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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 12.09.2003
Aktenzeichen: 9 Ta 127/03
Rechtsgebiete: BRAGO, GKG, ArbGG, TzBfG


Vorschriften:

BRAGO § 9 Abs. 2
GKG § 25
ArbGG § 12 Abs. 7
TzBfG § 8
1. Der Streitwert einer beantragten einstweiligen Verfügung zur Durchsetzung des Teilzeitbegehrens gemäß § 8 Abs. 1 TzBfG ist in analoger Anwendung des § 12 Abs. 7 Satz 2 und Satz 1 ArbGG zu ermitteln. Wegen der vergleichbaren Interessenlage können Parallelen zur sog. Änderungsschutzklage gezogen werden.

2. Ein prozentualer Abschlag kann bei einer sog. Leistungs- und Befriedigungsverfügung unterbleiben.


Landesarbeitsgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

9 Ta 127/03

in dem Rechtsstreit

wegen Teilzeitbegehren

hier: Streitwertfestsetzung

Die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Roth ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin gegen den Streitwertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 05.05.2003 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 28.07.2003 - Az.: 9 GA 42/03 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin seit dem 01.07.1996 beschäftigt und bezog zuletzt eine Bruttomonatsvergütung von EUR 2.034,00. Sie begehrte im Wege der einstweiligen Verfügung die Zustimmung der Antragsgegnerin zur Verringerung der Wochenarbeitszeit von bislang 38,5 auf 20 Stunden und ihre tatsächliche Beschäftigung im Rahmen der reduzierten Wochenarbeitszeit. In der mündlichen Verhandlung vom 05.05.2003 sind die Anträge wieder zurückgenommen worden.

Auf Antrag der Parteivertreter ist vom Erstgericht mit Beschluss vom 05.05.2003 der Streitwert auf EUR 6.102,00 festgesetzt worden.

Mit Schriftsatz vom 22.05.2003 haben die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin gegen den Streitwertbeschluss vom 05.05.2003 Beschwerde eingelegt und beantragt, den Streitwert auf EUR 35.185,68 festzusetzen.

Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Beschluss vom 28.07.2003 der Beschwerde teilweise abgeholfen und unter Berücksichtigung des Antrags auf tatsächliche Beschäftigung den Streitwert auf EUR 8.136,00 angehoben. Im Übrigen ist der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt worden.

II.

Die gemäß §§ 78 ArbGG, 9 Abs. 2 BRAGO, 25 Abs. 3 GKG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht Nürnberg hat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens den Streitwert zutreffend in dem Teilabhilfebeschluss vom 28.07.2003 auf EUR 8.136,00 (vier Bruttomonatsverdienste) festgesetzt.

1. Das Arbeitsgericht hat sein bei der Streitwertfestsetzung gegebenes Ermessen nachvollziehbar ausgeübt und die hierbei gegebenen Grenzen nicht überschritten. Das Beschwerdegericht hat nach ständiger Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg (Beschluss vom 05.05.1986 - 1 Ta 3/85 - LAGE Nr. 53 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; Beschluss vom 01.07.2003 - 6 Ta 85/03 - zur Veröffentlichung vorgesehen) die Ermessensentscheidung des Erstgerichts zwar auf Ermessensfehler zu überprüfen aber keine eigene, hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen.

2. Das Erstgericht folgt in seiner Teilabhilfeentscheidung der ganz überwiegenden Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte, die bei einem Streit über das Teilzeitbegehren des Arbeitnehmers die Regeln über die Bemessung des Streitwertes bei einer Änderungsschutzklage heranziehen. Hierbei ist zunächst im Rahmen des § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG von der 36-fachen Vergütungsdifferenz der streitigen Arbeitszeitreduzierung auszugehen, der sich hieraus ergebende Betrag ist jedoch auf den Vierteljahresverdienst nach § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG zu begrenzen (vgl. LAG Hamburg vom 08.11.2001 - 6 Ta 24/01 - LAGE Nr. 4 zu § 8 TzBfG; LAG Berlin vom 04.09.2001 - 17 Ta 6121/01 - LAGE Nr. 13 zu § 3 ZPO; Hessisches LAG vom 28.11.2001 - 15 Sa 361/01 - LAGE Nr. 15 zu § 3 ZPO; LAG Niedersachsen vom 14.12.2001 - 17 Ta 396/01 - NZA-RR 2002, 550; vgl. hierzu Annuß/Thüsing, Teilzeit- und Befristungsgesetz, § 8 Rz. 231, m.w.N.).

Der Streitwert eines Verfahrens auf Reduzierung der bisherigen regelmäßigen Arbeitszeit gemäß § 8 Abs. 1 TzBfG bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der klagenden Partei an der Arbeitszeitreduzierung.

In Ermangelung einschlägiger besonderer gesetzlicher Bestimmungen sind hierbei die Regelungen in § 12 Abs. 7 Satz 2 und Satz 1 ArbGG entsprechend heranzuziehen.

Eine direkte Anwendung des § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG scheidet aus, da Streitgegenstand bei einem Teilzeitbegehren des Arbeitnehmers weder dessen Eingruppierung noch wiederkehrende Leistungen sind. Streitgegenstand ist vielmehr die Verurteilung des Arbeitgebers zur Abgabe einer auf die Vertragsänderung abzielenden Willenserklärung. Zwischen den Parteien in Streit ist, ob das Arbeitsverhältnis auf der Basis der bisherigen Arbeitsvertragsbedingungen oder zu den neuen vom Arbeitnehmer gewünschten Arbeitszeitbestimmungen fortzusetzen ist. Insoweit ist die rechtliche und wirtschaftliche Situation vergleichbar mit der einer Änderungsschutzklage nach Annahme des Änderungsangebotes unter Vorbehalt. Auch dort wird darum gestritten, ob das Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Arbeitsvertragsbedingungen oder die vom Arbeitgeber gewollten neuen Vertragsbedingungen fortgesetzt wird.

Bei der Festsetzung des Streitwerts einer Änderungsschutzklage sind die Bestimmungen des § 12 Abs. 7 Satz 2 und Satz 1 ArbGG in der Weise entsprechend anzuwenden, dass grundsätzlich von dem dreifachen Jahresbetrag des Wertes der beabsichtigten Vertragsänderung auszugehen ist, die Höchstgrenze des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG jedoch nicht überschritten werden darf. Dies deshalb, da zwischen den Parteien nur die Abänderung des Vertragsverhältnisses jedoch nicht dessen völlige Beendigung in Streit steht und aus diesem Grund der Streitwert einer Beendigungskündigung nicht überschritten werden kann (vgl. hierzu BAG EzA Nr. 64 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; LAG Rheinland-Pfalz vom 25.02.1991 - 9 Ta 31/91 - LAGE Nr. 91 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; LAG Bremen vom 05.05.1987 - 4 Ta 8/87 - LAGE Nr. 63 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; vgl. auch Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, a.a.O., § 12 Rz. 112 m.w.N.).

Die mit den gesetzlichen Sonderregelungen in § 12 Abs. 7 ArbGG bezweckte Reduzierung des Kostenrisikos der Parteien eines Arbeitsrechtsstreits soll zu Gunsten des Arbeitnehmers auch bei dem von ihm gerichtlich weiterverfolgten Teilzeitbegehren greifen. Eine Abweichung von der kostenrechtlichen Behandlung anderer arbeitsgerichtlicher Rechtsstreite, in denen es um den Bestand bzw. den Inhalt des Arbeitsverhältnisses geht, wäre sachlich nicht gerechtfertigt. Wie bei einer Änderungskündigung wird auch bei einem gerichtlich verfolgten Teilzeitbegehren des Arbeitnehmers von einer Vertragspartei versucht, einseitig Änderungen der bisherigen Arbeitsvertragsbedingungen durchzusetzen. Bei solchen arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen soll der Streitwert aus sozialen Erwägungen nach dem Schutzzweck des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG auf maximal drei Monatsgehälter beschränkt werden.

3. Der Antrag auf tatsächliche Beschäftigung entsprechend der begehrten Arbeitszeitreduzierung ist streitwerterhöhend zu berücksichtigen. Hierbei kann, wie in dem Teilabhilfebeschluss geschehen, ein Bruttomonatseinkommen angesetzt werden. Dies entspricht dem Wert eines Antrages auf tatsächliche Beschäftigung bzw. Weiterbeschäftigung im Rahmen eines Bestandsstreits der Parteien (vgl. LAG Chemnitz vom 14.06.1993 - 4 Ta 12/93 - LAGE Nr. 97 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; LAG Rheinland-Pfalz vom 16.04.1992 - 10 Ta 76/92 - LAGE Nr. 13 zu § 19 GKG).

4. Das Erstgericht hat zutreffend von einem prozentualen Abschlag des Streitwertes für das vorliegende einstweilige Verfügungsverfahren abgesehen, da es sich um eine so genannte Leistungs- oder Befriedigungsverfügung handelt. In Fällen, in denen - wie hier - bei Stattgabe der einstweiligen Verfügung die Hauptsache zumindest zeitweise vorweggenommen wird, kann ein sonst gebotener Abschlag im Verhältnis zum Streitwert der Hauptsache unterbleiben (vgl. hierzu Zöller-Herget, ZPO, 23. Aufl., § 3 Rz. 16 "Einstweilige Verfügung").

III.

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine getroffen werden, vgl. § 78 Satz 3 ArbGG.

Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und eine Kostenerstattung nicht stattfindet, § 25 Abs. 4 GKG.



Ende der Entscheidung

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