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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 19.12.2005
Aktenzeichen: 9 Ta 247/05
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 68
GKG § 42
Der Vierteljahresverdienst des Klägers bildet in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG auch bei einem arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit der Parteien über die Wirksamkeit einer getroffenen Änderungsvereinbarung (hier: Verdienstkürzung um 10 %) die Obergrenze für den festzusetzenden Streitwert.
LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG BESCHLUSS

9 Ta 247/05

in dem Rechtsstreit

wegen Arbeitsentgelt

hier: Streitwertfestsetzung

Die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Roth ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden vom 28.09.2005, Az.: 5 Ca Z 746/05, abgeändert.

Der Streitwert für das Verfahren wird auf EUR 6.710,70 festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger hat mit seiner Klage vom 28.07.2005 die Unwirksamkeit einer vereinbarten Kürzung seiner bisherigen Monatsvergütung von EUR 2.236,90 brutto um 10% ab dem Monat Mai 2005 geltend gemacht. Er hat die Auszahlung der bisherigen Lohnkürzungen (Monate Mai und Juni 2005) in Höhe von EUR 447,38 brutto begehrt und die Feststellung, dass die Beklagte auch ab Juli 2005 einen monatlichen Bruttolohn in Höhe von EUR 2.236,90 schuldet.

Mit Schriftsatz vom 27.09.2005 hat der Kläger die Klage wieder zurückgenommen.

Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 29.09.2005 den Streitwert für das Verfahren auf EUR 56.817,26 festgesetzt und hierbei auf den 36fachen Bruttomonatsverdienst abzüglich eines Abschlages von 30% abgestellt.

Mit ihrer beim Erstgericht am 18.10.2005 eingereichten Beschwerde beantragt die Beklagte eine Reduzierung des Streitwerts auf den 36fachen Betrag der Verdienstkürzung, begrenzt auf den Höchstwert eines Vierteljahresverdienstes des Klägers.

Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 28.11.2005 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren gem. § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt EUR 200,--, denn die einfache Gebührendifferenz zwischen dem festgesetzten und dem begehrten Gebührenstreitwert beträgt nach der Anlage 2 zum RVG EUR 748,--.

Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 des GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG.

Der Beklagten als Kostenschuldnerin ihres Anwalts steht ein eigenes Beschwerderecht zu, vgl. § 33 Abs. 2 und 3 RVG.

2. Die Beschwerde ist sachlich begründet.

Das Erstgericht hat sein bei der Streitwertfestsetzung gegebenes Ermessen überschritten.

Unter Berücksichtigung der Sonderregelungen für das arbeitsgerichtliche Verfahren in § 42 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 und Abs. 5 Satz 1 GKG bildet der Vierteljahresverdienst des Klägers die Höchstgrenze für die Wertbemessung des Rechtsstreits der Parteien.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Beschwerdegerichts kann die Ermessensentscheidung des Erstgerichts nur auf Ermessensfehler überprüft werden, dahingehend ob das Erstgericht sein Ermessen nachvollziehbar ausgeübt und die hierbei gegebenen Grenzen nicht überschritten hat. Dagegen hat das Beschwerdegericht keine eigene hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen (so LAG Nürnberg vom 05.05.1986 - 1 Ta 3/85 - LAGE Nr. 53 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; vom 07.04.1999 - 6 Ta 61/99 - NZA 1999, 840; vom 27.11.2003 - 9 Ta 154/03 - AR-Blattei ES 160.13 Nr. 255).

b) Das Erstgericht hat die für das arbeitsgerichtliche Verfahren geltenden Sonderregelungen, die eine Reduzierung der Kosten im Verhältnis zu denen eines normalen zivilrechtlichen Rechtsstreits zum Inhalt haben, bei der Streitwertbemessung nicht ausreichend beachtet.

Zum einen hat es nicht berücksichtigt, dass der Streit der Parteien lediglich um die von der Beklagten erreichte einzelvertragliche Vereinbarung einer Verdienstkürzung um 10% ab dem Monat Mai 2005 geführt wird und nicht den Wegfall der gesamten Monatsbezüge des Klägers. Dies ergibt sich eindeutig aus der Klagebegründung.

Insoweit hätte sich der Streitwert für den Feststellungsantrag des Klägers im Rahmen des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG am 36fachen Betrag der streitigen Verdienstkürzung (EUR 223,69 brutto) orientieren müssen. Daraus hätte sich ein Streitwert von EUR 8.052,84 errechnet.

Da die Zahlung des reduzierten Monatseinkommens von EUR 2.039,81 von der Beklagten nicht in Abrede gestellt worden ist, wurde von den Parteien ein Rechtsstreit hierüber nicht geführt. Bei sachgerechter Auslegung des Feststellungsantrages hätte nicht auf den 36fachen Betrag des gesamten Monatseinkommens von EUR 2.236,90 abgestellt werden dürfen.

Der festzusetzende Streitwert wird durch die Höchstgrenze in § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG auf den bisherigen Vierteljahresverdienst des Klägers in Höhe von EUR 6.710,70 begrenzt.

Der Kläger wendet sich mit seinem Feststellungsantrag gegen die Änderung der bisherigen Vergütungsregelung durch die mit der Beklagten getroffene Vereinbarung vom 30.04.2005 und will sich damit den bisherigen Inhalt seines Arbeitsverhältnisses sichern.

Bei einem Feststellungsverfahren, das die inhaltliche Abänderung eines Arbeitsverhältnisses betrifft, finden die für einen Bestandsstreit geltende Sonderregelung in § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG entsprechende Anwendung.

Der Begriff der Bestandsstreitigkeit i.S.d. § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG (früher: § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG) ist sehr weit reichend und erfasst alle Fälle, in denen es um die wirksame Begründung bzw. Beendigung des Vertragsverhältnisses geht (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl., § 12 Rz. 90). Somit auch Rechtsstreitigkeiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung im Falle der Ablehnung des Vertragsangebotes durch den Arbeitnehmer.

Auch in Fällen, in denen nach Ausspruch einer Änderungskündigung und Annahme des Arbeitnehmers unter Vorbehalt lediglich um die Änderung des bisherigen Vertragsinhaltes im Rahmen einer so genannten Änderungsschutzklage gestritten wird, findet die Sonderregelung zumindest entsprechende Anwendung (vgl. zu § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG: Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, a.a.O. Rz. 112; BAG vom 23.03.1989 - 7 AZR 527/85 - EzA Nr. 64 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert). Ebenso bei einem Rechtsstreit über eine beantragte Arbeitszeitreduzierung gem § 8 TzBfG (so LAG Nürnberg vom 12.09.2003 - 9 Ta 127/03 - LAGE Nr. 14 zu § 8 TzBfG m.w.N.) oder eine getroffene Altersteilzeitregelung (so LAG Nürnberg vom 02.12.2003 - 9 Ta 170/03 - n.v.).

Auch für den konkreten Rechtsstreit, in dem es dem Kläger um die unveränderte Fortgeltung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses geht, ist im Interesse einer Kostenreduzierung auf die Sonderregelung in § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG (früher: § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG) zurückzugreifen. Denn es ist hierfür nicht entscheidend, ob der bisherige Inhalt des Arbeitsverhältnisses durch eine einseitige Willenserklärung der Vertragsparteien oder - wie im vorliegenden Fall - durch eine vertragliche Abrede abgeändert werden sollte.

Der zusammen mit dem Feststellungsantrag gestellte Zahlungsantrag, der die bereits fälligen Beträge der streitigen Vergütungsreduzierung betrifft, führt zu keiner Erhöhung des Streitwerts, § 42 Abs. 5 Satz 1 GKG.

III.

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, vgl. § 78 Satz 3 ArbGG.

Für eine Kostenentscheidung besteht kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und keine Kostenerstattung stattfindet, §§ 68 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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