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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 04.09.2007
Aktenzeichen: 6 TaBV 31/07
Rechtsgebiete: BetrVG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 13 Abs. 2 Nr. 1
BetrVG § 21 a
ZPO § 940
1. Bestreitet der Arbeitgeber, dass ein Betriebsrat noch im Amt sei, kann dem Arbeitgeber im Wege einer sog. "Regelungsverfügung" aufgegeben werden, den antragstellenden Betriebsrat bis zur Entscheidung in der Hauptsache als im Amt befindlich zu behandeln.

2. Demgegenüber sind Anträge auf Untersagung entsprechender Äußerungen des Arbeitgebers hierzu ebenso wenig geeignet wie abstrakte Anträge auf "Freistellung zu erforderlicher Betriebsratstätigkeit" oder "Verpflichtung zur Beachtung von Mitbestimmungsrechten".

3. Verliert eine Betriebsratseinheit einen kleineren Betriebsteil (unter 40 % der Belegschaft) und erhält sie gleichzeitig eine andere, ebenfalls kleinere Betriebseinheit (unter 50 % der Belegschaft) dafür hinzu, behält der Betriebsrat im Hinblick auf die gesetzgeberische Wertung des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG sein Vollmandat, das sich nunmehr auf die neu hinzugekommenen Beschäftigten erstreckt. Ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG besteht in diesem Fall allenfalls für die Mitarbeiter derjenigen Teileinheit, die aus der Betriebseinheit ausgeschieden sind.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG BESCHLUSS

6 TaBV 31/07

Verkündet am 04. September 2007

in dem Beschlussverfahren

wegen: Einstweiliger Verfügung

Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nürnberg Vetter als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Knauber und Reimer im Wege einstweiliger Verfügung aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31.07.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 19.04.2007, Az. 9 BVGa 3/07, wird teilweise abgeändert.

II. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragsteller bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren 9 BV 566/07 als zuständig für die Mitarbeiter der Betriebsteile B... und C... zu behandeln.

III. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Wege einstweiliger Verfügung darüber, ob der für die Niederlassung B... gewählte Betriebsrat nach einer Betriebsänderung noch im Amt ist, sowie über verschiedene hieraus folgende Verpflichtungen.

Die Antragsgegnerin, Konzerntochter der Firma D... GmbH, unterhält verschiedene Niederlassungen, unter anderem unter der Bezeichnung "Firma E..., Geschäftsbereich der A... GmbH" diejenige in B.... Dieser Niederlassung - in B... waren zuletzt 14 Mitarbeiter beschäftigt - waren die neun in F... tätigen Arbeitnehmer zugeordnet. Für diese betriebliche Einheit - B... mit F... - ist der Antragsteller als Betriebsrat gewählt.

Unter dem 27.03.2006 schlossen die Antragsgegnerin und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich, in dem Einigkeit über Umstrukturierungsmaßnahmen erzielt wurde (Anlage zur Antragsschrift, Bl. 6 ff. d.A.). Unter anderem bestand die Änderung in der ab 01.10.2006 geplanten organisatorischen Zuordnung des ursprünglich zu B... gehörigen Betriebsteils F... in die Niederlassung G... der Firma "H... GmbH"; des weiteren heißt es in der genannten Anlage (ebenda, Bl. 10 d.A.):

"Maßnahme Nr. 26: Komplettübernahme von H..., NL C... in E..., NL B...."

Daneben existiert eine "Beschreibung der Maßnahmen aus Fit for Flow/Netz bei A...", die, soweit vorliegend von Interesse, folgendes besagt (ebenda, Bl. 11 d.A.):

"5. Komplettübernahme von H..., NL C... in E..., NL B... (Nr. 26/betroffen: 5 MA in 2008)

- Das Geschäft von H... C... wird komplett von E..., B... übernommen

- Bis 2008: C... wird nur noch als Platten-/Blechlager genutzt

- Neubau eines Hochregallagers und Erweiterung der bestehen KASTO Anlage bei E.../B...

- Nach Ablauf des Mietvertrages wird der Standort C... komplett aufgegeben"

Die Betriebsstätte C... beschäftigt insgesamt 13 Arbeitnehmer. Beide Betriebsstätten stehen - ebenso wie vorher die Betriebsstätten B... und F... - unter der Leitung des Prokuristen I.... Die Betriebsstätten B... und C... sind höchstens 18 km voneinander entfernt. Die geplante Zusammenlegung in B... wird sich voraussichtlich bis 2009 verzögern. Bisher ist ein Mitarbeiter von C... nach B... gewechselt.

Mit Schreiben vom 21.03.2007 wies die Geschäftsführung der Antragsgegnerin den Antragsteller darauf hin, dass dieser nach der Zusammenfassung des Betriebs B... mit dem Betrieb C... ein Übergangsmandat wahrnehme, welches am 31.03.2007 auslaufe (Anlage zur Antragsschrift, Bl. 14 d.A.). Der Antragsteller widersprach mit Schreiben seiner Prozessvertreter vom 29.03.2007. Die Antragsgegnerin hielt mit Schreiben vom 02.04.2007 ihren Rechtsstandpunkt aufrecht und wies darauf hin, dass der Antragsteller nach Ablauf des Mandats weder Kostenübernahmen noch Freistellungen geltend machen könne (Bl. 18 d.A.). Der Antrag des Antragstellers auf Einsichtnahme in die Lohn- und Gehaltslisten der Mitarbeiter der Niederlassung C... wurde seitens der Antragsgegnerin abgelehnt. Hierzu sowie zur Frage der Zuständigkeit für die Mitarbeiter des Betriebsteils C... sind Hauptsacheverfahren beim Arbeitsgericht Nürnberg anhängig, letzteres unter dem Aktenzeichen 9 BV 566/07.

Mit seinem am 11.04.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat der Antragsteller vorgetragen, der Betriebsleiter I... habe am 29.03.2007 auf einer Mitarbeiterversammlung mitgeteilt, dass er - der Antragsteller - ab 31.03.2007 nicht mehr existent sei, dass man daher beabsichtige, jeweils zwei Mitarbeiter aus C... und B... zu benennen, die künftig als Mittler zwischen Arbeitgeber und den Arbeitnehmern fungieren sollten. Er, der Antragsteller, erhalte keinerlei Informationen mehr, die er für die Betriebsratstätigkeit benötige. Die Antragsgegnerin sei nicht mehr zur Freistellung der Betriebsratsmitglieder für deren Betriebsratstätigkeit bereit. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin habe er, der Antragsteller, aber nach wie vor ein volles Betriebsratsmandat. Es handele sich nicht um einen Fall des Übergangsmandats, weil es sich beim eingegliederten Betriebsteil um einen betriebsratslosen Betrieb gehandelt habe.

Der Antragsteller hat daher vor dem Arbeitsgericht - nach Einschränkung auf den Zeitraum bis zur Entscheidung in der Hauptsache - folgende Anträge gestellt:

1. Der Antragsgegnerin wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache untersagt, ihren Mitarbeitern in der Niederlassung B... selbst oder durch Dritte Kund zu tun, dass der Antragsteller seit 31.03.2007 nicht mehr im Amt sei.

2. Der Antragsgegnerin wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache untersagt, Mitgliedern des Antragstellers die Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung für erforderliche Betriebsratstätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu verweigern.

3. Der Antragsgegnerin wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache untersagt, mitbestimmungspflichtige Maßnahmen, insbesondere im Sinne der §§ 87, 99, 102 sowie 111 BetrVG umzusetzen, ohne zuvor den Antragsteller in Form von Anhörung und Zustimmung entsprechend den Rechten und Pflichten, die sich aus dem BetrVG ergeben, ordnungsgemäß beteiligt zu haben.

4. Der Antragsgegnerin wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache untersagt, in der Niederlassung B... jeweils zwei Mitarbeiter der ehemaligen H... GmbH sowie der E... GmbH als Ansprechpartner gegenüber der Belegschaft zu benennen, die künftig als Mittler zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer fungieren sollen.

5. Der Antragsgegnerin wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache untersagt, die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Sinne des § 2 BetrVG zu verweigern.

6. Für jeden Fall des Zuwiderhandelns der Ziffern 1 bis 5 wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, ersatzweise Ordnungshaft angedroht.

7. Hilfsweise wird festgestellt, dass das Betriebsratsamt des Antragstellers zum 31.03.2007 nicht geendet hat und er für sämtliche Mitarbeiter - auch die ehemaligen Mitarbeiter der H... GmbH - zuständig ist.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, der Antragsteller habe nach der Neuzuordnung nur ein Übergangsmandat gehabt; dieses sei nach der Frist von einem halben Jahr ausgelaufen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 19.04.2007 abgewiesen. Es hat dies im wesentlichen damit begründet, im Rahmen der notwendigen summarischen Prüfung sei nicht erkennbar, dass der nach Abgabe der Niederlassung F... verbliebene Betriebsteil B... durch die Zuordnung der Niederlassung C... seine Identität gewahrt habe. Eine Eingliederung der Mitarbeiter C... in den B...er Betrieb sei nach dem Sachvortrag der Beteiligten nicht erkennbar. Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist den Vertretern des Antragstellers ausweislich deren Empfangsbekenntnisses am 23.04.2007 zugestellt worden.

Mit seiner am 23.05.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und gleichzeitig begründeten Beschwerde wendet sich der Antragsteller unter Wiederholung und Vertiefung seines Vortrags gegen die Abweisung des Antrages. Er trägt vor, man müsse die Abspaltung des Betriebsteils F... und die im Gegenzug erfolgte Zuordnung des Betriebsteils C... als Einheit sehen. Für die Frage, ob der Betrieb seine Identität gewahrt habe, könne man nicht allein auf die Niederlassung B... für sich abstellen. Anstatt vorher für 23 Beschäftigte sei er, der Antragsteller, nunmehr für 27 Beschäftigte zuständig. Auch an der Organisationsstruktur habe sich nichts geändert. Der Betriebszweck sei identisch geblieben mit der Ausnahme, dass anstelle der Produktion von Winkeln und Kupferplatten diejenige für Aluminiumplatten getreten sei.

Der Antragsteller beantragt in der Beschwerdeinstanz Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Beschlusses. Im übrigen wiederholt er seine Anträge mit der Bitte, gegebenenfalls eine sein Rechtsschutzziel wahrende Regelungsverfügung zu treffen.

Die Antragsgegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

Sie hält den arbeitsgerichtlichen Beschluss für zutreffend. Sie meint, eine Eingliederung der Mitarbeiter aus C... in den Betrieb in B... habe nicht stattgefunden. Statt 15 Arbeitnehmer in B... und 9 in F... würde der Betriebsrat nunmehr 15 in B..., darüber hinaus aber 14 in C... vertreten. Es habe eine Änderung der Organisationsstruktur und insbesondere der betrieblichen und personellen Leitungsmacht stattgefunden, weil der Betrieb in C... im Wege eines Teilbetriebsübergangs auf die Antragsgegnerin übergegangen sei. Die personelle Leitungsmacht werde jetzt nicht mehr von den Geschäftsführern der Firma H..., sondern von den Geschäftsführern der Antragsgegnerin ausgeübt. Das Geschäftsfeld "Betreuung der kompletten Funkenerosion" - früher in F... - sei jetzt weggefallen. Ein Aufgehen der Betriebsstätte C... in B... habe nicht stattgefunden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Niederschrift über die Anhörung vom 31.07.2007 (Bl. 94 ff. d.A.) Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig (§§ 87 ff. ArbGG). Sie ist insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 2, 66, 89 ArbGG).

2. Die Beschwerde ist teilweise begründet. Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller jedenfalls bis zur Entscheidung in der Hauptsache als zuständig für die Mitarbeiter sowohl in B... als auch in C... zu behandeln.

a. Es besteht ein Verfügungsanspruch für die zu treffende Regelung. Die Antragsgegnerin bestreitet nachhaltig, dass der Antragsteller noch im Amt sei. Sie verweigert die von ihm geltend gemachte Mitbestimmung.

Nach den Feststellungen und Wertungen der Kammer aufgrund der nunmehr in der Beschwerdeinstanz übereinstimmend vorgetragenen Tatsachen ist aber davon auszugehen, dass der Antragsteller nach wie vor als Betriebsrat im Amt ist, dass er sowohl die Beschäftigten in der Betriebsstätte B... als auch diejenigen in C... repräsentiert und dass er demzufolge mit allen Rechten und Pflichten als Betriebsrat zu behandeln ist.

b. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist der Antragsteller - jedenfalls bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache - als im Amt befindlich und für die Mitarbeiter in B... sowie in C... zuständig anzusehen.

Entscheidend hierfür ist, wie die Beteiligten erkannt haben, ob bei einer Gesamtbetrachtung diejenige betriebliche Einheit, für die der Antragsteller gewählt worden ist, als "betriebsidentisch" mit derjenigen Einheit anzusehen ist, die nunmehr gebildet ist. Ist dies der Fall, besteht von vornherein sein Mandat aufgrund der erfolgten Betriebsratswahl weiter, ein Übergangsmandat kommt - jedenfalls für die Mitarbeiter in B... und C... - von vornherein nicht in Betracht. Dieses Übergangsmandat nach § 21a BetrVG ist subsidiär. Es kann immer nur dann bestehen, wenn die Belegschaft nicht ohnehin durch einen bestehenden, existenten Betriebsrat vertreten wird. Dabei setzt der Gesetzgeber in der Alternative "soweit ... (Betriebsteile) nicht in einen Betrieb eingegliedert werden, in dem ein Betriebsrat besteht" für einen vergleichbaren Fall die Fortführung des Betriebsratsamtes trotz des Hinzukommens eines neuen Betriebsteils ausdrücklich voraus. Zu unterscheiden sind als die Betriebsspaltung - etwa die Aufteilung der bisherigen Organisationseinheit in mehrere gleich große Einheiten - und die Abspaltung (eingängig etwa Thüsing in Richardi, BetrVG ,10. Aufl. 2006, § 21a Rn. 6). Letztere ist immer anzunehmen, wenn ein so großer Teil der bisherigen Organisationseinheit verbleibt, dass man diesen Teil bei natürlicher Betrachtungsweise als "identisch" mit der vorher bestehenden Einheit ansehen kann, dass nach dem Gesamteindruck die organisatorische Einheit vor und nach der Umstrukturierung als dieselbe anzusehen ist; maßgeblich ist die Beibehaltung des Betriebszwecks, die Leitungsstruktur und das Verhältnis der betroffenen Arbeitnehmerzahl zueinander (Hess. LAG vom 06.05.2004, 9 TaBV 61/04, Rn. 26 m.w.N.).

c. Vorliegend ist zunächst der Betriebszweck im wesentlichen gleich geblieben. Dasselbe gilt, und dies erscheint der Kammer als entscheidend, auch für die Organisations- und Leitungsstruktur der von B... aus geführten betrieblichen Einheit. Dabei ist der Betriebsteil B..., in dem der Prokurist I... als Betriebsleiter fungiert, im wesentlichen unverändert geblieben ist. Der kleinere Betriebsteil in F... mit weniger als 40% der ursprünglichen Belegschaft ist abgegeben worden, dafür ist - quasi im Gegenzug - der Betriebsteil C... dem Betriebsteil B... zugeordnet worden. Diese Verknüpfung lässt sich ohne weiteres aus dem mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossenen Interessenausgleich einschließlich der Anlagen, aber auch aus dem Sachvortrag der Antragsgegnerin erkennen: Diese trägt selbst vor, dass der Prokurist I... nunmehr anstatt der Zuständigkeit für die Mitarbeiter in F... diejenige für die Mitarbeiter in C... erlangt hat. Allein dies zeigt zunächst, dass eine Eigenständigkeit der Niederlassung C... im Sinne eines selbständigen Betriebs nicht besteht. Mit der Auswechslung des unselbständigen Betriebsteils - C... statt F... - in annähernd vergleichbarer Größe (13 statt 9 Mitarbeiter) bei Beibehaltung der Leitung von B... aus ist keine Änderung der Betriebsidentität verbunden. Der Betrieb verbleibt in ähnlicher Größe und Organisation bestehen. Die Tatsache, dass die kleinere Einheit wesentlich näher an der Niederlassung B... gelegen ist, ist dabei unschädlich. Gerade diese Tatsache, dass Organisation, Struktur und Leitung von B... aus identisch geblieben sind, dass die Abhängigkeit des C...er Betriebsteils vergleichbar demjenigen in F... gewahrt bleibt, spricht schon dem äußeren Anschein nach für die Aufrechterhaltung der Betriebsidentität. Ähnliches gilt, betrachtet man die repräsentierte Belegschaft. Zwar hat die von B... aus geleitete Betriebseinheit die Mitarbeiter in F... verloren, diejenigen in C... hinzubekommen. Dies schadet jedoch zunächst schon mit Blick auf die zitierte Alternative des § 21a S. 1 BetrVG a priori nicht. Nach Auffassung der Kammer ist hierbei auch die gesetzliche Wertung zu beachten, dass Neuwahlen eines amtierenden Betriebsrats bei Hinzukommen neuer oder Verlust bisheriger Mitarbeiter grundsätzlich nicht vorgesehen sind. Lediglich dann, wenn sich die Betriebsgröße entscheidend ändert, wenn sich die Zahl der Belegschaftsangehörigen um mindestens 50% erhöht oder vermindert, haben - und dies auch nur an einem einzigen bestimmten Stichtag innerhalb der Wahlperiode - Neuwahlen stattzufinden (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG). Bleibt die Veränderung - in diesem Fall gleichzeitig eine Änderung der Größe unter Beibehaltung der Organisation - unter dieser Schwelle, ist dies für die Amtszeit des Betriebsrats ohne Bedeutung. Es wäre mit dieser Wertung des Gesetzgebers, die auf eine Beibehaltung des gewählten Gremiums gerichtet ist, nicht vereinbar, würde man bei einem Auswechseln der Belegschaft, die mit einer Änderung der Strukturen nicht verbunden ist, zum Verlust des Betriebsratsamtes gelangen. Vorliegend bleiben die Strukturen erhalten. Die Betriebsratseinheit verliert in einem Akt knapp 40% seiner ursprünglichen Belegschaft, bekommt knapp 50% neu hinzu. Der Belegschaftswechsel hält sich unter 50%. Stellt man vorrangig auf diesen Belegschaftswechsel ab, rechtfertigt dies daher ebenfalls nicht den Verlust der Betriebsidentität und demzufolge auch nicht den Verlust des bestehenden Vollmandats (ähnlich Kreutz in Gemeinschaftskommentar zum BetrVG, 8. Aufl.2005, § 21a Rn. 25; ähnlich auch LAG Berlin vom 27.07.2006, 18 TaBV 145/06, zitiert nach juris: "jedenfalls bei weniger als 60%"). Dies gilt umso mehr, wenn man auch die gesetzgeberische Wertung aus § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG einbezieht, dass diese Änderungen im Kleinbetrieb überhaupt keine Bedeutung haben sollen (dort muss sich die Änderung auf mindestens 50 Arbeitnehmer beziehen, ansonsten hat die Änderung keine Auswirkungen auf das bestehende Mandat).

d. Entgegen der Ansicht der Beteiligten kommt es für die Frage, ob ein Übergangsmandat besteht oder bestanden hat, nicht darauf an, ob und inwieweit die Mitarbeiter in C... durch einen Betriebsrat repräsentiert waren. Ein Übergangsmandat kann nur dann entstehen, wenn der Betriebsrat kein normales "Voll-Mandat" besitzt. Dies ist nur dann der Fall, wenn diejenige betriebliche Einheit, für die er gewählt ist, als solches nicht mehr existiert. Wäre dies der Fall, dann hätte der Betriebsrat ein Übergangsmandat für die Mitarbeiter in B... besessen, möglicherweise eines für die Mitarbeiter in F... - soweit diese nicht in eine andere Einheit mit Betriebsrat eingegliedert wurden -, nicht aber für die Beschäftigten in C.... Würde man im übrigen, wie die Antragsgegnerin wohl meint, davon ausgehen, der Betriebsteil C... sei nicht eingegliedert worden, so bestünde nach den obigen Darlegungen dennoch ein Vollmandat des Antragstellers für den Betriebsteil B.... Dann hätte der größere Teil - B... - nur eine kleinere, von ihm geführte Einheit - F... - verloren. Dies hätte ihn seiner Identität keinesfalls beraubt. Die Tatsache des Verlustes von Arbeitnehmern wirkt sich auf den Fortbestand des Betriebes, wie die Regelung des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zeigt, regelmäßig nicht aus.

e. Nach der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung hat der Betriebsteil, für den der Antragsteller gewählt ist, seine Identität danach nicht verloren.

Bei natürlicher Betrachtungsweise ist kein völlig anderes Gebilde mit anderer Struktur entstanden, als es vor der Änderung bestanden hat.

Der Wechsel des zugeordneten Teils ist nach äußerem Anschein und nach der Zahl der betroffenen Beschäftigten nicht derart prägend, dass die Einheit "B... mit Leitungsfunktion", verbunden mit einem an einem anderen Ort befindlichen Betriebsteil als andere Betriebseinheit anzusehen wäre, als sie bisher bestanden hat.

f. Soweit die Antragsgegnerin meint, der Betriebsteil C... sei nicht in B... eingegliedert worden, trifft dies offenbar nicht zu. Sie stellt dabei offenbar allein auf den geplanten räumlichen Zusammenschluss auf einem einheitlichen Betriebsgelände ab. Darauf kommt es aber nicht an. Entscheidend ist vielmehr die strukturelle Zusammenlegung durch Verzahnung der Leitungsmacht, die Unterordnung der Beschäftigten in C... unter die Leitungsstruktur, die seit 01.10.2006 für die Beschäftigten in C... von der Niederlassung B... aus erfolgt. Dort werden auch nach dem Sachvortrag der Antragsgegnerin die wesentlichen Entscheidungen in den mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten getroffen, insbesondere in personeller Hinsicht. Da die Betriebsteile B... und C... räumlich nicht weit entfernt sind, ist die Belegschaft in C... derjenigen in B... zuzuordnen. Dies entspricht im übrigen auch den Festlegungen im Interessenausgleich, in dem diese Zuordnung ausdrücklich festgelegt ist. Es kommt hinzu, dass die vollständige räumliche Zusammenlegung von vornherein geplant war, weiter geplant ist, mit dem Wechsel eines Mitarbeiters bereits begonnen hat und sukzessive bis spätestens 2009 verwirklicht sein soll. Auch dies spricht dem äußeren Anschein nach für die Beibehaltung der bisherigen Strukturen und zeigt deutlich, dass eine Eingliederung gegeben ist.

g. Da von der Zuständigkeit des bestehenden Betriebsrats, des Antragstellers, für die Beschäftigten in B... - dies ohnehin - und auch in C... auszugehen ist, sieht sich die Kammer veranlasst, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig auch als entsprechenden Repräsentanten zu behandeln. Hierzu ist die Kammer gemäß §§ 85 Abs. 2 ArbGG, 940 ZPO berechtigt, obwohl ein gleichlautender Antrag des Antragstellers wörtlich nicht gestellt war. Die von der Kammer normierte Verhaltenspflicht der Antragsgegnerin erscheint als geeignet und erforderlich, wesentliche Nachteile für den Antragsteller, die Belegschaft und letztlich auch für die Antragsgegnerin - deren Maßnahmen, soweit sie Mitbestimmungsrechte verletzt, unwirksam sein könnten (vgl. § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG) - abzuwenden. Besondere Nachteile sind für die Antragsgegnerin - bei fehlendem Mandat des Antragstellers könnten umgehend Neuwahlen durchgeführt werden - nicht erkennbar. Durch die Auferlegung einzelner Verhaltens- oder Unterlassungspflichten gegenüber der Antragsgegnerin könnte eine entsprechende Klärung des Zwischenstadiums bis zum Ablauf der Amtszeit oder bis zur Entscheidung des Arbeitsgerichts über einen entsprechend § 18 Abs. 2 BetrVG zulässigen Antrag in der Hauptsache nicht in ausreichendem Maß herbeigeführt werden, weil die Frage des Weiterbestehens des Antragstellers hierfür jeweils nur als Vorfrage geprüft, nicht aber mit verbindlicher Wirkung für andere Konstellationen und Anträge entschieden würde. Es kommt hinzu, dass bei einer Fortführung des Schwebezustandes auch eine Neuwahl des Betriebsrats von vornherein mit der Frage belastet wäre, ob der Antragsteller noch zur Einsetzung eines Wahlvorstandes berechtigt ist - mit der Folge, dass auch dies gegebenenfalls erst über eine gerichtliche Anfechtung geklärt würde. Die Mitglieder des Antragstellers trügen bei jeder Ausübung der Betriebsratstätigkeit das Risiko, dass ihnen Entgelt nicht bezahlt würde oder dass sie gar eine Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung erhielten. Diese Situation stellt eine erhebliche Störung für die Ausübung der Betriebsratstätigkeit dar. Es erscheint der Kammer als nicht zumutbar, dass die Betriebsratsmitglieder ihre Tätigkeit unter derart hohem Risiko für ihren Arbeitsplatz und für ihre persönliche wirtschaftliche Lage ausüben müssten. Diese Gefahr kann nur durch eine entsprechende Regelung abgewendet werden - zumal die Kammer am Bestehen des Anspruches, an der Existenz des Antragstellers mit Zuständigkeit auch für die Beschäftigten in C... wegen der Wahrung der Betriebsidentität keine Zweifel hat. Damit besteht auch der Verfügungsgrund.

h. Die konkret gestellten, auf einzelne Pflichten der Antragsgegnerin zielenden Anträge sind zur Klärung dieser Rechtsfrage nicht geeignet. Sie sind im übrigen zum großen Teil unbestimmt. Dies gilt zunächst für die Untersagung der Äußerung einer - immerhin, wie der Beschluss des Arbeitsgerichts zeigt, vertretbaren - Rechtsansicht, für die die Kammer auch keine Anspruchsgrundlage erkennt. Zudem erscheint die Untersagung der Äußerung einer juristischen Person "selbst" schwierig, auch das "Kundtun durch Dritte" einer Vollstreckung kaum zugänglich. Dies gilt des weiteren für das Verbot, den Betriebsratsmitgliedern die Freistellung von der Arbeitsleistung zu verweigern. Zum einen ist für die Freistellung von der Betriebsratstätigkeit nach ständiger Rechtsprechung ein eigener Gestaltungsakt des Arbeitgebers nicht erforderlich. Zum anderen bliebe bei einer entsprechenden Tenorierung offen, was "erforderliche" Betriebsratstätigkeit wäre. Der Antrag wäre in dieser Form ebenfalls und von vornherein nicht vollstreckbar. Ähnliches gilt für das Verbot der Umsetzung von mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen im Sinne der §§ 87, 99, 102 und 111 BetrVG. Ein solches Verbot besteht materiell zumindest für Kündigungen unstreitig nicht; bei Maßnahmen nach § 111 BetrVG ist das Bestehen eines solchen Verbotes sehr umstritten und nach der Rechtsprechung der entscheidenden Kammer nicht existent. Der so gestellte Antrag ist aber unabhängig davon in seiner pauschalen Form nicht zur Klärung der Streitfrage geeignet: Er lässt gerade offen, welche konkreten Maßnahmen gemeint sind und wie die Mitbestimmung hierbei zu erfolgen hat. Schließlich kann die Kammer nicht erkennen, aus welchem Grund dem Arbeitgeber untersagt sein soll, Ansprechpartner zu ernennen. Es ist nicht erkennbar, inwieweit durch diese geplante Maßnahme die Arbeit des Antragstellers behindert oder erschwert würde. Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zum genannten Verhalten - dies entspricht inhaltlich weitestgehend dem gestellten Hilfsantrag - hält die Kammer jedenfalls zur Regelung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache demgegenüber für angebracht und für geeignet, den zwischen den Beteiligten bestehenden Streit vorläufig zu beenden.

3. Nach alldem ist der Beschwerde - bei Zurückweisung, soweit die konkret gestellten Leistungs- und Unterlassungsanträge betroffen sind - teilweise stattzugeben. Einer Kostenentscheidung bedarf es im Hinblick auf § 12 Abs. 5 ArbGG nicht.

Ende der Entscheidung

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