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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 21.05.2007
Aktenzeichen: 1 Ta 117/07
Rechtsgebiete: RVG, GKG, ArbGG, BetrVG, BRAGO


Vorschriften:

RVG § 23 Abs. 1
RVG § 23 Abs. 3 S. 1
RVG § 23 Abs. 3 S. 2
RVG § 33 Abs. 3
RVG § 33 Abs. 4 S. 3
GKG § 2 Abs. 2
ArbGG §§ 2a
ArbGG §§ 80 ff.
BetrVG § 9
BetrVG § 16
BetrVG § 19
BetrVG § 38 Abs. 1
BRAGO § 8 Abs. 2 S. 2 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 1 Ta 117/07

Entscheidung vom 21.05.2007

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird der Gegenstandswertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 17.04.2007 - 1 BV 17/06 - wie folgt abgeändert:

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin wird auf 16.000,00 Euro festgesetzt.

2. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführer begehren die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes im Zusammenhang mit der Anfechtung einer Wahl zur Betriebsvertretung.

Die Beteiligten zu 1 bis 3 (Antragsteller) haben im Rahmen eines Beschlussverfahrens beantragt, die Wahl zur Betriebsvertretung vom 17.05.2006, aus der die Beteiligte zu 4 (im Folgenden: Betriebsvertretung) hervorging, für unwirksam zu erklären. Die Betriebsvertretung und die beteiligte Bundesrepublik Deutschland (Beteiligte zu 5) sind diesem Antrag entgegengetreten.

Den Antrag der Antragsteller hat das Arbeitsgericht K. mit Beschluss vom 09.08.2006 - 1 BV 17/06 - abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsteller hat das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 13.02.2007 - 3 TaBV 59/06 - zurückgewiesen.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert ihrer anwaltlichen Tätigkeit bezüglich des erstinstanzlichen Verfahrens mit Beschluss vom 04.10.2006 (Blatt 64 f. d. A.) auf 4.000,00 Euro festgesetzt.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten der Betriebsvertretung hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 17.04.2007 (Blatt 158 f. d. A.) den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten der Betriebsvertretung auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss haben die Verfahrensbevollmächtigten der Betriebsvertretung mit Schriftsatz vom 23.04.2007 (Blatt 163 d. A.) Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, den Gegenstandswert auf 16.000,00 Euro festzusetzen.

Zur Begründung führen die Beschwerdeführer aus, der Gegenstandswert des Anfechtungsverfahrens sei nach der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30.03.1992 - 9 Ta 40/92) und des Landesarbeitsgerichts Berlin (LAG Berlin, Beschluss vom 17.12.1991 - 1 Ta 50/91) mit dem 1,5-fachen des gesetzlichen Hilfswertes anzusetzen, wobei sich ab dem zweiten Mitglied des Betriebsrates bzw. der Betriebsvertretung der Gegenstandswert für jedes Mitglied um ein Viertel des gesetzlichen Hilfswertes erhöht. Bei dreizehn Mitgliedern der Betriebsvertretung sei daher ein Gegenstandswert von 16.000,00 Euro festzusetzen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstands von 200,00 Euro und ist auch sonst zulässig.

In der Sache ist das Rechtsmittel begründet. Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit ist zumindest auf die von den Beschwerdeführern beantragten 16.000,00 Euro festzusetzen.

Die Bemessung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit richtet sich vorliegend nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG. Die Regelung des § 23 Abs. 1 RVG findet vorliegend schon deshalb keine Anwendung, weil im Beschlussverfahren nach § 2 Abs. 2 GKG i. V. m. §§ 2a, 80 ff. ArbGG keine Gerichtskosten erhoben werden. Auch die in § 23 Abs. 3 S.1 RVG genannten Gebührentatbestände der Kostenordnung sind vorliegend nicht einschlägig (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.04.2007 - 1 Ta 50/07; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.04.2007 - 1 Ta 46/07). Da der Gegenstandswert des vorliegenden Verfahrens auch sonst nicht feststeht, richtet sich dessen Bestimmung nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG. Danach ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 4.000,00 Euro, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 Euro anzunehmen.

Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.04.2007 - 1 Ta 50/07; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.04.2007 - 1 Ta 46/07; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18.05.2006 - 2 Ta 79/06; vgl. auch Arbeitsrechtslexikon/Schwab: Streitwertgegenstandswert II 3) stellt der Wert von 4.000,00 Euro dabei keinen Regelwert dar, von dem nur unter bestimmten Umständen abgewichen werden kann, sondern einen Hilfswert, auf den nur zurückzugreifen ist, wenn alle Möglichkeiten für eine individuelle Bewertung ausgeschöpft sind. Solche Anhaltspunkte ergeben sich aus der wirtschaftlichen Interessenlage der Beteiligten, inwieweit durch das Beschlussverfahren finanzielle Ansprüche einzelner Arbeitnehmer berührt werden, aus der Bedeutung, dem Umfang und der Schwierigkeit einer Sache. Unter Umständen ist auch der objektive Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts im Einzelfall nicht ganz außer Acht zu lassen.

In breiten Bereichen der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte hat sich für den Fall der Anfechtung von Betriebsratswahlen eine typisierende Betrachtungsweise in Abhängigkeit von der nach § 9 BetrVG erforderlichen Zahl der Mitglieder des Betriebsrates bzw. der in § 9 BetrVG vorgesehenen Staffelung durchgesetzt, wobei die Einzelheiten umstritten sind (vgl. ausführlich Meier, Streitwerte im Arbeitsrecht, 2000, Rn. 356 ff.).

Das Landesarbeitsgericht Sachsen (vgl. LAG Sachsen, Beschluss vom 18.12.2006 - 4 Ta 232/06; so auch LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.06.2005 - 11 Ta 40/05) nimmt für das erste Betriebsratsmitglied das 1,5-fache des Hilfswertes und für jedes weiter Betriebsratsmitglied ein Viertel des Hilfswertes an. Danach wäre der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im vorliegenden Fall mit 18.000,00 Euro zu bemessen (6.000,00 Euro plus 1.000,00 Euro für die zwölf weiteren Mitglieder der Betriebsvertretung).

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.07.2003 - 3 Ta 215/02) bewertet das erste Betriebsratsmitglied mit dem Hilfswert und jedes weitere Betriebsratsmitglied mit einem Viertel des Hilfswertes. Danach wäre der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit hier mit 16.000,00 Euro zu bemessen (4.000,00 Euro plus 1.000,00 Euro für die zwölf weiteren Mitglieder der Betriebsvertretung).

Nach dem Landesarbeitsgericht Köln (LAG Köln, Beschluss vom 19.05.2004 - 10 Ta 79/04) soll für das erste Betriebsratsmitglied ebenfalls nur vom Hilfswert auszugehen sein. Für jede weitere Staffel des § 9 BetrVG soll sich dieser dagegen um den halben Hilfswert erhöhen. Danach wäre der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit vorliegend auf 16.000,00 Euro festzusetzen gewesen (4.000,00 Euro plus 2.000,00 Euro für jede der sechs Staffeln des § 16 BPersVG).

Das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG Hamm, Beschluss vom 09.03.2001 - 13 TaBV 7/01) nimmt für das erste Betriebsratsmitglied das 1,5-fache des Hilfswertes und für jede weitere Staffel des § 9 BetrVG jeweils den Hilfswertes an. Danach wäre der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit vorliegend auf 30.000,00 Euro festzusetzen gewesen (6.000,00 Euro plus 4.000,00 Euro für jede der sechs Staffeln des § 16 BPersVG).

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschluss vom 17.10.2001 - 7 ABR 42/99) zu § 8 Abs. 2 S. 2 BRAGO a.F. (so nunmehr zu § 23 Abs. 3 S. 2 auch LAG Bremen, Beschluss vom 16.02.2007 - 3 Ta 4/07) ist die Bedeutung der Angelegenheit in arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, in denen es um die Anfechtung oder um die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl geht, regelmäßig deutlich überdurchschnittlich. Denn es geht um die Existenz des Betriebsrats. Wenn die Antragsteller nicht nur die Anfechtbarkeit der Wahl nach § 19 BetrVG, sondern weitergehend deren Nichtigkeit geltend macht, ist die Bedeutung noch erhöht, denn die Feststellung der für die Vergangenheit wirkenden Nichtigkeit der Wahl geht noch über die lediglich für die Zukunft wirkende Ungültigerklärung hinaus. Daher ist es gerechtfertigt, bei einem Wahlanfechtungsverfahren zunächst vom zweifachen des Ausgangsstreitwerts und bei einem auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl gerichteten Antrag vom dreifachen des Ausgangsstreitwerts auszugehen. Mit wachsender Größe des Betriebs und des Betriebsrats steigt die Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten. Dies zeigt sich u. a. an den Schwellenwerten bei Mitwirkungsrechten (vgl. etwa § 99 Abs. 1 S. 1, § 111 Abs. 1 S. 1, § 106 Abs. 1 S. 1, § 110 Abs. 1 S. 1 BetrVG) und an der Freistellungsstaffel des § 38 Abs. 1 BetrVG. Das Bundesarbeitsgericht orientiert sich daher bei der mit wachsender Betriebsratsgröße gebotenen Erhöhung des Streitwerts an der Staffel des § 9 BetrVG und erhöht den Streitwert für jede Stufe der Staffel des § 9 BetrVG um den halben Ausgangswert.

Die Kammer schließt sich dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zuletzt mit Blick auf eine dringend notwendige Vereinheitlichung der Rechtsprechung zum Gegenstandswert ausdrücklich an. In typisierender Betrachtungsweise wäre der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit vorliegend nach dieser Rechtsauffassung auf 20.000,00 Euro festzusetzen gewesen. Dies entspricht dem zweifachen Hilfswert von 4.000,00 Euro plus 2.000,00 Euro für jede der sechs Staffeln des § 16 BPersVG. Ein Abschlag von über 8.000,00 Euro, wie ihn das Arbeitsgericht im Hinblick auf die Eindeutigkeit des Sachverhaltes vorgenommen hat, erscheint vorliegend zu hoch. Dementsprechend ist der Gegenstandswert antragsgemäß auf 16.000,00 Euro festzusetzen.

Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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