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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 12.01.2004
Aktenzeichen: 9 (6) Sa 651/02
Rechtsgebiete: BUrlG, BGB, NachwG, TVG


Vorschriften:

BUrlG § 7 Abs. 4
BGB § 242
NachwG § 2
TVG § 8
1. Im noch laufenden Urlaubsjahr ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, nach dem Entlassungstermin die Abgeltung des Urlaubs für dieses Jahr innerhalb geltender tariflicher Ausschlussfristen geltend zu machen.

2. Eine Vertriebsfirma unterfällt auch dann, wenn sie im Konzernverbund tätig wird, dem MTV Groß- und Außenhandel, soweit es sich bei ihr um keinen unselbständigen Teil eines Produktionsbetriebes handelt.

3. Vor Inkrafttreten des Nachweisgesetzes begründet der fehlende Hinweis auf eine zu beachtende Ausschlussfrist bei eigener Unkenntnis des Arbeitgebers keinen Schadensersatzanspruch.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 (6) Sa 651/02

in dem Rechtsstreit

wegen Arbeitsentgelt

Die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Roth und die ehrenamtlichen Richter Steil und Arnold aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1.

Auf die Berufung des Klägers wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 19.07.2002 - Az.: 10 Ca 9946/94 - teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 4.501,63 (in Worten: Euro viertausendfünfhunderteins 63/100) brutto abzüglich erhaltener EUR 2.043,12 netto zu bezahlen nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Netto-Differenzbetrag seit dem 01.01.1995.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen, soweit nicht bereits durch Teilurteil hierüber entschieden worden ist. 2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. 3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 11/16 und die Beklagte 5/16 zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 10/11 und die Beklagte zu 1/11 zu tragen. 4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Zahlung restlicher Vergütung, Urlaubsabgeltung, die Erstattung von Reisekosten sowie Verzugszinsen.

Der am 07.05.1943 geborene Kläger war auf der Grundlage des schriftlichen Vertrages vom 29.08.1985 (Kopie Bl. 937 - 945 d.A.) bei der Firma C... als Außendienstmitarbeiter beschäftigt.

Seit 1990 war der Kläger bei der Beklagten als Mitarbeiter im Außendienst tätig, zunächst als Bezirksleiter D..., spätestens ab dem 01.07.1990 als Verkaufsleiter Deutschland-Großhandel. Es existiert ein Dienstvertrag vom 15.05.1990 (Kopie Bl. 962 - 965 d.A.), der von beiden Parteien nicht unterzeichnet worden ist. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte infolge Betriebsübergangs in das mit der Firma C... bestandene Arbeitsverhältnis eingetreten ist und welche Arbeitsbedingungen, insbesondere Vergütungsregelungen, zwischen ihnen gelten.

Die Beklagte stellte den Kläger ab dem 17.05.1992 von der Arbeitsleistung frei und kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 22.09.1992 zum 31.12.1992. In dem vom Kläger hiergegen angestrengten Kündigungsschutzprozess wurde diese Kündigung ebenso für rechtsunwirksam erklärt wie die weitere Kündigung mit Schreiben vom 30.11.1993 zum 28.02.1994. In dem gegen eine dritte Kündigung vom 28.04.1994 geführten Rechtsstreit wurde gerichtlich festgestellt, dass diese das Arbeitsverhältnis rechtswirksam zum 31.07.1994 beendet hat.

Mit seiner am 23.12.1994 beim Arbeitsgericht Nürnberg eingereichten Klage macht der Kläger eine Vielzahl von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis gegen die Beklagte geltend. Es ergingen bereits mehrere Teilurteile, die jeweils mit der Berufung angegriffen worden sind.

In dem vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger im Wesentlichen die Zahlung der Vergütung für die Monate März bis Juli 1994, Urlaubsabgeltung für die Jahre 1993 und 1994, restliche Reisekosten für die Zeit von Mai 1992 bis Januar 1993 sowie Zinsen für den Monat Februar 1993 und aus einem aufgenommenen Privatdarlehen.

Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Mit Schlussurteil vom 19.07.2002 hat das Arbeitsgericht Nürnberg die Klage abgewiesen, soweit hierüber nicht bereits durch Teilurteil entschieden worden ist. Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, mögliche Ansprüche des Klägers seien aufgrund der Ausschlussfrist des für allgemeinverbindlich erklärten Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in den bayerischen Betrieben des Groß- und Außenhandels (MTV) verfallen.

Gegen das dem Kläger am 28.08.2002 zugestellte Urteil hat dessen Prozessbevollmächtigte mit Telefax vom 27.09.2002 Berufung eingelegt und sie innerhalb der bis zum 28.11.2002 verlängerten Begründungsfrist mit weiterem Telefax vom 28.11.2002 begründet.

Der Kläger behauptet, da beide Parteien während des bestandenen Arbeitsverhältnisses und noch geraume Zeit danach davon ausgegangen seien, es finde kein Tarifvertrag Anwendung, verstoße es gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn sich die Beklagte nunmehr auf die Geltung des MTV Groß- und Außenhandel berufe. Dessen betrieblicher Geltungsbereich sei nicht eröffnet, da es sich bei der Beklagten um eine Vertriebs-GmbH innerhalb des E...-Konzerns handle, die die Produkte des E...-Hausgerätewerkes in F... und des von E... erworbenen G...-Werkes in H... vermarkte. Da es zu den Aufgaben des Klägers zählte, den Absatzmarkt Großhandel aufzubauen, könne die Beklagte selbst keine Großhandelsfirma sein.

Der Urlaubsanspruch für das Jahr 1994 sei von ihm rechtzeitig mit Schreiben vom 17.11.1994 geltend gemacht worden. Seine Reisekosten habe der zeitnah abgerechnet, sie seien von der Beklagten ohne jeden Kommentar zurückgeschickt worden. Ab Oktober 1992 seien keine weiteren Reisekostenvorschüsse ausbezahlt worden.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt:

I. Das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg, Az.: 10 Ca 9946/94 vom 19.07.2002 wird aufgehoben. II. 1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 1.835,-- netto entspricht EUR 938,22, nebst 4 % Zinsen ab 01.02.1993 zu bezahlen.

(Ziffer 3 der Klage vom 22.12.1994)

2.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 9.000,-- entspricht EUR 4.601,63 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag ab 01.01.1992 sowie DM 9.000,-- entspricht EUR 4.601,63 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit 01.01.1995 zu bezahlen.

(Ziffer 4 der Klage vom 22.12.1994)

3.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 46,10 entspricht EUR 23,57 netto nebst 4 % Zinsen ab 01.01.1993 zu bezahlen.

(Ziffer 8 der Klage vom 22.12.1994)

4. Die Beklagte wird verurteilt, 7,5 % Zinsen aus DM 20.000,-- entspricht EUR 10.225,84 an den Kläger zu bezahlen.

(Ziffer 9 der Klage vom 22.12.1994 mit Berichtigung gemäß Schriftsatz vom 07.11.1996) 5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 8.000,-- entspricht EUR 4.090,34 brutto abzüglich erhaltenes Arbeitslosengeld von DM 2.997,-- entspricht EUR 1.532,34 netto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag ab 01.04.1994 zu bezahlen. 6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 8.000,-- entspricht EUR 4.090,34 brutto abzüglich erhaltenes Arbeitslosengeld von DM 2.886,-- entspricht EUR 1.475,59 netto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit 01.05.1994 zu bezahlen. 7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 8.000,-- entspricht EUR 4.090,34 brutto abzüglich erhaltenes Arbeitslosengeld von DM 2.886,-- entspricht EUR 1.475,95 netto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag ab 01.06.1994 zu bezahlen. 8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 8.000,-- entspricht EUR 4.090,34 brutto abzüglich erhaltenes Arbeitslosengeld von DM 2.886,-- entspricht EUR 1.475,95 netto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit 1.07.1994 zu bezahlen. 9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 8.000,-- entspricht EUR 4.090,34 brutto abzüglich erhaltenes Arbeitslosengeld von DM 2.886,-- entspricht EUR 1.475,95 netto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag ab 01.08.1994 zu bezahlen. Klageanträge vom 07.11.1996 sowie Klageerweiterung vom 26.06.1995 Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere DM 2.500,-- entspricht EUR 1.278,23 nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag ab 01.04.1994 zu bezahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere DM 2.500,-- entspricht EUR 1.278,23 nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag ab 01.05.1994 zu bezahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere DM 2.500,-- entspricht EUR 1.278,23 nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag ab 01.06.1994 zu bezahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere DM 3.100,-- entspricht EUR 1.585,-- nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag ab 01.07.1994 zu bezahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere DM 3.100,-- entspricht EUR 1.585,-- nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag ab 01.08.1994 zu bezahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere DM 500,-- entspricht EUR 255,65 nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag ab 01.04.1994 zu bezahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere DM 500,-- entspricht EUR 255,65 nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag ab 01.05.1994 zu bezahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere DM 500,-- entspricht EUR 255,65 nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag ab 01.06.1994 zu bezahlen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 19.07.2002 wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Zur Begründung trägt sie vor, der MTV Groß- und Außenhandel gelte für den Betrieb der Beklagten, da diese vornehmlich mit dem Verkauf an den Einzelhandel befasst sei und es nicht entscheidend darauf ankomme, ob die Beklagte zu anderen Unternehmen in einem Konzernverbund stehe oder nicht. Aufgrund der Allgemein-verbindlicherklärung werde das Arbeitsverhältnis der Parteien unabhängig von deren individuellem Kenntnisstand erfasst. Da sie den Kläger nicht von der rechtzeitigen Geltendmachung seiner Forderungen abgehalten habe, könne ihr ein treuwidriges Verhalten nicht vorgeworfen werden. Vor dem Inkrafttreten des Nachweisgesetzes könne der Kläger diesbezüglich keinen Rechtsvorteil für sich ableiten. Sämtliche Ansprüche seien entweder aufgrund der ersten oder der zweiten Stufe der tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die im Rechtsmittelverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 12.01.2004 verwiesen.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 4 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung ist nur zum Teil sachlich begründet.

Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten lediglich für das Jahr 1994 die mit der Klage geltend gemachte Urlaubsabgeltung nach Abzug des im selben Zeitraum bezogenen Arbeitslosengeldes und zuzüglich der begehrten Zinsen zu. Insoweit ist das Schlussurteil des Erstgerichts teilweise abzuändern.

Alle übrigen noch streitgegenständlichen Zahlungsansprüche sind aufgrund der zu beachtenden Ausschlussfrist des MTV Groß- und Außenhandel verfallen, wie das Erstgericht zutreffend festgestellt hat.

1. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten für das Jahr 1994 ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Höhe von EUR 4.501,63 brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von EUR 2.043,12 netto und zuzüglich von Zinsen zu. a) Wegen der rechtswirksamen Beendigung des Vertragsverhältnisses zum 31.07.1994 hat die Beklagte dem Kläger die für dieses Jahr zustehenden Urlaubstage gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Die Höhe des Abgeltungsbetrages bemisst sich nach § 11 Abs. 1 BUrlG und entspricht dem bei tatsächlicher Urlaubsgewährung zu zahlenden Urlaubsentgelt.

Nach eigenem Sachvortrag des Klägers belief sich sein Urlaubsanspruch im Kalenderjahr auf 30 Arbeitstage. Dies deckt sich mit der Regelung in § 4 des nicht unterzeichneten Arbeitsvertrages vom 15.05.1990, der der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses im Wesentlichen zugrunde gelegt worden ist. Die Beklagte ist dem diesbezüglichen Sachvortrag des Klägers nicht konkret entgegengetreten, weshalb die behaupteten Tatsachen gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelten. In Ermangelung einer abweichenden vertraglichen Vereinbarung bzw. praktischen Durchführung des Vertrages ist davon auszugehen, dass für die Berechnung eines eventuell nur anteiligen Urlaubs die Bestimmungen des § 5 BUrlG zur Anwendung kommen.

Der Kläger hat seinen Jahresurlaub für das Jahr 1994 ausweislich der Kopie seiner schriftlichen Geltendmachung vom 17.11.1994 (vgl. Bl. 934 d.A.) noch innerhalb des laufenden Urlaubsjahres beantragt, weshalb kein Verfall nach § 7 Abs. 3 BUrlG eingetreten ist.

Die Berechnung des Entgelts für die abzugeltenden sechs Urlaubswochen, die der Kläger vorgenommen hat, ist von der Beklagten nicht konkret bestritten worden, weshalb sich diesbezüglich weitere Ausführungen erübrigen.

Von dem vom Kläger ermittelten Betrag ist der von der Überleitungsanzeige des Arbeitsamtes Nürnberg ohne Datum (Kopie Bl. 306 d.A.) ausgewiesene wöchentliche Arbeitslosengeldbezug von DM 666,-- in Abzug zu bringen, da insoweit der Zahlungsanspruch des Leistungsempfängers gemäß § 115 SGB X auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen ist (vgl. hierzu auch § 143 SGB III). Bei einer Urlaubsdauer von sechs Wochen beläuft sich der in Abzug zu bringende Betrag auf insgesamt DM 3.996,-- netto (= EUR 2.043,12). b) Der Urlaubsanspruch des Klägers ist nicht tarifvertraglich verfallen, denn er hat ihn noch im laufenden Urlaubsjahr rechtzeitig schriftlich geltend gemacht. Im laufenden Urlaubsjahr darf der Urlaubsanspruch selbst keiner Verfallfrist unterworfen werden. Dies gilt auch für den an die Stelle des Urlaubsanspruchs tretenden Abgeltungsanspruches, da dieser lediglich Surrogat des Urlaubsanspruches ist (so Neumann/Fenski, BUrlG, 9. Aufl., § 13 Rz 71, m.w.N.). Der Kläger war deshalb nicht gehalten, in Zusammenhang mit dem Ausspruch der dritten von ihm gerichtlich angegriffenen Kündigung die Abgeltung des Jahresurlaubs 1994 zeitnah nach dem von der Kündigung beabsichtigten Entlassungstermin schriftlich bzw. gerichtlich geltend zu machen. Da der Kläger bereits zum 31.12.1992 ordentlich gekündigt worden und im Übrigen bereits ab dem 15.07.1992 von der Arbeitspflicht freigestellt worden ist, bestand für ihn die Möglichkeit, bei Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses im Jahre 1994 gegenüber dem neuen Arbeitgeber einen Urlaubsanspruch zu erwerben und durch tatsächliche Freistellung auch erfüllt zu bekommen. Im Interesse des mit dem Urlaub beabsichtigten Erholungszweckes ginge der Anspruch auf tatsächliche Freistellung seinem Abgeltungsanspruch vor und würde diesen im Rahmen des § 6 BUrlG auch beseitigen. Von ihm durfte deshalb im Urlaubsjahr 1994 zunächst abgewartet werden, ob im Rahmen eines eventuell neu begründeten Arbeitsverhältnisses Urlaubsansprüche gegenüber dem neuen Arbeitgeber erwachsen. Es kann von ihm nicht verlangt werden, bereits Mitte des Jahres von der Beklagten die Abgeltung eines Teiles oder des ganzen Jahresurlaubs zu begehren. c) Dem Kläger stehen die geltend gemachten Zinsen in Höhe des damaligen gesetzlichen Zinssatzes ab dem 01.01.1995 zu. Aufgrund der schriftlichen Geltendmachung war die Beklagte gehalten, den Urlaubs- bzw. Abgeltungsanspruch bis zum Jahresende 1994 zu erfüllen. Insoweit geriet sie auch ohne nochmalige Mahnung in Verzug, vgl. §§ 284, 288 BGB a.F. Da der Kläger Zinsen lediglich aus dem Nettobetrag begehrt, sind ihm Zinsen auch lediglich aus dem Netto-Differenzbetrag zuzusprechen. 2. Alle übrigen noch streitgegenständlichen Ansprüche sind nach § 19 MTV in der damals geltenden Fassung erloschen, denn der Kläger hat sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit bzw. nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.1994 schriftlich geltend gemacht. Nach Ablauf einer Erklärungsfrist von zwei Wochen hätten die Ansprüche des weiteren klageweise geltend gemacht werden müssen. Diese Fristen wurden im vorliegenden Fall versäumt, weshalb die Ansprüche des Klägers - unabhängig davon ob sie jemals in der geltend gemachten Höhe bestanden haben - wieder erloschen sind. a) Der Betrieb der Beklagten unterfällt gemäß dessen § 1 Ziffer 2 dem MTV Groß- und Außenhandel.

Nach dem eigenen Sachvortrag des Klägers handelt es sich bei der Beklagten um keinen Produktionsbetrieb sondern eine Vertriebsfirma, die fremdproduzierte Waren an Dritte weiter veräußert. Dies sind Fachabteilungen von Warenhäusern, Einzelhändler und auch Großhändler. Danach betreibt die Beklagte ein Handelsgeschäft (vgl. BAG vom 26.08.1998 - 4 AZR 471/97 - NZA 1999, 154) und zwar in der Form des Großhandels. Nach der Entscheidung des LAG Nürnberg vom 02.03.1999 (- 6 Sa 464/97 - n.v.) liegt Einzelhandel im funktionellen Sinne vor, wenn Marktteilnehmer Güter, die sie in der Regel nicht selbst be- oder verarbeiten (Handelswaren) von anderen Marktteilnehmern beschaffen und an private Haushalte absetzen. Demgegenüber wird Großhandel definiert als die wirtschaftliche Tätigkeit des Absatzes von Waren an Wiederverkäufer, Weiterverarbeiter oder Großverbraucher.

Da die Beklagte ausschließlich fremdproduzierte Waren an Wiederverkäufer vertreibt, handelt es sich um einen Großhandelsbetrieb. Soweit darüber hinaus die fremdproduzierten Waren aus dem Ausland importiert werden, wird zudem noch Außenhandel betrieben. Auch die in dem Verfahren der Parteien bereits ergangene Entscheidung des LAG Nürnberg vom 09.10.2001 (Az.: 6 Sa 819/00, Bl. 837 - 850 d.A.) hat dies bereits festgestellt. Soweit sich diese Entscheidung mit einzelnen konkreten Einwänden des Klägers auseinandersetzt, die nach seiner Meinung gegen die Annahme eines Groß- und Außenhandelsbetriebes sprechen, folgt dem auch die erkennende Berufungskammer und nimmt auf die dortigen Ausführungen ausdrücklich Bezug. Da der Kläger in vorliegendem Berufungsverfahren einzelne Einwände nicht mehr ausdrücklich wiederholt, kann hierauf auch nicht näher eingegangen werden. Es wird nur nochmals darauf hingewiesen, dass es für die branchenmäßige Zuordnung der Beklagten nicht darauf ankommt, ob diese völlig eigenständig ihre Ankaufs- und Vertriebspolitik steuert oder im Rahmen der Einbindung in einen Konzern gewissen Bindungen unterworfen ist und nur Waren bestimmter produzierender Unternehmen an Dritte weiter veräußern kann. Entscheidend ist, was nach erfolgter Beweisaufnahme im Teilurteil vom 15.09.2000 (Bl. 726 - 736 d.A.) festgestellt worden ist, dass es sich bei dem Betrieb der Beklagten um eine eigenständige Einheit handelt und keinen unselbständigen Teil eines Produktionsbetriebes. b) Sämtliche streitgegenständliche Zahlungsansprüche des Klägers sind gemäß § 19 MTV in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung vom 05.05.1994, die durch Bekanntmachung des bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 15.12.1994 für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, verfallen. Da der ebenfalls für allgemeinverbindlich erklärte vorausgehende Tarifvertrag eine gleichlautende Ausschlussklausel enthielt stellt sich das Problem einer eventuellen unzulässigen Rückwirkung nicht, wie bereits das LAG Nürnberg in seiner Entscheidung vom 09.10.2001 festgestellt hat. Da nach den weiteren Feststellungen dieser Entscheidung der Kläger dem persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages unterfällt, gilt gemäß § 5 Abs. 4 TVG die Ausschlussfrist normativ für das Arbeitsverhältnis der Parteien. Danach hätten die Zahlungsansprüche des Klägers innerhalb von zwei Monaten schriftlich und nach Ablauf einer Stellungnahmefrist von zwei Wochen binnen weiterer zwei Monate gerichtlich geltend gemacht werden müssen.

Da sämtliche Ansprüche des Klägers spätestens zum Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses aufgrund der Kündigung vom 28.04.1994 zum 31.07.1994 fällig geworden sind, hätten die Ansprüche des Klägers spätestens zum 30.09.1994 schriftlich und zum 15.12.1994 gerichtlich geltend gemacht werden müssen. Der Kläger hat sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, eine dieser Forderungen wäre erst nach dem Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses fällig geworden. Die Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug und auch der Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 1993 unterfallen trotz des noch anhängigen Kündigungsrechtsstreits der Verfallfrist, da diese nicht lediglich die schriftliche Geltendmachung sondern auch die gerichtliche Geltendmachung verlangt. Letztere wird durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage nicht gewahrt (vgl. hierzu BAG vom 21.03.1991 - 2 AZR 577/90 - AP Nr. 49 zu § 615 BGB; vom 13.02.1979 - 6 AZR 1108/77 - AP Nr. 10 zu § 7 BUrlG Abgeltung; LAG Nürnberg vom 11.03.2003 - 6 Sa 237/02 - NZA-RR 2004, 33). c) Der Beklagten ist es gemäß § 242 BGB nicht verwehrt, sich auf die normativ geltende tarifvertragliche Ausschlussfirst zu berufen.

Eine gegen Treu und Glauben verstoßende und damit gemäß § 242 BGB unzulässige Rechtsausübung stellt die Berufung auf eine Ausschlussfrist dann dar, wenn die zum Verfall von Ansprüchen führende Untätigkeit des Arbeitnehmers durch ein Verhalten des Arbeitgebers veranlasst worden ist (so BAG vom 05.08.1999 - 6 AZR 752/97 ZTR 2000, 36; vom 22.01.1997 -10 AZR 459/96 - AP Nr. 27 zu § 70 BAT). Das setzt voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Geltendmachung des Anspruchs bzw. der Einhaltung der Ausschlussfrist abgehalten hat. Nur in einem solchen Fall setzt er sich in Widerspruch zu seinem eigenen früheren Verhalten, wenn er zunächst die Untätigkeit des Arbeitnehmers veranlasst und dann aus dieser Untätigkeit einen Vorteil für sich ziehen will, indem er sich auf den Verfall von Ansprüchen beruft (so BAG vom 05.06.2003 - 6 AZR 249/02 - n.v.).

Der Kläger hat sich im vorliegenden Verfahren nicht darauf berufen, die Beklagte habe ihn durch ein aktives Tun davon abgehalten, die noch laufenden Fristen zur schriftlichen bzw. gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche zu wahren. Die eigene Unkenntnis der Beklagten von der normativen Wirkung einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist genügt hierfür nicht. Von dem Kläger wird in diesem Zusammenhang nicht behauptet, sich rechtzeitig vor Ablauf der Ausschlussfrist bei der Beklagten nach irgendwelchen zu beachtenden Fristen erkundigt und hierauf eine negative Antwort erhalten zu haben. Ebenso wenig beruft sich der Kläger darauf, die Beklagte habe bereits zu einem früheren Zeitpunkt die geltend gemachten Forderungen anerkannt und sie erst zu einem späteren Zeitpunkt in Abrede gestellt (vgl. hierzu BAG vom 10.10.2002 - 8 AZR 8/02 - NZA 2003, 329). d) Die Beklagte schuldet dem Kläger keinen Schadenersatz im Umfang der tarifvertraglich verfallenen Zahlungsansprüche wegen Verletzung ihrer Nachweispflicht oder der Pflicht zur Auslage des Tarifvertrages, §§ 286, 284, 249 BGB.

Auf die Verletzung von Verpflichtungen aus § 2 Abs. 1 Nachweisgesetz, für die das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 17.04.2002 - 5 AZR 89/01 - AP Nr. 6 zu § 2 Nachweisgesetz) eine derartige Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers bejaht hat, kann sich der Kläger nicht berufen. Nachdem das Nachweisgesetz erst zum 28.07.1995 in Kraft getreten ist, bestand noch keine gesetzliche Verpflichtung für die Beklagte, auf zu beachtende tarifvertragliche Vorschriften ausdrücklich hinzuweisen. Insoweit konnte die Beklagte gegen eine solche Pflicht auch nicht schuldhaft verstoßen haben.

Ein Schadenersatzanspruch kann auch nicht aus einer Verletzung der Auslegungspflicht gemäß § 8 TVG abgeleitet werden. Zum einen handelt es sich bei dieser Vorschrift um kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB. Ferner kann die Nichtauslegung eines Tarifvertrags keine positive Forderungsverletzung mit der Folge eines Schadensersatzanspruches i.S.v. § 249 BGB begründen (so BAG vom 23.01.2002 - 4 AZR 56/01 - AP Nr. 5 zu § 2 Nachweisgesetz).

Der Arbeitgeber ist aufgrund seiner Fürsorgepflicht nicht gehalten, dem Arbeitnehmer alle anspruchsbegründenden bzw. vernichtenden Tatsachen mitzuteilen (so BAG aaO), so dass aus einer diesbezüglichen Untätigkeit kein Schadensersatzanspruch abgeleitet werden kann. 3. Soweit der Kläger mit der Berufung den Anspruch auf Zinsen aus einem Privatdarlehen über DM 20.000,-- weiterverfolgt, fehlt es bereits an einer ausreichenden schlüssigen Begründung dieses Anspruchs. Hierauf hat bereits das Erstgericht im Schlussurteil vom 19.07.2002 hingewiesen, so dass auf die dortigen Ausführungen (Bl. 897 d.A.) verwiesen werden kann. Die Berufungsbegründung enthält keinen weiteren Sachvortrag, so dass nicht festgestellt werden kann, bezüglich welcher Forderung und bezüglich welchen Verzugszeitraums über die bereits im Teilurteil vom 05.02.1997 zugesprochenen Vergütungsansprüche nebst Zinsen noch ein weitergehender Verzugsschaden geltend gemacht wird.

III.

1. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sind entsprechend des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens gemäß § 92 Abs. 1 ZPO zu quoteln; bei einem Gesamtstreitwert von über EUR 117.000,-- obsiegte der Kläger lediglich in Höhe von ca. EUR 37.000,--.

Auch die Kosten des Berufungsverfahrens waren im Verhältnis des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens zu quoteln, §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO. 2. Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen, da der Rechtssache über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies in Bezug auf den fehlenden Verfall der Urlaubsabgeltung für das Jahr 1994 und die Anwendbarkeit des Manteltarifvertrages für den Groß- und Außenhandel in Bayern auf das Arbeitsverhältnis der Parteien.

Ende der Entscheidung

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