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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 27.08.2001
Aktenzeichen: 7 Sa 293/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 297
ZPO § 333
BGB § 242
1.

Verweist die Berufungsklagepartei in der mündlichen Verhandlung auf ihren schriftsätzlichen Vortrag und enthält der maßgebliche Schriftsatz die Berufungsanträge, ist § 297 Abs. 2 ZPO erfüllt.

2.

Jedenfalls dann, wenn neben der Bezugnahme auf Schriftsätze im Sinne des § 297 Abs. 2 ZPO noch Erklärungen zur Sache abgegeben werden, ist die Partei als erschienen im Sinne des § 333 ZPO anzusehen. Diese Rechtswirkung kann nicht - auch nicht durch die Erklärung der Klagepartei, sie wolle keine Anträge stellen - widerrufen werden. Deshalb ist bei dieser Sachlage trotz der Erklärung der Klagepartei, keine Anträge stellen zu wollen, bei Entscheidungsreife ein streitiges Urteil zu erlassen.

3.

Der Antrag der beklagten Partei, die Berufung durch Versäumnisurteil zurückzuweisen, ist hinsichtlich des Antrags auf Erlass eines Versäumnisurteils als Hilfsantrag zu werten, der als unter der Bedingung gestellt zu sehen ist, dass kein die Berufung zurückweisendes streitiges Urteil ergeht.

4.

Geriert sich ein Tätiger über 10 Jahre in besonderer Weise als freier Mitarbeiter, kann beim Vertragspartner das Vertrauen erweckt werden, der Tätige sei freier Mitarbeiter oder der Tätige werden einen etwaigen Arbeitnehmerstatus nicht geltend machen.

In einem solchen Fall kann der Tätige rechtsmissbräuchlich handeln, wenn er dann doch gerichtlich die Arbeitnehmereigenschaft festgestellt haben möchte.


7 Sa 293/00

wegen sonstiges

Die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht Dr. Dr. Holzer-Thieser als Vorsitzender und der ehrenamtlichen Richter Weber und Naumann aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. August 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

1.

Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 31.03.2000 - Az. 2 Ca 6864/99 - wird insoweit als unzulässig verworfen, als sie sich gegen die Abweisung des Antrags richtet, das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses in der Zeit vom 01.04.1989 bis 30.09.1998 festzustellen.

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet zurückgewiesen.

2.

Der in der Berufungsinstanz erstmals geltend gemachte Antrag, die Unwirksamkeit des Vertrags vom 21.10.1998 als freier Mitarbeitervertrag festzustellen, wird abgewiesen.

3.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4.

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Rahmen von Feststellungsklagen darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis bestanden hat und noch besteht.

Die Klägerin ist seit dem 01.04.1989 im Wesentlichen als Herstellerin des periodisch erscheinenden Warenkatalogs, zuerst im Druckbereich, dann im Bereich CD-Rom und dann im Internet beschäftigt gewesen. Die Beklagte betrachtete die Klägerin stets als freie Mitarbeiterin. Die Klägerin schrieb periodisch, meist monatlich, Rechnungen mit Mehrwertsteuerausweis. Zumindest ab Mai 1997 vermerkte die Klägerin auf ihren Rechnungen ausdrücklich: "für freie Mitarbeit". Sie verrechnete für 1997 DM 119.353,--, für 1998 DM 151.550,-- (allein für Oktober: DM 23.550,--), für Januar bis Juli 1999 DM 132.750,-- (jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer). Lohnfortzahlungsansprüche für Urlaubs- und Krankheitszeiten machte sie nie geltend, Lohnsteuerkarten reichte sie nicht ein. Am 21.10.1998 unterzeichnete sie einen Vertrag über freie Mitarbeit mit Wirkung vom 1.10.1998 (Bl. 17 - 19 d.A.). Ihrer Behandlung als freie Mitarbeiterin hat sie nie widersprochen. Mit Schreiben vom 15.07.1999 kündigte die Beklagte das Rechtsverhältnis zum 31.07.1999.

Mit ihrer beim Arbeitsgericht Nürnberg am 06.08.1999 eingegangenen Klage hat sich die Klägerin unter anderem gegen diese Kündigung gewandt. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei Arbeitnehmerin der Beklagten gewesen, und die Kündigung sei mangels sozial rechtfertigenden Grundes und wegen unterlassener Betriebsratsanhörung unwirksam.

Die Klägerin hat beantragt:

1.

Es wird festgestellt, dass zwischen der klägerischen und der beklagten Partei seit dem 01.04.1989 ein Arbeitsverhältnis besteht.

2.

Es wird festgestellt, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien vom 15.07.1999, zugegangen am 16.07.1999, unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Meinung vertreten, dass die Klägerin angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles rechtsmissbräuchlich handle (laufende Rechnungstellung durch die Klägerin mit Mehrwertsteuerausweis; sehr hohes Einkommen, das ein Arbeitnehmer mit der Tätigkeit der Klägerin bei weitem nicht erreichen könne; Unterzeichnung des Vertrages vom 21.10.1998; Nichtvorlage von Lohnsteuerkarten; Nichtgeltendmachung von Lohnfortzahlungsansprüchen bei Urlaub und Krankheit; widerspruchsloses Arbeiten). Sie (die Beklagte) habe darauf vertraut, dass die Klägerin nicht geltend machen werde, als Arbeitnehmerin behandelt zu werden. Im Übrigen sei die Klägerin auch materiell-rechtlich nicht als Arbeitnehmerin anzusehen.

Durch das den Klägervertretern am 31.03.2000 zugestellte Urteil vom 26.01.2000 hat das Arbeitsgericht Nürnberg die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Hinsichtlich des Antrags zu 1 hat es für den Zeitraum 01.04.1989 bis 30.09.1998 die Klage wegen fehlenden Feststellungsinteresses als unzulässig abgewiesen, für die Zeit ab 01.10.1998 hat es den Antrag wegen fehlender Arbeitnehmereigenschaft als unbegründet abgewiesen. Soweit es im Antrag zu 2 eine allgemeine Feststellungsklage gesehen hat, hat das Erstgericht den Antrag als unzulässig abgewiesen, den im Antrag zu 2 mit enthaltenen Kündigungsschutzantrag hat es mangels Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin als unbegründet abgewiesen. Wegen des Inhalts der Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf Bl. 180 - 184 d.A. verwiesen.

Mit Schriftsatz ihres rechtsanwaltschaftlichen Vertreters vom 28.04.2000, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, hat sie gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und sie - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 31.07.2000 - mit Schriftsatz vom 31.07.2000, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, unter Formulierung der Anträge begründet.

In ihrem Berufungsbegründungsschriftsatz und ihrem weiteren Schriftsatz vom 17.08.2001 macht die Klägerin Ausführungen zur Arbeitnehmerstellung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Schriftsätze verwiesen (Bl. 199 - 233 d.A., Bl. 265 - 324 d.A.).

In ihrem Schriftsatz vom 31.07.2000 beantragt die Klägerin:

1.

Auf die Berufung vom 28.04.2000 hin wird das Endurteil des Arbeitsgerichtes Nürnberg vom 26. Januar 2000, Az: 2 Ca 6864/99, zugestellt am 31.03.2000, abgeändert.

2.

Es wird festgestellt, dass zwischen den Vertragsparteien seit dem 01.04.1989 ein Arbeitsverhältnis besteht, hilfsweise seit dem 01.10.1998.

3.

Es wird festgestellt, dass die arbeitgeberseitige Kündigung vom 15.07.1999 das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat.

4.

Es wird festgestellt, dass der Vertrag vom 21.10.1998 als freier Mitarbeitervertrag rechtsunwirksam ist.

5.

Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Beklagte beantragt in ihrem Schriftsatz vom 26.09.2000:

1.

Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes Nürnberg vom 26.01.2000 (2 Ca 6864/99) wird zurückgewiesen.

2.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Sie wiederholt ihre Rechtsansicht, die Klägerin handle mit ihrer Klage rechtsmissbräuchlich, außerdem sei sie nicht als Arbeitnehmerin anzusehen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 238 - 243 d.A. verwiesen.

Im Termin vom 21.08.2001 weist der Vorsitzende die Parteien darauf hin, dass die Kammer erwäge, die Berufung wegen widersprüchlichen Verhaltens der Klägerin zurückzuweisen.

Der Klägerinvertreter erklärt im weiteren Verlauf der Verhandlung, er habe bereits ausführlich zur Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin vorgetragen. Die Arbeitnehmereigenschaft folge schon daraus, dass die Klägerin als Mediengestalterin gearbeitet habe und dieses Berufsbild im einschlägigen Gehaltstarifvertrag Niederschlag gefunden habe. Das tarifliche Gehalt belaufe sich im ersten Jahr auf DM 5.026,-- monatlich, steige jährlich an und betrage zum Beispiel nach zwei Jahren DM 5.434,--. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten könne nicht angenommen werden, eine solche Betrachtung nehme der Klägerin den ihr als Arbeitnehmerin zukommenden Schutz. Im Übrigen habe die Klägerin zu Beginn des Rechtsverhältnisses gegenüber der Beklagten geäußert, dass sie als Arbeitnehmerin beschäftigt werden wolle, doch könne er den Zeitpunkt hierfür nicht mehr angeben.

Die Klägerin ergänzt, dass die von ihr erstellten monatlichen Abrechnungen in den ersten Jahren ein anderes Aussehen gehabt hätten als in den letzten Jahren.

Der Klägerinvertreter stellt mündlich keine Anträge.

Der Beklagtenvertreter stellt mündlich die Anträge aus dem Schriftsatz vom 26.09.2000 und beantragt Erlass eines Versäumnisurteils.

Entscheidungsgründe:

A.

Mit ihrem Berufungsantrag zu 2 wendet sich die Klägerin dagegen, dass ihr erstinstanzlich gestellter Antrag zu 1, mit dem sie die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses seit 01.04.1989 begehrt hat, abgewiesen worden ist.

I.

Das Erstgericht hat den erstinstanzlich gestellten Antrag zu 1 nicht mit einer einheitlichen Begründung abgewiesen, sondern nach zwei Zeitabschnitten unterschieden. Für die Zeit vom 01.04.1989 bis 30.09.1998 hat es die Klage mangels Feststellungsinteresses als unzulässig angesehen und zur Begründung ausgeführt, das am 01.04.1989 begonnene Rechtsverhältnis sei zum 30.09.1998 abgeschlossen worden, was sich aus dem mit Wirkung vom 01.10.1998 vereinbarten schriftlichen Vertrag vom 21.10.1998 ergebe. Für die Zeit ab 01.10.1998 hat das Erstgericht den erstinstanzlich gestellten Antrag zu 1 wegen Unbegründetheit (Fehlen einer Arbeitnehmereigenschaft) abgewiesen.

II.

Nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) sowie der neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweisreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Danach muss die Begründung auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein. Die Begründung muss deshalb erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist, und sie muss im Einzelnen angeben, aus welchen Gründen er die tatsächliche und rechtliche Würdigung des vorinstanzlichen Urteils in den angegebenen Punkten für unrichtig hält. Bei einem teilbaren Streitgegenstand muss sich die Berufungsbegründung auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich deren eine Änderung beantragt ist. Andernfalls ist das Rechtsmittel für den nicht begründeten Teil unzulässig (BGH, NJW 98, 1082; MDR 90, 712; Oehlers, MDR 96, 447, 449). Bezieht sich ein Feststellungsantrag auf das Bestehen eines Rechtsverhältnisses ab einem bestimmten Zeitpunkt, so ist der Streitgegenstand hinsichtlich einzelner Zeitabschnitte teilbar.

III.

Den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung genügt der Schriftsatz der Klägerin vom 31.07.2000 nicht. Die Klägerin nimmt hier nur zur Arbeitnehmereigenschaft Stellung, wendet sich also gegen die Ausführungen im Ersturteil, die das Erstgericht machte, um den Klageantrag zu 1 im Hinblick auf die Zeit ab 01.10.1998 als unbegründet abzuweisen.

Eine Auseinandersetzung mit den Argumenten des Erstgerichts zum fehlenden Feststellungsinteresse für den für die Zeit vom 01.04.1989 bis 30.09.1998 gestellten Feststellungsantrag fehlt gänzlich.

IV.

Damit ist die Berufung insoweit als unzulässig zu verwerfen (§ 519 b Abs. 1 Satz 2 ZPO). Da auch bei Säumnis des Berufungsklägers die auf mündliche Verhandlung hin ergehende Verwerfungsentscheidung ein streitiges Urteil darstellt (Thomas-Putzo, ZPO-Komm., 22. Aufl., Rdnr. 5 zu § 519 b), ist für die Verwerfungsentscheidung ohne Bedeutung, ob die Klägerin im Termin vom 21.08.2001 als erschienen oder nicht erschienen im Sinn des § 333 ZPO anzusehen war.

B.

Soweit sich die Klägerin dagegen wendet, dass die mit dem erstinstanzlichen Antrag zu 1 beantragte Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ab 01.10.1998 und die im erstinstanzlichen Antrag zu 2 enthaltene Kündigungsschutzklage wegen Unbegründetheit abgewiesen worden sind, ist die Berufung zulässig, aber unbegründet. Dies war durch kontradiktorisches Urteil auszusprechen.

I.

Die Berufung ist insoweit nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 516, 518 f. ZPO, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).

II.

Am Ende des Verhandlungstermins vom 21.08.2001 hat der Klägerinvertreter erklärt, er wolle keine Anträge stellen, und hat daraufhin der Beklagtenvertreter Antrag auf ein die Berufung zurückweisendes Versäumnisurteil gestellt. Dennoch ist über die Berufung - auch soweit sie zulässig erhoben ist - durch kontradiktorisches Urteil zu entscheiden.

1.

Die Klägerin hat im Termin vom 21.08.2001 verhandelt im Sinn des § 333 ZPO. Sie kann damit nicht als nicht erschienen angesehen werden.

a)

Verhandlung ist jede aktive Beteiligung einer Partei an der Erörterung des Rechtsstreits vor Gericht (Stein-Jonas, ZPO-Komm., 21. Aufl., Rdnr. 1 zu § 333; Baumbach-Lauterbach, ZPO-Komm., 59. Aufl., Rdnr. 3 zu § 333). Ob zusätzlich zur Erörterung die Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung erforderlich ist (bejahend: MK-ZPO, 2. Aufl., Rdnr. 2 zu § 333; Zöller, ZPO-Komm., 22. Aufl., Rdnr. 1 zu § 333; verneinend: Stein-Jonas, a.a.O.; OLG Bamberg, NJW-RR 96, 317), kann letztlich dahinstehen, denn die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 21.08.2001 Anträge gestellt (vgl. nachstehend unter b bb). Die Berufungskammer neigt allerdings der Auffassung zu, dass jedenfalls im Falle der Unbegründetheit einer Berufung die Formalien des § 297 ZPO auf Seiten des Berufungsklägers nicht einzuhalten sind, um den Berufungskläger als "erschienen" im Sinne des § 333 ZPO anzusehen.

b)

Im Einzelnen gilt Folgendes:

aa)

Die Klagepartei hat im Termin vom 21.08.2001 Sacherklärungen abgegeben.

Der Klägerinvertreter wies zunächst darauf hin, dass er ausführlich zur Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin vorgetragen habe. Schon in dieser Bezugnahme auf die eingereichten Schriftsätze liegt eine Sacherklärung.

Darüber hinaus erklärten sich im Termin vom 21.08.2001 sowohl der Klägerinvertreter als auch die Klägerin mit speziellen Ausführungen.

So hat der Klägerinvertreter darauf hingewiesen, dass der einschlägige Gehaltstarifvertrag die von der Klägerin bei der Beklagten ausgeübte Tätigkeit einer Mediengestalterin ausdrücklich aufführe. Er hat gemeint, dass dies ein Hinweis sei, dass die Klägerin als Arbeitnehmerin anzusehen sei. Ergänzend hat er die tariflichen Gehälter für Mediengestalter während der ersten Jahre genannt (beginnend mit DM 5.026,-- monatlich im ersten Jahr und dann steigend, z.B. DM 5.434,-- nach zwei Jahren). Im Rahmen der Diskussion über ein mögliches rechtsmissbräuchliches Verhalten hat er gemeint, eine solche Rechtsansicht nehme der Klägerin den ihr als Arbeitnehmerin zukommenden Schutz. Im Übrigen habe die Klägerin zu Beginn des Rechtsverhältnisses gegenüber der Beklagten geäußert, dass sie als Arbeitnehmerin beschäftigt werden wolle, doch könne er den Zeitpunkt hierfür nicht mehr nennen.

Die Klägerin hat ergänzt, dass die von ihr erstellten monatlichen Abrechnungen in den ersten Jahren ein anderes Aussehen gehabt hätten als in den letzten Jahren.

Diese Erklärungen der Klagepartei im Termin vom 21.08.2001 sind für die Annahme einer sachlichen Erörterung ausreichend.

bb)

Die Klägerin hat im Termin vom 21.08.2001 aber auch noch zusätzlich die Erfordernisse des § 297 ZPO erfüllt.

Die Verlesung der Anträge kann gemäß § 297 Abs. 2 ZPO "dadurch ersetzt werden, dass die Parteien auf die Schriftsätze Bezug nehmen, die die Anträge enthalten". In dem mündlichen Hinweis, dass er bereits ausführlich zur Arbeitnehmereigenschaft vorgetragen habe, liegt eine Bezugnahme auf den Berufungsbegründungsschriftsatz vom 31.07.2000, da dieser Schriftsatz sich mit der Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin befasst. Dieser Schriftsatz enthält die Berufungsanträge.

c)

Damit hat die Klägerin im Termin vom 21.08.2001 verhandelt im Sinne des § 333 ZPO. Da sie als erschienen anzusehen ist, kann ein Versäumnisurteil gemäß § 330 ZPO nicht ergehen.

2.

Die Kammer hat ein streitiges Urteil zu erlassen. Eine streitige Entscheidung scheitert nicht - wie vorstehend ausgeführt - am Fehlen der Voraussetzungen § 297 ZPO. § 297 Abs. 2 ZPO ist erfüllt.

Damit kann die Prüfung der Frage offen bleiben, ob ein eventueller Verstoß der Klägerin gegen § 297 ZPO als geheilt gemäß § 295 ZPO anzusehen wäre (zur Heilungsmöglichkeit: Stein-Jonas, a.a.O., Rdnr. 20 zu § 297), da die Beklagte im Termin vom 21.08.2001 Abweisung der Berufung beantragt hat, ohne einen (unterstellten) von der Klagepartei begangenen Fehler gemäß § 297 ZPO zu rügen.

Auch kann offen bleiben, ob bei der Abweisung eines Berufungsantrags - wie im vorliegenden Fall - die Beachtung des § 297 ZPO überhaupt erforderlich ist. Denn zum einen ist durch den schriftlich gestellten Antrag im Hinblick auf Rechtshängigkeit und Rechtskraft der Inhalt und der Umfang der dann ergehenden abweisenden Entscheidung klargestellt. Zum anderen kennt die ZPO auch sonst Fälle, in denen ohne Antrag des Unterliegenden in der mündlichen Verhandlung eine streitige Entscheidung ergeht (z.B. unechtes Versäumnisurteil gegen den Kläger; Verzichtsurteil, § 306 ZPO; Verwerfung der Berufung auf Grund mündlicher Verhandlung). Die Kammer neigt zur Auffassung, dass auch bei einer abweisenden Berufungsentscheidung die Einhaltung des § 297 ZPO entbehrlich ist.

3.

Am Ende des Termins vom 21.08.2001 hat der Klägerinvertreter erklärt, er stelle keine Anträge. Diese Erklärung ist unbehelflich. Durch Widerruf oder Rücknahme von einmal gestellten Anträgen oder von anderem Vorbringen zur Sache kann die Fiktion der Säumnis im Sinne des § 333 ZPO nicht herbeigeführt werden, "andernfalls bestünde die Gefahr einer missbräuchlichen Verfahrensverzögerung" (MK-ZPO, a.a.O., Rdnr. 9 zu § 333; so auch Baumbach-Lauterbach, a.a.O., Rdnr. 3 zu § 333). Eine solche Verfahrensverzögerung beabsichtigte offensichtlich die Klägerin.

4.

Der Erlass eines streitigen Urteils wird nicht dadurch gehindert, dass die Beklagte einen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt hat. Denn der Antrag auf Versäumnisurteil enthält zugleich den Sachantrag (Baumbach-Lauterbach, a.a.O., Rdnr. 5 zu § 333). Der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils ist nach Meinung der Kammer nur als bedingter Antrag zu werten, der unter der Rechtsbedingung gestellt ist, dass das Gericht kein streitiges, den Antragsteller begünstigendes Urteil fällt. Denn die Interessen des Antragstellers gehen wegen des mit einem streitigen Urteil verbundenen Abschlusses der Instanz vorrangig dahin, ein streitiges Urteil und nicht nur ein Versäumnisurteil zu erhalten. Wollte man demgegenüber einen unbedingten Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils annehmen, beinhaltet das ergehende streitige Urteil die Zurückweisung des Antrags auf Erlass eines Versäumnisurteils (Baumbach-Lauterbach, a.a.O.).

III.

Soweit die Berufung zulässig ist, ist sie unbegründet.

Mit ihrem - zulässigen - Berufungsantrag zu 2 begehrt die Klägerin die Feststellung, dass jedenfalls ab 01.10.1998 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Sie macht damit die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien vorliegt, zum Streitgegenstand. Dies gilt auch für den Berufungsantrag zu 3, mit dem festgestellt werden soll, dass die Kündigung "das Arbeitsverhältnis" nicht aufgelöst hat. Streitgegenstand einer solchen Kündigungsschutzklage ist auch das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses.

Mit ihrem in den Anträgen 2 und 3 enthaltenen Begehren, den Status einer Arbeitnehmerin zuerkannt zu bekommen, handelt die Klägerin rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB).

1.

Wer durch seine Erklärung oder durch sein Verhalten bewusst oder unbewusst eine Sach- oder Rechtslage geschaffen hat, auf die sich der andere Teil verlassen hat dürfen und verlassen hat, darf den anderen Teil in seinem Vertrauen nicht enttäuschen. Es verstößt gegen Treu und Glauben und untergräbt das Vertrauen im Rechtsverkehr, wenn es erlaubt wäre, sich nach seinem Belieben mit seinen früheren Erklärungen und seinem früheren Verhalten in Widerspruch zu setzen. Das Verbot des Selbstwiderspruchs hindert Vertragsparteien auch daran, sich auf die Unwirksamkeit eines Vertrages zu berufen, den sie viele Jahre lang als rechtswirksam angesehen und beiderseits erfüllt haben (BAG, Urt. vom 12.08.1999 - 2 AZR 632/98; Urt. vom 11.12.1996 - 5 AZR 855/95, AP Nr. 35 zu § 242 BGB Unzulässige Rechtsausübung - Verwirkung; Urt. vom 11.12.1996 - 5 AZR 708/95, AP Nr. 36 zu § 242 BGB Unzulässige Rechtsausübung - Verwirkung = BB 97, 1484).

Das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens gilt auch bezüglich der Feststellung des Status eines Tätigen. Als fundamentales Rechtsprinzip greift es auch im Bereich von - ex ante - unverzichtbaren Rechten. Das Vertrauen des Arbeitgebers kann entweder dahin gehen, der Tätige sei freier Mitarbeiter, oder zumindest dahin, der Tätige werde einen etwaigen Arbeitnehmerstatus nicht geltend machen (BAG, Urt. vom 12.08.1999 - 2 AZR 632/98).

2.

Die Voraussetzungen des verbotenen widersprüchlichen Verhaltens sind im vorliegenden Fall gegeben.

Die Klägerin hat in der Zeit ab Vertragsbeginn (01.04.1989) Handlungen getätigt und Unterlassungen begangen, die - jedenfalls formal - zum Inhalt hatten, ein freies Dienstverhältnis zu begründen, zu regeln und abzuwickeln, wie z.B.

- Annahme des mündlichen Angebots der Beklagten, ab 01.04.1989 als freie Mitarbeiterin für die Beklagte zu arbeiten.

- Unterzeichnung des Vertrags vom 21.10.1998, der die Klägerin ausdrücklich als freie Mitarbeiterin erklärt.

- Monatliches Erstellen von Rechnungen durch die Klägerin mit Mehrwertsteuerausweis seit Vertragsbeginn und - zumindest ab Mai 1997 - mit dem ausdrücklichen Hinweis "für freie Mitarbeit" (Abrechnungen Bl. 151 f. d.A.).

- Keine Geltendmachung von Lohnfortzahlungsansprüchen im Urlaubs- und Krankheitsfall, wie die Beklagte - von der Klägerin nicht bestritten - vorgetragen hat.

- Keine Vorlage von Lohnsteuerkarten, wie von der Beklagten - unstreitig - vorgetragen worden ist.

- Inrechnungstellung und Empfangnahme hoher Bezüge, die - auch unter Berücksichtigung von Überstunden - weit über dem Tarifgehalt eines Mediengestalters gelegen haben (Tarifgehalt im Jahre 2001: unter DM 6.000,-- monatlich in den ersten Berufsjahren, wie die Klägerin in der Sitzung vom 21.08.2001 - unbestritten - vorgetragen hat); im Jahre 1997 verdiente die Klägerin DM 119.353,--, im Jahre 1998 DM 151.550,-- (allein im Oktober 1998: DM 23.550,--), im Zeitraum Januar bis Juli 1999 DM 132.750,-- (jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer).

- Unterlassen jeglichen Widerspruchs gegen die Behandlung als freie Mitarbeiterin. Auch wenn die Klägerin bei Beginn ihrer Tätigkeit den Wunsch nach Abschluss eines Arbeitsvertrages geäußert hat, wie sie in der Verhandlung vom 21.08.2001 vorgetragen hat, kommt dem anschließenden viele Jahre dauernden Schweigen ein erhebliches Gewicht zu.

Auf Grund dieses Verhaltens durfte die Beklagte darauf vertrauen, die Klägerin sei freie Mitarbeiterin oder werde einen etwaigen Arbeitnehmerstatus zumindest nicht geltend machen. Aus der Sicht der Beklagten, auf die es für die Frage der Begründung eines schutzwerten Vertrauens ausschließlich ankommt, stellte sich die Situation so dar, dass die Klägerin mit ihrem Status als Selbstständige einverstanden war. Anders konnte die Beklagte das zehnjährige gleichförmige Verhalten der Klägerin nicht verstehen. Dieser Eindruck musste sich endgültig am 21.10.1998 manifestieren, als die Klägerin den Vertrag für freie Mitarbeiter unterschrieben hat, ohne auf eine abweichende Rechtsansicht und einen Wunsch, mit den als Arbeitnehmer beschäftigten Mitarbeitern gleichgestellt zu werden, hinzuweisen.

Die Beklagte hat sich durch das Verhalten der Klägerin darauf verlassen dürfen, die Klägerin werde sich auf einen Arbeitnehmerstatus nicht berufen. In diesem Vertrauen ist die Beklagte zu schützen.

Das Verhalten der Beklagten war auch von dem Vertrauen bestimmt. So hat die Beklagte die Vergütung der Klägerin nicht auf das tarifliche Niveau für einen Arbeitnehmer abgesenkt und auch keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Es wäre unbillig, die Beklagte Nachforderungen bezüglich offener Sozialversicherungsbeiträge für mindestens vier Jahre auszusetzen (§ 25 SGB IV; vgl. hierzu Hohmeister, NZA 99, 1009, 1013), nachdem auf Grund des Verhaltens der Klägerin für die Beklagte auch keine Veranlassung bestanden hat, Rückstellungen zu bilden.

3.

Das Vertrauen der Beklagten hat bis zum Vertragsende (31.07.1999) bestanden. Die Klägerin hat erstmals mit ihrer Klageschrift zu erkennen gegeben, dass sie sich als Arbeitnehmerin sehe. Der Vertrauensbestand bis zum Vertragsende führt zur Zurückweisung der - zulässig erhobenen - Berufungsanträge wegen unzulässiger Rechtsausübung der Klägerin. Auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein einmal eingetretenes Vertrauen wieder zerstört werden kann, kommt es damit nicht an. Auch die weiteren von den Parteien aufgeworfenen Fragen sind nicht mehr zu prüfen.

C.

Den Antrag zu 4 hat die Klägerin erstmals in der Berufungsinstanz gestellt. Sie will damit festgestellt haben, dass der Vertrag vom 21.10.1998 als freier Mitarbeitervertrag rechtsunwirksam ist.

Dieser gemäß § 256 ZPO geltend gemachte Feststellungsantrag ist unzulässig, da ihm ein rechtlich geschütztes Feststellungsinteresse fehlt. Es ist nicht erkennbar, welches Interesse die Klägerin haben solle, neben dem Berufungsantrag zu 2 noch gesondert den Antrag zu 4 zu stellen. Denn wenn gemäß dem Antrag zu 2 das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses festgestellt wird, dann steht gleichzeitig fest, dass kein freies Dienstverhältnis gegeben sein kann. Damit besteht für den Antrag zu 4 kein gesondertes Feststellungsinteresse.

Der Antrag zu 4 ist deshalb als unzulässig abzuweisen.

D.

Als Unterliegende hat die Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

E.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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