Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 21.12.2006
Aktenzeichen: 5 TaBV 61/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 78 a
Besteht ein dauerhafter Bedarf an der Beschäftigung eines Arbeitnehmers im Rahmen der Arbeitsorganisation des Arbeitgebers, ist diesem die Weiterbeschäftigung eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung nach dessen Beendigung seines Ausbildungsverhältnisses nicht unzumutbar i.S.d. § 78 a Abs. 4 S. 1 BetrVG.

Die vom Arbeitgeber getroffene Entscheidung, kein neues Personal mehr einzustellen, sondern entstehenden Beschäftigungsbedarf durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern zu decken, führt nicht zum Wegfall von Arbeitsplätzen.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG BESCHLUSS

5 TaBV 61/05

Verkündet am 21.12.2006

in dem Beschlussverfahren

wegen Sonstiges

Die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Malkmus und der ehrenamtlichen Richter Abraham und Maschke aufgrund der mündlichen Anhörung vom 07. Dezember 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 02.11.2005, Aktenzeichen: 1 BV 15/05, abgeändert.

2. Der Antrag der Antragstellerin wird abgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren noch um die Frage, ob das zwischen der Antragstellerin und dem Beteiligten B... gesetzlich gemäß § 78 a BetrVG begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen ist.

Der Beteiligte B... absolvierte im Zeitraum vom 01.10.2002 bis zum 30.09.2005 seine Ausbildung zum Krankenpfleger; er war Mitglied der bei der Antragstellerin existierenden Jugend- und Auszubildendenvertretung. Mit Schreiben vom 10.07.2005 bat er um Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nach Abschluss seiner Ausbildung; mit Schreiben vom 08.09.2005 teilte er ergänzend mit, dass er hilfsweise auch bereit wäre, ein befristetes oder ein Teilzeitarbeitsverhältnis bei der Antragstellerin anzunehmen oder vorübergehend auch in einem anderen Beruf als dem des Krankenpflegers zu arbeiten.

Die Antragstellerin ist der Meinung, ihr sei die Weiterbeschäftigung des Beteiligten B... nicht zuzumuten, weil im Zeitraum der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses des Beteiligten B... für diesen kein Beschäftigungsbedarf vorhanden gewesen sei. Sofern bei ihr ein Bedarf an zusätzlicher Dienstleistung über den mit den vorhandenen Arbeitskräften abgedeckten Umfang hinaus bestehe, werde dieser ausschließlich über die "C... Servicegesellschaft mbH" durch eine Art Arbeitnehmerüberlassung gedeckt. Diese Gesellschaft sei aufgrund eines Beschlusses vom 28.06.2005 der Verbandsversammlung des Krankenhauszweckverbandes D..., der rechtlicher Träger der Antragstellerin sei, gegründet worden.

Der Beteiligte B... geht davon aus, dass für ihn im Anschluss an seine Ausbildung ein Beschäftigungsbedarf vorhanden gewesen wäre.

Das Arbeitsgericht hat auf Antrag der Antragstellerin das ab 01.10.2005 begründete Arbeitsverhältnis des Beteiligten B... aufgelöst. Der Antragstellerin sei es, bezogen auf den Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses zum 30.09.2005, unzumutbar gewesen, den Beteiligten B... weiterzubeschäftigen, da kein freier Arbeitsplatz vorhanden gewesen sei. Bei dieser Beurteilung sei das Arbeitsgericht an die unternehmerische Entscheidung der Antragstellerin gebunden, künftig, insbesondere im Krankenpflegebereich, kein eigenes Personal mehr neu einzustellen, sondern sich der von der C... Service GmbH eingestellten Arbeitnehmer zu bedienen. Auf den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Beschlusses wird, auch hinsichtlich des erstinstanzlichen Beteiligtenvorbringens im Einzelnen, Bezug genommen.

Im Beschlussverfahren wiederholen die Beteiligten im Wesentlichen ihre bereits erstinstanzlich vertretenen Auffassungen.

Die Antragsgegner beantragen:

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 02.11.2005, Aktenzeichen: 1 BV 15/05, wird abgeändert.

2. Der Antrag der Beschwerdegegnerin wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde der Beschwerdeführer kostenpflichtig zurückzuweisen.

Wegen des Beschwerdevorbringens aller am Verfahren Beteiligten wird auf den Inhalt der im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Ein auf fristgemäßes Verlangen eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung gemäß § 78 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG zustande gekommenes Arbeitsverhältnis ist auf Antrag des Arbeitgebers gemäß § 78 a Abs. 4 Satz 1 BetrVG aufzulösen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann. Zur Begründung dieses Antrags beruft sich die Antragstellerin ausschließlich auf das Fehlen eines freien Arbeitsplatzes zum Zeitpunkt der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses des Beteiligten B....

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist in Fällen, in denen kein andauernder Bedarf für die Beschäftigung eines Arbeitnehmers vorhanden ist, dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung unzumutbar im Sinne des § 78 a Abs. 4 Satz 1 BetrVG (BAG vom 06.11.1996, AP Nr. 26 zu § 78 a BetrVG 1972). Die Beschwerdekammer vermochte vorliegend - anders als das Arbeitsgericht - vom Fehlen eines freien Arbeitsplatzes bei der Antragstellerin zum Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses des Beteiligten B... jedoch nicht auszugehen.

Ob der Arbeitgeber einen andauernden Beschäftigungsbedarf hat und mithin ein freier Arbeitsplatz für den durch § 78 a BetrVG geschützten Auszubildenden zur Verfügung steht, bestimmt sich nicht danach, ob Arbeitsaufgaben vorhanden sind, mit deren Verrichtung ein Arbeitnehmer betraut werden könnte. Jedenfalls in der Privatwirtschaft richtet sich das Bestehen eines freien Arbeitsplatzes nicht danach, ob eine freie "Planstelle" vorhanden ist oder eine nach objektiven Kriterien messbare Arbeitsmenge zu erledigen ist. Welche Arbeiten im Betrieb verrichtet werden sollen und wie viele Arbeitnehmer damit beschäftigt werden, bestimmt vielmehr der Arbeitgeber durch seine arbeitstechnischen Vorgaben und seine Personalplanung. Entscheidet er sich dafür, keine Arbeiten durch zusätzliche Arbeitnehmer verrichten zu lassen, und hat er mithin keinen Einstellungsbedarf, so ist ein freier Arbeitsplatz nicht vorhanden. Von Missbrauchsfällen abgesehen ist deshalb der Arbeitgeber grundsätzlich auch nicht gehindert, durch eine Veränderung der Arbeitsorganisation Arbeitsplätze wegfallen zu lassen (BAG vom 06.11.1996 und vom 12.11.1997, AP Nrn. 26 und 31 zu § 78 a BetrVG 1972).

Durch die von der Antragstellerin getroffene Entscheidung, bei ihr entstehenden Arbeitsbedarf durch Pflegekräfte nicht mehr durch Einstellung von Arbeitnehmern zu decken, sondern Einstellungen nur mehr über die "C... Servicegesellschaft mbH" vorzunehmen, von der die Antragstellerin im Bedarfsfall Arbeitnehmer entleiht, hat die Antragstellerin allerdings keine Entscheidung getroffen, welche Arbeitsplätze bei ihr in Wegfall hat geraten lassen. Den bei ihr entstehenden Beschäftigungsbedarf deckt die Antragstellerin mit Arbeitnehmern, welche sie im Rahmen ihrer Arbeitsorganisation aufgrund ihrer Weisungen einsetzt. Der Umstand, dass die Arbeitnehmer, die auf diesen Arbeitsplätzen zum Einsatz kommen sollen, nicht in vertraglichen Beziehungen zu ihr, sondern zur "C... Servicegesellschaft mbH" stehen, ändert nichts daran, dass der Beschäftigungsbedarf andauernd bei der Antragstellerin vorhanden ist und es sich um deren Arbeitsplätze handelt. Maßgebend ist, dass der andauernde Bedarf an der Beschäftigung von Arbeitnehmern im Rahmen ihrer Arbeitsorganisation besteht.

Dass ein solcher Arbeitsplatz zum Zeitpunkt des Endes des Ausbildungsverhältnisses des Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung B... zum 30.09.2005 auch tatsächlich frei war, zeigt die Einstellung der Krankenpflegerin Frau E.... Wie das Arbeitsgericht in seinem Beschluss feststellt, wurde eine Stelle im Bereich Herzkatheter zum 01.10.2005 mit Frau E... besetzt. War ursprünglich vorgesehen, diese Mitarbeiterin bei der Antragstellerin einzustellen, so war mit Wirkung zum 04.07.2005 die Entscheidung getroffen worden, diese Stelle, wie alle neu zu besetzenden Stellen, über die "C... Servicegesellschaft mbH" zu besetzen. Dieser Feststellung des Arbeitsgerichts ist keiner der am Verfahren Beteiligten entgegengetreten.

Damit steht aber fest, dass es zum Ende des Ausbildungsverhältnisses des Beteiligten B... zu der Einstellung einer Pflegekraft bei der "C... Servicegesellschaft mbH" kam um damit einen dauerhaften Bedarf an der Beschäftigung einer Pflegekraft bei der Antragstellerin zu decken. Dies bedeutet, dass es zum fraglichen Zeitpunkt einen freien Arbeitsplatz für den Beteiligten B... gab und dessen Weiterbeschäftigung der Antragstellerin nicht unzumutbar war.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entschiedenen Frage war die Rechtsbeschwerde für die Antragstellerin, die alleine durch den Beschluss beschwert ist, zuzulassen. Die Antragstellerin kann demnach gemäß nachstehender Belehrung Rechtsbeschwerde einlegen.

Ende der Entscheidung

Zurück