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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 16.10.2007
Aktenzeichen: 7 Sa 233/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
1. Ein Grund an sich für eine außerordentliche Kündigung kann schon dann bestehen, wenn in der Vergangenheit zwar keine pflichtwidrige Arbeitsverweigerung vorliegt, diese aber im Kündigungszeitpunkt für die Zukunft ernsthaft angekündigt wird.

Die Ankündigung des Arbeitnehmers kann eine ausreichende Basis für die Prognose einer zukünftig befürchteten Störung (im Leistungsbereich) sein.

2. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist eine neuerliche Abmahnung entbehrlich, wenn eine Kündigungsandrohung für den Wiederholungsfall in einer vorausgegangenen rechtswidrigen Abmahnung ausgesprochen worden ist.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 Sa 233/07

Verkündet am 16. Oktober 2007

in dem Rechtsstreit

wegen Feststellung

Die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Nürnberg Prof. Dr. Dr. Holzer-Thieser und die ehrenamtlichen Richter Schmitt und Rost aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 12.12.2006 - Az. 2 Ca 434/04 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Teilurteil insoweit aufgehoben wird, als ein Auflösungsantrag in den Entscheidungsgründen abgewiesen worden ist.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die beiderseits tarifgebundenen Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren über die Rechtmäßigkeit einer von der Beklagten mit Schreiben vom 01.03.2004 ausgesprochenen, dem Kläger am 03.03.2004 zugegangenen außerordentlichen Kündigung.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 03.03.2004 außerdem eine vorsorglich ordentliche Kündigung zum 31.08.2004 ausgesprochen.

Beide Kündigungen hat der Kläger mit der vorliegenden Klage angegriffen. Im vorliegenden Verfahren hat die Beklagte vorsorglich einen Auflösungsantrag gestellt.

Den beiden streitgegenständlichen Kündigungen ist eine außerordentliche Kündigung vom 15.12.2003 sowie eine hilfsweise ordentliche Kündigung vom 19.12.2003 zum 31.05.2004 vorausgegangen, die der Kläger mit Kündigungsschutzklagen (Arbeitsgericht Bamberg, Aktenzeichen 2 Ca 17/04) angegriffen hat. Mit Teilurteil vom 11.04.2006 hat die erkennende Kammer festgestellt, dass die außerordentliche Kündigung vom 15.12.2003 unwirksam ist, und hat außerdem entschieden, dass die Abmahnung vom 09.12.2003 aus der Personalakte zu entfernen hat. Die Verhandlung bezüglich der Rechtmäßigkeit der ordentlichen Kündigung vom 19.12.2003 ist gemäß § 148 ZPO ausgesetzt worden.

Der Kläger war seit circa 14 Jahren im Bereich Obst und Gemüse an den Tagen Sonntag bis Donnerstag beschäftigt. Es besteht ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 02./23.10.1989, der in § 4 bei Vorliegen betrieblicher Belange eine Versetzung in andere Abteilungen ermöglicht. Ende 2003 entschloss sich die Beklagte, insbesondere zur Einsparung von Sonntagszuschlägen im Bereich Obst und Gemüse nur noch an den Tagen Montag bis Samstag arbeiten zu lassen. Mit Betriebsvereinbarung vom 26.11.2003 wurde dieses Arbeitszeitmodell näher konkretisiert und dabei geregelt, dass die Gruppe 1 von Montag bis Freitag und die Gruppe 2 von Dienstag bis Samstag arbeitet. Nach dem Vortrag der Beklagten sollten die einzelnen Arbeitnehmer jeweils im 14tägigen Wechsel in den beiden Gruppen arbeiten. Der Kläger weigerte sich, Samstagsarbeit zu leisten. Die Beklagte entschloss sich deshalb, den Kläger in den Bereich Trockensortiment zu versetzen und dort an den Tagen Montag bis Freitag einzusetzen. Mit Schreiben vom 03.12.2003, dem Betriebsratsvorsitzenden am selben Tag zugegangen, unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat von der geplanten Versetzung. Der Betriebsrat erklärte nicht, dass er die Zustimmung verweigere.

Mit Schreiben vom 09.12.2003, dem Kläger am 11.12.2003 zugegangen, forderte die Beklagte den Kläger auf, die Arbeit im Trockensortiment aufzunehmen und drohte gleichzeitig eine außerordentliche Kündigung für den Fall der weiteren Verweigerung an.

Die Beklagte hat den Kündigungsgrund darin gesehen, dass der Kläger nach Ausspruch der Kündigungen vom 15.12.2003 und 19.12.2003 nicht seine Bereitschaft erklärt habe, im Trockensortiment zu arbeiten und er vor dem Arbeitsgericht Bamberg im Gütetermin vom 19.02.2004 (2 Ca 17/04) unter anderem erklärt habe, er sei nicht bereit, im Trockensortiment zu arbeiten.

Mit Teilurteil vom 12.12.2006 hat das Arbeitsgericht der Klage gegen die außerordentliche Kündigung vom 15.12.2003 stattgegeben und in den Entscheidungsgründen den Auflösungsantrag der Beklagten abgewiesen.

Gegen das der Beklagten am 09.03.2007 zugestellte Teilurteil hat sie mit Schriftsatz vom 30.03.2007, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangen am 02.04.2007, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 04.05.2007, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 07.05.2007 eingegangen, begründet.

Die Beklagte ist der Meinung, dass ein ausreichender Kündigungsgrund vorliege. Einen Auflösungsantrag zum 03.03.2004 habe sie erstinstanzlich nie gestellt.

Die Beklagte beantragt,

1. das Teilurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 12.12.2006 - 2 Ca 434/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen,

2. die Entscheidung des Erstgerichts bezüglich der Abweisung des arbeitgeberseitigen Auflösungsantrags aufzuheben.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger bestreitet, am 19.02.2004 die behauptete Äußerung getan zu haben. Im Übrigen habe er schon deshalb keine Pflichtverletzung angekündigt, weil er aus individual- und kollektivrechtlichen Gründen nicht verpflichtet sei, im Trockensortiment an den Wochentagen Montag bis Freitag zu arbeiten.

Wegen des Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 04.05.2007 (Bl. 124 - 130 d.A.) und vom 17.07.2007 (Bl. 157 - 158 d.A.) sowie die Schriftsätze des Klägers vom 22.05.2007 (Bl. 150 - 152 d.A.) und vom 07.08.2007 (Bl. 168 - 170 d.A.) sowie das Sitzungsprotokoll vom 16.10.2007 (Bl. 171 - 173 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

A.

Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 01.03.2004 hat das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst.

I. Die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung beurteilt sich nach § 626 BGB.

1. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ist dann gemäß § 626 Abs. 1 BGB rechtmäßig, wenn wirksam in den Prozess eingeführte Tatsachen vorliegen, die an sich, also unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalles, einen Kündigungsgrund darstellen, und eine Abwägung der für und gegen eine Kündigung sprechenden Interessen der Parteien des Arbeitsvertrags unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles stattfindet und zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses "bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann".

2. Die Prüfung des wichtigen Grundes erfolgt dabei in zwei systematisch zu trennenden Abschnitten, nämlich einmal, "ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben", zum anderen, "ob bei der Berücksichtigung dieser Umstände und der Interessenabwägung die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist" (BAG, DB 84, 2702; vgl. auch BAG vom 12.08.1999 - 2 AZR 923/98 -). Diese Abgrenzung dient der Rechtssicherheit, weil sie die Anwendung des Rechtsbegriffs des wichtigen Grundes überschaubarer macht (ständige Rechtsprechung des BAG, z.B. NZA 04, 486).

3. Einem Fehlverhalten kommt dabei die Qualität eines Kündigungsgrundes an sich nur zu, wenn es - jedenfalls in der Regel - rechtswidrig und schuldhaft ist und von ihm konkrete Störungen im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit der Mitarbeiter, im Vertrauensbereich der Parteien oder im Unternehmensbereich ausgehen (ständige Rechtsprechung des BAG). Jede Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten stellt eine Störung im Leistungsbereich dar.

Die Störungen sind Teil des Kündigungsgrundes an sich und nicht erst ausschließlich bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen (BAG, BB 85, 1918).

Bei der Prüfung des Kündigungsgrundes ist von großer Bedeutung, dass nach heute überwiegender Ansicht der Kündigungsgrund (auch der Grund für eine außerordentliche Kündigung) seiner Natur nach zukunftsbezogen ist (z.B. BAG, DB 92, 2447; BB 95, 1090; NZA 97, 487; DB 97, 2387; NZA 2006, 917; Urteil vom 19.04.2007 - 2 AZR 180/06; LAG Hamm, NZA 97, 1056; LAG Berlin, MDR 98, 785; LAG Köln, ZTR 99, 274; Herschel, in Festschrift für G. Müller, Seite 202 f.; Münchner Kommentar zum BGB, Anm. 217 ff. vor § 620; Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen, Diss. Köln 1987, Seite 328; Preis, DB 88, 1388; Weiß, Anm. zu EzA Nr. 10 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung; Preis-Stoffels, RdA 96, 210; Adam, NZA 98, 284). Nicht was war, entscheidet für sich betrachtet, vielmehr kommt es auf die Auswirkungen für die Zukunft an (Herschel, a.a.O.). Insoweit unterscheidet sich eine Kündigung grundlegend von dem durch ein Strafurteil beabsichtigten Zweck. Nicht das Fehlverhalten als solches, sondern nur dessen Auswirkungen können für eine Kündigung den Ausschlag geben (BAG Urteil vom 19.04.2007 - 2 AZR 180/06; Weiß, a.a.O.). Die Kündigung ist keine Sanktion auf vergangenes Verhalten, sondern ein "Instrument der Regulierung der Zukunft" (Herschel, a.a.O.). Berechtigtes Anliegen des Arbeitgebers ist es, eine zukünftig befürchtete Störung zu vermeiden. Dabei ist in prozessualer Hinsicht notwendig, dass der Arbeitgeber die Umstände darlegt, die den Schluss auf eine zukünftige Störung zulassen. Basis dieser Prognose kann dabei nicht nur ein vergangenes Fehlverhalten sein. Auch die ernsthafte Ankündigung einer zukünftigen Pflichtverletzung kann eine ausreichende Grundlage für die Prognose sein.

4. Die in der zweiten Prüfungsstufe vorzunehmende Interessenabwägung betrachtet die Faktoren, die in ihrer Gesamtheit das Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bzw. das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung begründen. Das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist als vorgehend zu bewerten, wenn dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, den Arbeitnehmer bis zum Ende der Kündigungsfrist zu beschäftigen.

a) Eine solche Unzumutbarkeit scheidet aus, wenn dem Arbeitgeber ein milderes Mittel als die Kündigung zur Verfügung steht, um die zukünftig befürchteten Störungen zu vermeiden (sogenanntes Ultima-Ratio-Prinzip). Hierzu zählt auch eine Abmahnung, mit der dem Arbeitnehmer für den Fall der Wiederholung des beanstandeten Verhaltens die Kündigung angedroht wird.

Hat der Arbeitgeber bereits abgemahnt oder in anderer Weise deutlich gemacht, dass er ein bestimmtes Verhalten nicht hinnehmen werde, kann sich der Arbeitnehmer in der Regel nicht darauf berufen, eine Kündigung sei ohne eine (weitere) Abmahnung unverhältnismäßig. Denn aufgrund der vorausgegangen Erklärung des Arbeitgebers kann in einem solchen Fall der Arbeitnehmer nicht mehr darüber im Zweifel sein, dass der Arbeitgeber ein erneutes Fehlverhalten zum Anlass für eine Kündigung nehmen werde. Diese Klarstellungsfunktion kommt auch einer unwirksamen Abmahnung zu, wenn aus ihr deutlich hervorgeht, dass der Arbeitgeber im Wiederholungsfall kündigen wird (KR/Fischermeier, 8. Auflage, Rdnr. 267 zu § 626 BGB).

b) Steht dem Arbeitgeber kein milderes Mittel als die Kündigung zur Verfügung, um die zukünftig befürchteten Störungen zu vermeiden, ist des Weiteren zu prüfen, ob dem Arbeitgeber die Hinnahme der befürchteten Störungen bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zuzumuten ist.

Dabei ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses und das Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses wenigstens bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist gegeneinander abzuwägen. Das Gewicht der beiderseitigen Interessen wird durch die Gesamtumstände bestimmt.

5. Darlegungsbelastet für das Vorliegen der Kündigungsgründe ist der Arbeitgeber.

II.

Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall kommt die Kammer zum Ergebnis, dass ein ausreichender Kündigungsgrund im Sinn des § 626 BGB nicht vorliegt.

1. Die Beklagte stützt die außerordentliche Kündigung darauf, der Kläger habe bis zum 03.03.2004 (Zugang der Kündigung) nicht angeboten, im Trockensortiment zu arbeiten und habe außerdem im Rahmen der öffentlichen Sitzung des Arbeitsgerichts Bamberg vom 19.02.2004 im Verfahren 2 Ca 17/04 erklärt, er weigere sich, im Trockensortiment zu arbeiten.

2. Der Umstand, dass der Kläger bis zum 03.03.2004 nicht angeboten hat, im Trockensortiment zu arbeiten, kann keine Basis für eine negative Zukunftsprognose abgeben, da nach Ausspruch der Kündigungen vom 15.12.2003 und 19.12.2003 der Kläger zur Arbeitsleistung nicht verpflichtet war. Mit Ausspruch der Kündigungen hat die Beklagte konkludent erklärt, dass sie ihrer Mitwirkungspflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung des Klägers, nämlich der Zur-Verfügung-Stellung eines Arbeitsplatzes, nicht nachkommen wolle. Bei dieser Sachlage konnte sie nicht erwarten, dass der Kläger nochmals gesondert die Arbeitskraft anbietet. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, die Kündigungen zurückzunehmen und den Kläger zur Arbeit aufzufordern, wenn sie seine Arbeitsleistung vor dem 03.03.2004 in Anspruch hätte nehmen wollen.

3. Die Beklagte stützt die Kündigung außerdem darauf, der Kläger habe am 19.02.2004 für die Zukunft die Tätigkeit im Trockensortiment verweigert. Der Kläger bestreitet, eine solche Äußerung getan zu haben.

Zu Gunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass der Kläger diese Äußerung getan hat. Denn auch dann würde keine wirksame außerordentliche Kündigung vorliegen. Es würden folgende Überlegungen gelten:

a) Es liegt ein Grund an sich vor.

Durch die behauptete Äußerung hat der Kläger angekündigt, seine Arbeitspflicht zukünftig zu verletzen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

aa) Der Kläger ist verpflichtet, nach Abschluss der wegen der Kündigungen vom 15. und 19.12.2003 eingeleiteten Kündigungsschutzverfahren im Trockensortiment zu arbeiten. Die Beklagte hat eine rechtmäßige Weisung erteilt. Es kann dahinstehen, ob die Weisung vom 25.11.2003 rechtmäßig war. Eine rechtmäßige Weisung liegt jedenfalls in der "Abmahnung" vom 09.12.2003 (Bl. 134 d.A.). Hier wird der Kläger (nochmals) aufgefordert, "umgehend (seine) Tätigkeit ... im Bereich TS aufzunehmen". Diese Weisung ist individual- und kollektivrechtlich nicht zu beanstanden.

Die Beklagte war nach § 4 des Arbeitsvertrags berechtigt, den Kläger in andere Abteilungen zu versetzen, "wenn die betrieblichen Belange dies erfordern". Solche hat die Beklagte vorgetragen. Sie hat nämlich dargelegt, dass bei Wegfall der Sonntagsarbeit Sonntagszuschläge vermieden werden können. Diese - unstreitigen - Kosteneinsparungen stellen betriebliche Belange im Sinn des § 4 des Arbeitsvertrages dar.

Die Freiheit der Beklagten, den Kläger vom Bereich Obst und Gemüse in den Bereich Trockensortiment umzusetzen, ist - entgegen der Meinung des Klägers - auch nicht dadurch weggefallen, dass der Kläger circa 14 Jahre im Bereich Obst und Gemüse beschäftigt war. Der faktischen langjährigen Beschäftigung in dem Bereich Obst und Gemüse kann - aus der maßgeblichen Sicht des Klägers - nicht der Wille der Beklagten entnommen werden, sich dahingehend binden zu wollen, den Kläger nur im Bereich Obst und Gemüse zu beschäftigen. Maßgebend für diese Wertung ist, dass dem Kläger das einem jeden Arbeitgeber zuzuerkennende Interesse der Beklagten erkennbar war, dass eine Flexibilität beim Einsatz ihrer Arbeitnehmer erhalten bleiben solle, um jederzeit Unternehmerentscheidungen im Betrieb umsetzen zu können.

Die Weisungsfreiheit ist auch nicht durch die Vereinbarung vom 15.01.1993 (Bl. 17 d.A.) eingeschränkt worden. Auch wenn die Beklagte hier erklärt hat, eine Umsetzung in eine andere Abteilung sei nicht vorgesehen, so kann daraus nicht abgeleitet werden, der Kläger habe einen Anspruch, ausschließlich im Bereich Obst und Gemüse arbeiten zu dürfen. Die Beklagte hat erkennbar ausgedrückt, dass im Zeitpunkt der Vereinbarung vom 15.01.1993 keine Pläne einer Umsetzung bestanden. Nicht kann aus der Vereinbarung entnommen werden, die Beklagte hätte in Abweichung des Arbeitsvertrags für immer auf eine Umsetzungsmöglichkeit verzichten wollen. Wäre dies gewollt gewesen, hätte sie eine andere sprachliche Formulierung gewählt, z.B. die Aufhebung der Versetzungsregelung des § 4 des Arbeitsvertrages.

Die Versetzung vom 09.12.2007 ist auch kollektivrechtlich nicht zu beanstanden. Die Versetzung war - wie sich aus dem Wortlaut des an den Betriebsrat gerichteten Unterrichtungsschreibens ergibt - auf Dauer angelegt und war gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Die Unterrichtung ging dem Betriebsrat am 03.12.2003 zu. Der Betriebsrat hat der Beklagten nicht bis zum 10.12.2003 die Verweigerung der Zustimmung mitgeteilt, damit gilt die Zustimmung mit Ablauf des 10.12.2003 als erteilt (§ 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG). Vor dem am 11.12.2003 erfolgten Zugang der Versetzungsanordnung vom 09.12.2003 war damit das betriebsverfassungsrechtliche Zustimmungsverfahren schon abgeschlossen. Maßgebend für das Vorliegen der kollektivrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzung ist auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der an den Kläger gerichteten Erklärung der Beklagten abzustellen und das ist der Zeitpunkt des Zugangs (und nicht der der Absendung).

Damit liegt eine rechtmäßige Weisung vom 09.12.2003 vor. Sie hat das Arbeitsverhältnis inhaltlich dahingehend konkretisiert, dass der Kläger zukünftig ausschließlich eine Tätigkeit im Bereich Trockensortiment schuldet.

bb) Der Kläger hat - nach dem Vortrag der Beklagten - angekündigt, diese seine Pflicht ernsthaft und auf Dauer zu verweigern. Dies stellt eine angekündigte Pflichtverletzung dar. Die Äußerung des Klägers ist die Basis zur Annahme zukünftig befürchteter Störungen im Leistungsbereich.

cc) Damit liegt - nach dem Vortrag der Beklagten - ein Grund an sich vor.

b) Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ist die Kündigung allerdings gleichwohl nicht gerechtfertigt.

aa) Zwar kann sich der Kläger nicht auf das mildere Mittel einer Abmahnung berufen, die die Beklagte statt einer Kündigung hätte aussprechen müssen. Denn dem Kläger war durch die "Abmahnung" vom 09.12.2003 klar vor Augen geführt worden, dass ihm fristlos gekündigt werden wird, wenn er sich weiter weigere, im Bereich Trockensortiment zu arbeiten. Dass die Abmahnung (teilweise) wegen inhaltlicher Unbestimmtheit unwirksam war, wie die erkennende Kammer im Verfahren 7 Sa 317/05 mit Teilurteil vom 11.04.2006 festgestellt hat, ist insoweit ohne Bedeutung.

bb) Die außerordentliche Kündigung ist aber deshalb unwirksam, da der Beklagten zumutbar war, das Arbeitsverhältnis jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist (31.08.2004) aufrechtzuerhalten und zwar auch dann, wenn unterstellt wird, dass die Beklagte im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung davon ausgegangen ist, dass die Kündigungsschutzverfahren wegen der Kündigungen vom 15. und 19.12.2003 zeitnah nach dem 03.03.2004 beendet werden würden und der Kläger wieder zur Arbeitsleistung verpflichtet sein würde.

Die Beklagte hat nicht substantiiert Tatsachen vorgetragen, aus denen abgeleitet werden könnte, dass ihr Interesse an der sofortigen Vertragsbeendigung das Bestandsinteresse des Klägers übersteigt. Der Kläger hat sich am 19.02.2004 nicht geweigert, von Montag bis Freitag im Bereich Obst und Gemüse zu arbeiten. Es ist nicht erkennbar, warum die Beklagte den Kläger nicht wenigstens bis 31.08.2004 so hätte einsetzen können. Für die Beklagte bestand nämlich eine besondere Veranlassung, diesen Arbeitseinsatz für ihre Mitarbeiter im Bereich Obst und Gemüse dauerhaft zu planen. Nach § 3 Nr. 1 des auf das Arbeitsverhältnis kraft beidseitiger Tarifbindung anzuwendenden Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Bayerischen Betrieben der genossenschaftlichen Großhandels- und Dienstleistungsunternehmen vom 22.05.2001 "(erfolgt) Samstagsarbeit ... auf freiwilliger Basis und zusätzlich in Betrieben mit Betriebsrat nur per freiwilliger Betriebsvereinbarung". Die Betriebsvereinbarung vom 26.11.2003 hat lediglich eine der beiden Voraussetzungen für eine wirksame Anordnung von Samstagsarbeit geschaffen. Hinzukommen muss die Zustimmung des Arbeitnehmers. Alle Arbeitnehmer, die mit Samstagsarbeit nicht einverstanden waren, konnten damit nicht an diesem Wochentag eingesetzt werden. Sie durften, ohne ihren Vertrag zu verletzen, Samstagsarbeit verweigern. Für diese - rechtmäßig handelnden - Arbeitnehmer des Bereichs Obst und Gemüse musste die Beklagte eine dauerhafte Arbeitsmöglichkeit an den Tagen Montag bis Freitag einplanen. Die Arbeitnehmer mussten keinen turnusmäßigen Wechsel bezüglich der beiden Arbeitsgruppen akzeptieren. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, welche betrieblichen Gründe dagegen sprachen, auch den Kläger trotz seiner Ankündigung einer pflichtwidrigen Verweigerung der Arbeit im Trockensortiment nicht wenigstens bis 31.08.2004 an den Wochentagen Montag bis Freitag im Bereich Obst und Gemüse zu beschäftigen.

Insbesondere angesichts der fast 15jährigen Betriebszugehörigkeit im Zeitpunkt des Zugangs der außerordentlichen Kündigung war der Beklagten eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls bis 31.08.2004 bei einer unterstellten Beschäftigung des Klägers im Bereich Obst und Gemüse an den Wochentagen Montag bis Freitag zumutbar. Ob der Beklagten auch die Fortführung über den 31.08.2004 bis zum Renteneintrittsalter zugemutet werden kann, braucht im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht entschieden zu werden.

4. Damit erweist sich die außerordentliche Kündigung vom 01.03.2004 als unwirksam, ohne dass noch die Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratsanhörung geprüft werden müsste.

Die Berufung der Beklagten ist insoweit zurückzuweisen.

B.

Das Arbeitsgericht wird im Schlussurteil im Rahmen der Prüfung der sozialen Rechtfertigung der ordentlichen Kündigung vom 03.03.2004 festzustellen haben, ob der Kläger am 19.02.2004 die von der Beklagten behauptete Äußerung getan hat, ob eine im Rahmen des § 1 KSchG anzustellende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Beklagten an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.2004 das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt und ob der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden ist.

C.

Das Arbeitsgericht hat in den Entscheidungsgründen einen Auflösungsantrag der Beklagten abgewiesen. Die Abweisung hat rechtliche Bedeutung, obwohl sie im Tenor keinen Niederschlag findet.

Diese Abweisung war fehlerhaft. Aus den Entscheidungsgründen lässt sich ableiten, dass das Arbeitsgericht offensichtlich einen Antrag der Beklagten angenommen hat, das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der außerordentlichen Kündigung (03.03.2004) aufzulösen. Einen solchen Antrag hat die Beklagte aber nie gestellt. Sie hat zwar den Termin, zu dem sie Auflösung beantragte, nicht ausdrücklich genannt. Allein aus dem Umstand, dass das Gesetz einem Arbeitgeber keine Möglichkeit einräumt, zum Zeitpunkt des Zugangs einer außerordentlichen Kündigung einen Auflösungsantrag zu stellen, dies aber zum Zeitpunkt des Termins gestattet, zu dem eine ordentliche Kündigung wirken soll, ist durch Auslegung zu entnehmen, dass der Arbeitgeber mutmaßlich den Zeitpunkt angeben will, zu dem eine Auflösung an sich statthaft ist. Im vorliegenden Fall ist deshalb davon auszugehen, dass die Beklagte den Auflösungsantrag zum 31.08.2004 gestellt hat. Dies hat die Beklagte in der Verhandlung vor der Berufungskammer am 16.10.2007 auch klargestellt.

Damit hat das Arbeitsgericht einen Antrag abgewiesen, der nicht gestellt worden war. Dies ist fehlerhaft.

Auf die Berufung der Beklagten war damit die Entscheidung des Erstgerichts, den Auflösungsantrag der Beklagten abzuweisen, aufzuheben.

Der hilfsweise Antrag der Beklagten, das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2004 aufzulösen, bleibt rechtshängig. Über ihn ist im Schlussurteil zu entscheiden, sofern die dem Antrag beigegebene Rechtsbedingung eintritt.

D.

Die Beklagte hat aufgrund der Zurückweisung ihrer Berufung die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO). Eine Kostenteilung hat trotz der Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung bezüglich der Abweisung des Auflösungsantrags zu unterbleiben, da sich der Wert des Berufungsverfahrens durch die Verhandlung und Entscheidung über den Auflösungsantrag nicht erhöhte (§ 42 Abs. 4 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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