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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 09.01.2007
Aktenzeichen: 7 Sa 135/05
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 60
Verletzt der Insolvenzverwalter lediglich Pflichten, die ihn in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber treffen, nicht aber insolvenzspezifische Pflichten, scheidet eine persönliche Haftung des Insolvenzverwalters gemäß § 60 InsO aus.
LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 Sa 135/05

Verkündet am 09. Januar 2007

in dem Rechtsstreit

wegen: Arbeitsentgelt

Die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Prof.Dr.Dr. Holzer-Thieser und die ehrenamtlichen Richter Seyler und Kaiser aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09. Januar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 21.12.2004 - Az. 1 Ca 617/04 - wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um eine vom Kläger auf § 60 InsO bzw. § 826 BGB gestützte Schadensersatzpflicht des Beklagten in seiner Funktion als (ehemaliger) Insolvenzverwalter über das Vermögen der C... GmbH. Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens und der Anträge der Parteien wird auf den ausführlichen Tatbestand des angefochtenen Endurteils vom 21.12.2004 (Bl. 164 - 168 d.A.), mit dem die Klage in vollem Umfang abgewiesen worden ist, Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 02.02.2005 zugestellte Urteil hat er mit Schriftsatz vom 16.02.2005, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 17.02.2005 eingegangen, Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 22.04.2005 - mit Schriftsatz vom 22.04.2005, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, begründet.

Der Kläger beantragt:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bayreuth, Az. 1 Ca 617/04 vom 21.12.2004 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.650,40 zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 14.11.2002 zu bezahlen.

III. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz, mit dem im Wesentlichen der erstinstanzliche Vortrag wiederholt wird, wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 22.04.2005 (Bl. 214 - 231 d.A.), 08.09.2005 (Bl. 273 - 280 d.A.), 22.09.2006 (Bl. 292 - 294 d.A.), 16.10.2006 (Bl. 312 - 314 d.A.) und vom 02.01.2007 (Bl. 323 f d.A.) sowie die Schriftsätze des Beklagten vom 17.05.2005 (Bl. 263 - 272 d.A.) und 10.10.2006 (Bl. 302 - 304 d.A.) Bezug genommen.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestands wird im Hinblick auf § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

I. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Schadenersatzanspruch gemäß § 60 Abs. 1 InsO zu. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO ist der Insolvenzverwalter allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach der Insolvenzordnung obliegen.

1. Eine Pflichtverletzung im Sinn des § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO liegt nicht vor.

a) § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO sieht eine Haftung des Insolvenzverwalters nur bei der Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten vor. Verletzt der Insolvenzverwalter Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, also Pflichten, die den Insolvenzverwalter in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber treffen, scheidet eine Haftung des Insolvenzverwalters gemäß § 60 Abs. 1 InsO - unabhängig vom Grad des Verschuldens - aus (herrschende Meinung, z.B. BAG, Urteil vom 01.06.2006 - Az. 6 AZR 59/06; FK-InsO/Kind, 3. Aufl., Rdnrn. 5, 23 zu § 60).

b) Der Kläger begründet einen Anspruch gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO insbesondere damit,

- der Beklagte habe eine nachvertragliche Pflicht gehabt, auf die ihm im März 2002 bekannte Erhöhung der Erfüllungsquote von - zum damaligen Zeitpunkt - 33,44 % hinzuweisen,

- der Beklagte habe mit seinem Schweigen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, nach Anfechtung des geschlossenen Abfindungsvertrags schulde der Beklagte die selbe Quote (33,44 %) wie sie die anderen Arbeitnehmer erhalten hätten,

- wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage sei die Vereinbarung, eine Abfindung von (nur) EUR 1.611,28 zu zahlen, anzupassen, das heißt zu erhöhen,

- der Beklagte habe aus Verärgerung über die wiederholten Klagen des Klägers den Kläger benachteiligt und damit gegen das Maßregelungs-verbot des § 612 a BGB verstoßen mit der Folge eines Anspruchs auf eine höhere Abfindung.

Auf diese Argumente kann der Kläger einen aus § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO abgeleiteten Anspruch nicht stützen. Es handelt sich insoweit um Argumente, die ihren Ursprung ausschließlich im Vertragsrecht haben. Eine insolvenzspezifische Pflichtverletzung ist damit nicht dargelegt.

c) Soweit der Kläger vorträgt, der Beklagte habe die Pflicht verletzt, alle Massegläubiger gleich zu behandeln, und er damit darlegen möchte, der Beklagte habe insoweit eine insolvenzspezifische Pflicht verletzt, kann er auch damit keinen Erfolg haben.

Ein Gebot einer aus den Bestimmungen der Insolvenzordnung abzuleitenden Gleichbehandlung könnte im vorliegenden Fall allenfalls dann bestehen, wenn der Beklagte den Kläger in seiner Eigenschaft als Massegläubiger ungleich behandelt hätte. Im Zeitpunkt der vom Kläger behaupteten Pflichtverletzung des Beklagten (unterlassene Aufklärung) war der Kläger aber kein Massegläubiger. Das Arbeitsverhältnis war durch Kündigung des Beklagten bereits zum 30.11.1999 wirksam beendet worden. Die Gewährung einer Abfindung durch den Beklagten erfolgte freiwillig, das heißt ohne gesetzliche Verpflichtung.

Damit konnte der Beklagte gegenüber dem Kläger auch keine spezifisch insolvenzrechtliche Pflicht verletzt haben.

Aus der Insolvenzordnung ist nicht ableitbar, dass dann, wenn ein Insolvenzverwalter ohne gesetzliche Grundlage einseitige Verpflichtungen gegenüber verschiedenen ehemaligen Arbeitnehmern begründet, eine Gleichbehandlungspflicht besteht.

2. Damit kann die Prüfung der Frage dahinstehen, ob § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht auch deshalb ausscheidet, weil der Kläger im Zeitpunkt der behaupteten Pflichtverletzung des Beklagten nicht "Beteiligter" im Sinn des § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO war. Zweifel sind deshalb angebracht, weil der Kläger im Zeitpunkt der behaupteten Pflichtverletzung des Beklagten weder Insolvenz- noch Massegläubiger war.

3. Damit scheidet ein Anspruch gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO aus, ohne dass es auf die Beantwortung der Fragen ankäme, durch welche Erklärungen der Parteien der Abfindungsvertrag geschlossen worden ist und welchen Inhalt dieser Vertrag im Einzelnen hatte.

II. Der Kläger macht weiterhin einen Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) geltend.

1. § 60 InsO schließt Ansprüche aus § 826 BGB nicht aus (herrschende Meinung, z.B. FK-InsO/Kind, a.a.O., Rdnr. 26 zu § 60).

2. Ein Schadenersatzanspruch aus unerlaubter Handlung kann tatbestandsmäßig nur gegeben sein, wenn durch das Verhalten des Beklagten dem Kläger ein Schaden entstanden ist. An einem Schaden würde es fehlen, wenn die Abfindungsvereinbarung nicht abschließend gewesen wäre, wie der Kläger meint, das vom Kläger beanstandete Verhalten des Beklagten hätte dann nicht zu einer Verkürzung möglicher Ansprüche des Klägers geführt und ein aus § 826 BGB abgeleiteter Anspruch müsste schon deshalb verneint werden.

3. Doch auch dann, wenn eine abschließende Abfindungsvereinbarung angenommen wird, fehlt es mangels eines sittenwidrigen Verhaltens des Beklagten an den Tatbestandsvoraussetzungen.

a) Sittenwidrigkeit setzt nach herrschender Meinung ein Verhalten voraus, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (Nachweis bei Palandt, BGB-Komm., 65. Aufl., Rdnr. 2 zu § 138).

b) Ein solches Verhalten des Beklagten ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Die Wertung des Verhaltens kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände erfolgen. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger sich in der Klageschrift vom 07.02.2002 (im Verfahren des Arbeitsgerichts Bayreuth 2 Ca 204/02 H) auf eine "verbindliche Vereinbarung" berufen hat, und er genau den vom Beklagten im Schreiben vom 14.06.2000 errechneten Betrag von EUR 1.611,18 eingeklagt hat, er nicht den Schlusstermin im Insolvenzverfahren abgewartet hat und er damit eine vorzeitige Auszahlung der Abfindung vor den anderen Arbeitnehmern angestrebt hat, er mit der vorzeitigen Auszahlung das Risiko einer möglichen Verschlechterung der Quote ausschalten hat wollen, er mit der vorzeitigen Auszahlung einen vorgezogenen Liquiditätszuwachs und einen Zinsgewinn gehabt hat, er sich - obwohl anwaltlich vertreten - vor Abschluss der Abfindungsvereinbarung nicht nach der aktuellen Auszahlungsquote erkundigt hat, kann das Unterlassen der vom Kläger gewünschten Information über eine erhöhte Auszahlungsquote nicht als sittenwidrig angesehen werden. Dabei kann offen bleiben, ob die Auffassung des Beklagten zutrifft, dass er vorrangig das Interesse der übrigen Gläubiger zu berücksichtigen hatte und es ihm deshalb sogar untersagt gewesen sei, den Kläger darauf hinzuweisen, dass er möglicherweise höhere Ansprüche stellen könnte.

III. Damit ist die Berufung des Klägers mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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