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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 05.11.2008
Aktenzeichen: 1 Ta 171/08
Rechtsgebiete: RVG, BUrlG, GKG


Vorschriften:

RVG § 33 Abs. 3
RVG § 33 Abs. 9
BUrlG § 5 Abs. 1
GKG § 3 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Gegenstandswertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 05.08.2008 - 4 Ca 3/08 wie folgt abgeändert: Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird für das Verfahren 4 Ca 500/08 auf 5.048,62 EUR,

für das Verfahren 4 Ca 3/08 auf 5.048,62 EUR und

für den Vergleich im Verfahren 4 Ca 3/08 auf 31.818,67 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer zu 79 %. 3. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben. Gründe:

I. Der Beschwerdeführer begehrt die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes im Zusammenhang mit der Verfolgung eines Anspruchs auf Entfernung mehrerer Abmahnungen. Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 02.01.1985 beschäftigt, zuletzt mit einem Bruttomonatsgehalt von 5.048,62 EUR. Mit Schreiben vom 14.11.2007 und 04.01.2008 erteilte ihm die Beklagte mehrere Abmahnungen sowie eine Rüge, deren Rücknahme und Entfernung aus der Personalakte der Kläger mit seiner Klage begehrte. Die Parteien beendeten das Verfahren durch den Abschluss eines Vergleiches. Darin vereinbarten sie u.a.

- unter Ziffer 1) die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.01.2009 unter Einräumung eines Sonderbeendigungsrechts für den Kläger; - unter Ziffer 3) die ordnungsgemäße Abgeltung von Urlaubsansprüchen für die Jahre 2007 bis ggf. 2009 in Höhe von insgesamt 54,5 Tagen, und zwar auch für den Fall, dass die Arbeitsfähigkeit des Klägers zum 31.01.2009 nicht wieder hergestellt sei. Für den Fall einer vorherigen Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit werde dem Kläger Urlaub bewilligt; sollte dieser vor dem 31.01.2009 enden, erhalte der Kläger auf Wunsch bis zu seinem Ausscheiden unbezahlten Urlaub; - unter Ziffer 5) die Erteilung eines wohlwollenden qualifizierten Endzeugnisses sowie auf Verlangen des Klägers zudem eines wohlwollenden qualifizierten Zwischenzeugnisses; - unter Ziffer 6) eine Informationspflicht der Beklagten über die unverfallbaren Ansprüche des Klägers auf betriebliche Altersversorgung, welche ihm in dem zum Zeitpunkt seines Ausscheidens bestehenden Umfang erhalten blieben; - unter Ziffer 7) die Rückgabe diverser dem Kläger überlassener Gegenstände an die Beklagte sowie die Herausgabe persönlicher Gegenstände des Klägers an diesen; - unter Ziffer 9) die Rückzahlung eines von der Beklagten erhaltenen Darlehens in Höhe von 7.240,00 EUR zum Ausscheidenszeitpunkt; - unter Ziffer 10) eine allgemeine Abgeltungsklausel, welche vom Kläger erworbene Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ausnimmt; - unter Ziffer 12) die Miterledigung des Rechtsstreits 4 Ca 500/08 (Arbeitsgericht Koblenz). Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 05.08.2008 den Gegenstandswert seiner anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren (sowie für das miterledigte Verfahren 4 Ca 500/08 jeweils) auf 5.048,62 EUR und für den Vergleich auf 25.243,10 EUR festgesetzt. Als Vergleichsmehrwert hat das Arbeitsgericht dabei für Ziffer 1) des Vergleichs drei Bruttomonatsgehälter (= 15.145,86 EUR) sowie für Ziffer 12) des Vergleichs ein Bruttomonatsgehalt (5.048,62 EUR) veranschlagt. Die in den Ziffern 3), 5), 6), 7) und 9) des Vergleichs enthaltenen Regelungen hat es nicht gesondert bewertet mit der Begründung, es handele sich insoweit lediglich um typische Regelungen zur Abwicklung eines Arbeitsverhältnisses als unstreitige Konsequenz der vereinbarten Beendigung. Ziffer 10) hat es nicht eigens bewertet, mit dem Hinweis, ein insoweit allein in Frage kommender Schadensersatzanspruch aus dem mit erledigten Verfahren 4 Ca 500/08 sei bereits durch die Bewertung von Ziffer 12) des Vergleichs erfasst. Gegen diesen Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, den Gegenstandswert für den Vergleich auf 56.145,16 EUR festzusetzen. Zur Begründung führt er im Wesentlichen an, Ziffer 3) des Vergleichs sei mit dem vollen Wert, also 54,5 Urlaubstagen (= 12.506,80 EUR) zu bewerten, da im Rahmen einer nicht dokumentierten telefonischen Diskussion die Parteien von der geltenden Rechtslage gerade hätten abweichen wollen, nach welcher das Bestehen eines Abgeltungsanspruchs eine Arbeitsfähigkeit im Ausscheidenszeitpunkt voraussetzt; ferner sei in Abweichung von den Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes für den Fall eines vorzeitigen Ausscheidens in der zweiten Jahreshälfte 2008 nicht der gesamte, sondern nur anteiliger Jahresurlaub abzugelten. Überdies sei dem Kläger für den Fall seiner Wiedergenesung vor dem Beendigungszeitpunkt unbezahlter Urlaub bedingt bewilligt worden. Hinsichtlich der Ziffern 5), 6), 7) und 9) hätten die Parteien eine zwischen ihnen bestehende Ungewissheit in Bezug auf die jeweiligen Regelungsgegenstände beseitigt. Insoweit seien für Ziffer 5) 5.048,62 EUR, für Ziffer 6) (36 x 100,00 EUR =) 3.600,00 EUR, für Ziffer 7) 100,00 EUR und für Ziffer 9) 7.240,00 EUR festzusetzen. Ferner seien für die unter Ziffer 10) vereinbarte Abgeltungsklausel 2.406,64 EUR zu veranschlagen, da die Beklagte dem Kläger diesen Betrag im April 2008 von seinem Lohn wegen angeblicher Beschädigung eines Kompressors abgezogen habe. Ausweislich eines auch zu den Gerichtsakten gereichten Schreibens der Beklagten vom 21.05.2008 sollte diese Forderung explizit durch die vergleichsweise Regelung miterledigt werden. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. II. Die Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstands von 200,00 EUR und ist auch sonst zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg. 1. Für die unter Ziffer 3) des Vergleichs getroffene Regelung war vorliegend ein eigenständiger Wert anzusetzen. Die Parteien haben insoweit eine ausdrückliche Abweichung von der Rechts- bzw. Gesetzeslage nach dem Bundesurlaubsgesetz vereinbart. Zum einen sollte dem Kläger für den Fall seiner bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit entgegen der geltenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG, Urteil vom 10.05.2005, NZA-RR 2006, 112 m. w. N.) bzw. im Falle der Ausübung seines Sonderbeendigungsrechts in dem dann maßgeblichen Zeitpunkt ein voller Urlaubsabgeltungsanspruch zustehen. Dies wäre im Maximalfall die Abgeltung für 54,5 Urlaubstage. Ferner wurde in Abweichung von § 5 Abs. 1 BUrlG vereinbart, dass dem Kläger für den Fall seines vorzeitigen Ausscheidens in der zweiten Jahreshälfte 2008 lediglich ein anteiliger Anspruch auf Urlaub bzw. Urlaubsabgeltung zustehen sollte. Insoweit haben die Parteien nicht nur die objektive Rechtslage deklaratorisch festgeschrieben, sondern hinreichend zum Ausdruck gebracht, von der geltenden Rechtslage durch eine eigene Regelung abweichen zu wollen. Deswegen ist hierfür auch ein gesonderter Gegenstandswert zu veranschlagen. Da die Vereinbarung aber lediglich eine ganz spezifische Konstellation betrifft, deren Eintritt für beide Parteien im Vereinbarungszeitpunkt noch höchst ungewiss war, scheidet eine Veranschlagung in voller Höhe, wie vom Beschwerdeführer begehrt, aus. Ob und mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad bei den Vergleichsverhandlungen im Juni 2008 mit einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers am 31.01.2009 (auf dieses Datum käme es für die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Maximalforderung an) gerechnet werden konnte, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Insbesondere vor dem Hintergrund des dem Kläger eingeräumten Sonderbeendigungsrechts ist ungewiss, ob das Arbeitsverhältnis überhaupt bis zum 31.01.2009 fortbesteht. Bei einem vorzeitigen Ausscheiden des Klägers würden sich aber seine Urlaubsabgeltungsansprüche nach der von den Parteien getroffenen Abgeltungsvereinbarung nur anteilig berechnen und damit gerade verringern. Daher ist in mehrerlei Hinsicht unklar, ob und inwieweit sich letztlich eine wirtschaftliche Bedeutung dieser Abgeltungsvereinbarung für den Kläger realisiert. Dementsprechend war wegen dieses bloß reduzierten wirtschaftlichen Interesses ein deutlicher Abschlag bei der Bewertung der Urlaubsabgeltungsregelung vorzunehmen, welchen die Kammer vorliegend mit 2/3 bemisst. 2. Im Hinblick auf die Ziffern 5), 6), 7) und 9) hat das Arbeitsgericht zu Recht keinen Vergleichsmehrwert angenommen. Ein solcher setzt grundsätzlich voraus, dass durch die vergleichsweise Regelung ein Streit oder eine Ungewissheit der Parteien in Bezug auf den jeweiligen Regelungsgegenstand beseitigt wird, wenngleich es hierfür keiner vorangegangenen gerichtlichen Auseinandersetzung bedarf (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20.12.2007 - 1 Ta 279/07; Beschluss vom 06.05.2008 - 1 Ta 66/08). Die bloß deklaratorische Festschreibung einer solch unstreitigen Regelung, ohne dass diese vorher Gegenstand kontroverser Erörterungen oder unterschiedlicher Vorstellungen der Parteien gewesen wäre, genügt hingegen nicht. Zwar kann jede ausdrücklich vereinbarte Regelung eine ansonsten möglicherweise bestehende Ungewissheit beseitigen. Dies rechtfertigt aber noch nicht die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes und damit letztlich auch eine Erhöhung der anwaltlichen Vergütung. Die rein theoretische Möglichkeit, einen Rechtsstreit für den Fall der Nichtregelung eines Punkts in die Wege zu leiten, reicht in diesem Zusammenhang nicht aus, vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob und wie die Parteien eine solche Möglichkeit umzusetzen beabsichtigen und sich daraus konkrete Anhaltspunkte für einen Streit oder eine Ungewissheit ableiten lassen (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20.12.2007 - 1 Ta 279/07). Auf die vorgenannten Grundsätze hat das Arbeitsgericht den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 20.08.2008 zutreffend hingewiesen und ihm aufgegeben, seine Beschwerde im Einzelnen nachvollziehbar zu begründen. Dem ist der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. In seinem Schriftsatz vom 28.08.2008 beruft er sich zunächst allgemein darauf, der zwischen den Parteien geschlossene Vergleich dokumentiere nicht mit der notwendigen Ausführlichkeit vorangegangene Auseinandersetzungen der Parteien über die dort geregelten arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten. Zu Ziffer 5) des Vergleichs trägt er sodann lediglich vor, die Regelung habe eine zwischen den Parteien bestehende Ungewissheit über die Art und grundlegende Tendenz des Zeugnisses beseitigt. Konkreterer Sachvortrag, in welchen Punkten die Vorstellungen der Parteien hier auseinander gegangen und deswegen zu befrieden gewesen sein sollten, bleibt aus. Gleiches gilt für Ziffer 6) des Vergleichs. Auch hier fehlt jedwede Darlegung einer Ungewissheit oder eines Streits der Parteien darüber, ob die Ansprüche des Klägers auf betriebliche Altersversorgung von der unter Ziffer 10) des Vergleichs vereinbarten Ausgleichsklausel mit erfasst sein sollten oder nicht. Im Hinblick auf Ziffer 7) wird noch nicht einmal das Bestehen einer Ungewissheit vorgetragen. Im Hinblick auf Ziffer 9) trägt der Beschwerdeführer sodann erneut vor, diese Regelung habe eine Ungewissheit über das Schicksal des Arbeitgeberdarlehens geklärt, wobei auch diesbezüglich völlig unklar bleibt, was genau Gegenstand dieser Ungewissheit gewesen sein soll bzw. inwieweit die Vorstellungen der Parteien über eine Rückzahlung des unstreitig gewährten Darlehens auseinander gingen. Für die vorgenannten Ziffern des Vergleichs war demgemäß kein gesonderter Gegenstandswert festzusetzen. 3. Für die unter Ziffer 10) des Vergleichs vereinbarte Abgeltungsklausel war dagegen der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Betrag in Höhe von 2.406,64 EUR anzusetzen. Zwar handelt es sich bei diesem Betrag um eine Schadensersatzforderung der Beklagten, die das behauptete schadensstiftende Verhalten des Klägers im durch den Vergleich miterledigten Verfahren 4 Ca 500/08 abgemahnt hatte. Für dieses Verfahren hat das Arbeitsgericht auch einen eigenständigen Gegenstandswert festgesetzt. Gleichwohl war der Wert der Schadensersatzforderung vorliegend gesondert zu berücksichtigen. In dem Verfahren 4 Ca 500/08 begehrte der Kläger die Rücknahme der erteilten Abmahnung sowie deren Entfernung aus seiner Personalakte. Davon ist eine auf das abgemahnte Fehlverhalten gestützte Schadensersatzforderung der Beklagten jedenfalls dann nicht mit erfasst, wenn diese - wie hier - den entsprechenden Forderungsbetrag dem Kläger bereits vom Lohn abgezogen und einbehalten hat. Damit hat sich die Schadensersatzforderung soweit konkretisiert, dass ihr über die Abmahnung hinaus ein eigenständiger Wert beizumessen ist. Der Beschwerdeführer hat ein Schreiben der Beklagten vom 21.05.2008 zu den Akten gereicht, in welchem diese ausdrücklich den Standpunkt vertrat, eine Rückzahlung des einbehaltenen Betrages komme nicht in Betracht, vielmehr solle dieser Schadensposten Gegenstand der vergleichsweisen Regelung sein; über die in dem Vergleich vereinbarte Abfindungszahlung hinausgehende Forderungen oder vermeintliche Rückzahlungsansprüche lehne sie jedenfalls weiterhin ab. Damit hat der Beschwerdeführer einen Streit über die Realisierung der Schadensersatzforderung wie auch ihre Miterledigung durch den im Verfahren 4 Ca 3/08 geschlossenen Vergleich hinreichend dokumentiert. 4. Im Übrigen ist der vom Arbeitsgericht festgesetzte Vergleichsmehrwert (drei Bruttomonatsgehälter für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie ein Bruttomonatsgehalt für die Miterledigung des Verfahrens 4 Ca 500/08) nicht zu beanstanden. Diese Bewertung wurde vom Beschwerdeführer auch nicht angegriffen. 5. Damit ergibt sich ein Vergleichsmehrwert in Höhe von 26.770,05 EUR (15.145,86 EUR für Ziffer 1) des Vergleichs, 4.168,93 EUR für Ziffer 3), 2.406,64 EUR für Ziffer 10) und 5.048,62 EUR für Ziffer 12)), so dass der Wert des Vergleichs insgesamt auf (26.770,05 EUR + 5.048,62 EUR =) 31.818,67 EUR festzusetzen war. Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren berechnet sich nach Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG ist anders als das Verfahren nach § 33 Abs. 9 RVG nicht gebührenfrei. Die Gerichtsgebühr hat der Beschwerdeführer gem. § 92 Abs. 1 ZPO zu 79 % zu tragen. Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG nicht gegeben.

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