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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 10.01.2006
Aktenzeichen: 7 Sa 226/05
Rechtsgebiete: TV UmBw


Vorschriften:

TV UmBw § 1 Abs. 1
TV UmBw § 10
Ein "Wegfall" des Arbeitsplatzes" i.S.d. § 1 Abs. 1 TV UmBw mit der Folge eines höheren Aufstockungsbetrages gemäß § 10 TV UmBw ist nur dann anzunehmen, wenn der Arbeitsplatz bei einem Arbeitnehmer mit Altersteilzeitvertrag im Blockmodell während der Arbeitsphase entfällt. Ein späterer Wegfall genügt nicht.
LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 Sa 226/05

in dem Rechtsstreit

wegen Arbeitsentgelt

Die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Prof. Dr. Dr. Holzer-Thieser und die ehrenamtlichen Richter Arnold und Schirner aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 21.01.2005 - Az. 4 Ca 11343/03 - wird auf Kosten des Berufungsführers zurückzuweisen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Frage, ob dem Kläger, der mit der Beklagten mit Wirkung vom 01.02.2003 einen Vertrag über Alterssteilzeit geschlossen hat (Arbeitsphase 01.02.2003 bis 31.12.2004; Freistellungsphase 01.01.2005 bis 30.11.2006), über den sich aus § 5 Abs. 2 S. 1 des Tarifvertrags zur Regelung der Altersteilzeit vom 05.05.1998 (im Folgenden: TV ATZ) ergebenden Aufstockungsbetrag in Höhe von 83 % des bisherigen Nettolohnes hinaus ein weiterer Aufstockungsbetrag in Höhe von 5 % (= EUR 90,80 netto monatlich) aufgrund § 1 i.V.m. § 10 des Tarifvertrags über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr vom 18.07.2001 (im Folgenden: TV UmBw) zusteht. Es besteht beidseitige Tarifbindung.

Die einschlägigen Bestimmungen des TV UmBw lauten:

"§ 1 - Geltungsbereich -

(1) Abschnitt I dieses Tarifvertrages gilt für die im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (nachfolgend Arbeitnehmer), die unter den

....

Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb)

.....

fallen und deren Arbeitsplätze in der Zeit vom 01. Juni 2001 bis zum 31. Dezember 2010 durch Auflösung oder Verkleinerung von Dienststellen oder durch eine wesentliche Änderung des Aufbaus oder der Aufgaben einer Dienststelle einschließlich damit verbundener Umgliederung oder Verlegung auf Grund der Neuausrichtung der Bundeswehr wegfallen.

(2) .....

Protokollnotizen zu § 1 Abs. 1:

Dieser Tarifvertrag gilt auch, wenn die dem konkreten Wegfall des Arbeitsplatzes nach dem In-Kraft-Treten dieses Tarifvertrages zugrunde liegende Organisationsmaßnahme bereits vor dem 01. Juni 2001 getroffen worden ist.

Dem Wegfall des Arbeitsplatzes steht es im Sinne dieses Tarifvertrages gleich, wenn ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz deshalb verliert, weil dieser durch den Arbeitgeber mit einem Beschäftigten besetzt wird, dessen Arbeitsplatz im Sinne des § 1 Abs. 1 weggefallen ist.

.....

§ 9 - Abfindung -

Der Arbeitnehmer, der nach einer ununterbrochenen Beschäftigungszeit von mindestens zwei Jahren wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes (§ 1 Abs. 1) im gegenseitigen Einvernehmen vor Vollendung des 58. Lebensjahres aus einem unbefristeten Arbeitsverhältnis ausscheidet, erhält eine Abfindung nach Maßgabe folgender Tabelle: ...

§ 10 - Altersteilzeitarbeit -

Unter Geltung des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeitarbeit (TV ATZ) vom 05. Mai 1998 in der jeweils geltenden Fassung kann ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nach folgenden Maßgaben vereinbart werden:

.....

4. Abweichend von § 5 Abs. 2 S. 1 TV ATZ muss der Aufstockungsbetrag so hoch sein, dass der Arbeitnehmer 88 v.H. des Nettobetrages des bisherigen Arbeitsentgelts erhält (Mindestnettobetrag).

Protokollnotiz zu § 10:

§ 10 findet auch Anwendung auf diejenigen Arbeitnehmer, die seit dem 01. Januar 2001 Altersteilzeit vereinbart haben."

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird gemäß § 69 Abs. 3 S. 2 ArbGG auf den ausführlichen Tatbestand des angefochtenen Endurteils Bezug genommen (Bl. 84 - 88 d.A.).

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab 01.02.2003 abweichend von § 5 Abs. 2 S. 1 TV ATZ einen Aufstockungsbetrag in der Höhe zu bezahlen, dass der Kläger 88 % des Nettobetrages seines bisherigen Arbeitsentgelts erhält.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 544,80 netto sowie Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit dem Klageantrag zu 2. hat der Kläger den Aufstockungsbetrag für die Monate Februar bis Juli 2003 geltend gemacht.

Durch Urteil vom 21.01.2005 hat das Arbeitsgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 TV UmBw seien nicht erfüllt, da der Arbeitsplatz des Klägers nicht während der Arbeitsphase weggefallen sei, sondern erst später. Wegen der Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf Bl. 89 - 93 d.A. verwiesen.

Gegen das ihm am 28.02.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 15.03.2005 - beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen - Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 02.05.2005 - mit Schriftsatz vom 02.05.2005 - beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen - begründet.

Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung vor:

Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich zunächst aus § 1 i.V.m. § 10 TV UmBw. Er (der Kläger) falle unter § 1 TV UmBw (Geltungsbereich). Sein Arbeitsplatz sei zum 30.06.2003 durch die Auflösung seiner bisherigen Dienststelle in C... (Heeresfliegerregiment D...) und die Schaffung der neuen Dienststelle in C... (Kampfhubschrauberregiment D...) sowie die Umwandlung seines Arbeitsplatzes in eine so genannte Soldatenwechselstelle weggefallen. Ohne Bedeutung sei, dass sich dadurch seine Arbeitsbedingungen nicht geändert und für ihn keine neuen Belastungen entstanden seien. Spätestens falle sein Arbeitsplatz zum Zeitpunkt der Auflösung aller Soldatenwechselstellen weg (30.06.2007). Dies sei ausreichend. Für § 1 Abs. 1 TV UmBw komme es nicht darauf an, ob der Arbeitsplatz während der Arbeitsphase oder erst später wegfalle. Sinn und Zweck der Regelung des § 10 TV UmBw sei, einen Anreiz für die Arbeitnehmer zum Abschluss eines Altersteilzeitvertrages zu schaffen, um den Personalabbau bei der Bundeswehr zu beschleunigen. Dieser Sinn und Zweck der Regelung folge auch aus einem Vergleich mit der Abfindungsregelung des § 9 TV UmBw. Während § 9 TV UmBw ausdrücklich an den Wegfall des Arbeitsplatzes anknüpfe, fehle diese Anknüpfung in § 10 TV UmBw. Außerdem ergebe sich aus dem Erlass des Bundesministeriums für Verteidigung vom 15.03.2004 (Bl. 39 f. d.A.), dass es für einen Anspruch gemäß § 10 TV UmBw nicht auf den Wegfall des Arbeitsplatzes während der Arbeitsphase ankomme. Im Übrigen habe die Beklagte an die Arbeitnehmer E..., F..., G... und H... sowie einen Beamten den erhöhten Aufstockungsbetrag bezahlt, obwohl sie mit ihm vergleichbar seien. Wegen des Vortrags des Klägers im Übrigen wird auf die von ihm eingereichten Schriftsätze vom 02.05.2005 (Bl. 128 - 133 d.A.), 13.06.2005 (Bl. 143 f. d.A.), 26.10.2005 (Bl. 162 - 164 d.A.) und vom 28.12.2005 (Bl. 198 f. d.A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 10.01.2006 (Bl. 202 - 205 d.A.) Bezug genommen (§ 69 Abs. 3 S. 2 ArbGG).

Der Kläger und Berufungskläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 21.01.2005, Az.: 4 Ca 11343/03, wird abgeändert und es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 01.08.2003 einen Aufstockungsbetrag abweichend von § 5 Abs. 3 S. 1 TV ATZ in Höhe von 88 % des Nettobetrages des bisherigen Arbeitsentgelts zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 544,80 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:

Der Aufstockungsbetrag gemäß § 10 TV UmBw sei als Ausgleich der mit dem Wegfall der Arbeitsplätze verbundenen Nachteile der umgesetzten Arbeitnehmer gedacht. Damit könne § 1 Abs. 1 TV UmBw nur dahin ausgelegt werden, dass der Arbeitsplatz während der Arbeitsphase entfallen müsse. Der Arbeitsplatz sei während der Arbeitsphase des Klägers nicht weggefallen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt, da die Arbeitsplätze aller vom Kläger genannten Mitarbeiter während der Arbeitsphase weggefallen seien. Der Kläger könne sich deshalb nicht mit diesen Mitarbeitern vergleichen. Wegen des Vortrags der Beklagten im Einzelnen wird auf die von ihr eingereichten Schriftsätze vom 04.07.2005 (Bl. 151 - 154 d.A.) und vom 25.11.2005 (Bl. 184 d.A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 10.01.2006 (Bl. 202 - 205 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet.

A. Der Kläger stützt seinen Anspruch zu Unrecht auf § 1 Abs. 1 i.V.m. § 10 TV UmBw.

I. Zwingende Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 10 TV UmBw ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 1 TV UmBw das Vorliegen des in dieser Vorschrift geregelten persönlichen Geltungsbereichs für den Abschnitt I des TV UmBw, zu dem auch § 10 gehört.

II. Der Kläger wird von der Regelung des § 1 Abs. 1 TV UmBw nicht erfasst.

1. Die Parteien streiten um die Frage, ob der Kläger zu den Arbeitnehmern gehört, "deren Arbeitsplätze ... wegfallen".

2. Der Kläger ist mit seiner Hauptargumentation der Meinung, dass sein Arbeitsplatz zum 30.06.2003 mit der Änderung der Beschäftigungsdienststelle in C... (bis 30.06.2003: Heeresfliegerregiment D...; ab 01.07.2003: Kampfhubschrauberregiment D...) und mit seinem Einsatz ab 01.07.2003 auf einer Soldatenwechselstelle "weggefallen" ist.

Die Kammer teilt diese Auffassung nicht.

a) Das Tatbestandsmerkmal "Arbeitsplatz" ist nicht mit dem ebenfalls in § 1 Abs. 1 TV UmBw verwendeten Tatbestandsmerkmal "Dienststelle" identisch. Gemäß § 1 Abs. 1 TV UmBw muss die Auflösung, Verkleinerung oder Änderung der Dienststelle zu einem Wegfall von Arbeitsplätzen führen. Es genügt also selbst eine Auflösung einer Dienststelle nicht, zusätzlich muss erst festgestellt werden, ob als Folge einer Auflösung der Dienststelle auch Arbeitsplätze wegfallen.

Damit kann nicht allein deshalb, weil eine Auflösung oder Änderung einer Dienststelle vorliegt, ein Wegfall von Arbeitsplätzen angenommen werden.

"Arbeitsplatz" beschreibt nach Meinung der Kammer entsprechend dem üblichen Verständnis des Begriffs (vgl. z. B. Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 7. Aufl., Rdnr. 15 zu § 90 m.w.N.) den räumlich-funktionalen Bereich, in dem der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Arbeitsaufgabe mit Arbeitsmitteln und Arbeitsgegenständen in einem bestimmten Arbeitssystem tätig wird. Danach ist es unerheblich, ob sich die organisatorische Zuordnung des Arbeitsplatzes zu einer bestimmten Dienststelle ändert und ob die Tätigkeit eines Triebwerkmechanikers zur Instandhaltung von Flugzeugen oder von Kampfhubschraubern erbracht wird. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn sich die Arbeitsaufgaben und Arbeitsbedingungen nicht wesentlich ändern.

Da sich die Arbeitsbedingungen des Klägers ab 01.07.2003 - unstreitig - nicht geändert haben, ist damit durch den organisatorischen Austausch der Beschäftigungsdienststelle "Heeresfliegerregiment D..." durch die Beschäftigungsdienststelle "Kampfhubschrauberregiment D..." und die Übertragung von Arbeiten an Hubschraubertriebwerken ein Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers nicht eingetreten.

b) Auch die Umwandlung des Arbeitsplatzes des Klägers in eine so genannte Soldatenwechselstelle, also eine Planstelle für Soldaten, die auch mit fachlich ausgebildeten Beamten und Arbeitnehmern besetzt werden kann (vgl. Durchführungsbestimmungen vom 13.12.1976, Bl. 73 ff. d.A.), zum 01.07.2003 (Erlass des Bundesministeriums für Verteidigung vom 21.03.2003, Bl. 71 f. d.A.) führt zu keinem Wegfall des Arbeitsplatzes zu diesem Zeitpunkt. Mit diesem Erlass wurde vielmehr festgelegt, dass die Tätigkeit des Klägers als Triebwerksmechaniker bis zum 30.06.2007 von einem zivilen Mitarbeiter ausgeübt werden kann und damit die Beschäftigung konkret des Klägers jedenfalls bis zum Ende der Arbeitsphase (31.12.2004) gesichert ist.

Ein Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers war mit dem Erlass vom 21.03.2003 gerade nicht verbunden.

3. Der Kläger argumentiert - hilfsweise - damit, dass sein Arbeitsplatz jedenfalls zum 30.06.2007 wegfallen werde und auch dieser späte Wegfall seines Arbeitsplatzes vom Wortlaut des § 1 Abs. 1 TV UmBw umfasst werde.

Die Kammer teilt auch diese Auffassung nicht.

a) Was unter dem Tatbestandsmerkmal "deren Arbeitsplätze ... wegfallen" zu verstehen ist, ist nicht auf den ersten Blick eindeutig und damit durch Auslegung zu ermitteln.

b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Beim nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (z. B. BAG Urteil vom 05.10.1999 - 4 AZR 668/98 - DB 2000, 980).

c) Eine an diesen Grundsätzen orientierte Auslegung führt zu folgendem Ergebnis:

aa) Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 TV UmBw stützt die Auslegung, dass der Wegfall der Arbeitsplätze zu einem Zeitpunkt erfolgen muss, an dem die Arbeitnehmer noch arbeiten, bei Mitarbeitern mit Altersteilzeitvertrag im Blockmodell also während der Arbeitsphase. Nur wenn noch aktive Arbeitnehmer nicht mehr wie bisher beschäftigt werden, kann davon gesprochen werden, dass " deren Arbeitsplätze ... wegfallen". Arbeitnehmer in der Freistellungsphase oder erst recht nach Ablauf der Freistellungsphase können nicht mehr konkreten Arbeitsplätzen zugeordnet werden, die sie früher besetzt hatten, zumal sie nicht nur vorübergehend keine Arbeitsleistung mehr erbringen, sondern endgültig feststeht, dass sie nie mehr für ihren Arbeitgeber tätig werden. In diesen Fällen wäre es sprachlich unzutreffend, von Arbeitnehmern zu sprechen, " deren Arbeitsplätze wegfallen", denn im Zeitpunkt des Wegfalls sind s i e nicht mehr Arbeitsplatzinhaber.

bb) Nach Meinung der Kammer ist der Sinn und Zweck der Regelung des § 1 Abs. 1 TV UmBw, durch die in Abschnitt I geregelten Maßnahmen konkrete Nachteile der vom Wegfall von Arbeitsplätzen betroffenen Arbeitnehmer auszugleichen.

Nur wenn dem Arbeitnehmer Nachteile entstehen, ist es gerechtfertigt, diese Nachteile z. B. durch Beschäftigungssicherung (§ 3 TV UmBw), Qualifizierung (§ 4 TV UmBw), Abfindung (§ 9 TV UmBw) oder erhöhten Zuschuss bei Altersteilzeit (§ 10 TV UmBw) wenigstens teilweise auszugleichen.

Erleiden Arbeitnehmer durch einen Arbeitsplatzwegfall keinen Nachteil, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte Zusatzleistungen erbringen wollte. Dies gilt speziell deshalb, weil die Beklagte als Körperschaft des öffentlichen Rechts zur sparsamen Verwendung von Steuergeldern verpflichtet ist.

Dieser Sinn und Zweck, konkrete Nachteile auszugleichen, gilt auch für Arbeitnehmer in Altersteilzeit. § 1 i.V.m. § 10 TV UmBw regeln erkennbar den Fall, dass der Arbeitsplatz während der Arbeitsphase wegfällt und deshalb der Arbeitnehmer (bis zum Ende der Arbeitsphase) umgesetzt werden muss. Wegen des Grundsatzes der sparsamen Verwaltung öffentlicher Gelder musste die Beklagte versuchen, die Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, auf andere Plätze umzusetzen. Von einer allgemeinen Arbeitsfreistellung bei Lohnfortzahlung gemäß § 615 BGB kann bei Auslegung des Tarifvertrags deshalb nicht ausgegangen werden. Eine Umsetzung ist typischerweise mit besonderen Belastungen verbunden, insbesondere für ältere Arbeitnehmer; dies trifft wegen ihres durchgehend hohen Lebensalters für alle Arbeitnehmer in Altersteilzeitverhältnissen zu.

Gerade diese Nachteile sollten durch § 10 TV UmBw ausgeglichen werden. Es ist damit die Meinung des Klägers abzulehnen, Sinn und Zweck der Regelung des § 1 i.V.m. § 10 TV UmBw sei es, einen Anreiz für den Abschluss von Altersteilzeitverträgen zu schaffen. Diese Auslegung findet im Gesetz keine Stütze.

Der Gesamtzusammenhang einschlägiger tariflicher Regelungen bestätigt die Richtigkeit der von der Kammer vorgenommenen Auslegung. So erstreckt die Protokollnotiz zu § 10 TV UmBw, die ihrerseits Tarifvertragscharakter hat, die Anwendbarkeit des § 10 TV UmBw auch auf diejenigen Arbeitnehmer, die bereits weit vor Abschluss des TV UmBw (18.07.2001), nämlich seit dem 01.01.2001 Altersteilzeit vereinbart haben. Für diese Arbeitnehmer konnte der TV UmBw keine Anreizwirkung haben. Da aber davon auszugehen ist, dass im Zweifel einer tariflichen Zusatzvergütung ein einheitlicher Sinn und Zweck zugrunde liegt, der für alle Betroffenen in gleicher Weise zutrifft, muss der Anreizzweck damit ausscheiden. Anhaltspunkte für die Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten für die beiden Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Zwecke verfolgt, sind nicht erkennbar.

cc) Das nach den vorstehenden Überlegungen gefundene Auslegungsergebnis führt zu einer widerspruchsfreien Anwendung weiterer Regelungen des TV UmBw.

Nach Absatz 2 der Protokollnotizen zu § 1 Abs. 1 TV UmBw steht es dem Wegfall des Arbeitsplatzes gleich, wenn ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz deshalb verliert, weil dieser durch den Arbeitgeber mit einem Beschäftigten besetzt wird, dessen Arbeitsplatz im Sinn des § 1 Abs. 1 weggefallen ist. Diese Gleichstellung ist gerade deshalb erfolgt, weil der in dieser Norm erstgenannte Arbeitnehmer umgesetzt werden muss (weil ein anderer Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz erhält). Der erstgenannte Arbeitnehmer erleidet durch die Umsetzung typischerweise Nachteile, die (teilweise) ausgeglichen werden sollen. Ist der erstgenannte Arbeitnehmer ein Arbeitnehmer mit Altersteilzeitvertrag, so steht ihm der Aufstockungsbetrag gemäß § 10 TV UmBw zu.

Entgegen der Meinung des Klägers kann auch aus der Abfindungsregelung des § 9 TV UmBw kein anderes Ergebnis abgeleitet werden. § 9 TV UmBw gewährt eine Abfindung, wenn der Arbeitnehmer wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes ausscheidet. Der Umstand, dass § 10 TV UmBw den Wegfall des Arbeitsplatzes nicht gesondert erwähnt, liegt darin begründet, dass der Wegfall bereits in § 1 Abs. 1 TV UmBw zur Voraussetzung des Anspruchs gemäß § 10 TV UmBw gemacht worden ist und eine Wiederholung überflüssig ist. § 9 TV UmBw wiederholt das auch in § 1 Abs. 1 TV UmBw enthaltene und auch für § 9 TV UmBw geltende Tatbestandsmerkmal "Wegfall des Arbeitsplatzes" offensichtlich nur zum Zwecke der leichteren Lesbarkeit; das Tatbestandsmerkmal "Wegfall des Arbeitsplatzes" wird verbunden mit dem weiteren Merkmal "ausscheidet".

dd) Auch aus dem Gesichtspunkt der praktischen Tarifübung ergeben sich keine abweichenden Erkenntnisse für die vorzunehmende Auslegung.

Entgegen der Meinung des Klägers lässt sich aus dem Erlass des Bundesministeriums für Verteidigung vom 15.03.2004 (Bl. 39 f. d.A.) nicht ableiten, ein Wegfall des Arbeitsplatzes während der Beschäftigungsphase sei nicht erforderlich.

In diesem Erlass wird - entgegen früherer Praxis - gestattet, auch dann Altersteilzeitverträge gemäß § 10 TV UmBw abzuschließen, wenn eine Arbeitsplatzsicherung nach § 3 TV UmBw möglich wäre bzw. die Aufstockungsbeträge des § 10 TV UmBw mit Rückwirkung zu zahlen, wenn frühere Anträge auf Gewährung der Leistungen gemäß § 10 TV UmBw wegen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten abgelehnt worden sind. Dieser Erlass ist für einen Fall wie er beim Kläger vorliegt, nicht einschlägig. Der Erlass verzichtet nur auf die vorrangige Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz, nicht aber auf das Erfordernis des Wegfalls des Arbeitsplatzes im Sinne des § 1 Abs. 1 TV UmBw. Auch nach diesem Erlass ist zwingende Voraussetzung für Leistungen gemäß § 10 TV UmBw, dass der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers während der Arbeitsphase entfällt.

ee) Damit kommt die Kammer für den Fall eines Arbeitnehmers mit Altersteilzeitvertrag im Blockmodell zum Ergebnis, dass § 1 Abs. 1 TV UmBw nur erfüllt ist, wenn der Arbeitsplatz während der Arbeitsphase wegfällt. Der Wegfall zu einem späteren Zeitpunkt reicht nicht.

4. Der Arbeitsplatz des Klägers ist nicht während seiner Arbeitsphase weggefallen, sondern wird erst später wegfallen.

Der Kläger wird somit von der Regelung des § 1 Abs. 1 TV UmBw nicht erfasst.

III. Da der Kläger die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 TV UmBw nicht erfüllt, kann er den Klageanspruch nicht auf § 10 TV UmBw stützen. Auf die Frage, ob die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 TV UmBw vorliegen, kommt es nicht mehr an.

B. Der Kläger beruft sich außerdem darauf, die Beklagte hätte verschiedenen Mitarbeitern, die sich in einer vergleichbaren Lage wie er befunden hätten, einen Aufstockungsbetrag bezahlt.

Der Kläger macht damit geltend, er habe einen Anspruch wegen Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes.

Die Kammer sieht den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt.

I. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verwehrt dem Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen auszunehmen und schlechter zu stellen. Gewährt ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip Leistungen, so muss er die Leistungsvoraussetzungen so abgrenzen, dass kein Arbeitnehmer hiervon aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen bleibt (ständige Rechtsprechung des BAG, z. B. Urteil vom 06.12.1995 - 10 AZR 123/95 - DB 96, 2342 m.w.N.). Für das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale ist der Arbeitnehmer darlegungsbelastet. Der Umfang der zu fordernden Darlegung hängt nach allgemeinen prozessualen Regeln maßgeblich von der Einlassung der beklagten Partei ab.

II. Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall kommt die Kammer zum Ergebnis, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht.

1. Der Kläger beruft sich auf die Kollegen E...und F.... Nach dem Vortrag der Beklagten könne sich der Kläger nicht auf diese Mitarbeiter berufen. Sie erfüllten die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 i.V.m. § 10 TV UmBw, weil ihr Arbeitsplatz weggefallen sei. Aus der Gesamtheit des Vorbringens der Beklagten ist zu entnehmen, dass sie mit "Wegfall des Arbeitsplatzes" stets den "Wegfall während der Arbeitsphase" meint. Dies war auch für den Kläger erkennbar.

Damit war es die Obliegenheit des Klägers, substantiiert darzulegen, dass die Arbeitsplätze der Kollegen E... und F... nicht während der Arbeitsphase weggefallen sind, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 TV UmBw also nicht erfüllt waren und die Beklagte damit übertariflich vergütet hat. Diesen Vortrag hat der darlegungsbelastete Kläger nicht gebracht.

2. Soweit sich der Kläger auf einen namentlich nicht genannten "Beamten" bezieht, gelten dieselben Überlegungen. Unabhängig von der Frage, ob sich der Kläger als Arbeitnehmer mit einem Beamten vergleichen kann, scheitert ein Anspruch wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes wieder daran, dass der Kläger den Vortrag der Beklagten, der Arbeitsplatz des Beamten sei während der Arbeitsphase weggefallen, nicht widerlegt hat.

3. Bezüglich des Mitarbeiters G... hat die Beklagte ausgeführt, dass die Zahlung des Aufstockungsbetrages nach dem Wortlaut des TV UmBw zu leisten sei, da der Arbeitsplatz des Mitarbeiters G... mit einem jüngeren Arbeitnehmer besetzt worden sei, dessen Arbeitsplatz weggefallen sei. Der Mitarbeiter G... fällt nach dem Vortrag der Beklagten damit unter die Regelung des Abs. 2 der Protokollnotizen zu § 1 Abs. 1 und erhält zu Recht den Aufstockungsbetrag.

Der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergeben würde, dass die Beklagte übertariflich leistet.

4. Nach dem Vortrag der Beklagten fällt der Arbeitsplatz des Mitarbeiters H... während der bis 30.06.2009 laufenden Arbeitsphase zum 30.06.2007 weg. Herr H... habe damit Anspruch auf den Aufstockungsbetrag.

Der Kläger hat diesem Vortrag in der Sitzung vom 10.01.2006 nicht mehr widersprochen und keine Umstände dargelegt, aus denen abgeleitet werden könnte, Herr H... werde übertariflich vergütet.

5. Damit steht dem Kläger kein Anspruch aus dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu.

C. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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