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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 04.01.2007
Aktenzeichen: 6 Ta 206/06
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 78
ArbGG § 83 Abs. 3
BetrVG § 18 Abs. 2
1. Der "Beschluss" des Arbeitsgerichts darüber, wer an einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren als Beteiligter im Sinne des § 83 Abs. 3 ArbGG anzusehen ist und wem demzufolge Gehör zu gewähren ist, ist nicht beschwerdefähig.

2. Dies gilt auch, wenn das Arbeitsgericht anstelle des ursprünglichen Antragsgegners ein anderes Organ am Verfahren beteiligt; einen Antragsgegner im Sinne eines kontradiktorischen Verfahrens kennt das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren nicht. Die formelle Bezeichnung als "Antragsgegner" durch den Antragsteller führt nur dann zur materiellen Beteiligung, wenn dem Antragsgegner die Verurteilung zu einer Leistung, Handlung oder Unterlassung droht.

3. Die Festlegung des Beteiligtenstatus durch "Zwischenbeschluss" entsprechend § 303 ZPO kommt in einer derartigen Konstellation nicht in Betracht.

4. Der Wahlvorstand ist in einem Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG zur Feststellung, ob ein gemeinsamer Betrieb vorliegt, nicht mehr Beteiligter, wenn der gewählte Betriebsrat im Amt ist.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG BESCHLUSS

6 Ta 206/06

Nürnberg, den 04.01.2007

in dem Rechtsstreit

wegen: Beschlussverfahren

hier: Beschwerde über Beteiligtenstellung

Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Vetter ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beschwerde des ursprünglichen Antragsgegners gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg vom 18.10.2006, Az. 1 BV 14/06, wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer, Wahlvorstand für eine Betriebsratswahl, war als Antragsgegner in einem von zwei Unternehmen im Juni 2006 eingeleiteten Beschlussverfahren aufgeführt. In diesem Verfahren beantragten diese Unternehmen die Feststellung, dass zwischen ihnen kein gemeinsamer Betrieb bestehe, sowie Untersagung, ein Verfahren zur Wahl eines gemeinsamen Betriebsrats für ihre beiden Betriebe durchzuführen. Am 11.09.2006 wurde für die Betriebe der Antragsteller ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt.

Im Anhörungstermin vom 18.10.2006 erließ die Kammer des Arbeitsgerichts, nachdem die Antragstellerinnen nach Hinweis eine entsprechende Änderung angeregt hatten, folgenden Beschluss: Anstelle der bisherigen Antragsgegnerseite "Wahlvorstand ..." tritt als Antragsgegner "Betriebsrat für den Gemeinschaftsbetrieb ...".

Die bisherigen Prozessbevollmächtigten des ursprünglich aufgeführten Antragsgegners zeigten sich mit Schreiben vom 03.11.2006 als Bevollmächtigte des Betriebsrats an und stellten im Wege der Beschwerde den Antrag, den Beschluss des Arbeitsgerichts aufzuheben. Als Begründung führten sie an, der Wahlvorstand bleibe in einem Verfahren über das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs auch dann Beteiligter, wenn die Wahl in der Zwischenzeit abgeschlossen sei. Gegen eine ungewollte Zulassung des Parteiwechsels könne auch der neue Beteiligte Rechtsmittel einlegen.

Das Arbeitsgericht half durch Beschluss vom 20.11.2006 nicht ab und legte die Beschwerde dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor mit der Begründung, jedenfalls nach Konstituierung des Betriebsrats sei die Funktion des Wahlvorstandes beendet; er sei nicht mehr beteiligungsbefugt. Die Annahme eines Restmandats sei nicht erforderlich, weil der Betriebsrat dessen Verfahrensstellung einnehmen könne.

Der Betriebsrat wendet sich hiergegen mit der Begründung, die Beendigung des Amtes des Wahlvorstandes könne nicht von sich aus dazu führen, dass der Betriebsrat in ein solches Verfahren eintrete bzw. einzutreten habe. Er beruft sich auf den Beschluss des BAG vom 25.08.1981, aus dem sich ergebe, dass der Wahlvorstand lediglich seine Antrags-, nicht aber seine Beteiligungsfähigkeit verliere. Es gehe um die Funktion des Wahlvorstandes, weil im Falle einer den Antrag der Arbeitgeberinnen stattgebenden Entscheidung seine Legitimation fehlen würde.

II.

Die Beschwerde ist nicht zulässig. Weder ist der "Beschluss" des Arbeitsgerichts, wer am Verfahren "beteiligt" sei im Sinne des § 83 Abs. 3 ArbGG, beschwerdefähig, noch besteht die Beschwerdebefugnis des Betriebsrats.

1. Bei der Frage, wer an einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren "Beteiligter" ist, ist auf die materielle betriebsverfassungsrechtliche Rechtsbetroffenheit abzustellen. Entscheidend ist, ob diese Betroffenheit tatsächlich besteht. Unerheblich ist, ob der Antragsteller ein Organ oder eine Person als Beteiligten bezeichnet hat oder nicht. Über die Frage, ob eine materielle Betroffenheit besteht, haben die Arbeitsgerichte von Amts wegen zu entscheiden. Einen Antragsgegner im Sinne eines kontradiktorischen Parteiverfahrens wie im Urteilsverfahren kennt das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren dagegen nicht (so ausdrücklich BAG vom 20.04.1999, 1 ABR 13/98, EzA § 81 ArbGG 1979 Nr. 17 unter B.II. der Gründe; Eisemann in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 7. Aufl. 2007, § 83 ArbGG Rn. 6; Matthes in Germelmann u.a., ArbGG, 5. Aufl. 2004, § 83 Rn. 18 ff.; Koch in Düwell/Lipke, ArbGV, § 83 Rn. 15). Lediglich dann, wenn einer der Beteiligten als formeller Antragsgegner mit einer Verpflichtung überzogen werden soll, muss wegen seiner möglichen Verpflichtung einer stattgebenden Entscheidung eine auch materielle Betroffenheit angenommen werden (insoweit zutreffend Weth in Schwab/Weth, ArbGG, § 83 Rn. 41 ff.; Dörner in GK-ArbGG, § 83 Rn. 34 ff.). Ändert sich die materielle Rechtsbetroffenheit, so fällt die Beteiligtenstellung automatisch weg oder tritt automatisch hinzu mit der Folge, dass der nunmehr Betroffene durch das Gericht von Amts wegen am Verfahren zu beteiligen ist (BAG vom 18.10.1988, 1 ABR 31/87, EzA § 83 ArbGG 1979 Nr. 8; BAG vom 31.01.1989, 1 ABR 60/87, EzA § 81 ArbGG 1979 Nr. 14; BAG vom 25.09.1996, 1 ABR 25/96, EzA § 97 ArbGG 1979 Nr. 2; umfangreiche Nachweise bei Hauck in Hauck/Helml, ArbGG, 3. Aufl. 2006, § 83 Rn. 8 ff.; bei Dörner in GK-ArbGG, § 83 Rn. 29 ff., insbes. 46 ff.; bei Bepler in Henssler/Willemsen/Preis, Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2006, § 83 Rn. 18 ff.). Das Arbeitsgericht "entscheidet" daher nicht im materiellen Sinn über die Beteiligtenstellung. Es stellt nur fest, wer durch die Entscheidung der Rechtsfrage materiell betroffen ist. Eine fehlerhafte Feststellung des Arbeitsgerichts nimmt oder gibt den zu beteiligenden Personen oder Organen nicht ihren Beteiligtenstatus. Die Sachentscheidung des Gerichts kann dann wegen fehlender Anhörung eines materiell Beteiligten dessen rechtliches Gehör verletzen. Die Anhörung eines Beteiligten kann aber in jedem Verfahrensstadium - selbst noch im Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht - nachgeholt werden.

Die Frage, wen das Arbeitsgericht formell anhört und wen nicht, stellt sich daher als verfahrensleitende Maßnahme dar, gegen die ein Rechtsbehelf nicht gegeben ist. Die prozessuale Situation ist derjenigen vergleichbar, in der das Gericht eine Parteibezeichnung "berichtigt"; auch insoweit handelt es sich um eine prozessleitende Verfügung, die nicht der Rechtskraft fähig ist; allenfalls kann insoweit im Urteilsverfahren ein Zwischenurteil in Betracht kommen (so überzeugend BAG vom 27.11.2003, 2 AZR 692/02, EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 65).

Das Arbeitsgericht hat mit seinem Beschluss letztlich entschieden, welchem Organ es rechtliches Gehör gewähren wolle oder nicht. Eine solche Entscheidung ist als Vorfrage der Sachentscheidung nicht selbständig mit Rechtsmitteln angreifbar, weil dies weder im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist noch ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen ist (vgl. §§ 78 S. 1 ArbGG, 567 ZPO); die Gewährung rechtlichen Gehörs hat, soweit erforderlich, von Amts wegen zu erfolgen und ist unanfechtbar, auch wenn dem Beschluss ein "Gesuch" einer Partei oder eines Beteiligten vorausgegangen ist (Schwab in Schwab/Weth, a.a.O., § 78 Rn. 19; Wenzel in GK-ArbGG, § 78 Rn. 35; Kalb in Henssler/Willemsen/Kalb, a.a.O., § 78 Rn. 6). Die Beschwerde ist daher nicht statthaft.

2. Auch ein Zwischenbeschluss entsprechend § 303 ZPO kommt für diese Fallgestaltung nicht in Betracht (allgemeiner Matthes in Germelmann u.a., a.a.O., § 83 Rn. 34). Ein Bedürfnis hierfür besteht nicht; es geht nicht darum, ob etwa ein gewillkürter Parteiwechsel als zulässig anzusehen ist, ob eine bestimmte Partei an einem kontradiktorischen Verfahren teilnehmen kann - es geht lediglich darum, ob einem Beteiligten oder Nichtbeteiligten rechtliches Gehör zu gewähren ist. Insofern stellt die Beteiligtenstellung wie dargelegt etwas materiell anderes dar als die - auch mit möglicher Kostenlast verbundene - Parteistellung im Urteilsverfahren. Ein Bedürfnis für einen Zwischenbeschluss kann allenfalls dann bestehen, wenn es darum geht, ob ein Beteiligter ein zulässiges Rechtsmittel eingelegt hat. Für die vorliegende Fallgestaltung ist ein Bedürfnis hierfür nicht erkennbar (Einzelzeiten zum Zwischenurteil vgl. bei Zöller-Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 303 Rn. 5 ff.). Unabhängig davon hat das Arbeitsgericht einen förmlichen "Zwischenbeschluss" entsprechend § 303 ZPO nicht erlassen.

3. Die Beschwerde scheitert auch an der fehlenden Beschwerdebefugnis. Der beschwerdeführende Betriebsrat ist in eigenen Rechten nicht verletzt. Er wird vom Arbeitsgericht am Verfahren beteiligt. Er kann zu den aufgeworfenen Sachfragen Stellung nehmen oder nicht. Auch wenn er sich nicht tatsächlich "beteiligt", hat das Arbeitsgericht den Sachverhalt von Amts wegen zu untersuchen und gemäß dem festgestellten Sachverhalt zu entscheiden; Versäumnisurteile sind dem Beschlussverfahren fremd. Ob das Gericht darüber hinaus ein weiteres Organ als beteiligt ansieht oder nicht, ob der Wahlvorstand zusätzlich als Beteiligter anzusehen und deswegen anzuhören ist, beeinträchtigt die Rechtsposition des beschwerdeführenden Betriebsrats in keiner Weise.

4. Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass die Beteiligtenstellung des Betriebsrats unzweifelhaft gegeben ist. Dieser ist gehalten, einer möglichen Entscheidung des Arbeitsgerichts, soweit diese den Anträgen der Antragsteller folgt, nachzukommen und für die nächste Betriebsratswahl getrennte Wahlvorstände aufstellen. Die Beteiligtenstellung des Wahlvorstandes könnte allenfalls daraus abgeleitet werden, dass die Antragstellerinnen ihren Antrag in Ziff. 2 - Verpflichtung des konkreten Wahlvorstandes - aufrechterhalten würden; hieran bestehen angesichts dessen, dass die Antragstellerinnen der Anregung des Gerichts im Hinblick auf den Beteiligtenwechsel zugestimmt haben, erhebliche Zweifel. Gegebenenfalls wird das Arbeitsgericht die Antragsgegner insoweit zur Klarstellung aufzufordern haben. Soweit sich der beschwerdeführende Betriebsrat für das Bestehen seiner Beteiligung auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 25.08.1981 bezogen hat (1 ABR 61/79), hat er dessen Bedeutung unzutreffend interpretiert. Dort ging es um die - vom BAG verneinte - Frage, ob ein geltend gemachtes Recht von Mitgliedern des Wahlvorstandes auch nach Durchführung der Wahl weiterbestehe. Für die Klärung dieser Frage wurde die Beteiligtenstellung bejaht, die Antragsbefugnis aber verneint. Beim Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG geht es aber nach Durchführung der Wahl gerade nicht mehr darum, ob ein bestimmtes Recht des Wahlvorstandes nunmehr noch besteht.

5. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 78 S. 2, 72 Abs. 2 ArbGG ist nicht veranlasst, unabhängig davon, dass diese bei fehlender Zulässigkeit der Beschwerde nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ohnehin ausgeschlossen ist (BGH vom 21.04.2004, NJW 2004, 2224; BGH vom 17.10.2005, MDR 2006, 466).

Ende der Entscheidung

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