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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 10.03.2009
Aktenzeichen: 7 Sa 31/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
Eine verhaltensbedingte außerodentliche Kündigung, die mit dem Angebot der Weiterbeschäftigung in einer niedrigeren Entgeltgruppe verbunden wird, verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da zwischen dem Verhalten (Vertragsstörung) und der Herabgruppierung kein innerer Zusammenhang besteht.
Landesarbeitsgericht Nürnberg Im Namen des Volkes URTEIL

7 Sa 31/08

Verkündet am: 10.03.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. März 2009 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Weißenfels und die ehrenamtlichen Richter Döring und Frank

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg - Kammer Coburg - vom 14.09.2007 wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 3/4, der Beklagte 1/4.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten (noch) um die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.

Der Kläger, geboren am 02.01.1951, ist seit 01.01.1981 beim Beklagten beschäftigt.

Seit ca. 2004 gab es zwischen den Parteien Differenzen wegen des Verhaltens des Klägers. Unter dem 15.07.2004 erteilte der Beklagte dem Kläger eine Abmahnung. Wegen des Inhalts der Abmahnung wird auf das in Kopie vorgelegte Schreiben des Beklagten vom 15.07.2004 verwiesen (Bl. 77 f d.A.).

Der Beklagte gruppierte den Kläger von Vergütungsgruppe Vb BAT auf Vc BAT herab. Der Kläger erhob dagegen am 29.05.2005 Klage zum Arbeitsgericht Bamberg. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 4 Ca 1244/05 C geführt und endete mit einem Endurteil vom 29.05.2006, in dem festgestellt wurde, dass der Kläger ab 01.09.2005 nach BAT Vb zu entlohnen sei. Das Urteil ist rechtskräftig.

Der Bayerische Kommunale Prüfungsverband kam in einem Gutachten vom 28.06.2006 zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit des Klägers (Sachbearbeiter O...- und S...) unter die Vergütungsgruppe BAT Vc bzw. Entgeltgruppe 8 falle.

Mit Schreiben vom 22.09.2006 erklärte der Beklagte die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2006. Die Kündigung wurde damit begründet, dass der Kläger am 01.09.2006 Daten vom gemeindlichen PC auf einen externen Datenspeicher gezogen, sie modifiziert und an die Presse zur Veröffentlichung gegeben habe. Gleichzeitig bot der Beklagte dem Kläger an, das Arbeitsverhältnis ab 01.01.2007 unter der Voraussetzung fortzusetzen, dass die Eingruppierung sich ab 01.01.2007 nach Entgeltgruppe 8 richte.

Der Kläger nahm die Änderung des Arbeitsvertrags mit Schreiben vom 11.10.2006 unter dem Vorbehalt an, dass die Änderungskündigung nicht unwirksam sei. Am 12.10.2006 erhob er die vorliegende Klage. Zu einem späteren Zeitpunkt erweiterte der Kläger die Klage um eine Eingruppierungsfeststellungsklage und die Zahlung von Gehaltsdifferenzen.

Das Arbeitsgericht Bamberg gab der Klage hinsichtlich der Änderungskündigung statt und wies die im Zusammenhang mit der Eingruppierung geltend gemachten Ansprüche ab. Wegen der Urteilsgründe wird auf das Urteil Bezug genommen (Bl. 159 ff d.A.).

Das Urteil wurde dem Kläger am 19.12.2007, dem Beklagten am 18.12.2007 zugestellt.

Der Beklagte legte gegen das Urteil am 15.01.2008 Berufung ein und begründete sie am 17.03.2008. Die Berufungsbegründungsfrist war bis 18.03.2008 verlängert worden.

Der Kläger nahm seine Berufung in der Sitzung am 10.03.2009 zurück.

Der Beklagte führt aus, er habe nach dem ultima-ratio-Prinzip geprüft, ob eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund oder lediglich eine Änderungskündigung ausgesprochen werde. Es habe der Prüfungsbericht des Kommunalen Prüfungsverbandes vorgelegen, wonach die Tätigkeit des Klägers nach EG 8 TVöD zu bewerten sei. Hätte er eine fristlose Kündigung ausgesprochen, hätte der Kläger mit Sicherheit dagegen Klage erhoben und geltend gemacht, dass eine Herabgruppierung das mildere Mittel gewesen sei. Diesen Zusammenhang habe das Erstgericht nicht gesehen. Stattdessen habe es die Frage aufgeworfen, ob eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit Entgeltgruppe 8 für ihn, den Beklagten, zumutbar sei. Diese Fragestellung sei nicht richtig und gehe an dem eigentlichen Problem vorbei. Im verhaltensbedingten Kündigungsbereich gehe es bei Änderungskündigungen in der Regel um die Umsetzung von Mitarbeitern an andere Arbeitsplätze, bei denen die aufgetretenen Spannungen bzw. das aufgedeckte Fehlverhalten nicht mehr vorkommen sollen. Weil jedoch im vorliegenden Fall die Spannungen im Verhältnis des Klägers zum amtierenden Bürgermeister bestünden, sei ein alternativer Arbeitsplatz ohne Spannungsverhältnis nicht denkbar. Eine Umsetzung als Maßnahme zwischen Abmahnung und einer Entlassung sei daher nicht in Betracht gekommen. Dagegen sei die Änderungskündigung als letzte Warnung objektiv möglich gewesen.

Der Beklagte beantragt:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichtes Bamberg - Kammer Coburg -, Az.: 3 Ca 1327/06 C, vom 14.09.2007 wird in Ziffer 1 abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger macht geltend, eine Entgeltreduzierung im Rahmen einer Änderungskündigung setze einen sachlichen Grund voraus. Einen Denkzettel zu verpassen oder ihm eine letzte Warnung auszusprechen, stelle keinen sachlichen Grund dar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1 ArbGG. Es liegt eine Bestandsstreitigkeit vor, § 64 Absatz 2 c ArbGG. Die Berufung und die Berufungsbegründung sind form- und fristgerecht bei Gericht eingereicht worden, § 64 Absatz 6 Satz 1 ArbGG iVm den §§ 519, 520 ZPO.

Die Berufung ist unbegründet.

Die außerordentliche Änderungskündigung des Beklagten vom 22.09.2006 hat die Arbeitsbedingungen zwischen den Parteien nicht geändert.

Allerdings wäre die vorliegende Klage unbegründet, wenn die vom Beklagten angestrebte Entgeltgruppe für das Arbeitsverhältnis maßgebend wäre.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das erkennende Gericht folgt, setzt die Begründetheit einer Änderungsschutzklage iSv. § 4 Satz 2 KSchG voraus, dass in dem Zeitpunkt, zu welchem die Änderungskündigung ausgesprochen wird, das Arbeitsverhältnis nicht ohnehin schon zu denjenigen Bedingungen besteht, die dem Arbeitnehmer mit der Kündigung angetragen werden. Ist dagegen zu diesem Zeitpunkt die entsprechende Änderung der Arbeitsbedingungen auf anderem Wege bereits eingetreten - etwa aufgrund wirksamer Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber oder normativer Wirkung einer Betriebsvereinbarung -, kann die Änderungsschutzklage keinen Erfolg haben.

Zwar kann sich die Änderungskündigung in einem solchen Fall selbst bei Annahme der geänderten Bedingungen unter dem Vorbehalt des § 2 Satz 1 KSchG als "überflüssig" und damit wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als unwirksam erweisen. Streitgegenstand ist aber nicht die Wirksamkeit der Kündigung, sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Arbeitsbedingungen. Die Feststellung, dass die dem Arbeitnehmer mit der Änderungskündigung angetragenen neuen Arbeitsbedingungen nicht gelten, kann das Gericht nicht treffen, wenn sich das Arbeitsverhältnis bei Kündigungsausspruch aus anderen Gründen bereits nach den fraglichen Arbeitsbedingungen richtet (vgl. Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 26.08.2008 - Az: 1 AZR 353/07 = DB 2009, 461).

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts gilt dies nicht nur in Fällen, in denen sich die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die normative Wirkung einer Betriebsvereinbarung vollzieht, sondern auch dann, wenn die normative Wirkung eines Tarifvertrags greift oder eine tarifliche Regelung anzuwenden ist, weil - wie im hier zu entscheidenden Fall - die Geltung des Tarifvertrags einzelvertraglich vereinbart ist. Gerade wenn sich die Vergütung nach einer tariflichen Regelung richten soll, vereinbaren die Parteien (auch) und insbesondere die Tarifautomatik, wonach die Vergütungs- oder Entgeltgruppe ausschließlich von der verrichteten Tätigkeit abhängt.

Auf den Fall bezogen bedeutet dies, dass die Klage erfolglos wäre, wenn der Kläger, wie der Beklagte unter Hinweis auf das Gutachten des Kommunalen Prüfungsverbandes geltend macht, in der Entgeltgruppe 8 eingruppiert wäre.

So verhält es sich indes nicht. Insbesondere ist der Kläger nicht in der Entgeltgruppe 8 TVöD, sondern in der Entgeltgruppe 9 TVöD eingruppiert.

Insoweit kann dahinstehen, ob das Gutachten inhaltlich richtig ist. Insbesondere war auch das Erstgericht nicht gehalten, zu prüfen, wie die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten zu bewerten sind.

Der Kläger ist in der Entgeltgruppe 9 TVöD eingruppiert. Dies steht aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts Bamberg vom 29.05.2006 - Az: 4 Ca 1244/05 C - zwischen den Parteien verbindlich fest.

Der Kläger hatte Klage erhoben mit dem Antrag, festzustellen, dass er ab 01.09.2005 in der Vergütungsgruppe Vb BAT eingruppiert sei. Dies ist vom Arbeitsgericht Bamberg bejaht worden. Damit stand fest, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Überganges des Arbeitsverhältnisses vom BAT in den TVöD am 01.10.2005 in der Vergütungsgruppe Vb BAT eingruppiert war mit der Folge, dass er gemäß § 4 TVÜ-VKA iVm der Anlage 1 TVÜ in die Entgeltgruppe 9 übergeleitet wurde.

Da sich die Tätigkeit des Klägers seither unstreitig nicht geändert hat, der Kläger vielmehr seit ca. Juli 2004 die gleichen Tätigkeiten verrichtet, gilt das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg fort und bindet die Parteien unabhängig davon, ob der Kläger objektiv richtig eingruppiert ist oder nicht.

Die vom Beklagten mit der Änderungskündigung angestrebte Änderung der Arbeitsbedingungen - Herabgruppierung in die Entgeltgruppe 8 - ist unwirksam.

Infolge des Umstandes, dass der Kläger die Änderung der Arbeitsbedingungen unter Vorbehalt angenommen hat, geht es um die Frage, ob Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragspartner die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen unzumutbar ist, die alsbaldige Änderung der Arbeitsbedingungen unabweisbar notwendig ist und dem Gekündigten die Änderungen zumutbar sind, § 626 Absatz 1 BGB; Rost in KR, 8. Auflage, RdNr. 31 zu § 2 KSchG.

Zwar sind, ohne dass dies hier zu vertiefen ist, die vom Beklagten vorgetragenen Kündigungsgründe an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung bzw. die Änderung der Arbeitsbedingungen zu rechtfertigen.

Die Änderungskündigung unterliegt indes dem das gesamte Kündigungsschutzrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Änderungen müssen, um zumutbar zu sein, zumindest geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung, das heißt, die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als es zur Erreichung des angestrebten Zieles erforderlich ist (vgl. Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 26.06.2008 - Az: 2 AZR 147/07 = BB 2009/108 und NZA 2008/1431 mwN).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die vom Beklagten angestrebte Änderung der Entgeltgruppe unverhältnismäßig. Sie ist weder geeignet noch erforderlich, um das vom Beklagten angestrebte Ziel, den Kläger zu einem anderen Verhalten zu bewegen, zu erreichen.

Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das sog. Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist danach nicht die Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern liegt in der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen (vgl. Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 18.09.2008 - Az: 2 AZR 827/06).

Dies gilt auch für eine Änderungskündigung.

Es ist, worauf bereits das Erstgericht zutreffend hingewiesen hat, nicht ersichtlich, inwiefern eine Herabgruppierung des Klägers das Risiko weiterer Vertragsverletzungen durch den Kläger verringert. Zwar hat der Beklagte das von ihm verfolgte Ziel, nämlich den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu veranlassen, benannt. Es ist aber nicht erkennbar, dass die Herabgruppierung den Kläger dazu bringen könnte, von seinem bisherigen Verhalten Abstand zu nehmen. Insbesondere besteht kein innerer Zusammenhang zwischen dem beanstandeten Verhalten des Klägers und der Herabgruppierung. Vielmehr stellt sich die Änderungskündigung als Sanktion dar. Dies ist indes mit dem Zweck des Kündigungsrechts, künftigen Vertragsstörungen zu begegnen, nicht zu vereinbaren.

Wollte der Beklagte das Arbeitsverhältnis nicht mit einer außerordentlichen Kündigung beenden, hätte er dem Kläger nochmals eine Abmahnung erteilen können. Eine Abmahnung ist nach ihrem Zweck darauf angelegt, den Arbeitnehmer zu einer Änderung seines vertragswidrigen Verhaltens zu bewegen und ist deshalb das angemessene kündigungsrelevante Mittel des Arbeitgebers.

Die Änderungskündigung ist daher unwirksam. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht über den 31.12.2006 hinaus unverändert fort. Die Berufung des Beklagten war somit zurückzuweisen.

Für eine Zulassung der Revision besteht kein Anlass. Als Zulassungsgrund kommt nur § 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG in Betracht. Im vorliegenden Fall geht es indes nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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