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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 01.04.2004
Aktenzeichen: 7 SHa 4/04
Rechtsgebiete: ZPO, SGB IX


Vorschriften:

ZPO § 114
SGB IX § 81 Abs. 1
SGB IX § 81 Abs. 2
1.

Ein Entschädigungsanspruch des nicht eingestellten, schwerbehinderten Arbeitsplatzbewerbers gemäß § 81 Abs. 2 Nrn. 2, 3 SGB IX setzt eine Benachteiligung wegen der Behinderung voraus.

2.

Eine solche Benachteiligung liegt vor, wenn die Behinderung zumindest ein von mehreren Motiven (d.h. Beweggründen) ist.

3.

Damit scheidet eine Benachteiligung wegen der Behinderung aus, wenn die Personen, die die gesetzlichen Pflichten der §§ 82 ff. SGB IX in Vertretung des Arbeitgebers zu erfüllen haben, von der Behinderung keine Kenntnis erlangt haben (z.B. weil eine Bürokraft auf dem von ihr für jeden Bewerber anzulegenden Übersichtsblatt die im Bewerbungsschreiben angegebene Behinderung nicht aufgeführt hat).


7 SHa 4/04

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg - Kammer 7 -

erlässt in dem Rechtsstreit

wegen sonstiges

durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Prof. Dr. Dr. Holzer-Thieser ohne mündliche Verhandlung folgenden

Beschluss:

Tenor:

Die Anträge des Klägers vom 26.02.2004, ihm für die beabsichtigte Berufung gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 13.01.2004 - Az. 2 Ca 2344/03 Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung zu gewähren, werden abgewiesen.

Gründe:

Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf ordnungsgemäßen Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, § 114 ZPO.

An diesen Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall.

Die vom Kläger für einen Entschädigungsanspruch herangezogenen Anspruchsgrundlagen des § 81 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 2 und 3 SGB IX sind tatbestandsmäßig nicht erfüllt.

§ 81 Abs. 2 SGB IX beginnt mit den Eingangsworten:

"Arbeitgeber dürfen schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gilt hierzu Folgendes..."

Damit wird klargestellt, dass die Tatbestandsmerkmale des § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX für alle nachfolgenden Regelungen des § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX von unmittelbarer tatbestandlicher Bedeutung sind. Dies bedeutet, dass die in § 81 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 2 und 3 SGB IX geregelten Entschädigungsansprüche zwingend voraussetzen, dass eine Benachteiligung von schwerbehinderten Beschäftigten "wegen ihrer Behinderung" vorliegt.

Wie das Erstgericht zu recht ausgeführt hat, ist eine Benachteiligung wegen der Behinderung dann zu bejahen, wenn die Behinderung eines Bewerbers zumindestens ein von mehreren M o t i v e n (d. h. Beweggründen) für die ablehnende Entscheidung des Arbeitgebers ist. Nicht die Benachteiligungsmaßnahme als solche ist entscheidend, sondern der Benachteiligungsgrund (Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX, 10. Auflage, Rdnr. 14 zu § 81). Damit setzt der streitgegenständliche Entschädigungsanspruch aber zwingend die Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderung voraus; ohne Kenntnis der Schwerbehinderung kann die Schwerbehinderung kein Motiv (Beweggrund) für eine ablehnende Entscheidung sein. Diese Frage ist zu trennen von der Frage der Notwendigkeit eines Verschuldens. Auch wenn die Entschädigungspflicht kein Verschulden des Arbeitgebers voraussetzt (herrschende Meinung, z. B. Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen a.a.O., Rdnr. 16 zu § 81), so ist doch ohne Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderung ein Entschädigungsanspruch nicht gegeben. Damit genügt es für einen Entschädigungsanspruch nicht, wenn der Bewerber objektiv Schwerbehinderter ist und vom Arbeitgeber objektiv die Pflichten der §§ 81 f SGB IX verletzt worden sind.

Da der Beklagte eine juristische Person öffentlichen Rechts ist, ist auf die Kenntnis bestimmter natürlicher Personen, die ihn bei der Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben vertreten, abzustellen. Dabei kommt es auf jene natürlichen Personen an, die die Pflichten hätten erfüllen sollen, die nach dem klägerischen Vorbringen verletzt worden sind.

Der Kläger rügt die unterbliebene Beiziehung der Schwerbehindertenvertretung und des Personalrats (§ 81 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 93 SBG IX), die unterbliebene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch (§ 82 Satz 2 SGB IX) und die unterbliebene Begründung der Ablehnung seiner Bewerbung (§ 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX). Zuständig für die Erfüllung dieser gesetzlichen Verpflichtungen sind einzelne Beschäftigte der Hochschule für Musik C..., bei der die streitgegenständliche Stelle zu besetzen war.

Im Schriftsatz vom 21.10.2003, auf den die Bezirksfinanzdirektion C... als zuständige Vertretungsbehörde des Beklagten im vorliegenden Bewilligungsverfahren mit Schriftsatz vom 16.03.2004 zulässigerweise Bezug genommen hat, ist ausgeführt, dass die Verwaltungskraft Frau D... das Übersichtsblatt bezüglich des Klägers ausfüllte, sie die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers darauf nicht vermerkte und deshalb alle an dem Einstellungsverfahren beteiligten Personen die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers nicht bemerkt haben. Der Kläger hat diesen Vortrag des Beklagten nicht bestritten.

Ist aber unstreitig, dass alle am Einstellungsverfahren beteiligten Personen und damit insbesondere alle Personen, die für die Erfüllung der vom Kläger angeführten gesetzlichen Pflichten zuständig waren (wozu Frau D... offensichtlich nicht gehört, da sie nur von § 81 f SGB IX nicht erfasste Vorarbeiten erledigte), von der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers nichts wussten, dann kann die Verletzung dieser Pflichten nicht "wegen der Behinderung" des Klägers erfolgt sein. Denn in diesem Fall ist ausgeschlossen, dass die Behinderung Motiv (Beweggrund) für die Ablehnung gewesen ist.

Damit kommt es auf die weiteren vom Kläger angestellten Überlegungen nicht mehr an. Der Kläger hat keine Tatsachen glaubhaft gemacht, die eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen. Die beabsichtigte Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, der Prozesskostenhilfeantrag ist abzuweisen.

Damit sind auch die Anträge auf Rechtsanwaltsbeiordnung (§ 121 ZPO) abzuweisen.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein gesetzlich begründeter Anlass (§§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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