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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 13.01.2004
Aktenzeichen: 6 Sa 128/02
Rechtsgebiete: BGB, KSchG


Vorschriften:

BGB § 626
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 9
1.

Die Äußerungen eines aus dem Libanon stammenden Arbeitnehmers während des Ansehens der Fernsehbilder vom Terroranschlag vom 11. Sept. 2001 im Aufenthaltsraum zu Kollegen sind als Grund für eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung nicht geeignet, wenn sie größere Störungen des Betriebsfriedens nicht verursacht haben.

2.

Die Äußerungen, "die Anschläge seien zu begrüßen, damit die Amerikaner wüssten, wie Krieg im eigenen Land sei," und "hierfür seien noch viel zu wenige Menschen umgekommen" zeigen auch keine derart menschenverachtende Gesinnung, dass man bei einem Pflegehelfer im Krankenhaus auf die Gefahr schließen könnte, dieser würde sich gegenüber amerikanischen Patienten in irgendeiner Weise negativ verhalten. Der Wegfall des Vertrauens in den Arbeitnehmer erscheint hierdurch nicht gerechtfertigt.

3.

Die Äußerungen rechtfertigen selbst dann keinen Auflösungsantrag, wenn sie in der Öffentlichkeit bekannt geworden sind. Die behaupteten Gefahren, das Klinikum einer Großstadt erhalte hierdurch ein negatives Image und amerikanische Patienten könnten sich hierdurch abgeschreckt fühlen, erscheinen ohne das Hinzutreten weiterer Umstände als zu abstrakt.


6 Sa 128/02

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

in dem Rechtsstreit

Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nürnberg Vetter als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Seitz und Ott aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2003

für Recht erkannt:

I.

Auf die Berufung des Klägers hin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg, vom 29.11.2002, Az. 10 Ca 8775/01, teilweise abgeändert.

II.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten durch die Kündigung vom 19.09.2001 weder mit sofortiger Wirkung noch fristgerecht aufgelöst worden ist.

III.

Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

IV.

Die Beklagte hat den Kläger bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Kündigung nach Ziff. II als Pflegehelfer im Krankenhaustransportdienst weiterzubeschäftigen.

V.

Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

VI.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

VII.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung wegen bejahender Äußerungen des Arbeitnehmers zu den Anschlägen vom 11. September 2001 und über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Gerichtsentscheidung.

Der am 01.05.1957 geborene Kläger, der aus dem Libanon stammt, ist seit 18.04.1988 bei der Beklagten als Pflegehelfer im Krankentransportdienst beschäftigt. Er ist verheiratet und für Ehefrau und fünf Kinder unterhaltspflichtig. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages Anwendung. Der Kläger erhielt nach eigenen Angaben zuletzt ein Bruttoentgelt von durchschnittlich 3.249,60 Euro monatlich, nach Angaben der Beklagten von 3.016,62 Euro.

Am 11. September 2001 sah der Kläger zusammen mit einigen Kollegen während der Dienstzeit im Aufenthaltsraum im Fernsehen die Bilder vom Anschlag auf das World Trade Center. Hierbei äußerte er sich in einer Weise, die von den Kollegen als Zustimmung zu den Anschlägen interpretiert wurde. Die genauen Einzelheiten der klägerischen Äußerungen sind zwischen den Parteien umstritten. Die angeblichen Äußerungen des Klägers wurden im Betrieb verbreitet.

Die Beklagte erteilte dem Kläger mit Schreiben vom 14.09.2001 Hausverbot. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 19.09.2001 außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise ordentlich mit Ablauf des 31.03.2002. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am selben Tag zu.

Mit seiner am 05.10.2001 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit dieser Kündigung geltend gemacht. Er hat erklärt, er habe im Rahmen der angesichts der Fernsehbilder entstandenen Diskussion erklärt, dass nunmehr auch die Amerikaner spürten, wie es sei, wenn Krieg sei. Eine Störung des Betriebsfriedens sei hierdurch nicht entstanden. Die Ordnungsmäßigkeit der Personalratsanhörung werde mit Nichtwissen bestritten. Wegen der Unwirksamkeit der Kündigung müsse ihn die Beklagte bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung weiterbeschäftigen.

Der Kläger hat im Verfahren vor dem Arbeitsgericht daher folgende Anträge gestellt:

1.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 19.09.2001 weder fristlos noch fristgerecht aufgelöst ist, sondern unverändert fortbesteht.

2.

Für den Fall des Obsiegens in Ziff. 1:

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung als Pflegehelfer im Krankenhaustransportdienst weiterzubeschäftigen.

3.

Hilfsweise für den Fall der Abweisung des Weiterbeschäftigungsantrags:

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur Rechtskraft der Entscheidung als Pflegehelfer im Krankentransportdienst im Betriebsteil Klinikum Süd weiterzubeschäftigen.

4.

Höchst hilfsweise für den Fall der Abweisung auch dieses Weiterbeschäftigungsantrages:

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung in der Tarifgruppe K 4 in der Abteilung Sterilisation des Betriebsteils Klinikum Süd weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hilfsweise hat die Beklagte beantragt,

das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer ins Ermessen des Gerichts gestellten Abfindung aufzulösen.

Der Kläger hat beantragt,

den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Die Beklagte hat eingewandt, die Kündigung sei als fristlose, zumindest als ordentliche Kündigung berechtigt. Sie scheitere nicht an der Anhörung des Personalrats, der mit Schreiben vom 13.09.2001 ordnungsgemäß beteiligt worden sei und Einwände nicht erhoben habe. Der Kläger sei aufgrund seiner Äußerungen und der sich daraus ablesbaren Grundhaltung für sie - gerade bezogen auf die Aufgabenwahrnehmung als Krankenhaus - nicht mehr tragbar. Der Kläger habe nicht nur geäußert, dass jetzt auch die Amerikaner spürten, wie es sei, wenn Krieg sei. Er habe die Terroranschläge darüber hinaus ausdrücklich und mehrfach begrüßt mit den Worten, es sei gut so, damit "auch die Amerikaner sehen, was die jeden Tag mit unseren Leuten machen". Er sei schon lange Zeit dafür gewesen, es habe noch zu wenig Menschen getroffen, es seien noch viel zu wenige Menschen tot. Weil sich niemand sonst zu den Anschlägen bekannt habe, habe er geäußert: "Dann bekenne ich mich eben dazu." Er betrachte Amerikaner und Israelis als seine Feinde. Er habe in penetranter Art wieder und wieder an zwei aufeinanderfolgenden Tagen die Kollegen mit seiner Haltung belästigt. Diese hätten daraufhin ihre Vorgesetzten informiert und weigerten sich, mit dem Kläger weiter zusammenzuarbeiten. Die Äußerungen des Klägers seien strafbar nach §§ 140, 185, 130, 189, 166 und 103 StGB. Sie seien absolut menschenverachtend, stellten die massenhafte Vernichtung insbesondere des Lebens von Amerikanern und Israelis als wünschenswert und gerecht hin. Dieses Verhalten stehe dem Leitbild der Einrichtung "Krankenhaus" und den dort verabschiedeten Ethik-Richtlinien diametral entgegen. Wer Vernichtung und Gesundheitsbeschädigung von Menschen lautstark befürworte, sei im Krankenhausdienst fehl am Platz, zumal der Kläger offenbar zwischen Amerikanern und Juden einerseits und anderen Personen, offenbar also zwischen lebenswerten und lebensunwerten Menschen differenziere. Dies gelte umso mehr, als an das Klinikum als Anstalt des öffentlichen Rechts besondere Anforderungen gestellt seien, insbesondere die volle Identifikation mit der freiheitlich demokratischen Rechts- und Grundordnung. Der Versuch, die Kollegen von seiner gegen Gleichheit, Menschenwürde und Recht auf Leben gerichteten Auffassung zu überzeugen, sei damit nicht zu vereinbaren. Die Vertrauensgrundlage zum Kläger sei unwiederbringlich zerstört. Sein Verhalten sei zudem geschäftsschädigend, da nicht zu erwarten sei, dass sich Patienten etwa amerikanischer oder jüdischer Abstammung noch in einem Haus behandeln ließen, in dem Mitarbeiter mit derartigen Auffassungen tätig seien. Es bestehe ein erhebliches Akzeptanz-, aber sogar ein Sicherheitsproblem, wenn der Kläger mit Patienten in Kontakt käme, denen er den Tod wünsche. Darüber hinaus habe die Tatsache, dass ein solche Thesen vertretender Mitarbeiter bei ihr tätig sei, angesichts der Presseverlautbarungen eine abschreckende, schädliche und negative Ausstrahlung. Der Betriebsfriede sei gestört, die Mitarbeiter weigerten sich, mit dem Kläger weiter zusammenzuarbeiten. Im gesamten Betrieb sei erhebliche Unruhe entstanden.

Der Kläger hat eingewandt, die von ihm eingeräumten Äußerungen müssten im Zusammenhang gesehen werden. Er habe angefügt: "Vielleicht ändert sich dadurch die Politik des amerikanischen Volkes." Er habe darauf hingewiesen, dass im Nahen Osten noch mehr tote Zivilisten zu beklagen seien. Dies sei vor seinem persönlichen Hintergrund - 1976 Verlassen des Libanon wegen des Bürgerkrieges, seit 1977 in der Bundesrepublik, seit 1986 deutscher Staatsbürger - zu verstehen. Er sei angesichts der Fernsehbilder aufgewühlt gewesen, habe an seine Erlebnisse im Libanon gedacht. Die Diskussionen seien auch im Zusammenhang damit zu sehen, dass der Kollege C... erklärt habe, "gegen die" - gemeint die vermuteten Urheber des Anschlags im Nahen Osten - "müsste man Atom einsetzen." Er betrachte amerikanische und jüdische Menschen nicht als seine Feinde. Es sei falsch, dass sich die Kollegen weigerten, mit ihm weiter zusammenzuarbeiten. Ein Zusammenhang mit seiner Arbeit im Klinikum sei nicht gegeben. Er stehe voll hinter Leitbild und Ethik-Richtlinien des Klinikums. Die behauptete Geschäftsschädigung werde bestritten. Die Voraussetzungen einer Druck-Kündigung seien nicht gegeben.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben zu den zwischen den Parteien streitigen Äußerungen des Klägers und zur behaupteten Weigerung der Kollegen des Klägers, mit diesem weiter zusammenzuarbeiten, durch uneidliche Einvernahme der Zeugen D..., C..., E..., F..., G... und H... . Wegen des genauen Inhalts der Aussagen wird auf die Niederschrift über die Verhandlung vom 22.11.2002 Bezug genommen (Bl. 89 ff. d.A.).

Das Arbeitsgericht hat durch Endurteil vom 29.11.2002 wie folgt erkannt:

1.

Das Arbeitsverhältnis wird zum 31.03.2002 aufgelöst.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger gemäß §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung in Höhe von Euro 22.750,- zu bezahlen.

3.

Der Kläger trägt 1/4, die Beklagte 3/4 der Kosten des Rechtsstreits.

4.

Streitwert: Euro 9.748,80.

5.

Eine gesonderte Zulassung der Berufung zum Landesarbeitsgericht ist nicht veranlasst. Die Möglichkeit der Einlegung der Berufung nach allgemeinen Bestimmungen bleibt unberührt.

Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, die von der Beklagten behaupteten Äußerungen des Klägers hätten sich in der Beweisaufnahme im wesentlichen bestätigt. Sie seien in der Tat menschenverachtend und widersprächen dem Eigenverständnis und dem Leitbild des Klinikums. Die Äußerungen seien allerdings strafrechtlich nicht relevant, weil es an öffentlicher Billigung und Verbreitung der Äußerungen fehle. Die Äußerungen seien zwar von der Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckt. Die von der Beklagten behauptete nachhaltige Störung des Betriebsfriedens, grundsätzlich als Kündigungsgrund geeignet, habe sich in der Beweisaufnahme aber nicht bestätigt. Insbesondere die Kollegen des Klägers hätten durchweg erklärt, sie hätten keine Probleme, mit dem Kläger weiter zusammenzuarbeiten. Allein die Vorgesetzten, die nicht ständig mit dem Kläger Kontakt hätten, hätten erklärt, sie lehnten eine künftige Zusammenarbeit mit dem Kläger ab. Die Störung des Betriebsfriedens sei nur geringfügig. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hätte ihr durch Ausspruch einer Abmahnung begegnet werden müssen. Auch bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen überwögen diejenigen des Klägers, der eine lange Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflicht für Ehefrau und fünf Kinder aufweise und sich bisher nichts habe zuschulden kommen lassen. Zudem habe er die Äußerungen in aufgewühlter emotionaler Atmosphäre unter Kollegen abgegeben; er habe davon ausgehen können, dass sie nicht an die Öffentlichkeit gelangen würden. Auch eine Druckkündigung sei nicht berechtigt. Die Zeugeneinvernahme habe ergeben, dass die Kollegen des Klägers nachhaltigen Druck auf die Beklagte, den Kläger zu entlassen, nicht ausgeübt hätten. Die Beklagte habe sich zudem nicht schützend vor den Kläger gestellt und nicht versucht, den Druck abzubauen.

Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, der Auflösungsantrag der Beklagten sei gerechtfertigt, weil eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht mehr zu erwarten sei. Die in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Umstände machten die Weiterbeschäftigung für die Beklagte unzumutbar. In Presse, Funk und Fernsehen sei ausführlich über die Angelegenheit berichtet worden. Es bestehe daher die Gefahr, dass sich Patienten, vor allem solche amerikanischer oder jüdischer Abstammung, nicht mehr im von der Beklagten geführten Krankenhaus behandeln ließen. Das Akzeptanzproblem von Patienten, die aufgrund der Äußerungen des Klägers den Eindruck haben könnten, er halte ihren Tod für wünschenswert, sei nachvollziehbar. Aus diesem Grund komme auch eine Weiterbeschäftigung im Klinikum Süd nicht in Betracht, weil die Kliniken allgemein als einheitlich betrachtet würden. Als Abfindungshöhe sei die Hälfte eines monatlichen Bruttoentgelts pro Beschäftigungsjahr angemessen.

Das Endurteil des Arbeitsgerichts ist den Klägervertretern ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am 27.01.2003 zugestellt worden, der Beklagten am 30.01.2003 (Bl. 132 f. d.A.). Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Vertreter vom 27.02.2003, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt. Er hat diese Berufung - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 30.04.2003 - mit am 29.04.2003 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag begründet. Die Berufungsbegründung ist den Beklagtenvertretern ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am 05.05.2003 zugestellt worden (Bl. 174 d.A.). Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 04.06.2003, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 05.06.2003, Anschlussberufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Der Kläger hat sich in der Berufung darauf gestützt, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht dem Auflösungsantrag der Beklagten stattgegeben. Ausreichende Auflösungsgründe seien nicht gegeben. Der geltend gemachte Verstoß gegen die bei der Beklagten bestehenden Ethik-Richtlinien rechtfertige die Auflösung nicht. Er, der Kläger, habe durch langjährige Tätigkeit gezeigt, dass er seine Arbeitsleistungen gemäß diesen Richtlinien erbringe. Seine einmaligen, in hoher Emotionalität getätigten spontanen Äußerungen ständen dem nicht entgegen. Er habe stets betont, dass er niemals die körperliche Unversehrtheit von Zivilpersonen in Frage stellen würde. Seine Äußerungen seien nicht gegen die amerikanische Bevölkerung gerichtet gewesen, sondern allenfalls gegen die amerikanische Politik. Gedanken allein könnten einen Auflösungsantrag nicht begründen. Die Beklagte behaupte selbst nicht, dass er solche Äußerungen in Gegenwart von Patienten abgegeben habe. Es sei auszuschließen, dass er solche Gedanken wiederhole. Die Tatsache, dass der Vorfall in der Öffentlichkeit bekannt geworden sei, sei von ihm nicht veranlasst und könne ihm nicht zugerechnet werden. Die Presseberichterstattung sei kurzlebig, es sei auszuschließen, dass sich in aktuellen oder potentiellen Patienten hierdurch ein gegen die Beklagte gerichtetes Bewusstsein herausbilden könnte. Auch die Qualität des Klinikums werde nicht nach den einmaligen Äußerungen eines Transporthelfers bewertet. Es sei unerfindlich, wie die Beklagte und das Arbeitsgericht auf jüdische Patienten kämen. Hiervon sei nie die Rede gewesen.

Die Beklagte hat ihre Anschlussberufung damit begründet, das Arbeitsgericht habe die Kündigung zu Unrecht für unwirksam gehalten. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Kläger die behaupteten Äußerungen abgegeben habe. Er habe sich in menschenverachtender Weise geäußert. Er habe nicht nur die hohe Zahl von Opfern gebilligt, sondern darüber hinaus bedauert, dass es nicht noch mehr Tote gegeben habe. Im übrigen betrachte er sich als Feind von Amerikanern und Israelis. Im Einzugsbereich des Klinikums lebten sowohl amerikanische Staatsangehörige als auch Einwohner jüdischen Glaubens. Auch das Arbeitsgericht gehe davon aus, dass der Kläger seine arbeitsvertraglichen Nebenpflichten verletzt habe. Es ziehe hieraus aber nicht die richtigen Schlüsse. Es stelle lediglich auf die Zusammenarbeit mit den Kollegen ab, vernachlässige aber die Erklärungen der Vorgesetzten. Es beachte nicht, dass die angesichts der Terroranschläge bestehende emotionale Lage nicht nur zugunsten des Klägers, sondern auch und gerade zugunsten der Beklagten und ihrer Mitarbeiter berücksichtigt werden müsse. Im übrigen führten gerade Zustände emotionaler Erregung erfahrungsgemäß dazu, dass Menschen ihre sonst geübte Beherrschung verlören. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger angesichts dieser Situation seine wahren Überzeugungen und Ansichten offenbart habe. Er habe hier seine Maske fallen lassen. Sie, die Beklagte, könne als öffentlicher Gesundheitsfürsorge gewidmete Anstalt solches Gedankengut nicht hinnehmen. Sie müsse davon ausgehen können, dass alle Hilfsbedürftigen ohne Ansehung von Nationalität oder Religion gepflegt und geheilt würden. Dies könne sie vorliegend angesichts der zum Ausdruck gekommenen Ansichten des Klägers nicht mehr. Eine Abmahnung sei nicht erforderlich. Zum einen sei die Verletzung des Vertrauens durch den Arbeitnehmer so schwerwiegend, dass eine Wiederherstellung nicht möglich sei; das Vertrauensverhältnis sei irreparabel zerstört. Zum anderen habe der Kläger nicht davon ausgehen können, dass seine Äußerungen gebilligt würden. Daher falle die Interessenabwägung zu ihren Gunsten aus; zumindest sei die ordentliche Kündigung gerechtfertigt.

Der Kläger stellt in der Berufungsinstanz folgende Anträge:

I.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 29.11.2002 - Az. 10 Ca 8775/01 - wird abgeändert.

II.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 19.09.2001 weder fristlos noch fristgerecht aufgelöst worden ist.

III.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung als Pflegehelfer im Krankenhaustransportdienst weiterzubeschäftigen.

Hilfsweise:

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung in der Tarifgruppe K 4 in der Abteilung Sterilisation des Betriebsteils Klinikum Süd weiterzubeschäftigen.

IV.

Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte und Anschlussberufungsklägerin beantragt:

I.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 29.11.2002, Az. 10 Ca 8775/01, wird zurückgewiesen.

II.

Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 29.11.2002, Az. 10 Ca 8775/01, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt hierzu,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, das Arbeitsgericht habe zutreffend erkannt, dass Gründe vorlägen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten ließen. Hierbei dürften keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Der Kläger habe mit seinen Äußerungen zu erkennen gegeben, dass er nicht mehr auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehe, sondern Gewalt an Zivilpersonen befürworte. Er habe seine wahren Gedanken geäußert. Es sei unerheblich, ob die Gefahr bestehe, dass er seine Äußerungen wiederhole, da man davon ausgehen müsse, dass er dieses Gedankengut weiter trage. Nach wie vor sei das Arbeitsverhältnis schwer gestört, zumal der Kampf gegen den Terrorismus weitergeführt werde und zumal die Terroristen weitere Anschläge angekündigt hätten. Es bestehe daher weiter die Gefahr, dass der Kläger auch solche Anschläge billige. Mit Recht sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Öffentlichkeit diesbezüglich weiter sensibilisiert sei.

Der Kläger bezieht sich zur Ablehnung der Anschlussberufung auf sein erstinstanzliches Vorbringen und die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts. Er erklärt, die Beklagte beschäftige eine Vielzahl von Mitarbeitern mit dem gesamten Spektrum politischen Gedankenguts. Eine Störung des Betriebsfriedens sei nicht ernsthaft erkennbar.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Ersturteils vom 29.11.2002 (Bl. 108 ff. d.A.), die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 09.12.2003 (Bl. 222 ff. d.A.) und die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, weil sie sich gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil richtet (§ 64 Abs. 1 ArbGG). Eine Beschwerdesumme ist für den Streit über das Bestehen des Arbeitsverhältnisses nicht erforderlich (§ 64 Abs. 2 c) ArbGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes hinsichtlich der Weiterbeschäftigung übersteigt 600,- Euro (§ 64 Abs. 2 b) ArbGG). Die Berufung ist auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 S. 1, S. 2 ArbGG). Auch die Anschlussberufung ist zulässig (vgl. § 64 Abs. 2 b) ArbGG). Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingereicht und begründet nach §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 524 Abs. 1, Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 ZPO).

II.

Die Anschlussberufung ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des Arbeitsgerichts erweist sich, soweit es erkannt hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 19.09.2001 nicht aufgelöst worden ist, als richtig. Die Berufungskammer folgt insoweit den sorgfältigen Erwägungen des Arbeitsgerichts, denen sie sich in vollem Umfang anschließt, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Nur ergänzend ist im Hinblick auf die in der Berufung von den Parteien vorgetragenen Argumente noch hinzuzufügen:

1.

Nach der Überzeugung der Kammer ist schon ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB, der die Beklagte zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, nicht gegeben.

a.

Dabei geht die Kammer wie auch das Arbeitsgericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon aus, dass der Kläger gegenüber seinen Kollegen gesagt hat, es sei "gut so, damit die Amerikaner auch sehen, was die jeden Tag bei uns mit den Leuten im Libanon machen". Die Kammer ist wie das Arbeitsgericht auch davon überzeugt, dass der Kläger sinngemäß zum Ausdruck gebracht hat, es habe noch viel zu wenige Leute getroffen. Die Kammer sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit der von den Kollegen des Klägers bestätigten Äußerungen zu zweifeln. Irgendwelche nachvollziehbaren Zweifel an der Richtigkeit der von den Zeugen gemachten Aussagen hat der Kläger in der Berufungsinstanz auch nicht vorgebracht.

b.

Die Aussagen sind für sich genommen als wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB nicht geeignet. Es handelt sich nach dem gesamten Kontext um politische Äußerungen im Kollegenkreis. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Arbeitsleistung besteht nicht. Auch die Beklagte oder deren Mitarbeiter sind von diesen Äußerungen nicht unmittelbar betroffen. Die Kammer folgt dem Arbeitsgericht in bezug auf die Ausführungen zur Strafbarkeit der Äußerungen, wobei es letztlich darauf nicht ankommt. Auch Straftaten, die der Beschäftigte ohne jeden Bezug zum Arbeitsverhältnis begeht, sind als Kündigungsgrund nur in Ausnahmefällen geeignet. Dass der Kläger andere zur Begehung von Straftaten aufgefordert hätte, dass er gerade das Arbeitsverhältnis zur Begehung der Straftaten genutzt hätte, behauptet die Beklagte selbst nicht. Die Tatsache, dass er die Äußerungen im Kollegenkreis und in den Räumen der Beklagten gemacht hat, genügen angesichts der Art der behaupteten Straftaten hierfür nicht. Sie haben selbst mit dem Arbeitsverhältnis nichts zu tun; die Tatsache, dass der Fernseher von der Beklagten gestellt ist, hat kein solches Gewicht, dass dies für einen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis genügen würde. Die Äußerungen sind nicht gerade deswegen gemacht, weil der Kläger durch das Arbeitsverhältnis mit der gesamten Problematik in Berührung gekommen wäre. Letztlich beruft sich auch die Beklagte nicht darauf, dass die Äußerungen gerade in der Klinik getätigt wurden, sondern begründet sie mit der Betriebsfriedensstörung und der sich hieraus ergebenden Einstellung des Klägers. Diese Begründungen haben keinen Bezug dazu, dass der Kläger die Äußerungen gerade im Arbeitsverhältnis abgegeben hat. Der Schwerpunkt der Begründung der Kündigung bezieht sich auf die Person des Arbeitnehmers; damit sind die Grundsätze einer Kündigung wegen außerbetrieblichen Verhaltens anzuwenden (vgl. hierzu nur KR-Fischermeier, Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsrecht, 6. Aufl. 2002, § 626 BGB Rn. 414 mit umfangreichen Nachweisen). Mit Recht fordert daher das Arbeitsgericht, dass über die Äußerungen hinaus weitere Umstände vorhanden sein müssten, die den Bezug zum Arbeitsverhältnis herstellen würden (vgl. etwa Müller-Glöge in ErfKommentar, 4. Aufl. 2004, § 626 BGB Rn. 122 und besonders Rn. 150). Parteipolitische Hetze, Aufrufen zu Terrorakten und ähnliches (hierzu KR-Fischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rn. 438) liegt offensichtlich nicht vor.

c.

Keinen wichtigen Grund stellt vorliegend auch dar, dass der Kläger in seiner durch die Äußerungen zum Ausdruck gebrachten persönlichen Haltung nicht mehr für die Tätigkeit im öffentlichen Dienst tragbar wäre. Zwar handelt es sich bei der Beklagten um eine öffentlich-rechtliche Anstalt, verlangt § 8 BAT, dass der Arbeitnehmer für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten hat. Richtig ist auch, dass die Achtung vor den Menschenrechten, insbesondere auch der Menschenwürde und der Unverletzlichkeit der Person, hierzu zu zählen sind (vgl. hierzu Müller-Glöge in ErfKommentar, a.a.O., § 626 BGB Rn. 137; BAG vom 08.06.2000, Az. 2 AZR 638/99, EzA § 626 BGB n.F. Nr. 182). Voraussetzung für die Bejahung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB wäre jedoch zunächst, dass das Verhalten des Arbeitnehmers den Schluss zuließe, er werde hierfür nicht eintreten, er lehne die Menschenrechte und Menschenwürde ab. Ein solcher Schluss lässt sich aus den Äußerungen, so wie sie nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts feststehen, jedoch nicht ziehen. Die Äußerungen sind in ihrem Schwerpunkt politischer Natur. Sämtliche Zeugen haben angegeben, der Kläger habe einen Zusammenhang mit der Situation im Nahen Osten hergestellt, habe sich auf das Verhalten der Amerikaner im Verhältnis zum Nahen Osten bezogen, habe zum Ausdruck gebracht, dass die Amerikaner verantwortlich für die Situation im Libanon seien, die ebenfalls - und noch mehr - Menschenleben gefordert habe. Zwar lassen sich die Äußerungen hierdurch nicht rechtfertigen. Sie zeigen aber den politischen Charakter. Nicht Mord und Terrorismus an sich wird gerechtfertigt, sondern es wird ein Vergleich gezogen mit an anderen Konfliktherden sichtbaren - nach Auffassung des Klägers von der amerikanischen Politik verursachten - Opfern in der Zivilbevölkerung. Nicht die Tötung von Menschen abstrakt wird vom Kläger als berechtigt erklärt, sondern die Erwartung wird geäußert, dass die Amerikaner aus diesem Vorfall lernen sollten. Im Hinblick auf diesen Zusammenhang kann der Schluss, diesen einmaligen Äußerungen sei zu entnehmen, der Kläger trete als Person nicht für die Menschenwürde ein, habe hierdurch seine wirkliche Gesinnung bewiesen, er billige grundsätzlich die Tötung unschuldiger Menschen, unter Abwägung der konkreten Umstände nicht ernsthaft gezogen werden.

d.

Überzeugend hat das Arbeitsgericht auch dargelegt, dass - außerhalb der behaupteten Gesinnung - ein Bezug zum Arbeitsverhältnis zwar in einer gewissen Störung des Betriebsfriedens besteht, dass diese Störung jedoch kein Gewicht erreicht, um einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung bilden zu können. Dabei geht die Kammer mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, dass eine Störung des Betriebsfriedens nur dann als Kündigungsgrund dienen kann, wenn diese konkret im Betrieb auftritt oder aufgetreten ist (ständige Rechtsprechung seit BAG vom 17.03.1988, 2 AZR 576/87, EzA § 626 BGB n.F. Nr. 116). Die unmittelbaren Kollegen des Klägers haben zwar durchweg ausgesagt, sie hätten sich über die Äußerungen des Klägers empört. Sie haben aber hinzugefügt, sie hätten mit dem Kläger über seine Äußerungen gesprochen und über die Hintergründe diskutiert. Die Kollegen D... und E... haben erklärt, sie hätten keinerlei Probleme, mit dem Kläger weiter zusammenzuarbeiten. Der Kollege C... hat zwar dargelegt, er wolle mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten. Er hat aber nicht einmal auszuschließen vermocht, dass er solche Einsätze zusammen mit dem Kläger nach dem Vorfall ohne Beanstandungen durchgeführt habe. Die Zeugin F... hat lediglich ausgeführt, sie sei informiert worden, dass Kollegen mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten wollten, ohne darlegen zu können, auf welche Personen sich dies bezogen haben soll. Ähnliches hat die Zeugin G... erklärt. Der Zeuge H... hat sich allein auf die Äußerungen des Pflegehelfers C... bezogen, der die Äußerungen des Klägers wohl auch gegenüber den Vorgesetzten publik gemacht hat. Letztlich hat sich die Störung, die die Beklagte behauptet, nur auf wenige Arbeitnehmer bezogen und nur kurze Zeit angedauert. Die behauptete Störung ist nach alldem, soweit sie sich in der Beweisaufnahme erwiesen hat, nicht sehr gewichtig, bezieht sich im wesentlichen auf den Pflegehelfer C.... Dies rechtfertigt es, zumal die Situation einer Druck-Kündigung sehr nahe kommt, in diesem konkreten Fall von einem verständigen Arbeitgeber zu verlangen, zunächst den Versuch einer Vermittlung mit dem Kläger und dessen Kollegen C... anzustreben und erst bei einem Scheitern solcher Vermittlungsversuche weitere Schritte durchzuführen (ähnlich KR-Etzel, a.a.O., § 1 KSchG Rn. 471).

e.

Beizupflichten ist den Ausführungen des Arbeitsgerichts im Hinblick auf die Ablehnung des wichtigen Grundes auch, soweit eine Druck-Kündigung in Betracht kommt. Zum einen hat sich in der Beweisaufnahme ein ernsthafter Druck durch die anderen Arbeitnehmer nicht ergeben. Soweit diese ausgesagt haben, sie wollten mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten, erreichen solche Aussagen nicht die notwendige Bestimmtheit und Nachhaltigkeit. Es ist nicht zu erkennen, dass die Beklagte bei Nichtkündigung des Klägers mit einer Abkehr dieser Arbeitnehmer rechnen müsste. Zum anderen hat die Beklagte nichts dazu getan, den Druck dieser Arbeitnehmer abzubauen (vgl. hierzu die Nachweise bei KR-Etzel, a.a.O., § 1 KSchG Rn. 586).

f.

Letztlich kann vorliegend auch die Beschädigung des Ansehens des öffentlichen Dienstes nicht als wichtiger Grund in diesem Sinn dienen. Zwar ist der Beklagten einzuräumen, dass die Tauglichkeit des Angestellten im öffentlichen Dienst im Hinblick auf § 8 BAT nicht nur durch Störungen des Vertrauensverhältnisses zwischen den Arbeitsvertragsparteien selbst beeinträchtigt sein kann. Vielmehr kann, soweit Angestellte als Repräsentanten des Staates gegenüber der Öffentlichkeit auftreten, auch eine von diesen verursachte Störung, die das Ansehen des öffentlichen Dienstes herabwürdigt, als Kündigungsgrund geeignet sein (BAG vom 14.02.1996, 2 AZR 274/95, EzA § 626 BGB n.F. Nr. 160; BAG vom 20.11.1997, 2 AZR 643/96, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 52; BAG vom 08.06.2000, 2 AZR 638/99, EzA § 626 BGB n.F. Nr. 182). Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Zum einen ist die Stellung des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Vorliegend handelt es sich um einen Krankenpflegehelfer, der eine für die Beklagte wie für den öffentlichen Dienst insgesamt nicht prägende Dienststellung innehat. Zumindest in der Öffentlichkeit - und dabei geht es beim Ansehen in erster Linie - wird der Äußerung eines Krankenpflegehelfers weit weniger Bedeutung beigemessen als derjenigen etwa eines Bürgermeisters, eines Chefarztes oder eines in verantwortlicher Position tätigen Mitarbeiters. Zum anderen ist auch hier die Schwere des Verstoßes zu beachten. Handlungen, die den Ansehensverlust herbeiführen, müssen ein gewisses Gewicht haben; sie müssen in unmittelbarem Widerspruch zur Aufgabe der Beschäftigungsbehörde stehen oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden können (BAG vom 08.06.2000, a.a.O., unter B.I.2.a. der Entscheidungsgründe). Gerade dann, wenn es sich wie dargestellt nicht um eine Straftat des Arbeitnehmers handelt - oder wenn, um eine solche von sehr geringem Gewicht -, wird bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers in der Regel eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung genügend sein (BAG vom 08.06.2000, a.a.O., unter B.I.2.b. der Entscheidungsgründe). Die Kammer folgt dem Arbeitsgericht auch darin, dass dem in der Öffentlichkeit entstehenden Ansehensverlust auch dadurch begegnet werden kann, dass mit dem Ausspruch einer Abmahnung klargestellt wird, ein derartiges Verhalten werde nicht geduldet. Hierfür ist nach der Überzeugung der Kammer weder Ausspruch einer außerordentlichen noch einer ordentlichen Kündigung erforderlich.

g.

Nach alldem fehlt es bereits am Vorhandensein eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Selbst wenn man das Vorhandensein eines solchen Grundes bejahen würde, ergäbe - und auch dies führt das Arbeitsgericht zu Recht aus - die erforderliche Interessenabwägung, dass es der Beklagten zumutbar wäre, wenigstens die Kündigungsfrist einzuhalten. Dabei ist, dies ist der Beklagten zuzugeben, zu ihren Gunsten auch das Entsetzen und die aufgewühlte Stimmung der anderen Beschäftigten und der Bevölkerung nach dem schrecklichen Terror-Anschlag zu berücksichtigen. Angesichts dessen, dass der Kläger die Äußerungen aber nicht in der Öffentlichkeit, sondern allein im beschränkten Kollegenkreis abgegeben hat, dass er nicht damit rechnen musste, dass diese Äußerungen an die Öffentlichkeit gelangen, dass sie im Zusammenhang mit politischen Erörterungen gefallen sind, überwiegen die Interessen des Klägers diejenigen der Beklagten, die neben der - relativ geringfügigen - Betriebsfriedensstörung im Ansehensverlust gegenüber der Öffentlichkeit und vielleicht - wenn auch nicht nahe liegend - im Verlust von potentiellen amerikanischen Patienten bestehen. Zudem sind zugunsten des Klägers die relativ lange Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter, die Unterhaltspflichten und seine persönliche Betroffenheit durch die Erfahrungen im Libanon zu berücksichtigen.

2.

Dem Arbeitsgericht ist auch darin zu folgen, dass das Verhalten des Klägers, die Störung des Betriebsfriedens wie auch der Ansehensverlust der Beklagten in der Öffentlichkeit auch eine ordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermögen. Im wesentlichen gelten hierbei dieselben Überlegungen wie zur Ablehnung des wichtigen Grundes. Auch unter Beachtung des Maßstabes des § 1 Abs. 2 KSchG wiegen das Verhalten des Klägers und die hierdurch entstandenen Störungen nicht so stark, dass sie den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung "bedingen" könnten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hätte geboten, auf den Kläger einzuwirken und gegebenenfalls eine Abmahnung auszusprechen. Damit wäre - angesichts der Veröffentlichung des Problems - nach der Überzeugung der Kammer auch dem Ansehen des öffentlichen Dienstes hinreichend Genüge geleistet worden. Auch durch eine Abmahnung hätte verdeutlicht werden können, dass die Beklagte ein solches Verhalten im Wiederholungsfall nicht hinnehmen gewillt ist. Soweit die Beklagte Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Klägers angestellt hat und diese als Kündigungsgrund aufführt, gilt das oben Dargelegte: Bei verständiger Würdigung lassen sich solche Schlüsse aus den einmaligen Äußerungen des Klägers mit ihrem eher politischen Inhalt nicht ziehen. Die Gefahr, dass amerikanische Patienten von einer Behandlung im Klinikum abgeschreckt werden könnten, erscheint der Kammer als sehr abstrakt und nur am Rande nachvollziehbar. Mit Recht weist der Kläger darauf hin, dass ein Bezug seiner Äußerungen zu Patienten im Klinikum und zu seiner Arbeit als weit hergeholt erscheint. Zum anderen hat die Beklagte nichts dafür vorgetragen, mit wie vielen Amerikanern als Patienten sie überhaupt gerechnet hat und inwieweit sich deren Fehlen überhaupt finanziell oder in sonstiger Weise auf den Betrieb auswirken soll. Sie hat auch auf Nachfragen des Vorsitzenden in der Verhandlung vom 09.12.2003 konkrete Angaben nicht gemacht, hat sich lediglich darauf berufen, es würden z.B. auch Schönheitsoperationen im Klinikum durchgeführt. Auch unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes sind die Angaben der Beklagten viel zu pauschal und unsubstantiiert, um die sich hieraus ergebende angebliche Beeinträchtigung auch nur annähernd nachvollziehen zu können.

Schließlich ist dem Arbeitsgericht auch in der Interessenabwägung zu folgen, die im vorliegenden Einzelfall ergibt, dass der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers zuzumuten ist. Es wiegt schwer, dass der Kläger nicht damit rechnen musste, dass seine Äußerungen an die Öffentlichkeit dringen würden. Gerade im Kollegenkreis kann nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden. Auch die persönlichen Verhältnisse des Klägers sprechen stark zu seinen Gunsten, ebenso wie die Einmaligkeit der Situation. Entgegen der Ansicht der Beklagten spricht nichts dafür, dass der Kläger selbst bei neuen Anschlägen seine Äußerungen wiederholen würde. Angesichts dessen, dass konkrete und nachhaltige Störungen bei der Beklagten nicht erkennbar sind, überwiegen die Interessen des Klägers an der Weiterbeschäftigung.

3.

Nach alldem hat das Arbeitsgericht im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Kündigung richtig entschieden. Die Anschlussberufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.

III.

Die Berufung des Klägers erweist sich hingegen als begründet. Der Auflösungsantrag der Beklagten war zurückzuweisen, weil zumindest aus jetziger Sicht nicht damit zu rechnen ist, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht mehr erwartet werden könnte.

1.

Die Kammer folgt dem Arbeitsgericht zunächst darin, dass an die Auflösung des Arbeitsverhältnisses strenge Anforderungen zu stellen sind, dass die entsprechenden Gründe allerdings nicht das Gewicht eines Kündigungsgrundes erreichen müssen. Erforderlich ist, dass die im Zusammenhang mit der Kündigung eingetretene Störung so weiterbesteht, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr erwartet werden kann (vgl. nur Ascheid, ErfKommentar, a.a.O., § 9 KSchG Rn. 21).

2.

Die von der hierfür darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten aufgeführten Gründe erreichen entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts aus heutiger Sicht kein solches Gewicht, dass von einem solchen Zustand auszugehen wäre. Dies gilt zunächst, soweit das Arbeitsgericht sich auf die in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Umstände des Falles bezieht. Die Tatsache der Öffentlichkeit allein ist als Grund für die Auflösung ungeeignet. Hinzukommen müssten Wertungen von durch die Öffentlichkeit nunmehr informierter Personenkreise, die eine Weiterbeschäftigung für die Beklagte unzumutbar machen würden. Die Kenntnis der Bevölkerung davon, dass ein bei der Beklagten beschäftigter Krankenpflegehelfer eine solche Äußerung getätigt hat, lässt noch nicht erkennen, inwieweit hierdurch die Beklagte beeinträchtigt wäre. Dafür wäre zunächst erforderlich, dass diese Äußerungen der Beklagten von der Öffentlichkeit in irgendeiner Weise zugerechnet würden - schon dies kann die Kammer nicht erkennen. Irgendwelche genaueren Angaben hat die Beklagte hierzu nicht gemacht. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür, dass "die Bevölkerung" es der Beklagten oder ihrer Einrichtung Klinikum zum Vorwurf machen würde, "so jemanden" zu beschäftigen. Die Tatsache, dass das Geschehen in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist, besagt aber für sich genommen über die zwischen den Parteien bestehenden Beziehungen nichts.

3.

Das Arbeitsgericht hat entsprechend den Ausführungen der Beklagten angenommen, es bestehe die Gefahr, dass sich Patienten - vor allem solche amerikanischer oder jüdischer Abstammung - nicht in einem Krankenhaus behandeln ließen, in dem Mitarbeiter tätig seien, die Ansichten wie der Kläger vertreten. Diese Auffassung kann die Kammer nicht nachvollziehen. Zum einen ist ausgesprochen fraglich, ob die Äußerungen von solchen Patienten - wenn überhaupt - der Anstalt B... und nicht der Stadt Nürnberg insgesamt zugeschrieben würden. Die genauen rechtlichen Zusammenhänge dürften Außenstehenden nicht bekannt sein, zumindest nicht im Gedächtnis bleiben. Zum anderen erscheint es der Kammer als ausgesprochen unwahrscheinlich, dass Mitbürger, die eine solche Äußerung über Presse oder Rundfunk zur Kenntnis genommen haben, diese nachhaltig dem Arbeitgeber selbst zuschreiben oder anlasten werden. Betroffen ist doch zunächst der Arbeitnehmer; die Gefahr, dass bei der Anstalt Klinikum oder der Stadt Nürnberg derartiges Gedankengut verbreitet ist, wird aus der einmaligen Äußerung eines Krankenpflegehelfers kein verständiger Außenstehender ableiten. Schließlich gilt auch in bezug auf das mögliche Wegbleiben von Patienten, dass überhaupt nicht ersichtlich ist, in welcher Form die Beklagte als Klinikumbetrieb hierdurch beeinträchtigt wäre. Konkrete Umstände sind nicht ersichtlich.

Mit Recht führt der Kläger aus, dass seine Äußerungen mit jüdischen Bürgern nichts zu tun hatten. Wenn sich überhaupt jüdische Mitbürger oder Patienten angesprochen fühlen könnten, dann dadurch, dass es sich beim Kläger um einen gebürtigen Libanesen handelt, der Äußerungen über den Nahen Osten gemacht hat. Seine Äußerungen beziehen sich, soweit nicht die amerikanischen Opfer im World Trade Center betroffen sind, allein auf die politische Situation im Nahen Osten. Sämtliche Zeugen haben ausgesagt, dass er den Anschlag in Bezug zur Politik Amerikas gesetzt hat. Juden waren nicht angesprochen, schon gar nicht als Personen oder als religiös Andersdenkende. Auch hier erscheint es als weit hergeholt, dass sich Bürger jüdischer Abstammung abschrecken lassen könnten, das Klinikum zu besuchen. Vernünftigerweise ist dies nicht zu erwarten - und wenn, dann wäre es nicht gerechtfertigt. Konkrete Ausführungen hierzu hat auch die Beklagte nicht gemacht.

4.

Die Kammer kann dem Arbeitsgericht auch nicht darin folgen, wenn es ein erhebliches Akzeptanzproblem der Bevölkerung sieht. Das Arbeitsgericht begründet dies entsprechend den Ausführungen der Beklagten mit der Sorge, dass der Kläger mit Patienten in Kontakt kommen könnte, die aufgrund seiner Äußerungen den Eindruck haben könnten, dass er ihren Tod für wünschenswert halte oder sich hierüber freue. Das von der Beklagten befürchtete so begründete Akzeptanzproblem kann die Kammer nicht erkennen. Dies würde voraussetzen, dass die Äußerungen des Klägers einen Bezug zu seiner Tätigkeit hätten. Dies wäre etwa der Fall, wenn er allen amerikanischen Bürgern überall auf der Welt den Tod gewünscht hätte. Die von den Zeugen bestätigten Äußerungen des Klägers geben so zu interpretierende Aussagen aber nicht her. Wie dargestellt stehen Äußerungen über die Politik Amerikas im Vordergrund, besteht keinerlei Bezug zu möglichen eigenen Handlungen oder Aktivitäten des Klägers. Wie dargestellt lassen die Äußerungen nach der Überzeugung der Kammer entgegen der Ansicht der Beklagten keinen Rückschluss darauf zu, dass der Kläger nunmehr seine wahre Gesinnung offenbart hätte, dass er "seine Maske habe fallen lassen". Die Kammer kann nicht erkennen, dass Presseberichte einen solchen Eindruck erweckt hätten. Nichts spricht dafür, dass die Bevölkerung aus heutiger Sicht - abzustellen ist für die Beurteilung des Auflösungsgrundes auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (zuletzt BAG vom 07.03.2002, Az. 2 AZR 158/01, EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 45) - ohne Anhaltspunkte in der Presse einen solchen Schluss ziehen würde. Letztlich bleibt die - auch nach Auffassung der Kammer - berechtigte Empörung der Bevölkerung, dass jemand eine solche Äußerung gemacht hat, dass er die Anschläge gebilligt und erklärt hat, es wäre für eine Änderung der Politik Amerikas gut gewesen, wenn es noch mehr Opfer gegeben hätte. Nichts spricht jedoch aus heutiger Sicht dafür, dass eine solche berechtigte Empörung Auswirkungen auf die Beklagte hätte. Letztlich bleibt in bezug auf die Beklagte die Befürchtung eines möglichen Ansehensverlustes in der Bevölkerung und bei amerikanischen Mitbürgern durch die Weiterbeschäftigung des Klägers. Auch diese Möglichkeit schätzt die Kammer aber als geringfügig ein - zumal die Beklagte ihr durch den Ausspruch einer Abmahnung begegnen und sich vom Kläger hierdurch auch gegenüber der Bevölkerung nachdrücklich distanzieren kann.

5.

Da die Kammer nicht erkennen kann, worin die durch die festgestellten Äußerungen des Klägers hervorgerufenen Beeinträchtigungen der Beklagten in der Zukunft liegen sollten, da sie die Befürchtung solcher Beeinträchtigungen nach dem Sachvortrag der Beklagten allenfalls in geringfügigem Maße nachvollziehen kann, konnte dem Auflösungsantrag nicht stattgegeben werden. Eine objektive Lage, welche die Besorgnis der Beklagten rechtfertigen würde, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger gefährdet sei, ist für die Kammer nicht erkennbar. Dies gilt umso mehr, als nach Auffassung der Kammer mit einer Wiederholung des klägerischen Verhaltens vernünftigerweise nicht gerechnet werden kann.

6.

Nach alldem war der Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen. Sonstige Beendigungstatbestände sind nicht erkennbar. Nachdem die Kammer davon überzeugt ist, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten weiter fortbesteht, war die Beklagte auch zur Weiterbeschäftigung des Klägers zu verurteilen. Die Kammer sieht hierbei keinen Grund, der der Weiterbeschäftigung im B... entgegenstehen würde, so dass schon dem Hauptantrag auf Weiterbeschäftigung stattzugeben war; eine Einschränkung des der Beklagten zustehenden Direktionsrechts ist hiermit nicht verbunden.

Die Kammer folgt hinsichtlich des Bestehens und der Begründung eines Weiterbeschäftigungsanspruches nach Ausspruch einer Kündigung und bestehender Rechtsunsicherheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Arbeitsverhältnis im fraglichen Zeitraum den Grundsätzen, wie sie der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 27.02.1985 aufgestellt hat (GS 1/84, vgl. z.B. EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9). Danach besteht ein solcher Anspruch grundsätzlich auf Grund der durch den Arbeitsvertrag unter anderem begründeten Pflicht des Arbeitgebers, auch die Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers zu fördern, und zwar gemäß § 242 BGB unter Berücksichtigung der Wertentscheidung der Art. 1 und 2 Grundgesetz über den Persönlichkeitsschutz. Dies gilt allerdings nur, soweit nicht überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Wird das Arbeitsverhältnis gekündigt und ist dessen Fortbestehen streitig, weil der gekündigte Arbeitnehmer die Kündigung für unwirksam hält und sich dagegen mit der Klage zur Wehr setzt, so verändert sich die im ungestörten Arbeitsverhältnis bestehende Interessenlage der Parteien im Hinblick auf eine tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers. Abgesehen von den Fällen der offensichtlich unwirksamen Kündigung und von Fällen besonderer Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers begründet die Unwirksamkeit der Kündigung und damit die Ungewissheit des Prozessausgangs mit den daraus folgenden Risiken ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses nicht beschäftigen zu müssen. Diese Interessenlage ändert sich jedoch, wenn im Kündigungsschutzprozess ein gerichtliches Urteil ergeht, welches die Unwirksamkeit der Kündigung feststellt (BAG, Großer Senat, a.a.O.). Die Kammer folgt dem in ständiger Rechtsprechung, wie - soweit ersichtlich - auch die anderen Kammern des Landesarbeitsgerichts Nürnberg.

Nach diesen Grundsätzen besteht ein Weiterbeschäftigungsanspruch. Die Kammer hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 19.09.2001 nicht aufgelöst worden ist, und den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Die Entscheidung ist wegen der Möglichkeit, sie mit der Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht anzugreifen, nicht rechtskräftig. Aus diesem Grund ist grundsätzlich von einem Überwiegen der Interessen des Klägers auszugehen. Die Ungewissheit des Prozessausgangs über das Bestehen des Arbeitsverhältnisses für sich allein kann ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung nicht mehr begründen. Besondere entgegenstehende arbeitgeberseitige Interessen hat die Beklagte - soweit sie sich nicht gegen das Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses verwahrt hat - nicht genannt. Daher besteht die Verpflichtung zur Beschäftigung bis zur Rechtskraft der Entscheidung über Kündigung und Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

IV.

Die Beklagte, die in vollem Umfang unterlegen ist, hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO).

V.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass.

Ende der Entscheidung

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