hat, bleibt den Rechtsanwälten überlassen.


4 Ta 80/02

In dem Rechtsstreit

wegen Kündigung

Die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Gick ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

1.

Die Beschwerde vom 27.03.2002 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg - Kammer Coburg - vom 16.10.2001 - Az.: 3 Ca 783/01 C - wird zurückgewiesen.

2.

Der Wert der Beschwerde wird auf 664,27 festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beschwerde vom 27.03.2002 begehrt Abänderung des Beiordnungsbeschlusses des Arbeitsgerichts Bamberg - Kammer Coburg - vom 16.10.2001, in welchem das Arbeitsgericht der Klägerin Frau Rechtsanwältin I... ab 13.07.2001 (für die Klage vom 28.06.2001) und ab 13.07.2001 (für die Klageerweiterung vom 13.07.2001) beigeordnet hatte.

Im Verfahren selbst hatte die Klägerin am 28.06.2001 Klage gegen eine Kündigung erhoben.

Mit Schriftsatz vom 10.07.2001 zeigten - gemäß Briefkopf - die Rechtsanwälte Dr. H..., Dr. H., W..., I... und L... an, dass "wir die Klägerin anwaltlich vertreten". Unterschrieben ist dieser Schriftsatz von Frau Rechtsanwältin I.....

Mit weiterem Schriftsatz vom 10.07.2001 - gleicher Briefkopf, unterschrieben von Frau Rechtsanwältin I... - wurde beantragt: "Der Klagepartei wird Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr für die erste Instanz der unterzeichnete Rechtsanwalt beigeordnet." Die Erklärung über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse hierzu wurde am 12.07.2001 vorgelegt.

Am 30.09.2001 schied Frau Rechtsanwältin I... aus der im bisherigen Briefkopf genannten Kanzlei aus, in der sie angestellt gewesen war (Vortrag der Beschwerde).

Mit Schriftsatz vom 02.10.2001 teilte Frau Rechtsanwältin I... - unter dem Briefkopf der Rechtsanwaltskanzlei I... - mit, dass sie die Klägerin anwaltlich vertrete und um Akteneinsicht bitte.

Mit Schriftsatz vom 11.10.2001 teilte Rechtsanwalt Dr. H... unter dem Briefkopf "Dr. H..., Dr. H..., W...., L..." mit: "In Sachen... legen wir das Mandat nieder."

Mit Beschluss vom 16.10.2001 bewilligte das Arbeitsgericht Bamberg - Kammer Coburg - unter dem Aktenzeichen 3 Ca 783/01 C der Klägerin Prozesskostenhilfe und ordnete ihr (ab 12.07.2001) Rechtsanwältin I... bei.

Mit Antrag vom 26.11.2001 beantragte Rechtsanwalt Dr. H..., an Kosten gegenüber der Klägerin DM 1.299,20 festzusetzen.

Mit Schreiben vom 25.03.2002 teilte der Rechtspfleger unter Hinweis auf den Inhalt des Prozesskostenhilfe- und Beiordnungsbeschlusses Bedenken gegen diese Festsetzung mit.

Mit Schriftsatz vom 27.03.2002 führte Herr Dr. W... im Wesentlichen aus, dass die Klägerin zunächst bis zum 11.10.2001 durch Unterfertigte vertreten worden sei. Damals sei Frau Rechtsanwältin I... bei Unterfertigten angestellt gewesen. Wenn nunmehr Frau Rechtsanwältin I... als Prozessvertreterin ab 13.07.2001 beigeordnet werde, seien die Kosten gegen die Klägerin gesondert festzusetzen. Etwas anderes würde sich dann ergeben, wenn der Beschluss vom 16.10.2001, der (ihm, bzw. der Kanzlei) nunmehr erst bekannt gegeben worden sei, dahingehend abgeändert werde, dass für die Zeit vom 12.07.2001 bis 11.10.2001 die Prozesskostenhilfebewilligung unter Beiordnung des Unterfertigten erfolge, ab 12.10.2001 unter Beiordnung von Rechtsanwältin I.... Es werde beantragt, den Beschluss entsprechend abzuändern, gegebenenfalls im Einvernehmen mit Frau Rechtsanwältin I....

Vorsorglich werde insoweit auch gegen den Beschluss vom 16.10.2001 Beschwerde eingelegt insoweit Frau Rechtsanwältin I... ab 12.07.2001, also auch während der Zeit, während der sie bei Unterfertigten angestellt gewesen sei, beigeordnet worden sei.

Mit Schriftsatz vom 08.04.2002 teilte Rechtsanwalt Dr. H... mit, dass Frau Rechtsanwältin I... zum Zeitpunkt der Prozesskostenhilfebewilligung Angestellte des Unterfertigten gewesen sei und dass der Antrag unter dem Briefbogen des Unterfertigten gestellt wurde. Es möge verfahren werden, wie vorgeschlagen und wie in anderen Fällen bereits die Angelegenheit behandelt worden sei. Es gehe ausschließlich nur um die Gebühren, die Rechtsanwältin I... als angestellte Rechtsanwältin bei Unterfertigten beantragt und die der Kanzlei zugefallen seien.

Mit Schreiben vom 12.04.2002 teilte Frau Rechtsanwältin I... ihr Einverständnis dahingehend mit, dass für die Zeit vom 12.07. bis 11.10.2001 die Prozesskostenhilfebewilligung unter Beiordnung "der Kanzlei Dres. H..." erfolge.

Mit Beschluss vom 16.04.2002 half das Gericht der Beschwerde des Herrn Rechtsanwalts Dr. H... nicht ab und legte sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor.

Mit Schriftsatz vom 24.04.2002 erklärte Rechtsanwältin I... Einverständnis mit der Abrechnung der Kanzlei Dres. H....

Mit Schriftsatz vom 24.04.2002 teilte Rechtsanwalt Dr. H... unter anderem mit, dass es nicht verständlich sei, warum das Gericht der Beschwerde entsprechend der diesseitigen Anregung in Übereinstimmung mit der Anregung von Frau Rechtsanwältin I... nicht stattgebe, sondern entgegen dem erklärten Willen beider Anwälte der Beschwerde nicht abhelfe.

Der Prozesskostenhilfeantrag sei durch die Kanzlei der Unterfertigten gestellt worden. Es hätte daher am 16.10.2001 ein Anwalt der Kanzlei beigeordnet werden müssen. Bei Frau Rechtsanwältin I... haben diese Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorgelegen, deshalb sei der Beschluss vom 16.10.2001 aufzuheben. Es spreche alles dafür, entsprechend dem übereinstimmenden Antrag der Unterfertigten und von Frau Rechtsanwältin I... zu entscheiden und zeitanteilig die Beiordnung aufzugliedern. Insoweit werde auch auf die in Fotokopie beigegebenen Ausführungen des Arbeitsgerichts Bamberg, 4. Kammer vom 24.10.2001 verwiesen.

Mit weiterem Beschluss vom 02.05.2002 entschied das Arbeitsgericht, dass es beim Nichtabhilfebeschluss vom 16.04.2002 verbleibe und die beteiligten Anwälte intern einen Ausgleich vereinbaren mögen.

Zur Vervollständigung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der oben angeführten Schriftsätze wie auch Beschlüsse verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist mangels Beschwerdeberechtigung unzulässig. Sie wäre auch unbegründet.

1.

Es sind zunächst die Begehren der Beschwerde darzustellen:

In der Sache begehrt die Beschwerde zunächst eine (teilweise) Aufhebung des Beiordnungsbeschlusses vom 16.10.2001 bezüglich der Beiordnung von Frau Rechtsanwältin I... für die Zeit bis 11.10.2001.

Weiterhin begehrt die Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. H... bis zum vorgenannten Zeitpunkt beizuordnen.

Zu beiden Begehren hat Frau Rechtsanwältin I... ihr Einverständnis erklärt, ebenso zu der in der Beschwerde angeregten Abrechnung.

2.

Das Arbeitsgericht ist zunächst - inzident - zutreffend davon ausgegangen, dass Beschwerdeführer Rechtsanwalt Dr. H... ist. Dies ergibt sich sowohl aus dem Inhalt der Beschwerdeschreiben wie auch aus den weiteren Umständen, dass die Klägerin nach dem Vortrag des Beschwerdeführers (zunächst) durch diesen vertreten worden sei und auch der Beschwerdeführer später das Mandat niedergelegt hat.

In der Sache besteht zur Verdeutlichung Veranlassung, auf Grundsätze des Beiordnungsrechts hinzuweisen.

Einer bedürftigen Partei kann auf deren Antrag gemäß § 121 ZPO hin ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet werden. Hierzu wählt bzw. benennt grundsätzlich die Partei den ihr beizuordnenden Anwalt. Beigeordnet wird die Person eines Rechtsanwalts, nicht eine Kanzlei oder Sozietät (Zöller, Kommentar zur ZPO, 23. Aufl., § 121, RdNr. 2).

Anspruchs-, antrags- und auch beschwerdeberechtigt ist grundsätzlich die vertretene Partei.

Diese führt vorliegend die Beschwerde nicht.

Gegen die Ablehnung der Beiordnung hat der Anwalt kein Beschwerderecht, weil die Partei, nicht aber er ein Recht auf Beiordnung hat. Dies gilt selbst dann, wenn der von der Partei gewählte Anwalt im Bewilligungsverfahren den Beiordnungswunsch der Partei vertreten hat, dennoch nicht beigeordnet worden ist (vgl. Zöller, a.a.O., § 127 Rdnr. 19, 20, 22).

Ein eigenes Antrags- und Beschwerderecht steht dem Rechtsanwalt insoweit nur nach § 48 Abs. 2 BRAGO zu. Ein solcher Fall liegt nicht vor. Der Beschwerdeführer ist zur Beiordnung nicht benannt worden, folgerichtig nicht beigeordnet worden und kann demgemäß nicht Aufhebung seiner Beiordnung begehren. Dies gilt ungeachtet dessen, dass wichtige Gründe im Sinne des § 48 Abs. 2 BRAGO nicht vorliegen.

Dem Beschwerdeführer steht daher weder ein - eigenes - Recht auf seine Beiordnung zu, noch erst recht kein Recht auf Aufhebung der Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts mit nachfolgend seiner Beiordnung. Demgemäß steht ihm auch keine Beschwerdeberechtigung zu.

Die Beschwerde ist somit bereits unzulässig.

3.

Sie wäre im Übrigen auch unbegründet.

Insoweit ist das Arbeitsgericht zu Recht und mit zutreffenden Gründen davon ausgegangen, dass die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Prozesskostenhilfeverfahren personenbezogen und nicht kanzlei- oder sozietätsbezogen ist. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 10.07.2001 beantragt, ihr die unterzeichnete Rechtsanwältin -hier Rechtsanwältin I... - beizuordnen. Diesem Beiordnungswunsch ist das Arbeitsgericht mit seinem angegriffenen Beschluss vom 16.10.2001 nachgekommen. Die Klägerin hat gegenüber dem Gericht weder selbst noch über die Kanzlei einen anderen Beiordnungswunsch geäußert. Hierbei mag es sein, dass die Klägerin -undifferenziert - allen Kanzleimitgliedern Prozessvollmacht erteilt hat bzw. einen speziellen personenbezogenen Beiordnungswunsch intern nicht geäußert hat. Dem Arbeitsgericht gegenüber jedenfalls hat sie ihre Wahl getroffen mit dem Antrag, Frau Rechtsanwältin I... beizuordnen. Das Arbeitsgericht hätte zum Zeitpunkt seiner Entscheidung mangels entsprechenden Antrages auch nicht Rechtsanwalt Dr. H... beiordnen können.

Änderungen in der Kanzleizugehörigkeit führen nicht dazu, die getroffene Entscheidung zu ändern. Entbindungsgründe liegen nicht vor, ungeachtet dessen, dass eine rückwirkende Entbindung nicht statthaft wäre.

Das Beschwerdegericht vermag auch der Argumentation der 4. Kammer des Arbeitsgerichts Bamberg nicht zu folgen, dass der Antrag "durch die Kanzlei" gestellt worden sei und daher nach Ausscheiden von Rechtsanwältin I... aus der Anwaltskanzlei die Voraussetzungen für deren Beiordnung nicht mehr vorgelegen haben bzw. "ein der Kanzlei zu diesem Zeitpunkt angehörender Rechtsanwalt (hätte) beigeordnet werden müssen".

Zu Recht führt - wie bereits oben angegeben - der angegriffene Beschluss aus, dass die Beiordnung personen- und nicht kanzleibezogen ist. Weiterhin kann das Gericht, wenn keine besonderen Anhaltspunkte vorliegen, den Beiordnungswunsch der Klägerin nicht ignorieren.

Es kommt auch nicht auf einen nunmehr "erklärten Willen beider Anwälte" an.

Es ist nicht Aufgabe des ordnungsgemäß bearbeiteten und zustande gekommenen Prozesskostenhilfe- und Beiordnungsverfahrens die durch ein Ausscheiden des beigeordneten Rechtsanwalts aus einer Anwaltskanzlei resultierenden Gebühreninteressen mit einem jeweils eigenen - gesicherten - Anspruch eines Rechtsanwalts gegen die Staatskasse zu versehen. Vielmehr - auch hierauf weist die 3. Kammer des Arbeitsgerichts zu Recht hin - sind die Anwälte darauf zu verweisen, intern, ohnehin nach den zwischen ihnen bestehenden Absprachen, einen Ausgleich zu finden.

Anspruchsberechtigt gegenüber der Staatskasse ist allein die Person des beigeordneten Anwalts.

Die Beschwerde des Rechtsanwalts Dr. H... war daher zurückzuweisen.

Der Wert der Beschwerde entspricht dem geltend gemachten Gebühreninteresse.

III.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht (§ 78 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG i.d.F. Art. 30 Nr. 15 ZPO-RG v. 27.07.2001).

IV.

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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