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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 02.04.2004
Aktenzeichen: 6 Sa 846/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 284
ZPO § 286
Einem Beweisangebot ist nachzukommen, wenn der diesem zugrunde liegende Sachvortrag hinreichend substantiiert ist. Dies ist der Fall, wenn ein individueller Geschehensablauf geschildert ist. Dabei kann sich die notwendige Individualisierung auch aus anderen Umständen als der genauen Zeit und dem genauen Ort eines Gesprächs ergeben - hier: unstreitig einziges Angebot zu einer vom Kläger angetretenen Flugreise bei Streit über den genauen Inhalt des Angebots.
LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 846/01

in dem Rechtsstreit

wegen sonstiges

Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nürnberg Vetter als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Meier und Ott aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02.04.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg, Kammer Aschaffenburg, vom 13.08.2001, Az. 6 Ca 705/01 A, abgeändert. II. Die Klage wird abgewiesen. III. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung eines ehemaligen Arbeitgebers zur Zahlung von Gehalt und Aufwandsentschädigung.

Der Kläger war im Zeitraum 01.07.1998 bis 30.06.2000 als Vertragsamateur beim Sportverein B... beschäftigt. Mit Vereinbarung vom 07.12.1998 (Anlage zur Klageschrift, Bl. 6 d.A.) verpflichtete sich die Beklagte zur Zahlung von Grundgehalt und Siegprämie sowie zur Erstattung von Fahrtkosten. Im Dezember 1999 nahm der Kläger mit seiner Freundin an einer von einem Sponsor des Sportvereins gezahlten Reise nach New York teil. Zwischen den Parteien ist streitig, ob mit dieser Reise unter anderem noch offen stehende Entgelt- bzw. Fahrtkostenerstattungsansprüche ausgeglichen sein sollten.

Mit seiner am 20.02.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung von DM 1.281,- nebst Zinsen verklagt. Er hat geltend gemacht, die Beklagte schulde in dieser Höhe Spesen und Gehalt für den Zeitraum 01.01. bis 30.06.1999.

Der Kläger hat im Verfahren vor dem Arbeitsgericht daher folgende Anträge gestellt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 1.281,- nebst 4% Zinsen hieraus seit 16.09.2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat eingewandt, die Klage sei nicht begründet. Bei den Vertragsverhandlungen für die Saison 1999/2000 habe der Kläger erklärt, dass ihm möglicherweise noch "ein paar Mark" Kilometergeld für das erste Halbjahr 1999 zuständen. Daraufhin habe der Vertreter des Hauptsponsors erklärt, er werde dem Kläger zum Ausgleich hierfür und für die Vertragsunterzeichnung für die Saison 1999/2000 eine Flugreise nach New York zur Verfügung stellen. Diese habe der Kläger auch in Anspruch genommen. Der Kläger habe damit auf seine eventuell noch offenen Ansprüche verzichtet.

Der Kläger hat einen solchen Verzicht bestritten und erklärt, der Sponsor habe ihm die Flugreise unaufgefordert, freiwillig und ohne Koppelung an irgendeine Gegenleistung geschenkt.

Das Arbeitsgericht Würzburg hat der Klage mit Endurteil vom 13.08.2001 in vollem Umfang stattgegeben. Es hat dies im wesentlichen damit begründet, die hierfür darlegungs- und beweispflichtige Beklagte habe die Voraussetzungen der von ihr behaupteten Verzichtsvereinbarung nicht ausreichend substantiiert vorgetragen. Sie habe nicht erläutert, wo und zu welchem konkreten Zeitpunkt welche konkreten Erklärungen des Klägers und der Beklagtenvertreter erfolgt seien. Das Zeugenangebot ersetze solchen Sachvortrag nicht, da die Einvernahme einem Ausforschungsbeweis gleichkomme.

Das Endurteil des Arbeitsgerichts ist den Beklagtenvertretern ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am 07.09.2001 zugestellt worden (Bl. 47 d.A.). Die Beklagte hat mit Schriftsatz ihrer Vertreter vom 11.09.2001, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 13.09.2001, Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Die Beklagte hat sich zur Begründung ihrer Berufung darauf gestützt, die Verzichtsvereinbarung sei hinreichend konkret dargetan und ausreichend unter Beweis gestellt. Die Benennung mit "anlässlich der Vertragsverhandlungen für die Saison 1999/2000" sei ausreichend konkret vorgenommen worden. Diese könnten auf die Monate Mai oder Juni 1999 eingegrenzt werden.

Die Beklagte stellt als Berufungsklägerin daher in der Berufungsinstanz folgende Anträge:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg, Kammer Aschaffenburg, vom 13.08.2001, Az. 6 Ca 705/01 A, wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Beklagte habe nach wie vor nicht vorgetragen, wann, wo, unter welchen Umständen und zwischen welchen Personen entsprechende Verzichtsverträge geschlossen sein sollen.

Die Kammer hat über die Frage des Bestehens einer Verzichtsvereinbarung Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme des Angestellten C... und des Kommanditisten D... als Zeugen sowie gegenbeweislich der wissenschaftlichen Mitarbeiterin E.... Hinsichtlich des Wortlautes der Zeugenaussagen wird auf die Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen vom 09.12.2003 und vom 02.04.2004 (Bl. 106 ff. bzw. Bl. 121 ff. d.A.) verwiesen, hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Ersturteils vom 13.08.2001 (Bl. 38 ff. d.A.), die Niederschrift über die mündlichen Verhandlungen vor dem Landesarbeitsgericht und die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, weil sie sich gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil richtet (§ 64 Abs. 1 ArbGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 1.200,- DM (§ 64 Abs. 2 ArbGG in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung). Die Berufung ist auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, jeweils in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung, vgl. § 26 Nr. 5 EG-ZPO).

II.

Die Berufung ist auch begründet. Der Anspruch des Klägers ist durch Verzichtsvereinbarung erloschen, so dass die Klage abzuweisen war. Im einzelnen gilt folgendes:

1. Die Beklagte hat die behauptete Verzichtsvereinbarung zumindest im Berufungsvorbringen ausreichend konkret dargelegt und unter Beweis gestellt. Sie hat den Zeitraum, in dem die jeweiligen Äußerungen abgegeben worden sein sollen, auf Mai/Juni 1999 eingegrenzt, hat die beteiligten Personen - den Kläger, den Angestellten C... und den Kommanditisten D... - und den Anlass der Besprechung - die Vertragsverhandlungen für die Saison 1999/2000 - genannt. Sie hat damit den Gesprächsrahmen individualisiert und nachvollziehbar angegeben. Es war für den Kläger aufgrund dieser Angaben möglich, substantiiert zu diesem Vorbringen Stellung zu nehmen. Die Beklagte hat mit der Erklärung, die Reise sei dem Kläger zum Ausgleich auch der von diesem angesprochenen Forderungen angeboten worden, auch eine ausreichende Verzichtserklärung des Arbeitgebers benannt. Zwar hat sie entsprechende Willenserklärungen des Klägers nicht im einzelnen behauptet. Der Kläger hätte jedoch, erwiese sich das Vorbringen der Beklagten als bewiesen, spätestens mit dem Antritt der zu - nach dem Vorbringen der Beklagten - diesen Bedingungen angebotenen Reise konkludent sein Einverständnis hiermit erklärt. Damit liegt ein ausreichend konkreter Beweisantritt vor. Es handelt sich nicht um einen Ausforschungsbeweis. Die Behauptungen sind nicht "aufs Geratewohl" und "ins Blaue hinein" aufgestellt (hierzu Zöller-Greger, ZPO, 24. Aufl. 2004, Vor § 284 Rn. 5). Sie zielen nicht darauf ab, bei Gelegenheit der beantragten Beweisaufnahme Tatsachen erst in Erfahrung zu bringen (vgl. etwa Musielak-Foerste, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 284 Rn. 16). Sie sind nicht völlig vage und unsubstantiiert, um hierdurch erst konkrete Hinweise für weiteren tatsächlichen Vortrag zu erhalten (MK-Prütting, Band 1, 2. Aufl. 2000, § 284 Rn. 74). Sie beziehen sich nicht auf eine Vielzahl von nicht näher benannten Gegenständen (so im Fall des BGH vom 01.12.1993, VIII ZR 243/92, NJW-RR 1994, 377: "im restlichen Warenbestand keine hinzugekommenen Gegenstände enthalten, die nicht entweder im Räumungsverkauf veräußert oder an Lieferanten zurückgegeben waren"). Zu verlangen ist nicht, dass die Partei, die selbst keine genaue Kenntnis vom Wortlaut von Vereinbarungen hat oder die solche Kenntnisse nach längerem Zeitablauf nicht mehr hat, einen solchen Wortlaut einfach behauptet und den Sachvortrag damit entgegen der prozessualen Wahrheitspflicht "schlüssig lügt" (vgl. etwa Musielak-Stadler, a.a.O., § 139 Rn. 16). Es ist ausreichend, wenn der Beweisbelastete Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nur dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind. Das Gericht muss in der Lage sein, auf Grund des tatsächlichen Vorbringens zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das behauptete Recht vorliegen. Eine Beweisaufnahme zu einem bestrittenen erheblichen Vorbringen darf nicht abgelehnt werden, wenn die Behauptung konkret genug ist, um eine Stellungnahme des Gegners zu ermöglichen und die Erheblichkeit des Vorbringens zu beurteilen (BGH vom 20.09.2002, V ZR 170/01, NJW-RR 2003, 69). Es genügt die Individualisierbarkeit des Geschehensablaufes und der behaupteten Äußerungen, wobei der genaue Wortlaut nicht verlangt werden muss, wenn sich der behauptete Inhalt der Äußerung - wie hier Angebot "zum Ausgleich" der konkret benannten geltend gemachten Forderungen des Klägers - aus dem Tatsachenvortrag erschließt. Vorliegend ist diese Individualisierbarkeit gegeben. Auch der Kläger behauptet nicht, dass er mehrere Angebote für gesponserte Reisen nach New York bekommen hätte. Wann genau er das unstreitig einzige Angebot für diese Reise erhalten hat, ist für die Individualisierung des Vorgangs in einem solchen Fall nicht von Bedeutung. Im Vordergrund steht die Frage, welchen genauen Wortlaut die bei diesem - einzigen und individualisierten - Gespräch von den Parteien gemachten Äußerungen hatten. Jedenfalls in einem solchen Fall ist damit der beantragten Zeugeneinvernahme nachzukommen. 2. Die Kammer ist nach Durchführung der Zeugeneinvernahme überzeugt, dass dem Kläger die New York-Reise des Sponsors auch zum Ausgleich noch offener Forderungen aus der Spielzeit 1998/1999 versprochen worden ist. Der Angestellte C... hat als Zeuge ausgesagt, die Beteiligten hätten die Reise verstanden als Ausgleich für geltend gemachte offene Forderungen des Klägers, da Barmittel des Vereins knapp gewesen seien. Er habe selbst gesagt, dann "machen wir das auf dieser Basis". Der Kommanditist D... hat ausgesagt, es sei um rückständige Forderungen auch des Klägers gegangen. Der Zeuge C... habe erklärt, "dann werden Sie in anderer Form entschädigt, damit die Sache aus der Welt ist", und habe dem Kläger die Reise angeboten. Beide Zeugen haben ruhig und besonnen ausgesagt und erklärt, sie könnten sich an den genauen Wortlaut nicht erinnern. Ihre Äußerungen erschienen der Kammer als nachvollziehbar und glaubwürdig. Die Gegenzeugin E... hat erklärt, sie sei bei dem Gespräch nicht dabei gewesen. Sie hat zur Sache somit nichts zu sagen vermocht. Der von den Zeugen geschilderte Geschehensablauf erscheint der Kammer als nachvollziehbar. Der Kläger selbst räumt ein, dass er Ansprüche geltend gemacht und dass er eine Amerikareise als Geschenk erhalten habe, die die geltend gemachten Forderungen in ihrem Wert weit überstieg. Nach den durch die Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer feststehenden Tatsachen musste ihm im Zusammenhang klar sein, dass die Reise auch zum Ausgleich der noch offenen Forderungen dienen sollte. Nach Angaben der Zeugen war der damalige Vereinsvorsitzende bei dem genannten Gespräch mit dabei. Die Vertreter des Vereins und der Beklagten traten gemeinsam auf, um den Kläger zum Bleiben zu bewegen. Die Äußerungen des Angestellten C... sind damit ohne weiteres den Vereinsvertretern und der Beklagten zurechenbar. Deren Beweggrund, die Reise auch als Ausgleich für noch offene Forderungen aus der Vergangenheit zu gewähren, waren damit nach dem Empfängerhorizont (§ 133 BGB) auch für den Kläger erkennbar. Spätestens mit dem Antritt der Reise hat er seine Zustimmung auch zu den genannten Bedingungen - Erledigung noch offener Restforderungen - zum Ausdruck gebracht. Damit liegt Erfüllung der Ansprüche durch Gewährung einer anderweitigen Leistung vor. Der geltend gemachte Anspruch ist erloschen. 3. Nach alldem war die Klage abzuweisen. Das arbeitsgerichtliche Urteil war entsprechend abzuändern. 4. Der Kläger hat als Unterliegender die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO). 5. Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich begründeter Anlass.

Ende der Entscheidung

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