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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 06.03.2007
Aktenzeichen: 1 Sa 881/06
Rechtsgebiete: KrPflG, ArbGG, BGB, ZPO, BBiG


Vorschriften:

KrPflG § 2 Abs. 1 Nr. 2
KrPflG § 2 Abs. 1 Nr. 3
KrPflG § 15
KrPflG § 15 Abs. 2
KrPflG § 15 Abs. 2 Nr. 1 a
KrPflG § 15 Abs. 2 Nr. 1 b
KrPflG § 15 Abs. 3
KrPflG § 19
KrPflG § 19 Abs. 2 Nr. 1 b a.F.
KrPflG § 22
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2 lit. c
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 125 S. 1
BGB § 174
ZPO § 260
ZPO § 263
ZPO § 264 Nr. 2
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 533
BBiG § 15 a.F.
BBiG § 15 Abs. 2 Nr. 1 a.F.
BBiG § 22
BBiG § 22 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 1 Sa 881/06

Entscheidung vom 06.03.2007

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.08.2006 - 4 Ca 2687/05 - wird zurückgewiesen.

Die im Berufungsverfahren erweiterte Klage des Klägers wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

3. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, fristlos erklärten Kündigung des zwischen ihnen bestehenden Ausbildungsverhältnisses und im Wege der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte des Klägers.

Der am 27.07.1983 geborene, ledige Kläger hat mit der Beklagten als Rechtsträger der Krankenpflegeschule der Barmherzigen Brüder in C-Stadt mit Datum vom 14.03.2003 (Blatt 209 ff. d.A.) einen Ausbildungsvertrag geschlossen. Seit dem 01.09.2003 wurde der Kläger auf Grund dieses Ausbildungsvertrages im Krankenhaus und der Krankenpflegeschule der Barmherzigen Brüder in C-Stadt für den Ausbildungsberuf des Krankenpflegers ausgebildet. Die Ausbildungsvergütung des Klägers betrug ab September 2005 monatlich 844,00 Euro.

Am 11.06.2005 erteilte die Schwester E. dem Kläger nach entsprechender vorheriger Einweisung in diese Tätigkeit den Auftrag, das Medikament Urbason applikationsfertig für die Injektion vorzubereiten. Ferner forderte sie ihn ausdrücklich auf, bei Unsicherheiten nachzufragen. Anstatt des Medikaments Urbason bereitete der Kläger jedoch für einen Patienten das Medikament Suprarenin vor. Dies stellte die Schwester E. bei einer Kontrolle fest.

Mit Schreiben vom 04.07.2005 räumte der Kläger ein, das falsche Medikament vorbereitet zu haben und gab hierzu an, dass er sich über die Richtigkeit seines Handelns nicht sicher gewesen sei, weshalb er auch die Ampulle neben die Spritze gelegt habe. Wegen dieses Vorfalls mahnte ihn die Beklagte mit Schreiben vom 05.07.2005 (Blatt 44 f. d.A.) ab.

Am 28.08.2005 arbeitete der Kläger mit dem ihm in dieser Schicht vorgesetzten Krankenpfleger und Zeugen Peter B.. Dabei verabreichte der Kläger einem Patienten eine falsche Antibiose als Infusion, was wiederum einer Schwester auffiel, die den Stationsarzt informierte.

Mit Schreiben vom 06.09.2005 (Blatt 41 d.A.), dem Kläger am 12.09.2005 zugegangen, kündigte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis fristlos. Das Kündigungsschreiben lautet wie folgt:

"... hiermit kündigen wir den mit Ihnen am 14.03.2003 abgeschlossenen Ausbildungsvertrag gemäß KrPflG § 15 Abs. 2 Nr. 1 b) fristlos zum heutigen Tage.

Trotz der Abmahnung vom 05.07.2005 haben Sie wiederum gegen Ihre Pflichten als Auszubildender verstoßen. So haben Sie am Sonntag, dem 28.08.2005 auf Gruppe 9 erneut ein Medikament verwechselt und dieses einem Patienten per Infusion verabreicht.

Aufgrund dieses wiederholten Verstoßes ist das Erreichen des Ausbildungszieles erheblich gefährdet. Daher und weil aus einem solchen Verstoß, mit dem jederzeit wieder zu rechnen ist, lebensbedrohliche Folgen für unsere Patienten resultieren können, ist es uns nicht zuzumuten, das Ausbildungsverhältnis bis zum Ende fortzusetzen. ..."

Unterzeichnet ist dieses Kündigungsschreiben von Herrn G. Q., dem Leiter der Krankenpflegeschule, und Herrn F. K., dem Kaufmännischen Direktor des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder C-Stadt.

Die Beklagte, mit der der Kläger den Ausbildungsvertrag geschlossen hat, ist eine GmbH und als solche Rechtsträger des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder C-Stadt. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten hat die Leitung des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder C-Stadt in einer Geschäftsordnung für das Direktorium des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder vom 01.08.2001 (Blatt 197 ff. d.A.) geregelt. Nach Ziffer II Buchstabe i dieser Geschäftsordnung für das Direktorium des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder gehören zu den Aufgaben des Kaufmännischen Direktors unter anderem "die Einstellung und Entlassung des gesamten Personals (außer der im § 3, g der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung durch den Gesellschafter zu genehmigenden zustimmungspflichtigen Geschäften), so weit dieses dem fachlichen Bereich des Ärztlichen Direktors oder des Pflegedirektors zugeordnet ist, in Absprache mit diesen".

Hinsichtlich der erstinstanzlichen Anträge beider Parteien und der näheren Sachverhaltsdarstellung wird hiermit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand - Seiten 3 bis 6 - des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 09.08.2006 Bezug genommen.

Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht Koblenz die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts sei die mit Schreiben vom 06.09.2005 ausgesprochene Kündigung wirksam. Insbesondere liege ein wichtiger Grund im Sinne des § 15 Abs. 2 KrPflG vor. Bezüglich des genauen Inhalts der Entscheidungsgründe wird hiermit auf die Seiten 6 bis 14 dieses Urteils verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 14.11.2006, eingegangen beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 16.11.2006, hat der Kläger gegen das ihm am 17.10.2006 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Berufung eingelegt und diese mit einem am Montag, den 18.12.2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Berufung unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag vor:

Die Kündigung sei schon nicht von Mitarbeitern der Beklagten, sondern von Mitarbeitern einer anderen Vereinigung ausgesprochen worden. Das Arbeitsgericht habe deshalb zu Unrecht § 174 BGB angewendet.

Die Beklagte habe die Kündigung nicht auf § 15 Abs. 2 Nr. 1 b KrPflG stützen dürfen. Vorliegend seien § 19 KrPflG in Verbindung mit § 3 des Ausbildungsvertrages maßgeblich.

Eine gerade eigenmächtige Verabreichung eines falschen Medikaments könne ihm - dem Kläger - vorliegend schon deshalb nicht vorgeworfen werden, weil dieser Vorwurf im Kündigungsschreiben keinen Niederschlag gefunden hätte. Eine Verwertung sei mit dem Schriftformerfordernis in § 15 Abs. 3 KrPflG nicht vereinbar.

Allein die nach dem Kündigungsschreiben zu berücksichtigende Medikamentenverwechslung stelle keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar. Die Verwechslung beruhe auf Fahrlässigkeit und keineswegs auf Vorsatz. Die Beklagte hätte ihn - den Kläger - besser kontrollieren müssen.

Der Beklagten sei die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses auch zumutbar gewesen. Ohnehin hätte kurz vor Ausspruch der Kündigung der nächste zwei bis drei Monate dauernde theoretische Unterrichtsblock begonnen. Auch fehle es an einer negativen Prognose. Des Weiteren habe das Arbeitsgericht eine fehlerhafte Interessenabwägung vorgenommen.

Die Abmahnung vom 05.07.2005 sei, soweit es gerade um eine eigenmächtige Verabreichung eines falschen Medikaments gehe, vorliegend auch nicht einschlägig.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 18.12.2006 seine Klage im Berufungsverfahren erweitert. Er begehrt zusätzlich die Entfernung der Abmahnung vom 05.07.2005 aus seiner Personalakte. Diese Abmahnung sei rechtswidrig, weil ihm darin zwar über zwei Seiten sein angebliches Fehlverhalten vorgehalten werde, nirgends komme aber zum Ausdruck, wie er sein Verhalten zukünftig einzurichten habe.

Der Kläger beantragt im Berufungsverfahren,

1. unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Ausbildungsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 08.09.2005 beendet wurde;

2. die Beklagte zu verpflichten, die Abmahnung vom 05.07.2005 aus seiner Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und die erweiterte Klage abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil, nimmt Bezug auf ihren Vortrag erster Instanz und führt ergänzend aus:

Die Kündigung sei von den hierfür zuständigen Mitarbeitern des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder C-Stadt ausgesprochen worden.

Sie - die Beklagte - habe die Kündigung auf § 15 Abs. 2 Nr. 1 b KrPflG stützen dürfen. § 15 Abs. 2 Nr. 1 b KrPflG sei die im Zeitpunkt der Kündigung allein geltende Regelung und im Übrigen mit § 19 Abs. 2 Nr. 1 b KrPflG a.F. inhaltsgleich.

Die Medikamentenverwechslung stelle einen wichtigen Grund im Sinne des § 15 Abs. 2 Nr. 1 b KrPflG dar. Sie habe den Kläger hinreichend kontrolliert und ihm auch weitergehende Hilfestellung gegeben. Nur durch diese Maßnahmen seien weitergehende Schäden abgewendet worden.

Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihr nicht zumutbar gewesen. Da aufgrund der gesamten Umstände eine Änderung des Verhaltens des Klägers nicht zu erwarten gewesen sei, habe sie handeln müssen, um einen weiteren Schaden von sich und insbesondere ihren Patienten abzuwenden. Der nächste Theorieblock hätte auch erst im Januar 2006 begonnen. Im Übrigen hätte der Kläger das Ausbildungsziel auch aufgrund seiner mangelhaften schulischen Leistungen keinesfalls erreicht.

Die Abmahnung vom 05.07.2005 sei wirksam und auch einschlägig. Im Übrigen bedürfe es vorliegend einer solchen aufgrund der Schwere der Vertragsverletzung durch den Kläger nicht.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegen-stand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren, sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 lit. c ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

In der Sache haben sowohl das Rechtsmittel des Klägers (dazu unter I.) als auch seine in der Berufungsinstanz erweiterte Klage (dazu unter II.) keinen Erfolg.

I.

Das mit der Berufung verfolgte Klagebegehren des Klägers ist zwar zulässig, aber in der Sache nicht begründet. Das zwischen den Parteien bestehende Ausbildungsverhältnis wurde durch die Kündigung der Beklagten vom 06.09.2005, zugegangen am 12.09.2005, wirksam beendet.

1. Die Kündigung mit Schreiben vom 06.09.2005 ist von hierfür zuständigen Personen ausgesprochen worden. Insbesondere war Herr K. als Kaufmännischer Direktor des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder C-Stadt zum Ausspruch der Kündigung des Ausbildungsverhältnisses mit dem Kläger berechtigt.

Die Beklagte ist eine GmbH und als solche Rechtsträger des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder C-Stadt. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten hat die Leitung des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder C-Stadt in einer Geschäftsordnung für das Direktorium des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder vom 01.08.2001 (Bl. 197 ff. d.A.) geregelt. Nach Ziffer II Buchstabe i dieser Geschäftsordnung für das Direktorium des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder gehören zu den Aufgaben des Kaufmännischen Direktors unter anderem "die Einstellung und Entlassung des gesamten Personals (außer der im § 3, g der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung durch den Gesellschafter zu genehmigenden zustimmungspflichtigen Geschäften), so weit dieses dem fachlichen Bereich des Ärztlichen Direktors oder des Pflegedirektors zugeordnet ist, in Absprache mit diesen".

Der Mitunterzeichner des Kündigungsschreibens vom 06.09.2005, Herr F. K., war somit als Kaufmännischer Direktor des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder C-Stadt berechtigt, für die Beklagte den Ausbildungsvertrag zwischen ihr und dem Kläger zu kündigen.

2. Die Wirksamkeit der Kündigung im Schreiben vom 06.09.2005 ist, was das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, anhand der im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung gültigen Regelung des § 15 KrPflG in der Fassung vom 16.03.2003 (BGBl. I, S. 1442 ff.), insbesondere anhand des § 15 Abs. 2 Nr. 1 b KrPflG i.V.m § 3 des Ausbildungsvertrages, zu überprüfen.

Die Vorgängerregelung des § 19 Abs. 2 Nr. 1 b KrPflG a.F. war im Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr gültig und kann daher nicht herangezogen werden. Selbst wenn man die Regelung der Parteien in § 3 des Ausbildungsvertrages aber als starre Verweisung auf § 19 Abs. 2 Nr. 1 b KrPflG a.F. ansehen wollte, wäre eine Anwendung des § 15 KrPflG unschädlich, da dieser wortgleich ist.

Für die Anwendbarkeit des § 15 KrPflG, insbesondere des § 15 Abs. 2 KrPflG spricht auch § 3 des Ausbildungsvertrages. § 15 Abs. 2 KrPflG und § 3 des Ausbildungsvertrages sind, was der Kläger übersieht, ebenfalls identisch. Nach § 3 des Ausbildungsvertrages kann das Ausbildungsverhältnis nach der Probezeit schriftlich und unter Angabe der Kündigungsgründe ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, "wenn die Krankenpflegeschülerin / der Krankenpflegeschüler sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt, oder wenn sie/er wegen eines körperlichen Gebrechens, wegen Schwäche ihrer/seiner geistigen oder körperlichen Kräfte oder wegen einer Sucht zur Ausbildung des Berufes unfähig oder ungeeignet ist, § 2 Abs. 1 Nr. 2 und 3 KrPflG, oder aus einem sonstigen wichtigen Grund...". Die Vertragsparteien haben hier lediglich die Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 und 3 KrPflG, auf die auch die Vorschrift des § 15 Abs. 2 Nr. 1 a KrPflG (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 a KrPflG a.F.) verweist, in den Vertragstext eingefügt.

Die Anwendbarkeit des § 15 KrPflG wird auch nicht von § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG a.F.), der dem Ausbilder ebenfalls die Möglichkeit gibt, das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist zu kündigen, ausgeschlossen. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG a.F.) findet gemäß § 22 KrPflG (§ 26 KrPflG a.F.) keine Anwendung. Auf die Frage der vorwiegend schulischen oder betrieblichen Prägung des Ausbildungsverhältnisses (vgl. Schlachter, in: Erfurter Kommentar, 7. Auflage 2006, BBiG, § 3 Rn. 4) kommt es damit nicht an. Im Übrigen ist auch § 22 BBiG in den hier maßgeblichen Punkten mit § 15 KrPflG wortgleich.

3. Das Kündigungsschreiben vom 06.09.2005 genügt auch der Form des § 15 Abs. 3 KrPflG. Nach § 15 Abs. 3 KrPflG (§ 19 Abs. 3 KrPflG a.F.) muss die Kündigung schriftlich und in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen.

a. Nach der zu der Parallelvorschrift des § 15 BBiG a.F. ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. BAG, Urteil vom 17.06.1998 - 2 AZR 741/97 - juris) ist bei der Begründung der Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG a.F. keine so umfassende Substantiierung der Kündigungsgründe wie im Prozess zu verlangen. Es ist ausreichend, wenn die Kündigungsgründe so genau bezeichnet werden, dass der Gekündigte erkennen kann, um welche Vorfälle es sich handelt. Werden im Kündigungsschreiben lediglich pauschale Werturteile anstatt nachprüfbarer Tatsachen genannt, ist die Kündigung wegen Formmangels gemäß § 125 S. 1 BGB nichtig. Für den erforderlichen Grad der Konkretisierung der Gründe im Kündigungsschreiben hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass sich für die Frage, wie genau die Kündigungsgründe in tatsächlicher Hinsicht geschildert werden müssen, kein allgemeiner Maßstab aufstellen lässt.

b. Diese Rechtsprechung ist auf die wortgleiche Regelung des § 15 Abs. 3 KrPflG übertragbar. Das Kündigungsschreiben vom 06.09.2005 (vgl. oben und Blatt 41 d.A.) genügt den Anforderungen des § 15 Abs. 3 KrPflG und den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen.

Die Beklagte hat in ihrem Kündigungsschreiben § 15 Abs. 2 Nr. 1 b KrPflG zitiert. Dem konnte der Kläger unzweifelhaft entnehmen, dass es sich um eine Kündigung aus wichtigem Grund handelt.

Mit der Formulierung im Kündigungsschreiben vom 06.09.2005 - "So haben Sie am Sonntag, dem 28.08.2005 auf Gruppe 9 erneut ein Medikament verwechselt und dieses einem Patienten per Infusion verabreicht." - hat die Beklagte auch den Kündigungsgrund konkret genug bezeichnet. Der Kläger konnte ganz klar erkennen, dass die Kündigung wegen der Medikamentenverwechslung am 28.08.2005 auf Gruppe 9 ausgesprochen wurde. Der Kläger konnte dem Kündigungsschreiben vom 06.09.2005 somit den konkreten zur Kündigung führenden Vorfall entnehmen. Dies genügt den Anforderungen des § 15 Abs. 3 KrPflG. Zu dem Vorfall am 28.08.2005 gehört selbstverständlich auch die Tatsache, dass der Kläger eigenmächtig, also ohne Auftrag, die Infusion verabreicht hat. Diese Tatsache musste die Beklagte nicht ausdrücklich im Kündigungsschreiben erwähnen. Sie steht mit dem Vorfall am 28.08.2005 - was der Kläger erkennen konnte - in einem inneren Zusammenhang und bildet damit einen einheitlichen Kündigungsgrund und stellt keinen anderen Kündigungsgrund dar. Soweit der Kläger strengere Anforderungen an die Darlegungspflicht der Beklagten im Kündigungsschreiben stellen will, verkennt er, dass von der Beklagten gerade keine volle Substantiierung wie im Prozess zu erwarten ist.

Mit Erwähnung der Abmahnung vom 05.07.2005 hat die Beklagte auch das vorhergehende Geschehen, insbesondere die vorhergehende Medikamentenverwechslung in Bezug genommen. Einer nochmaligen Auflistung des abgemahnten Fehlverhaltens bedurfte es nach § 15 Abs. 3 KrPflG nicht. Zum einen ist das abgemahnte Fehlverhalten nicht der eigentliche Kündigungsgrund. Zum anderen ist dem Kläger der Inhalt dieses Schreibens aufgrund der schriftlichen Abmahnung vom 05.07.2005 hinreichend bekannt.

4. Die Kündigung vom 06.09.2005 ist auch nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 b KrPflG i.V.m. § 3 des Ausbildungsvertrages wirksam. In der eigenmächtigen Verabreichung der Infusion eines falschen, wenn auch versehentlich verwechselten Medikamentes liegt ein sonstiger wichtiger Grund im Sinne des § 15 Abs. 2 Nr. 1 b KrPflG i.V.m. § 3 des Ausbildungsvertrages, der der Beklagten die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses auch unter Abwägung der beiderseitigen Interessen unzumutbar macht. Das Berufungsgericht folgt insoweit den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts auf den Seiten 7 bis 13 des angefochtenen Urteils, stellt dies hiermit ausdrücklich fest und sieht zur Vermeidung eines doppelten Schreibwerkes gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von der erneuten Darstellung dieser Entscheidungsgründe ab. Der Kläger hat diesbezüglich in der Berufungsinstanz keine neuen Tatsachen vorgetragen, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten, sondern lediglich seine gegenteilige erstinstanzliche Rechtsauffassung wiederholt. Mit dieser hat sich das Arbeitsgericht ausgiebig und rechtlich zutreffend auseinandergesetzt.

Insbesondere hat das Arbeitsgericht die von der Rechtsprechung zu der Parallelvorschrift des § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG bzw. § 15 BBiG a.F. entwickelten Grundsätze im Streitfalle zu Recht angewendet und bejaht. Für die Anwendbarkeit derselben sprechen entgegen der Auffassung des Klägers sowohl die inhaltliche Übereinstimmung als auch die identische Zielsetzung beider Vorschriften. In der eigenmächtigen Verabreichung der Infusion eines falschen, wenn auch versehentlich verwechselten Medikamentes liegt ein sonstiger wichtiger Grund im Sinne des § 15 Abs. 2 Nr. 1 b KrPflG i.V.m. § 3 des Ausbildungsvertrages. Nur eine Gesamtschau aller Vorfälle, insbesondere auch der im Abmahnungsschreiben genannten Vorfälle machen der Beklagten vorliegend die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses auch unter Beachtung der Besonderheiten desselben, insbesondere der zurückgelegten Ausbildungsdauer von zwei Jahren und des Zwecks desselben, nämlich zu einem Berufsabschluss zu führen, unzumutbar. Zu Recht hat das Arbeitsgericht im Rahmen der Interessenabwägung auch unter Beachtung der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses, dem Interesse der Beklagten an der Beendigung den Vorrang eingeräumt. Hierfür spricht insbesondere die Tatsache, dass der Kläger mit seinen 22 Jahren kein junger, unerfahrener Mensch mehr ist und dass er im Rahmen seiner Ausbildung zwangsläufig auch mit Menschen arbeitet, für deren Leib und Leben seine zu erwartende ständige Unachtsamkeit eine erhebliche Gefahr darstellt, die die Beklagte aufgrund der Vorgehensweise des Klägers, auch ohne Auftrag zu handeln, nicht zu kontrollieren vermag.

Auch hat das Arbeitsgericht seine Entscheidung zu Recht auf die Abmahnung des Klägers im Schreiben vom 05.07.2005 gestützt. Diese Abmahnung ist entgegen der Auffassung des Klägers wirksam und einschlägig. In dieser Abmahnung wird eine vorhergehende Medikamentenverwechslung des Klägers und damit ein weiterer fahrlässiger Umgang des Klägers mit Medikamenten gerügt. Zwar wird dem Kläger in der Abmahnung vom 05.07.2005 bezüglich der Medikamentenverwechslung kein eigenmächtiges Handeln vorgehalten. Ein solches wird aber in diesem Schreiben in Bezug auf die Anleitung einer Praktikantin im Zusammenhang mit der Applikation von Nahrung über eine Magensonde gerügt. Der Kläger ist somit einschlägig abgemahnt worden. Die Abmahnung im Schreiben vom 05.07.2005 (Blatt 44 f. d.A.) ist auch wirksam. Das abgemahnte Verhalten hat der Kläger auch in der Berufungsinstanz nicht hinreichend substantiiert bestritten. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Abmahnung auch nicht deshalb unwirksam, weil ihr nicht ausdrücklich zu entnehmen sei, auf welche Art und Weise er - der Kläger - sein Verhalten zukünftig einzurichten habe. Dieses Begehren der Beklagten ist offensichtlich und bedarf daher vorliegend keiner ausdrücklichen Erwähnung. Bei der Auswahl der Medikamente soll der Kläger eine größere Sorgfalt walten lassen; sein eigenmächtiges Handeln soll der Kläger schlicht und einfach unterlassen.

Des Weiteren ist auch nicht ersichtlich, wie die Beklagte den Kläger in zumutbarer und mit dem Ausbildungszweck in Einklang stehender Weise noch besser hätte kontrollieren können. Sie hat - was sich insbesondere aus den regelmäßigen Nachkontrollen durch die Schwestern des Krankenhauses ergibt - gerade aufgrund des mangelhaften Ausbildungsstands des Klägers zahlreiche Maßnahmen zu seiner Kontrolle getroffen. Darüber hinaus handelte der Kläger vorliegend gerade ohne einen Auftrag eines Mitarbeiters des Krankenhauses, der deshalb auch keine aktuelle Veranlassung hatte, ihn vor der Medikamentenverwechslung näher zu beaufsichtigen.

II.

Die im Wege der Klageerweiterung geltend gemachte Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte ist zwar zulässig (dazu unter 1.), aber ebenfalls nicht begründet (dazu unter 2.).

1. Die Erweiterung der Klage ist vorliegend nach § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 533, 260, 263, 264 Nr. 2 ZPO auch in der Berufungsinstanz noch zulässig gewesen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urteil vom 14.09.1994 - 5 AZR 632/93 - NZA 1995, 220 ff.) kann dem Kläger auch das Rechtsschutzbedürfnis für seine Klage nicht abgesprochen werden. Denn ein Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte ist auch nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses nicht von vornherein ausgeschlossen.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entfernung der mit Schreiben vom 05.07.2005 ausgesprochenen Abmahnung aus seiner Personalakte. Zum einen ist die Abmahnung weder formell noch materiell zu beanstanden (siehe dazu bereits oben unter B. I. 4.). Zum anderen hat der Kläger aber auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Abmahnung ihm auch noch nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses überhaupt schaden kann (vgl. zu diesem Erfordernis BAG, Urteil vom 14.09.1994 - 5 AZR 632/93 - NZA 1995, 220 ff.; Dörner, in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 5. Auflage, D. Rn. 1369).

Nach alledem waren die unbegründete Berufung des Klägers gegen das zutreffende Urteil des Arbeitsgerichts zurückzuweisen und die unbegründete im Berufungsverfahren im Wege der Klageerweiterung erhobene Klage des Klägers abzuweisen.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO sowie § 91 Abs. 1 ZPO.

D.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorlagen.

Ende der Entscheidung

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