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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 13.07.2006
Aktenzeichen: 6 Ta 102/06
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 25
GKG § 42 Abs. 4
1. Die Streitwertfestsetzung auf 3 Bruttomonatsgehälter unter Berücksichtigung der Wertbegrenzung des § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG ist nicht zu beanstanden, auch wenn der Kläger neben dem gegen den kündigenden Insolvenzverwalter gerichteten Klageantrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung den behaupteten Betriebsübernehmer auf Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bei diesem verklagt hat.

2. Sind auf Kläger- oder Beklagtenseite mehrere Personen beteiligt, so ist der Streitwert für diese Personen gegebenenfalls unterschiedlich festzusetzen.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG BESCHLUSS

6 Ta 102/06

in dem Rechtsstreit

wegen: Feststellung

hier: Streitwert

Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Vetter ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor: Die Beschwerde der Klägervertreter gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg, Kammer Aschaffenburg, vom 20.12.2005, Az. 8 Ca 1622/05 A, in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 16.05.2006 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Beschluss des Arbeitsgerichts, den Streitwert auf vier Monatsgehälter festzusetzen, soweit die vom Kläger geltend gemachten Streitgegenstände betroffen sind, ist nicht zu beanstanden.

1. Das Erstgericht hat sein bei der Streitwertfestsetzung gegebenes Ermessen nachvollziehbar ausgeübt und die hierbei gesetzten Grenzen nicht überschritten. Das Beschwerdegericht bleibt bei der vom Landesarbeitsgericht Nürnberg in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass die Ermessensentscheidung des Arbeitsgerichts zwar auf Ermessensfehler zu überprüfen ist, dass das Beschwerdegericht aber keine eigene, hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen hat (so schon Beschluss vom 05.05.1986, 1 Ta 3/85, LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 53; LAG Nürnberg vom 11.11.1992, 6 Ta 153/92, NZA 1993, 430; vom 28.10.2000, 7 Ta 226/00; vom 16.04.2003, 6 Ta 58/03, jeweils unveröffentlicht; vom 01.08.2003, 6 Ta 98/03, AR-Blattei ES 160.13 Nr. 248; vom 02.12.2003, 9 Ta 190/03, MDR 2004, 718; vom 28.09.2004, 6 Ta 166/03; vom 12.11.2004, 6 Ta 222/04, vom 13.02.2006, 6 Ta 6/06, jeweils nicht veröffentlicht; ebenso BAG vom 02.04.1987, 6 ABR 29/85, AP Nr. 3 zu § 87 ArbGG 1979 unter III.2. der Gründe; auch LAG München vom 21.11.1985, 6 Ta 150/85, LAGE § 12 ArbGG 1979 Nr. 50; LAG Rheinland/Pfalz vom 24.03.1986, 1 Ta 55/86, LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 54; weitere Nachweise vgl. etwa bei Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz in Arbeitsverhältnissen, 9. Aufl. 2005, Rn. 2065).

2. Unter Berücksichtigung dieses Ermessens ist es nicht zu beanstanden, wenn das Arbeitsgericht den - punktuellen - Antrag auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist, und den Antrag, dass das Arbeitsverhältnis fortbestehe und auf die Beklagte zu 2.) übergegangen sei, als wirtschaftlich identisch angesehen hat. Der Kläger hat die behauptete Unwirksamkeit der Kündigung in erster Linie damit begründet, das Arbeitsverhältnis sei auf die Beklagte zu 2.) übergegangen. Er hat Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten zu 2.) beantragt, gerade nicht beim als Beklagter zu 1.) verklagten Insolvenzverwalter. Damit geht es ihm - verständlicherweise - wirtschaftlich um das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten zu 2.); der gegen den Insolvenzverwalter gerichtete Antrag ist nur aus prozessualen Gründen gestellt, um eine eventuell der Beklagten zu 2.) zugute kommenden Präklusion wegen Nichtangreifens einer ausgesprochenen Kündigung entgegenzuwirken. Der Kläger hat, worauf das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat, nur das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses geltend gemacht - wenn auch mit widersprüchlichen Anträgen (vgl. BAG vom 20.03.2003, 8 AZR 312/02, EzA § 613a BGB 2002 Nr. 7) -, und zwar dasjenige zur Beklagten zu 2.). Dies rechtfertigt es, dem gesetzgeberischen Willen zur Begrenzung des Verfahrenswertes bei Verfahren über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses auch für die vorliegende Verfahrensgestaltung Rechnung zu tragen und die Wertbegrenzung des § 42 Abs. 4 S. 1 GKG auch bei Beteiligung mehrerer Beklagter eingreifen zu lassen. Die Situation stellt sich nicht anders dar als bei der Zahlungsklage gegen mehrere einfache Streitgenossen - auch in derartigen Fällen wird man nicht ernsthaft eine Verdoppelung oder Vervielfachung des Streitwertes annehmen können. Entgegen der Auffassung der Klägervertreter hat das Arbeitsgericht die verschiedenen Anträge durchaus berücksichtigt und ihnen eine jeweils eigenen Wert beigemessen. Es hat diese Werte allerdings zutreffend nicht addiert, weil der Grundsatz der "wirtschaftlichen Identität" dem entgegensteht. Dieser Grundsatz ist nach dem Gesetzeszweck immer dann zu beachten, wenn die wirtschaftliche Bedeutung mehrerer formal gestellter Anträge identisch ist (BAG vom 16.01.1968, AP Nr. 17 zu § 12 ArbGG 1953; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl. 2004, § 12 Rn. 99 ff, insbes. 102; Grunsky, ArbGG, 7. Aufl. 1995, § 12 RdNr. 5a). Eine auf dasselbe wirtschaftliche - nicht rechtliche - Ziel gerichtete Anspruchsmehrheit wird nicht streitwerterhöhend berücksichtigt (etwa Zöller-Herget, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 5 Rn. 8; vgl. auch Vollstädt in Schwab/Weth, ArbGG, § 12 Rn. 244 ff., insbes. Rn. 247; ebenso KR-Friedrich, Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsrecht, 7. Aufl. 2004, § 4 KSchG Rn. 279, jeweils mit umfangreichen Nachweisen). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (zuletzt etwa Beschlüsse vom 11.08.2005, 6 Ta 162/05; vom 14.03.2006, 6 Sa 411/05; vom 29.05.2006, 6 Ta 76/06, jeweils nicht veröffentlicht).

3. Nur zur Klarstellung - und weil das Arbeitsgericht im Ausgangsbeschluss insoweit nicht differenziert hat - ist darauf hinzuweisen, dass die Streitwerte im vorliegenden Verfahren für den Kläger und für die beiden Beklagten nicht deckungsgleich sind. Für den Beklagten zu 1.) errechnet sich ein Streitwert von drei Monatsgehältern, also vorliegend 6.600,- €, weil dieser allein vom Antrag nach Ziff. 1 betroffen war. Für die Beklagte zu 2.) errechnet sich entsprechend den Wertfestsetzungen des Arbeitsgerichts ein Wert von 8.800,- €, nämlich ebenfalls drei Monatsgehälter und daneben ein weiteres Monatsgehalt für den Weiterbeschäftigungsanspruch. Insoweit - die beiden Beklagten sind jeweils für sich zu betrachten - greift der Grundsatz der wirtschaftlichen Identität nicht ein. Diese Differenzierung ist im Streitwertbeschluss zum Ausdruck zu bringen.

4. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts erweist sich somit - soweit sie angegriffen ist - als zutreffend, so dass die Beschwerde zurückzuweisen ist.

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen (§ 78 Satz 3 ArbGG).

Für eine Kostenentscheidung besteht kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und keine Kostenerstattung stattfindet (§ 68 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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