Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 02.02.2006
Aktenzeichen: 1 Sa 673/05
Rechtsgebiete: KSchG, BetrVG, ZPO, ArbGG, InsO, BGB


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1
KSchG § 1 Abs. 3 S. 1
KSchG § 1 Abs. 5
KSchG § 1 Abs. 5 S. 1
KSchG § 1 Abs. 5 S. 2
KSchG § 4
KSchG § 7
KSchG § 23 Abs. 1
BetrVG § 102
BetrVG § 102 Abs. 1
BetrVG § 102 Abs. 1 S. 2
BetrVG § 102 Abs. 1 S. 3
BetrVG § 102 Abs. 3 Nr. 2
BetrVG § 102 Abs. 3 Nr. 3
BetrVG § 102 Abs. 3 Nr. 4
BetrVG § 102 Abs. 3 Nr. 5
BetrVG § 111
BetrVG § 112
ZPO § 138 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 2
ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 292
ZPO § 292 S. 1
ZPO § 525 S. 1
ArbGG § 64 Abs. 6 S. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
InsO § 125
BGB § 242
BGB § 138
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 1 Sa 673/05

Entscheidung vom 02.02.2006

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 18.04.2005 - Az: 7 Ca 2557/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung vom 27.10.2004.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilzuliefererindustrie und beschäftigt am Standort in Neuwied regelmäßig 300 Mitarbeiter. Der Kläger (geb. am 06.12.1967, ledig, keine Unterhaltspflichten) ist seit dem 01.07.1994 als Betreuer für die Beklagte - zuletzt zu einem Bruttomonatsverdienst von 3.166,48 EUR - tätig.

Am 27.10.2004 vereinbarte die Beklagte mit ihrem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit einer Liste der Namen von 35 zu entlassenden Arbeitnehmern, darunter auch des Klägers. Zu den Einzelheiten des vereinbarten Interessenausgleichs nebst Anlagen wird auf Bl. 21-42 der Akte Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 27.10.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.03.2005 und stellte den Kläger unter Verrechnung bestehender Urlaubsansprüche von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Gegen die Kündigung vom 27.10.2004 wendet sich der Kläger mit der am 15.11.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

Der Kläger hat vorgetragen:

Die Kündigung verstoße gegen § 1 Abs. 1 KSchG, weil die Beklagte keine dringenden betrieblichen Erfordernisse dargelegt habe, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstünden. Die Beklagte könne sich insoweit nicht auf § 1 Abs. 5 KSchG berufen, weil diese Vorschrift gegen Art. 12 GG und Art 20 Abs. 3 GG verstoße und daher verfassungswidrig sei. Das Umstrukturierungskonzept der Beklagten sei in sich widersprüchlich, willkürlich und praktisch undurchführbar. Die von der Beklagten durchgeführte Sozialauswahl sei im Hinblick auf die Mitarbeiter M. und Th. grob fehlerhaft im Sinne von § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG. Schließlich sei auch eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG nicht erfolgt.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.10.2004 nicht beendet wurde, sondern fortbesteht,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn während der Dauer des Kündigungsschutzprozesses weiter zu beschäftigen;

3. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, Ansprüche des Klägers auf Erholungsurlaub sowie sonstige Ansprüche des Klägers auf Freizeitgewährung mit der einseitig von der Beklagten angeordneten Freistellung zu verrechnen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt:

Die Kündigung sei gemäß § 1 Abs. 5 KSchG rechtmäßig und auch der Betriebsrat sei ausweislich § 4 des Interessenausgleichs vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Mit Urteil vom 18.04.2005 hat das Arbeitsgericht Koblenz die Klage abgewiesen. Bezüglich des genauen Inhalts der Entscheidung wird auf das Urteil (Blatt 143 ff. d. A.) verwiesen.

Mit Schreiben vom 08.08.2005, eingegangen beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 10.08.2005, hat der Kläger gegen das ihm am 02.08.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - AZ: 7 Ca 2557/04 - Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 28.09.2005, eingegangen beim Landesarbeitsgericht Rheinland- Pfalz am 30.09.2005, begründet.

Der Kläger trägt hierzu unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag vor:

Das Arbeitsgericht Koblenz -Auswärtige Kammern Neuwied - sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kündigung der Beklagten rechtmäßig sei. Es habe verkannt, dass substantiiert und unter Beweisantritt dargelegt worden sei, dass keine dringenden betrieblichen Gründe seiner Weiterbeschäftigung entgegenstünden, da die im Interessenausgleich mitgeteilten Produktions- und Beschäftigungszahlen keinesfalls die Entlassung von 35, sondern allenfalls von 10 Mitarbeitern bedinge. Aus diesem Grund seien nunmehr auch Mitarbeiter im erheblichen Umfang aus dem Werk in Schönebeck im Werk in Rheinbreitenbach eingesetzt. Zudem habe das Arbeitsgericht unzutreffenderweise § 1 Abs. 5 KSchG angewandt, obwohl diese Norm verfassungswidrig sei. Zumal er die notwendigen Informationen nicht vom Betriebsrat erhalten habe, da dieser sich geweigert habe die sensiblen Daten über Auftragslage, Umsatzentwicklung, und die prognostizierten Produktionszahlen herauszugeben. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass die Beendigungskündigung unverhältnismäßig gewesen sei, da eine Änderungskündigung zur Weiterbeschäftigung im Werk Schönebeck möglich gewesen sei. Schließlich habe das Arbeitsgericht auch verkannt, dass keine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung vorgelegen habe, woran auch die anders lautende schriftliche Bestätigung in Ziffer 4 des Interessenausgleichs nichts ändere.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied- vom 18.04.2005 - 7 Ca 2557/04 dahingehend abzuändern, dass

1. festgestellt wird, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.10.2004 nicht beendet wird;

2. die Beklagte verurteilt wird, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil, nimmt Bezug auf ihren Vortrag erster Instanz und führt ergänzend aus:

Mitarbeiter aus dem Werk Schönebeck seien lediglich zur Schulung im Betrieb Rheinbreitenbach gewesen, um ihre Aufgaben im neuen Werk in Schönebeck nachkommen zu können.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.10.2004, die dem Kläger am selben Tag zugegangen ist, fristgemäß zum 31.03.2005 aufgelöst worden. Aus diesem Grund war auch der Antrag zu 2. abzuweisen.

B.

Die Berufung des Klägers hat jedoch keinen Erfolg, da sie unbegründet ist. Denn die Kündigung der Beklagten vom 27.10.2004 ist weder wegen Sozialwidrigkeit nach § 1 KSchG noch wegen Verstoßes gegen § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.

I.

Die für beide Unwirksamkeitsgründe zu beachtende Dreiwochenfrist der §§ 4, 7 KSchG ist vorliegend gewahrt.

II.

Die Kündigung des gemäß §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG unter Kündigungsschutz stehenden Arbeitsverhältnisses des Klägers war nicht sozial ungerechtfertigt.

Denn die Kündigung der Beklagten vom 27.10.2004 war durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen.

Insoweit greift die Vermutung des § 1 Abs. 5 KSchG ein, wonach bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG bezüglich namentlich in einem Interessenausgleich benannter Arbeitnehmer vermutet wird, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Es handelt sich insoweit um eine gesetzliche Vermutung der Betriebsbedingtheit im Sinne des § 292 ZPO (vgl. BAG v. 22.01.2004, AP Nr. 74 zu § 1 KSchG 1969), die der Kläger gemäß § 292 S. 1, 525 S. 1 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG hätte widerlegen müssen, was ihm jedoch nicht gelungen ist.

1. Entgegen der Ansicht des Klägers begegnet § 1 Abs. 5 KSchG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

a) Vorrangiger Prüfungsmaßstab ist insoweit Art. 12 Abs. 1 GG.

Dieses Grundrecht garantiert die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Der Einzelne wird in seinem Entschluss, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen oder ein bestehendes Arbeitsverhältnis beizubehalten oder aufzugeben, vor staatlichen Maßnahmen geschützt, die ihn am Erwerb eines zur Verfügung stehenden Arbeitsplatzes hindern oder zur Annahme, Beibehaltung oder Aufgabe eines bestimmten Arbeitsplatzes zwingen. Dagegen ist mit der Berufswahlfreiheit weder ein Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes eigener Wahl noch eine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz verbunden. Ebenso wenig gewährt Art. 12 Abs. 1 GG einen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Disposition. Insofern obliegt dem Staat allein eine aus dem Grundrecht folgende Schutzpflicht, der die geltenden Kündigungsvorschriften Rechnung tragen (vgl. BVerfG v. 24.4.1991, BVerfGE 84, 133, 146 f.; v. 21.2.1995 BVerfGE 92, 140, 150).

aa) Die Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG greift ebenso wie das gesamte KSchG nicht in bestehende Arbeitsverhältnisse und damit nicht in eine grundrechtlich geschützte Position des Arbeitnehmers ein. Es handelt sich vielmehr um eine das private Vertragsrecht ausgestaltende Norm, die allein am objektiven Gehalt der Grundrechte zu messen ist. Art. 12 Abs. 1 GG kann durch sie nur verletzt sein, wenn der Gesetzgeber damit seiner aus diesem Grundrecht abzuleitenden Pflicht zum Schutz der Arbeitnehmer vor Arbeitgeberkündigungen nicht hinreichend nachgekommen ist (vgl. BVerfG v. 27.01.1998, AP zu § 23 KSchG1969 Nr. 17).

bb) § 1 Abs. 5 KSchG ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

Bei privatrechtlichen Regelungen, die der Vertragsfreiheit Grenzen setzen, geht es um den Ausgleich widerstreitender Interessen. Dies ist vorliegend auch der Fall. Zum einem steht dem nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes das Interesse des Arbeitgebers gegenüber, in seinem Unternehmen nur eine bestimmte Zahl an Mitarbeitern zu beschäftigen. Der Arbeitgeber übt insoweit ebenfalls regelmäßig seine Berufsfreiheit im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG, jedenfalls aber seine durch Art. 2 Abs. 1 geschützte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit aus (vgl. BVerfG v. 27.1.1998, AP Nr. 17 zu § 23 KSchG 1969).

Zum anderen steht dem Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes auch das ebenfalls durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse des Arbeitssuchenden auf Zugang zum Arbeitsmarkt (vgl. BVerfG v. 27.4.1999, BVerfGE 100, 271, 284) gegenüber. Denn der § 1 Abs. 5 KSchG dient nach der Gesetzesbegründung auch dazu, die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen, indem Einstellungshemmnisse abgebaut werden (vgl. BT-Drucks. 15/1204, 8, 9 u. 11).Das Ziel, Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen, hat auf Grund des Sozialstaatsprinzips Verfassungsrang (vgl. Art. 20 Abs. 1 GG). Der Abbau von Arbeitslosigkeit ermöglicht den zuvor Arbeitslosen, das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu verwirklichen, sich durch Arbeit in ihrer Persönlichkeit zu entfalten und darüber Achtung und Selbstachtung zu erfahren. Insofern wird das gesetzliche Ziel auch von Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG getragen (vgl. BVerfG v. 27.4.1999, BVerfGE 100, 271, 284).

Der Gesetzgeber musste daher die kollidierenden Grundrechtspositionen im Wege der praktischen Konkordanz in ihren Wechselwirkungen erfassen und so begrenzen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG v. 18.10.1993, BVerfGE 89, 214, 232). Dabei kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsfreiraum zu. Die Einschätzung der für die Konfliktlage maßgeblichen ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen liegt in seiner politischen Verantwortung, ebenso die Vorausschau auf zukünftige Entwicklungen und die Wirkungen seiner Regelungen. Dasselbe gilt für die Bewertung der Interessenlage, das heißt die Gewichtung der einander entgegenstehenden Belange und die Bestimmung ihrer Schutzbedürftigkeit.

An diesem Maßstab gemessen stellt die Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG einen Ausgleich der Interessengegensätze dar, die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist.

Die Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG ist im Rahmen des Gesetzes zur Reform des Arbeitsmarktes eingeführt, dessen Ziel es ist, der Arbeitslosigkeit durch Stärkung der Wachstumskräfte für mehr Beschäftigung entgegenzuwirken. Dabei sollen Korrekturen im Kündigungsschutzrecht mehr Transparenz und Rechsicherheit schaffen, um so Hindernisse für Neueinstellungen abzubauen. Hierzu heißt es in der Gesetzbegründung ausdrücklich, dass Änderungen dort notwendig sind, wo das geltende Kündigungsschutzrecht schwer handhabbar ist und sich starre Regelungen als Einstellungshemmnis erweisen (BT-Drucks. 15/1204, S. 8). Der Gesetzgeber hat als solches Hemmnis insbesondere die Sozialauswahl bei Entlassungen größerer Zahl angesehen. Die Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG dient einer größeren Rechts- und Planungssicherheit für alle Beteiligten (vgl. BT-Drucks. 15/1204, 9 u. 11).

Mit der Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG hat der Gesetzgeber seinen weiten Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Die Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG kann als Teil eines gesamten Maßnahmenpakets zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit nicht als ungeeignet angesehen werden, den bezweckten Wachstumsimpuls zu geben. Zudem liegt ein angemessener Ausgleich der betroffenen Grundrechtspositionen vor. Dabei fällt ins Gewicht, dass mit § 1 Abs. 5 KSchG dem Arbeitnehmer der Kündigungsschutz nicht völlig genommen wird. Er wird nicht schutzlos gestellt. Denn zum einem setzt die Vermutung des § 1 Abs. 5 KSchG eine Betriebsänderung mit Vereinbarung eines wirksamen Interessenausgleichs nebst Namensliste voraus. Für diese Vermutungsgrundlage trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Auch bedingt das Erfordernis eines wirksamen Interessenausgleichs im Sinne des § 112 BetrVG letztlich eine Kollektivierung des Kündigungsschutzes, indem die Verantwortung auf die Betriebspartner übertragen wird.

Zum anderen handelt es sich bei § 1 Abs. 5 KSchG um eine widerlegbare gesetzliche Vermutung für das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse. Diese im Einzelfall zu widerlegen mag zwar für den Arbeitnehmer häufig schwierig sein, doch ist dies nicht unmöglich. In Betracht kommen insoweit vor allem Fälle einer missbräuchlichen Unternehmensentscheidung oder eine singuläre Situation des Arbeitnehmers, wie zum Beispiel die, dass das Arbeitsverhältnis eines Altersteilzeitlers im Rahmen der Freistellungsphase gekündigt werden soll. Im letzteren Fall hat das BAG trotz Aufnahme in eine nach § 125 InsO vereinbarte Namensliste die dringenden betrieblichen Erfordernisse verneint (vgl. BAG v. 5.12.2002, NZA 2003, 789). Auch kann der Arbeitnehmer beim Betriebsrat als seinen gewählten Interessenvertreter Erkundigungen über die Gründe einziehen, die zum Abschluss des Interessenausgleichs geführt haben.

Zudem ist bei der Bewertung der gesetzlichen Regelung auch zu bedenken, dass der Arbeitnehmer bei Vereinbarung eines Interessenausgleichs mit Namensliste regelmäßig auch eine an den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Arbeitgebers orientierte Sozialplanabfindung erwarten kann (vgl. LAG Berlin v. 5.11.2004, AuA 2005, 48 ff.), wie dies vorliegend auch der Fall war.

Dementsprechend hat auch das Bundesarbeitsgericht gegen die inhaltsgleiche, vom 1.10.1996 bis 31.12.1998 in Kraft gewesene Vorläufervorschrift vom 25. September 1996 (BGBl. I, S. 1476) keine verfassungsrechtlichen Bedenken angemeldet (vgl. zuletzt BAG v. 22.01.2004, AP BetrVG 1972 § 111 Namensliste Nr. 1).

Die Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG genügt daher grundsätzlich den Anforderungen an eine Einschränkung der Berufsfreiheit betroffener Arbeitnehmer.

b) Allerdings haben die Gerichte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Auslegung und Anwendung grundrechtsbeschränkender Gesetze der wertsetzenden Bedeutung des eingeschränkten Grundrechts Rechnung zu tragen (vgl. nur BVerfG v. 8.71997, BVerfGE 96, 152, 164). Dementsprechend dürfen der gerichtlichen Durchsetzung von Grundrechtspositionen keine praktisch unüberwindlichen Hindernisse entgegengesetzt werden (vgl. BVerfG v. 16. 11.1993, BVerfGE 89, 276, 289 für das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 2 GG). Hierzu gehört insbesondere auch, dass die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast den durch einfachrechtliche Normen bewirkten Schutz grundrechtlicher Gewährleistungen nicht leer laufen lassen darf (BVerfG v. 6.10.1999, NZA 2000, 110 ff.).

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht ist die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast auch für die Wirksamkeit des gerichtlichen Kündigungsschutzes von besonderer Bedeutung (BVerfG v. 6.10.1999, NZA 2000, 110 ff.). Dabei verbietet es sich jedenfalls auch im Hinblick auf die aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Grundsätze einer fairen Verfahrensgestaltung, dem Arbeitnehmer Darlegung und Nachweis solcher Umstände in vollem Umfang aufzubürden, die nicht in seiner Sphäre liegen und deren vollständige Kenntnis bei ihm infolgedessen nicht erwartet werden kann, während der Arbeitgeber über sie ohne weiteres verfügt (BVerfG v. 6.10.1999, NZA 2000, 110 ff.).

Dabei lag dieser Entscheidung allerdings die Anwendung der Generalklauseln in § 138 beziehungsweise § 242 BGB zugrunde. Es ging daher anders als im vorliegenden Fall darum, ein verfahrensrechtlich abzustützendes verfassungsrechtliches Untermaß eines Kündigungsschutzes außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes abzustecken. Dagegen führt § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG innerhalb des Kündigungsschutzgesetzes zu einer Kollektivierung des Kündigungsschutzes durch Verlagerung der Verantwortung auf die Betriebspartner.

Darüber hinaus hat das BVerfG in dieser Entscheidung betont, dass sich nicht allgemein festlegen lässt, wie unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Positionen aus Art. 12 Abs. 1 GG die Darlegungs- und Beweislast zu verteilen ist. Speziell für den Fall der Generalklauseln der §§ 138 und 242 BGB entschied das Bundesverfassungsgericht, dass eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast eine geeignete Handhabe biete (BVerfG v. 6.10.1999, NZA 2000, 110 ff.).

Es kann daher aus dieser Entscheidung nicht abgeleitet werden, dass eine verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 5 KSchG eine primäre Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers bedinge.

Vielmehr gebietet die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wie vom Arbeitsgericht Koblenz -Auswärtige Kammern Neuwied- zutreffend dargelegt, allein eine sekundäre Darlegungslast des Arbeitgebers. Denn der Beweislastverteilung des § 1 Abs. 5 KSchG liegt eine generalisierende Risikozuweisung zugrunde. Während der Arbeitgeber die Beweislast für das Vorliegen einer Betriebsänderung mit wirksamem Interessenausgleich und Namensliste trägt, soll der Arbeitnehmer die Beweislast für das Nichtvorliegen dringend betrieblicher Erfordernisse und der groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl tragen, um so mehr Planungs- und Rechtssicherheit zu erzielen. Allerdings entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass die Darlegungslast des Pflichtigen, wenn es um Geschehnisse aus dem Bereich der anderen Partei geht, durch eine sich aus § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO ergebende Mitwirkungspflicht des Gegners gemindert wird. Darüber hinaus erlegt die Rechtsprechung dem Gegner der primär behauptungs- und beweisbelasteten P7artei dann eine gewisse (sekundäre) Behauptungslast auf, wenn eine darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BGH v. 11. 6. 1990, NJW 1990, 3151; BGH v. 24. 11. 1998, NJW 1999, 714 m.w.N.; BGH v. 3. 5. 2002, NJW-RR 2002, 1280 m.w.N.). Dieser Rechtsprechung hat sich auch das BAG angeschlossen (vgl. BAG v. 20.11.2ßß3, NZA 2004, 489, 492).

Die sekundäre Darlegungslast hat bei Nichterfüllung zur Folge, dass die Behauptung des primär Darlegungspflichtigen trotz fehlender Substantiierung als zugestanden nach § 138 Abs. 3 ZPO gilt.

Angewandt auf die Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG bedeutet dies, dass wenn und soweit der Arbeitnehmer die betriebsbedingten Gründe nicht kennt und auch nicht kennen kann, da er keinen eigenen Einblick in die betrieblichen Gegebenheiten hat, eine sekundäre Darlegungslast des Arbeitgebers besteht. Dabei geht die Einlassungs- und Substantiierungspflicht nicht weiter als zur Erkenntnis eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes erforderlich.

2. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG sind erfüllt.

Die Kündigung der Beklagten vom 27.10.2004 wurde aufgrund einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG ausgesprochen, nachdem zuvor zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat ein wirksamer Interessenausgleich mit Namensliste der zu Kündigenden zustande gekommen war. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im arbeitsgerichtlichen Urteil gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

3. Es ist dem Kläger nicht gelungen, die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 5 KSchG für das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse zu widerlegen

a) Die Beklagte hat einen interessen- und sozialplanpflichtigen Personalabbau dargelegt.

Die Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, gehört zu den sogenannten unternehmerischen Maßnahmen, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und damit den entsprechenden Beschäftigungsbedarf entfallen lassen kann (vgl. BAG v. 17.06.1999, NZA 1999, 1098). Die unternehmerische Entscheidung kann von den Gerichten für Arbeitssachen jedoch nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. BAG v. 17.06.1999, NZA 1999, 1098). Zudem bezieht sich die gesetzliche Vermutung des Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse aus § 1 Abs. 5 KSchG auch auf den Wegfall des Arbeitsplatzes und auf das Nichtbestehen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Betrieb (vgl. BAG v. 7.05.1998, NZA 1998, 933). Daher hat der Arbeitnehmer konkrete Anhaltspunkte darzulegen, die die Unternehmerentscheidung als offensichtlich unsachlich oder willkürlich erscheinen lassen (vgl. so bereits zu § 1 Abs. 5 a.F. ArbG Bonn v. 5.2.1997, DB 1997, 1517, 1518). Dementsprechend obliegt es dem auf der Namensliste genannten Arbeitnehmer, die Undurchführbarkeit der unternehmerischen Entscheidung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.

b) Der Kläger erachtet die unternehmerische Entscheidung der Beklagten, das Personal dauerhaft um 35 Mitarbeiter zu reduzieren, für undurchführbar, da seinen Berechnungen nach 24,62 Arbeitsplätze im Verhältnis zur in Anlage 1 des Interessenausgleichs angeführten Auftragslage zuviel abgebaut worden seien. Der Überbürdung der Vielzahl von Aufgaben auf die verbleibenden Arbeitnehmer stünde daher keine adäquate Reduzierung der Produktionsstückzahlen gegenüber.

Diese Argumentation vermag jedoch die unternehmerische Entscheidung der Beklagten nicht als undurchführbar und damit willkürlich erscheinen lassen.

aa) Denn selbst wenn die Berechnungen des Klägers im Hinblick auf die Produktionszahlen der Anlage 1 lediglich einen Abbau von insgesamt 10,38 Arbeitnehmern bedingen, so übersieht der Kläger bei seiner Argumentation, dass ausweislich Anlage 1 des Interessenausgleichs (Bl. 28 f. d.A.) der Abbau von 35 Mitarbeitern nicht allein auf der verringerten Produktion beruht.

So beruht der Stellenabbau von 10,9 Arbeitsplätzen bezüglich der BMW-Projekte ausweislich Anlage 1 des Interessenausgleichs auf gezielten Anlagenumbauten und einer Verbesserung der Technik, die dazu führt, dass die entsprechenden Anlagen nur noch mit einem Mitarbeiter anstelle von 1,5 Mitarbeitern betrieben werden. Zudem soll nicht mehr auf allen Anlagen gleichzeitig produziert werden.

Darüber hinaus sollen lediglich maximal insgesamt 14 anstelle 17 Anlagen betrieben werden. Hierdurch wird zusammen mit dem versetzten Einsatz der lediglich 14 Anlagen auch ein Wartungsrückgang einhergehen. Zudem sollen die Schichten pro Woche im Durchschnitt von 26 auf 12 bis 13 Schichten reduziert werden.

Mit dieser Schichtreduzierung wird sich auch das zu verladende Versandvolumen ändern. Um 50 % reduzierte Reklamationen ermöglichen den Abbau einer Kundenbetreuerstelle.

bb) Auf die Berechnungen des Klägers hin, die lediglich einen Abbau von 10,38 Stellen belegen, hat die Beklagte bereits in der 1. Instanz mit Schriftsatz vom 21.03.2005 (Bl. 124 ff. d. A.) ausführlich im Einzelnen dargelegt, inwiefern sich neben den Stückzahlen die zu produzierenden Modelle geändert haben, welche Anlagen dadurch nicht mehr in Betrieb sind, wie viele Arbeitnehmer im einzelnen aufgrund neuer Maschinen und neuer Produktionsorganisation in welchem Projekt nur noch benötigt werden und welche Arbeitsplätze jeweils entfallen.

Die Beklagte hat dargelegt, dass für die Produktion betreffend BMW im Drei-Schichtmodell anstatt 27 Mitarbeitern nur noch 16,05 Mitarbeiter benötigt werden. So wird das Modell E 46, das pro Schicht mit 3 Mitarbeitern produziert wurde, nur noch an zwei anstatt zuvor vier Betriebsanlagen in reduziertem Umfang produziert, da dieses Modell ausläuft. Durch eine dabei vorgenommene veränderte Betriebs­organisation werden zudem nur noch zwei Betreuer anstelle von dreien einge­setzt. Auch für das Modell E 65, das weiterhin an zwei Betriebsanlagen produziert werden soll, wo bislang 3 Arbeitnehmer pro Schicht beschäftigt waren, führt die Umorganisation und neuere Technik zu einem verminderten Bedarf von 2,35 Be­treuern. Das neu hinzugekommene Modell E 90 wird lediglich an zwei Einzelan­lagen hergestellt, für die pro Schicht jeweils 1 Arbeitnehmer benötigt wird. Damit werden alles in allem pro Schicht im Durchschnitt noch 5,35 Mitarbeiter und damit bei dem Dreischichtmodell insgesamt noch 16, 05 (aufgerundet 16,1) Mitarbeiter benötigt.

Das Mercedes Modell W 211 wurde bisher an 3 Transferanlagen produziert, an denen 6 bis 7 Arbeitnehmer kontinuierlich arbeiteten, so dass durchschnittlich pro Schicht insgesamt 23,5 Mitarbeiter beziehungsweise bezogen auf drei Schichten insgesamt 70,5 Mitarbeiter benötigt wurden. Aufgrund der rückläufigen Produktionszahlen, veränderter Technik und Organisation werden an einer der drei Betriebsanlagen nur noch 5,5 an der anderen nur noch 6 und an der dritten nur noch 6,5 Mitarbeiter pro Schicht gebraucht. Insgesamt werden insoweit bei jeweils drei Schichten nur noch 54 Mitarbeiter benötigt und zwei weitere als Reserve eingeplant.

Ferner kommt im 4. Quartal 2005 lediglich ein zu fertigendes Modell für Honda hinzu, das jedoch allein an einer Einzelanlage mit einem Arbeitnehmer pro Schicht gefertigt wird. Zudem läuft die Produktion für Opel aus, in der an 5 Betriebsanlagen pro Schicht mit insgesamt 8,5 Mitarbeitern und damit bei drei Schichten mit 25,5 Arbeitnehmern gearbeitet wurde. Ab Januar 2005 waren daher für jede Schicht nur noch 6 Mitarbeiter und einer als Reserve eingeplant, so dass insgesamt nur noch 19 Arbeitnehmer benötigt wurden. Diese Arbeitsplätze entfallen mit dem Produktionsende Juli 2005 ebenfalls, wohingegen nur 3 neue in der Hondaproduktion entstehen, so das eine weitere Personalreserve von 16 Arbeitnehmern besteht.

Anhand dieser Darlegungen der Beklagten erscheint es nachvollziehbar, dass insgesamt weniger Personal vorgehalten werden muss und auch dass deutlich mehr Mitarbeiter freigesetzt werden können, als allein die geänderten Produktionszahlen für 2005 bedingen.

Die Beklagte hat damit ihrer sekundären Darlegungslast vollumfänglich genügt. Der Kläger hätte daher darlegen und beweisen müssen, dass die unternehmerische Entscheidung dennoch undurchführbar ist. Denn der bei der widerleglichen Vermutung des § 1 Abs. 5 KSchG mögliche Beweis des Gegenteils ist Hauptbeweis, der erst dann geführt ist, wenn das Gericht vom Vorliegen eines Sachverhalts überzeugt ist, der das Gegenteil der Vermutung ergibt. Einen solchen Sachverhalt hat der Kläger jedoch nicht darlegt, sondern lediglich behauptet, dass dieser Vortrag der Beklagten nicht auf konkrete Produktionszahlen gestützt sei und daher jeglicher Grundlage entbehre. Dabei hat der Kläger jedoch übersehen, dass die Beklagte ihren Angaben im Schriftsatz vom 21.03.2005 die in der Tabelle der Anlage 1 des Interessenausgleichs angeführten Produktionszahlen zugrunde legt, um zu belegen, dass, ausgehend von diesen auch vom Kläger benutzten Zahlen, der Abbau von insgesamt 35 Mitarbeitern belegt ist.

cc) Für die Richtigkeit der Prognose der Beklagten und die Durchführbarkeit ihrer unternehmerischen Entscheidung sprach schließlich noch indiziell, dass die Beklagte sämtlichen 35 Mitarbeitern, die auf der Namensliste angeführt sind, gekündigt hat, ohne dass der Kläger dargelegt hat, dass es zu Ersatzeinstellungen, der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern oder Überstunden in nennenswertem Umfang gekommen sei. Die bestrittene Behauptung, dass die Beklagte in erheblichem Umfang Mitarbeiter aus ihrem neugegründeten Werk in Schönebeck nicht nur in Rheinbreitbach angelernt, sondern auch eingesetzt habe, um einen tatsächlichen Zusammenbruch der Produktion zu verhindern, reicht insoweit nicht aus: Diese Behauptung ist trotz Bestreitens der Beklagten nicht substantiiert und schon gar nicht unter Beweis gestellt worden. Der Kläger hat weder vorgetragen, wie viele Mitarbeiter aus dem Werk Schönebeck zur Produktionsaufrechterhaltung eingesetzt werden noch in welchem Zeitraum.

4. Die dringenden betrieblichen Erfordernisse sind auch nicht wegen Vorliegens einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit im Werk Schönebeck zu verneinen.

Zwar ist nach der Rechtsprechung des BAG eine Kündigung auch ohne Widerspruch des Betriebsrates nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis "bedingt", wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig in demselben oder (mittels Änderungskündigung) in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens zu beschäftigen (vgl. BAG v. 17.05.1984, NZA 1985, 489).

Doch bezieht sich die Vermutung des § 1 Abs. 5 KSchG auch auf die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens (so auch Ascheid/Preis/Kiel, 2. Aufl. 2004, § 1 KSchG, Rn. 758g). Denn § 1 Abs. 5 KSchG bezieht sich ausdrücklich auf dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2. Die Vermutungswirkung soll daher bereits nach seinem Wortlaut den gesamten Absatz 2 umfassen und sich nicht lediglich auf § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG beziehen. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der die Vermutung auch auf das Fehlen anderer Beschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen bezogen hat (vgl. BT-Drucks. 15/1204, 11).

Der Vortrag des Klägers, dass früher schon Änderungskündigungen ausgesprochen worden seien und der Betriebsleiter des Werkes Schönebeck sowie die zuständige Personalsachbearbeiterin in einer anderweitigen Kündigungsverhandlung am 7.9.2004 geäußert hätten, dass im dortigen Werk auch noch die Positionen der Betreuer zu besetzen seien, reicht hierfür nicht aus. Denn damit ist noch nicht belegt, dass auch noch weit über einen Monat später im Zeitpunkt des Interessenausgleiches und dem Ausspruch der Kündigung am 27.10.2004 ein Arbeitsplatz für einen Betreuer zu besetzen war. Dies wird von der Beklagten zudem bestritten. Für letzteres hat der Kläger jedoch keinen Beweis angeboten und schon gar nicht unter Beweisantritt vorgetragen, wie die Beschäftigung im Werk Schönebeck aussehen soll. Auch der Hinweis des Klägers, dass die Beklagte in der Vergangenheit im Wege der Änderungskündigung Arbeitnehmern angeboten habe, im Werk Schönebeck zu arbeiten, spricht vorliegend dafür, dass zum Zeitpunkt des Interessenausgleichs insoweit keine freien Arbeitsplätze mehr vorhanden waren, da weder der Kläger selbst Gründe vorgetragen hat noch Gründe ersichtlich sind, weshalb die Beklagte von dieser Möglichkeit diesmal abgesehen haben soll.

5. Die Kündigung ist weiter nicht wegen fehlender sozialer Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG sozial ungerechtfertigt.

Nach § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG war die soziale Auswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen. Eine Sozialauswahl ist nach § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG grob fehlerhaft, wenn sie die in § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG aufgeführten Sozialdaten unberücksichtigt lässt oder Sozialdaten unzureichend oder übermäßig berücksichtigt werden.

Die von der Beklagten und dem Betriebsrat im Interessenausgleich vorgenommene Sozialauswahl war hiernach nicht grob fehlerhaft. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die zutreffenden Ausführungen im arbeitsgerichtlichen Urteil 1. Instanz verwiesen, die im Berufungsverfahren vom Kläger auch nicht mehr angegriffen wurden.

III.

Schließlich ist die Kündigung der Beklagten auch nicht nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG wegen unzureichender Anhörung des Betriebsrates unwirksam.

a) Die Betriebsratsanhörung unterliegt auch bei Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste nicht erleichterten Anforderungen (Ascheid/Preis/Koch, 2. Aufl. 2004, § 102 BetrVG, Rn. 20a). Aus diesem Grund genügt auch nicht die bloße Übereinstimmung der Betriebspartner über eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung im Interessenausgleich (vgl. LAG Berlin v. 5.11.2004, AuA 2005, 48 ff.). Die Anforderungen des § 102 BetrVG stehen nicht zur Disposition der Betriebspartner. Daher war die Betriebsratsanhörung vorliegend nicht schon deshalb ordnungsgemäß, weil in § 4 Ziffer 1 des Interessenausgleichs (Bl. 26 d. A.) der Betriebsrat erklärt hat, dass er ausreichend über den Grund der Kündigungen im Sinne des § 102 BetrVG informiert worden sei.

b) Eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats setzt nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG voraus, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe der Kündigung mitteilt. Dabei sind jedoch an die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an dessen Darlegungslast im Kündigungsschutzprozess. Es gilt insoweit vielmehr der Grundsatz der subjektiven Determinierung, nach dem der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört worden ist, wenn der Arbeitgeber ihm die aus seiner sicht tragenden Umstände umfassend unterbreitet hat (vgl. BAG v. 11.7.1991 AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 57). Dabei müssen die Kündigungsgründe so detailliert dargelegt werden, dass sich der Betriebsrat ohne zusätzliche Nachforschungen ein Bild über die Stichhaltigkeit machen und beurteilen kann, ob es sinnvoll ist, Bedenken zu erheben oder Widerspruch einzulegen .

c) Wenn auch die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG beim Vorliegen eines Interessenausgleiches mit Namensliste keinen erleichterten Anforderungen unterliegt, so ist andererseits zu berücksichtigen, dass es nach § 102 BetrVG keiner weiteren Darlegung der Kündigungsgründe bedarf, soweit diese dem Betriebsrat bereits bekannt sind (vgl. BAG v. 20.5.1999, NZA 1999, 1101 f.)

Insofern ist vorliegend zu beachten, dass die Verhandlungen über den Interessenausgleich mit Namensliste nach § 112 BetrVG mit dem Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG verbunden worden sind. Aus diesem Grund heißt es in Ziffer 4 Nr. 1 des Interessenausgleichs ausdrücklich, dass der vollständige Entwurf des Interessenausgleichs nebst Anlagen dem Betriebsrat am 21.10.2004, 17.00 Uhr übergeben worden ist und damit das Anhörungsverfahren hinsichtlich der beabsichtigten Kündigungen als eingeleitet gilt. Die Zusammenfassung ist zulässig und zweckmäßig, damit der Betriebsrat mit Abschluss des Interessenausgleichs auch zu den beabsichtigten Kündigungen Stellung nehmen kann (vgl. BAG v. 20.5.1999, NZA 1999, 1101). Die dem Betriebsrat aus den Interessenausgleichsverhandlungen bekannten Umstände muss die Beklagte daher nicht erneut vortragen

aa) Wie die Beklagte dargelegt hat, sind dem Interessenausgleich Verhandlungen vorausgegangen, in denen sie den Betriebsrat eingehend über die Gründe für einen dauerhaften Personalüberhang von 35 Mitarbeitern informiert hat.

Für die Richtigkeit dieser Behauptung spricht auch, dass im Interessenausgleich selbst unter § 2 (Bl. 22 d. A.) festgehalten wurde, dass dem Betriebsrat die dem dauerhaften Personalabbau zugrunde liegenden Konzepte übergeben und erläutert wurden.

bb) Zu den Gründen für die Kündigung, die nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG dem Betriebsrat bei der Anhörung mitzuteilen sind, zählen auch die Gründe, die nach § 102 Abs. 3 Nrn. 2 bis 5 BetrVG den Betriebsrat zum Widerspruch berechtigen können (BAG v. 6.7.1978, BAGE 30, 370). Aufgrund der Widerspruchsmöglichkeit nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG gehört hierzu bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig auch die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens.

Besteht aus der Sicht des Arbeitgebers keine Möglichkeit, den zu kündigenden Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen (§ 1 Abs. 2 S. 2 lit. 1b und lit. 2b KSchG), so genügt der Arbeitgeber seiner Anhörungspflicht nach § 102 BetrVG in der Regel schon durch den ausdrücklichen oder konkludenten Hinweis auf fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten. Auch im Kündigungsschutzprozess ist der Arbeitgeber zu weiteren Darlegungen nur verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer angibt, wie er sich eine Weiterbeschäftigung vorstellt. Die Darlegungspflicht im Rahmen der Betriebsratsanhörung geht nicht weiter als die Darlegungslast im späteren Prozess (BAG v. 17.2.2000; NZA 2000, 761).

Vorliegend ergibt sich jedenfalls ein konkludenter Hinweis auf die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus den Interessenausgleichverhandlungen. Denn mit Verhandlung des Interessenausgleich nebst Namensliste ergibt sich für den Betriebsrat hinreichend deutlich, dass die hierauf beruhende jeweilige Kündigung erfolgen soll, weil andere geeignete Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nach Ansicht der Beklagten nicht bestehen.

Gibt sich der Betriebsrat mit einem konkludenten Hinweis zufrieden, so ist er ordnungsgemäß angehört (BAG v. 17.2.2000; NZA 2000, 761). Die Betriebratsanhörung ist daher auch insoweit als ordnungsgemäß anzusehen.

cc) Schließlich wurde der Betriebsrat auch ausreichend über die vorgenommene Sozialauswahl unterrichtet.

Aus dem Interessenausgleich geht hierzu selbst hervor, dass die Betriebspartner gemäß § 3 Nr. 2 des Interessenausgleichs (Bl. 23 ff. d. A.) zunächst Gruppen der miteinander vergleichbaren Arbeitnehmern gebildet und sodann anhand eines Punktesschemas für Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Familienstand, unterhaltsberechtigte Kinder und Schwerbehinderung eine Sozialauswahl vorgenommen haben. In einem dritten Schritt haben die Betriebspartner die Ergebnisse im Einzelnen unter Berücksichtigung der betrieblichen Situation und der jeweiligen individuellen Situation des betroffenen Arbeitnehmers nochmals diskutiert und bestimmte Personen aus betrieblichen (teilweise auch unter zusätzlicher Berücksichtigung persönlicher Gründe) aus der Sozialauswahl ausgenommen.

Durch die so von der Beklagten zusammen mit dem Betriebsrat vorgenommene Sozialauswahl verfügte der Betriebsrat über die erforderlichen Vorkenntnisse für eine Anhörung nach § 102 BetrVG. Aus § 3 Nr. 2 des Interessenausgleichs geht hervor, dass die Beklagte mit dem Betriebsrat über die individuellen Situationen der betroffenen Arbeitnehmer diskutiert hat. Aufgrund des Grundsatzes der subjektiven Determinierung gilt auch insoweit, dass die Beklagte nur diejenigen Umstände umfassend mitteilen muss, auf die er die Herausnahme einzelner Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl stützen will. Individuelle Lebensumstände, die nicht aus den Sozialdaten ersichtlich sind (z.B. pflegebedürftige Familienangehörige) kann der Arbeitgeber dabei nur mitteilen, soweit sie ihm bekannt sind. Eine diesbezügliche Nachforschungspflicht besteht nicht. Dieser Mitteilungspflicht ist die Beklagte nachgekommen, wie § 3 Nr. 2 des Interessenausgleichs belegt. Auch ist vorliegend zu beachten, dass diese individuellen Umstände nicht den entscheidenden Beweggrund für die Herausnahme aus der Sozialauswahl darstellen, sondern nur zusätzlich herangezogen wurden und damit gerade nicht die Herausnahme maßgeblich bedingen. So heißt es in § 3 Nr. 2 des Interessenausgleichs ausdrücklich, dass bei der Gruppe der Betreuer nachfolgende Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen aus der Sozialauswahl ausgenommen wurden. Diese Gründe werden dann auch im Einzelnen dargelegt. Darüber hinaus wird lediglich zusätzlich bei einem Betreuer auch die Berücksichtigung der Betreuung von zwei pflegebedürftigen Elternteilen angeführt.

Daher hat die Beklagte auch insoweit ihrer Pflicht zur umfassenden Unterrichtung des Betriebsrates im Rahmen des § 102 BetrVG genügt. Die Betriebsratsanhörung erfolgte ordnungsgemäß.

IV.

Da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.10.2004 fristgemäß zum 31.3.2005 aufgelöst worden ist, war auch der Antrag zu 2. auf Verurteilung zur Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen unbegründet.

Nach alledem hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO

D.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorlagen.

Ende der Entscheidung

Zurück