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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 30.05.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 111/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 307
BGB § 611
BGB § 615
BGB § 619
1. Eine zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffene Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer bei erwartetem Auftragsmangel in Zukunft bezahlten oder unbezahlten Urlaub einbringen werde, ist unwirksam, wenn Anlass und Menge der möglichen Arbeitszeitreduzierung nicht näher konkretisiert sind. Eine solche Vereinbarung würde das "Wirtschaftsrisiko", das nach § 615 BGB grundsätzlich der Arbeitgeber zu tragen hat, einseitig auf den Arbeitnehmer verlagern.

2. Wird der Arbeitnehmer anlässlich der Erstellung der Abrechnung gefragt, ob die Zeiten der Nichtleistung als bezahlter Erholungsurlaub oder als unbezahlter Urlaub behandelt werden sollten, kann die Wahl des unbezahlten Urlaubs nicht als rechtswirksamer Verzicht auf entstandene Annahmeverzugsansprüche interpretiert werden.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 111/06 in dem Rechtsstreit

Verkündet am 30. Mai 2006

wegen: Forderung

Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nürnberg Vetter als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Haller und Schmittnägel aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.05.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden, Kammer Schwandorf, vom 14.11.2005, Az. 3 Ca 1301/05 S, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer behaupteten Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, bei fehlender Beschäftigungsmöglichkeit im Falle von Auftragsmangel unbezahlten Urlaub zu nehmen.

Der Kläger ist seit 1979 bei der Beklagten zu einem Stundenlohn von zuletzt 10,53 € brutto beschäftigt. Die vereinbarte Arbeitszeit beträgt 40 Stunden pro Woche.

Bei der Beklagten kommt es immer wieder zu Auftragsschwankungen und mangelnden Auslastungen. Der Geschäftsführer der Beklagten stellte diese Problematik auf verschiedenen Betriebsversammlungen in den Jahren 2003 und 2004 dar und erklärte den anwesenden Schichtarbeitern, unter anderem dem Kläger, man suche nach Lösungen, um trotz der Auftragsmängel alle Arbeitsplätze zu erhalten. Der Geschäftsführer stellte dar, eine Lösungsmöglichkeit sei, dass die Schichtarbeiter bei Auftragsmängeln in Zukunft zuhause bleiben und Überstunden verrechnen sollten, dass sie bei fehlendem Überstundenguthaben Urlaubstage bzw. unbezahlten Kurzurlaub nehmen sollten. Zwischen den Parteien ist strittig, ob und wie die Arbeitnehmer und auch der Kläger diesem Angebot zugestimmt haben. Die Beklagte vergütete dem Kläger im Februar 2005, für den ihm mit seinem Einverständnis 40 Stunden als Urlaubsstunden vergütet wurden, 93 geleistete Arbeitsstunden, im März 2005 - zuzüglich zu 20 Urlaubsstunden und 16 Feiertagsstunden - 82,50 geleistete Stunden, im April 2005 134 geleistete Stunden, im Mai 2005 - zuzüglich zu 24 Stunden Feiertagsbezahlung - 121,75 Stunden und im Juni 2005 154,75 geleistete Stunden.

Mit seiner am 02.08.2005 beim Arbeitsgericht erhobenen Klage hat der Kläger Zahlung von 1.874,34 € brutto nebst Zinsen geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei ihm, soweit er nicht bezahlten Erholungsurlaub genommen habe, zur Zahlung von Entgelt für 40 Wochenstunden verpflichtet. Die Beklagte habe ihn aber in den Monaten Februar bis Juni 2005 bei Auftragsmangel nach Hause geschickt, ohne die ausgefallenen Zeiten zu vergüten. Es ergäben sich unter Berücksichtigung der Zahlung für Feier- und Urlaubstage Differenzen von 27 Stunden für Februar, 65,5 Stunden für März, 34 Stunden für April, 30,25 Stunden für Mai und 21,25 Stunden für Juni. Insgesamt habe die Beklagte, gehe man von der vertraglich vereinbarten 40-Stunden-Woche aus, 178 Stunden zu wenig vergütet. Bei einem Stundensatz von brutto 10,53 € errechne sich ein offener Betrag von 1.874,34 € brutto. Er habe die Zahlung dieses Betrages mit Schreiben vom 20.07.2005 geltend gemacht. Die Beklagte habe die Zahlung mit der Begründung abgelehnt, er sei damit einverstanden gewesen, dass er unbezahlten Kurzurlaub nehme. Dies sei unzutreffend. Er habe kein Einverständnis mit dieser Vorgehensweise erklärt. Aus diesem Grund sei auch die Feststellung berechtigt, dass ihn die Beklagte regelmäßig auf Basis einer 40-Stunden-Woche zu vergüten habe.

Der Kläger hat im Verfahren vor dem Arbeitsgericht daher folgende Anträge gestellt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger brutto € 1.874,34 nebst 5%-Punkte über dem Basiszinssatz aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit 26.07.2005 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger regelmäßig auf Basis einer wöchentlichen Arbeitszeit mit 40 Stunden zu vergüten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat eingewandt, die Klage sei nicht begründet. Für den Feststellungsantrag bestehe kein Feststellungsinteresse; es sei unstrittig, dass der Kläger auf Basis einer 40-Stunden-Woche beschäftigt sei. Der Kläger habe sich wie die anderen Schichtarbeiter jedoch anlässlich von Betriebsversammlungen, die im Jahr 2003 in den Kalenderwochen 44 und 46 und im Jahr 2004 in der Kalenderwoche 26 stattgefunden hätten, bereiterklärt und mit der Geschäftsleitung geeinigt, dass bei bestehenden Auftragsmängeln kürzer gearbeitet werde. Ausfallende Stunden sollten mit früher angesammelten Überstunden verrechnet werden, bei fehlenden Überstundenguthaben sollten Urlaubstage genommen werden. Soweit ein Arbeitnehmer keinen Urlaubstag opfern wolle, sollte er auch unbezahlten Kurzurlaub nehmen können. Der Kläger habe sich anlässlich eines Einzelgespräches am 06.09.2004, bei dem er einen mehrwöchigen Sommerurlaub gefordert habe, nochmals ausdrücklich mit dieser Regelung einverstanden erklärt. Der Kläger sei auch hinsichtlich der Abrechnungen für die streitgegenständlichen Monate nochmals befragt worden und habe die Variante unbezahlten Kurzurlaubs gewählt. Nachdem der Kläger nunmehr nicht mehr in der Lage sei, seine geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen oder nicht mehr arbeiten wolle, seit Monaten auf krank mache bzw. sich in Kur befinde, sei ihm der weitere Fortbestand der Arbeitsplätze seiner Kollegen offenbar egal. Angesichts seines Einverständnisses sei die Klage jedoch unbegründet.

Der Kläger hat bestritten, dass es zu einer Einigung über die Verrechnung von Urlaub oder die Festlegung von unbezahltem Urlaub gekommen sei. Er hat erklärt, die Beklagte habe ihm keine Möglichkeit gelassen, der von ihr vorgegebenen Verfahrensweise zu widersprechen. Eine derartige Regelung sei zudem unzulässig. Es sei auch falsch, dass er im persönlichen Gespräch sein Einverständnis hiermit erklärt habe. Auch eine Einigung über die Monatsabrechnungen sei nicht erfolgt. Diese seien ihm vielmehr jeweils per Post nach Hause geschickt worden; dort seien sie ihm erstmals zur Kenntnis gegeben worden. Zwar habe ihn die Betriebsleitung mehrfach bedrängt, die Abrechnungen zum Zwecke eines Anerkenntnisses zu unterzeichnen. Dies habe er jedoch stets abgelehnt. Er verwahre sich gegen die Behauptung, "krank zu machen".

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 14.11.2005 wie folgt erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger brutto 1.874,34 € nebst 5 Prozentpunkte über dem gesetzlichen Basiszinssatz aus dem sich hieraus errechnenden Nettobetrag ab 26.07.2005 zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger hat 1/3 der Kosten, die Beklagte 2/3 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Der Streitwert wird auf 2.874,34 € festgesetzt.

Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, es sei unstreitig, dass der Kläger auf der Basis einer 40-Stunden-Woche zu beschäftigen sei. Die Beklagte müsse daher auch 40 Stunden vergüten. Soweit sie den Kläger nicht habe beschäftigen können, ergebe sich dessen Anspruch aus § 615 BGB, weil die Beklagte sich in Annahmeverzug befunden habe. Die Beklagte trage das Beschäftigungsrisiko. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Parteien tatsächlich eine Einigung wie von der Beklagten behauptet erzielt hätten. Eine solche Einigung wäre nämlich als unangemessen rechtsunwirksam. Die Beklagte würde mit einer solchen Vereinbarung das unternehmerische Risiko ohne Gegenleistung auf den Arbeitnehmer verlagern. Eine Freistellung unter Anrechnung der Überstunden sei beim Kläger nicht erfolgt. Die Urlaubnahme ohne Zahlung von Urlaubsentgelt scheide aus, da es sich insoweit um eine Verlagerung des Betriebsrisikos handele. Eine zulässige Urlaubnahme sei nicht erfolgt, weil der Arbeitnehmer den Anspruch habe, den Erholungsurlaub rechtzeitig zu planen. Durch ein "Heimschicken" werde der Urlaub nicht wirksam erteilt. Der Feststellungsantrag sei unzulässig, weil die Vereinbarung einer 40-Stunden-Woche zwischen den Parteien nicht in Streit stehe. Soweit der Kläger Lohneinbußen habe, könne er diese im Wege der Leistungsklage geltend machen.

Das Endurteil des Arbeitsgerichts ist der Beklagten ausweislich des Empfangsbekenntnisses ihrer Prozessvertreter am 27.01.2006 zugestellt worden (Bl. 53 d.A.). Die Beklagte hat mit Schriftsatz ihrer Vertreter vom 23.02.2006, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt. Sie hat diese Berufung mit am 24.03.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz selben Datums begründet.

Die Beklagte hat sich in der Berufung darauf gestützt, das Arbeitsgericht sei fälschlich davon ausgegangen, dass eine etwaige Vereinbarung über die dargestellte Handhabung bei Auftragsmangel unwirksam wäre. Diese Auffassung sei offensichtlich unrichtig, da die Gegenleistung darin bestehe, durch diese Maßnahme für die zu durchschreitende Talsohle Betriebsschließungen zu vermeiden und die Arbeitsplätze - auch denjenigen des Klägers - zu erhalten. Hätte sie die Arbeitnehmer ohne Aufträge weiterbeschäftigen müssen, hätte sie aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten den Betrieb schließen müssen. Die anwesenden Schichtarbeiter, auch der Kläger, hätten sich mit der Geschäftsleitung auf den Betriebsversammlungen auf die dargestellte und praktizierte Vorgehensweise geeinigt. Der Kläger habe sich am 06.09.2004 nochmals ausdrücklich mit einer solchen Regelung einverstanden erklärt. Es sei daher sowohl eine allgemeine als auch eine Individualabrede mit dem dargestellten Inhalt zustande gekommen. Die Vereinbarung verstoße weder gegen gesetzliche Bestimmungen noch gegen Treu und Glauben.

Die Beklagte stellt als Berufungsklägerin daher in der Berufungsinstanz folgende Anträge:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden, verkündet am 14.11.2005, wird aufgehoben und die dem Urteil zugrunde liegende Klage vom 29.07.2005 nebst Erweiterung vom 27.09.2005 wird abgewiesen.

II. Der Kläger und Berufungsbeklagte trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.

III. Das Urteil wird für vorläufig vollstreckbar erklärt.

Der Kläger beantragt als Berufungsbeklagter,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts an. Er meint, die von der Beklagten behauptete Änderung der Arbeitsbedingungen verstoße auch gegen die Bestimmungen des Nachweisgesetzes. Zwar habe die Beklagte auf den Betriebsversammlungen entsprechende Mitteilungen und Vorschläge gemacht; eine konkrete Einigung sei aber nicht zustande gekommen. Außerdem sei er der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig, um derart komplexe Vereinbarungen schließen zu können. Er bestreite auch, dass er sich am 06.09.2004 ausdrücklich mit einer solchen Regelung einverstanden erklärt habe. Er habe zu erkennen gegeben und sei davon ausgegangen, dass eine Regelung schriftlich erfolge, damit er sich mit seinem der deutschen Sprache mächtigen Sohn absprechen könne.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Ersturteils vom 14.11.2005 (Bl. 475 ff. d.A.), die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 30.05.2006 (Bl. 81 ff. d.A.) und die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft, weil sie sich gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil richtet (§ 64 Abs. 1 ArbGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600,- Euro (§ 64 Abs. 2 b) ArbGG). Die Berufung ist auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 S. 1, S. 2 ArbGG).

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des Arbeitsgerichts erweist sich, soweit es in die Berufung gelangt ist, als richtig. Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit der Zahlungsbetrag eingeklagt war, zu Recht stattgegeben. Trotz des insoweit missverständlichen Antrags der Beklagten ist der abweisende Teil der arbeitsgerichtlichen Entscheidung nicht in die Berufung gelangt, da der Kläger Berufung hiergegen nicht eingelegt hat.

Hinsichtlich der Begründung folgt die Berufungskammer den sorgfältigen Erwägungen des Arbeitsgerichts, denen sie sich in vollem Umfang anschließt, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Nur ergänzend ist im Hinblick auf die in der Berufung von den Parteien vorgetragenen Argumente noch hinzuzufügen:

1. Der Anspruch des Klägers ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil er anlässlich der verschiedentlichen Betriebsversammlungen in den Jahren 2003 und 2004 rechtswirksam auf ihn verzichtet hätte.

1. Dies gilt schon deswegen, weil die Beklagte nachvollziehbaren Sachvortrag, aus dem eine entsprechende Vereinbarung zwischen der Geschäftsleitung und dem Kläger abgeleitet werden könnte, nicht erbracht hat. Die Beklagte hat erklärt, die anwesenden Schichtarbeiter, darunter auch der Kläger, hätten sich mit der Betriebsleitung auf das von der Beklagten dargestellte Modell geeinigt. Der Kläger hat bestritten, Zustimmungserklärungen hierzu abgegeben zu haben. Die Kammer hat darauf hingewiesen, dass der Sachvortrag insoweit unsubstantiiert und einer Beweiserhebung nicht zugänglich sei (Niederschrift über die Verhandlung vom 30.05.2006, Bl. 82 d.A.). Die Beklagte hat ihren Vortrag nicht weiter ergänzt, hat insbesondere nicht dargelegt, welche Willenserklärungen der Kläger abgegeben haben soll. Der Sachvortrag "einigten sich" erscheint angesichts der konkreten Situation - eine Mehr- oder Vielzahl von Schichtarbeitern war anwesend, die Geschäftsleitung stellte ein bestimmtes Modell vor, Erklärungen, welcher der anwesenden Arbeiter welche Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erkennbar - als nicht ausreichend und einer Beweiserhebung nicht zugänglich. Die Kammer müsste die angebotenen Zeugen erst befragen, um den Sachverhalt zu ermitteln. Dies käme einem im Zivilprozess nicht gestatteten Ausforschungsbeweis gleich.

2. Mit Recht hat das Arbeitsgericht dies letztlich dahinstehen lassen. Auch wenn man unterstellt, der Kläger habe sein Einverständnis mit einer solchen Regelung erklärt, eine vertragliche Regelung sei zustande gekommen, führt dies nicht dazu, dass der Kläger seine Ansprüche verlieren würde. Eine derartige Vertragsgestaltung wäre nämlich in der vorgestellten Form unwirksam. Zulässig wäre eine solche Vereinbarung nur, soweit es um Freizeitausgleich für geleistete Überstunden oder um die bloße Verlegung der Arbeitszeit ginge. Sie liefe, soweit sich der Arbeitnehmer verpflichtet hätte, jedes Mal im Fall von Arbeitsausfall Erholungsurlaub einzubringen, darauf hinaus, dass der Arbeitnehmer ohne weitere Einflussmöglichkeit kurzfristig, gegebenenfalls für halbe oder, wie die Beklagte ausführt, einzelne ganze Tage Urlaub einbringen müsste. Dies verstößt, jedenfalls soweit der gesetzliche Mindesturlaub betroffen wäre, gegen § 7 Abs. 2 S. 1 BUrlG. Auch dies kann jedoch vorliegend dahinstehen. Der Kläger hat keinen Überstundenausgleich nehmen können. Soweit er sich darauf eingelassen hat, sich bezahlten Urlaub anrechnen zu lassen, akzeptiert er dies und verlangt insoweit nicht nochmals Entgelt. Er verlangt nur Zahlung, soweit die Beklagte in Fällen des Arbeitsmangels von unbezahltem Urlaub ausgegangen ist.

3. Eine derartige Vereinbarung, in der sich ein Arbeitnehmer verpflichtet, in Fällen von Auftragsmangel unbezahlt zuhause zu bleiben, unbezahlten Urlaub zu nehmen, ist jedoch unwirksam. Sie läuft darauf hinaus, dass die gegenseitigen Hauptleistungspflichten - Arbeitsleistung und Entgeltzahlung - nicht mehr festgelegt sind. Eine solche Vereinbarung verlagert das Wirtschaftsrisiko einseitig auf den Arbeitnehmer. Dieses Wirtschaftsrisiko ist jedoch in § 615 BGB gesetzlich dem Arbeitgeber auferlegt: Der Arbeitgeber hat grundsätzlich das Risiko zu tragen, den Arbeitnehmer nicht beschäftigen zu können. Kann er ihn wegen Auftragsmangels nicht beschäftigen, wird er nicht von seiner Gegenleistungspflicht befreit; er bleibt zur Entgeltzahlung verpflichtet (so zuletzt ausdrücklich BAG vom 07.12.2005, 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423, unter B.III.5.a. der Entscheidungsgründe; Preis in Erfurter Kommentar, 6. Aufl. 2006, § 615 BGB Rn. 126 ff.; Henssler/Preis/Willemsen, Arbeitsrecht, § 615 BGB Rn. 112; Richardi in Staudinger, BGB, Dienstvertragsrecht I, Neubearbeitung 2005, § 615 Rn. 178, jeweils mit weiteren Nachweisen).

4. Zwar ist die Vorschrift des § 615 BGB - ersichtlich aus dem Wortlaut des § 619 BGB, der abweichende Vereinbarungen nur für §§ 617 und 618 BGB untersagt - grundsätzlich abdingbar. Dies darf aber nicht dazu führen, dass dem Arbeitgeber letztlich die Festlegung der Hauptleistungspflichten - Menge der Arbeitsleistung einerseits, Höhe des Gesamtentgelts andererseits - einseitig überlassen bleibt. Eine solche Regelung stellt eine objektive Umgehung der kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen dar und ist daher gemäß § 134 BGB nichtig (so bereits BAG vom 12.12.1984, 7 AZR 509/83, EzA § 315 BGB Rn. 29). Eine Vereinbarung, die durch Abbedingen der Vorschrift des § 615 BGB im Ergebnis dazu führen würde, dass das Wirtschaftsrisiko auf den Arbeitnehmer verlagert würde, wäre trotz der grundsätzlichen Abdingbarkeit unwirksam. Zulässig wäre allenfalls, die Vorschrift des § 615 BGB unter ganz bestimmten, konkret niedergelegten Voraussetzungen abzubedingen; dabei müsste auch der Umfang der unbezahlten Arbeit in einer Weise begrenzt, eindeutig festgelegt und von vornherein klar sein, dass diese Vereinbarung nicht als Umgehung der Kündigungsbestimmungen und als Übertragung des Wirtschaftsrisikos angesehen werden könnte (so mit Recht Krause in Henssler/Willemsen/Preis, a.a.O., § 615 BGB Rn. 107). Aus diesem Grund ist sogar eine tarifliche eine Regelung, die dem Arbeitgeber die Einführung von Kurzarbeit gestattete, ohne Einzelheiten über Voraussetzungen, Umfang und Höchstdauer zu treffen, für unwirksam erklärt worden (BAG vom 27.01.1994, 6 AZR 541/93; BAG vom 18.10.1994, 1 AZR 503/93, EzA § 615 BGB Kurzarbeit Nrn. 1 und 2). Soweit solche Regelungen vom Arbeitgeber vorformuliert sind, verstoßen sie gegen die Vorschrift des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Derartige Abmachungen sind - unterstellt, sie sind tatsächlich durch Einverständniserklärung des Klägers zustande gekommen - mit wesentlichen Grundsätzen der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren.

5. Auch die Beklagte hat nicht behauptet, dass die behauptete Vereinbarung irgendeine nähere Bestimmung und Begrenzung enthalten hätte. Damit war - unterstellt, es ist tatsächlich eine Vereinbarung zustande gekommen - in keiner Weise festgelegt, in welchen konkreten Fällen, in welchem Umfang und mit welcher Begrenzung die Arbeitszeit ohne Entgeltzahlung reduziert werden sollte. Eine solche Begrenzung kann auch nicht aus den Umständen entnommen werden. Unstreitig hat die Beklagte dem Kläger für April 34, für März sogar 65,6 Stunden weniger vergütet, als angesichts der vertraglich vereinbarten 40-Stunden-Woche geschuldet war. Sie hat Arbeitszeit und Vergütung in dieser Höhe einseitig abgeändert. Schon diese Handhabung lässt erkennen, dass eine ergänzende Auslegung der Vereinbarung dahingehend, dass nur ein geringer Teil der Arbeitszeit verringert würde, nicht in Betracht kommt (zu den Grundsätzen vgl. insoweit BAG vom 07.12.2005, a.a.O.). Eine Begrenzung der Überlagerung des Wirtschaftsrisiko auf den Arbeitnehmer ist auch nach dem Beklagtenvortrag in keiner Weise getroffen; dies weicht in krasser Weise von den gesetzlichen Vorgaben über die Pflicht zur Tragung des Wirtschaftsrisikos, insbesondere von § 615 BGB, ab und stellt eine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar. Sollte von den Parteien in den Betriebsversammlungen also eine entsprechende Regelung getroffen worden sein, wäre diese nach alldem als unwirksam anzusehen; sie könnte den Anspruch des Klägers auf Vergütung gemäß seinem Arbeitsvertrag nicht beseitigen.

6. Entgegen der Ansicht der Beklagten gilt nicht deswegen anderes, weil die Beklagte im Hinblick auf die ihrer Ansicht nach mit den Mitarbeitern getroffenen Vereinbarungen den Abbau von Arbeitsplätzen unterlassen hat. Die Beklagte behauptet nicht einmal selbst, dass sie sich im Gegenzug zum Verzicht auf Entgelt im Falle Auftragsmangels rechtswirksam und rechtsverbindlich gegenüber den Arbeitnehmern verpflichtet hätte, den Ausspruch von Kündigungen zu unterlassen. Damit kommt es auf die Frage, ob eine Interessenabwägung im Fall des ausdrücklichen Kündigungsverzichts zu einem anderen Ergebnis führen könnte, nicht an. Die bloße Aussicht des Arbeitnehmers, von Kündigungen vorerst nicht betroffen zu sein, ist rechtlich ohne Bedeutung. Abwägungen im Hinblick auf eine eventuelle Günstigkeit (abgelehnt in BAG vom 20.04.1999, 1 ABR 72/98, EzA Art. 9 GG Nr. 65) sind daher nicht veranlasst.

2. Ähnliches gilt, soweit die Beklagte ein ausdrückliches Einverständnis des Klägers anlässlich seiner Urlaubnahme am 06.09.2004 behauptet. Auch insoweit ist der Sachvortrag nicht ausreichend nachvollziehbar und einer Beweiserhebung daher nicht zugänglich. Die Beklagte hat lediglich erklärt, der Kläger habe sich nochmals mit der genannten Regelung einverstanden erklärt. Auch diesbezüglich wird nicht erläutert, was damals besprochen worden ist, ob die Regelung ausgehandelt worden ist, welche Alternativen dem Kläger vorgestellt worden sind, welche Erklärungen der Kläger hierzu abgegeben haben soll. Die Kammer kann nach dem genannten Sachvortrag nicht einmal erkennen, ob lediglich die bereits getroffene Regelung nochmals bestätigt worden ist - dies würde dann wohl nur eine Wissenserklärung darstellen -, oder ob sowohl die Vertreter der Beklagten als auch der Kläger davon ausgehen konnten und mussten, dass nunmehr Regelungen mit dem Inhalt der Veränderung des Arbeitsvertrages getroffen würden. Die Beklagte hat trotz entsprechenden ausdrücklichen Hinweises der Kammer den diesbezüglichen Sachvortrag nicht ergänzt. Der Sachvortrag ist in der vorliegenden Form einer Beweiserhebung nicht zugänglich. Auch insoweit müsste die Kammer den Sachverhalt erst ermitteln; dies ist dem Zivilprozess fremd.

Unabhängig davon gilt das oben Dargestellte auch für die nach den Behauptungen der Beklagten am 06.09.2004 getroffene Abmachung. Die Beklagte behauptet selbst nicht, dass eine entsprechende Eingrenzung und Konkretisierung der möglichen zukünftigen Verringerung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten vereinbart worden sei. Auch eine Individualregelung, wenn sie zustande gekommen ist, ist aber nach den dargestellten Grundsätzen unwirksam, wenn sie das Wirtschaftsrisiko ohne jede Begrenzung in qualitativer und quantitativer Hinsicht dem Arbeitnehmer auferlegt.

3. Dem Vorbringen der Beklagten lässt sich nicht entnehmen, dass mit dem Kläger eine konkrete Vereinbarung dahingehend getroffen worden wäre, dass bestimmte, für den Kläger erkennbare abgegrenzte Zeiträume als unbezahlten Urlaub anzusehen wären. Dies wäre zwar wohl zulässig, wenn diese Vereinbarung im Vorhinein für bestimmte konkrete Zeiträume getroffen worden wäre; auch ein Verzicht auf entstandene Annahmeverzugsansprüche im Nachhinein wäre durch vertragliche Absprache denkbar (vgl. § 619 BGB). Die Beklagte hat jedoch weder das eine noch das andere nachvollziehbar behauptet. Soweit sie in erster Instanz dargestellt hat, der Kläger habe im Nachhinein bei Aushändigung der Abrechnung jeweils die Alternative "unbezahlter Urlaub" gewählt, kann darin keine derart weitreichende Vereinbarung gesehen werden. Zunächst verwundert, dass die Beklagte diesen Sachvortrag in der Berufungsinstanz nicht wiederholt hat. Selbst wenn man ihn berücksichtigt, lässt auch dieser Vortrag nicht erkennen, was welche Personen und insbesondere der Kläger im Einzelnen gesagt haben sollten. Vieles spricht dafür, dass dem Kläger - Überstundenguthaben bestanden bei ihm unstreitig nicht - nur die Alternative "bezahlter oder unbezahlter Urlaub" zur Auswahl gestellt worden ist. Nichts spricht für das Vorhandensein einer Willenserklärung der Beklagten mit dem Inhalt, dass dem Kläger - ohne Gegenleistung - angeboten worden wäre, auf entstandene Annahmeverzugsansprüche zu verzichten, und eine hierauf folgende Einverständniserklärung des Klägers. Nach dem Sachvortrag ist vielmehr davon auszugehen, dass ein rechtsgestaltender Charakter der Nachfrage der Beklagtenvertreter, ob der Kläger bezahlten oder unbezahlten Urlaub wählen wolle, und ein rechtsgestaltender Charakter der Antwort des Klägers gerade nicht beabsichtigt war. Unterstellt, der vom Kläger bestrittene Sachvortrag der Beklagten träfe in der genannten Form zu, dann spricht alles dafür, dass die Beklagtenvertreter die Frage nur in Ausübung der vermeintlich wirksamen Vertragsabsprache gestellt haben, dass der Kläger nur die vermeintlich vereinbarte Alternative gewählt oder gar nur die nachträgliche Bestimmung von Tagen der Nichtleistung als bezahlten Erholungsurlaub abgelehnt hat. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in diesen Gesprächen - unterstellt, sie haben stattgefunden - auf entstandene Rechte verzichten wollte oder dass die Vertreter der Beklagten nach ihrem Empfängerhorizont von einer solchen Verzichtserklärung des Klägers ausgehen konnten, bestehen nicht. Auch diesbezüglich gilt zudem: Trotz des protokollierten Hinweises der Kammer in Bezug auf die fehlende Substantiierung ihres diesbezüglichen Sachvortrages hat die Beklagte diesen Vortrag weder konkretisiert noch um Einräumung einer Schriftsatzfrist zur Konkretisierung gebeten, hat vielmehr ausdrücklich um Entscheidung des Gerichts angesucht. Eine Beweisaufnahme, die ein anderes als das sich aus dem Schriftsatz ergebende Bild des Sachverhaltes erst möglicherweise entstehen ließe, kam daher nicht in Betracht.

4. Einwendungen gegen die Höhe der Forderung hat die Beklagte nicht erhoben; das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit sie in die Berufung gelangt ist, zu Recht stattgegeben, so dass die Berufung der Beklagten zurückzuweisen ist.

5. Die Beklagte, Berufungsklägerin, hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO).

6. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass.

Ende der Entscheidung

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