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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 16.01.2009
Aktenzeichen: 1 Ta 2/09
Rechtsgebiete: RVG, GKG, ArbGG


Vorschriften:

RVG § 18 Nr. 3
RVG § 19 Abs. 2 Nr. 5
RVG § 23
RVG § 23 Abs. 1
RVG § 23 Abs. 3 Satz 1
RVG § 23 Abs. 3 Satz 2
RVG § 33 Abs. 3
RVG § 33 Abs. 9
GKG § 2 Abs. 2
GKG § 3 Abs. 2
ArbGG § 2 a
ArbGG §§ 80 ff
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Gegenstandswertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 24.09.2008 - 7 BV 8/08 - wie folgt abgeändert: Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin wird auf 8.000,00 € festgesetzt. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin zu 1/2. 3. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben. Gründe:

I. Die Beschwerdeführerin begehrt die Festsetzung eines niedrigeren Gegenstandswertes eines Beschlussverfahrens, welches die Geltung und Anwendbarkeit einer Betriebsvereinbarung zum Gegenstand hatte. Antragsteller im zugrundeliegenden Beschlussverfahren ist der bei der Antragsgegnerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) gebildete Betriebsrat (im folgenden: Betriebsrat). Dieser ist für ca. 400 Arbeitnehmer zuständig. Am 12.01.2007 schloss der Betriebsrat mit der Arbeitgeberin die Betriebsvereinbarung 1/07 "Flexible Arbeitszeit/Jahresarbeitszeit im Rahmen der Tariföffnungsklausel", welche ihre Vorgängerregelungen, die Betriebsvereinbarungen 1/05 "Flexible Arbeitszeit" und 2/05 "Tariföffnungsklauseln", ablöste. Die Betriebsvereinbarung 1/07 sieht unter anderem eine Vergütung der Beschäftigten auf Basis einer 37,5 Stunden-Woche vor, wobei die durchschnittliche regelmäßige Wochenarbeitszeit auf bis zu 40 Stunden ausgeweitet oder auch auf 35 Stunden herabgesetzt werden kann (Ziffer 2.2). Ferner enthält sie Regelungen etwa zu Verfallklauseln von Zeitguthaben, der Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage, der Einführung verschiedener Schichtsysteme, der Einführung und Behandlung flexibler Zeitkonten sowie der Behandlung von Mehrarbeitsstunden. Am 20.09.2007 fasste der Betriebsrat den Beschluss, die Betriebsvereinbarung 1/07 zu kündigen, kündigte jedoch mit Schreiben vom selben Tag - wohl versehentlich - die Betriebsvereinbarung 2/05. Als die Arbeitgeberin in der Folgezeit die Auffassung vertrat, die allein gültige Betriebsvereinbarung 1/07 sei nicht wirksam gekündigt und gelte daher im Betrieb weiter, leitete der Betriebsrat ein Beschlussverfahren ein, in welchem er sinngemäß beantragte, 1. die Arbeitgeberin dazu zu verpflichten, die Durchführung der Betriebsvereinbarung Nr. 1/07 zu unterlassen; 2. die Arbeitgeberin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung gemäß Ziffer 1 ein Ordnungsgeld anzudrohen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird; 3. festzustellen, dass die Betriebsvereinbarung Nr. 1/07 zum 31.12.2007 gekündigt wurde und keine Nachwirkung entfaltet. Mit Beschluss vom 06.08.2008 stellte das Arbeitsgericht nach Einigung der Beteiligten das Verfahren ein. Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 24.09.2008 den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten auf 12.000,00 € festgesetzt. Dabei hat es den Antrag zu Ziffer 1 mit 8.000,00 € und den Antrag zu Ziffer 3 mit 4.000,00 € bewertet. Gegen diesen Beschluss hat die Arbeitgeberin über ihre Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, den Gegenstandswert auf 4.000,00 € herabzusetzen. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, eine Erhöhung des Regelgegenstandswertes von 4.000,00 € sei nicht gerechtfertigt, da es sich vorliegend um einen einfach gelagerten Sachverhalt handele, der für die Verfahrensbevollmächtigten zu keinem besonderen Aufwand geführt habe. Das Kündigungsschreiben des Betriebsrates laufe leer, da es sich ausdrücklich auf die Betriebsvereinbarung 2/05 beziehe, die zu diesem Zeitpunkt aber bereits von der Nachfolge - Betriebsvereinbarung 1/07 abgelöst worden und daher nicht mehr existent gewesen sei. Die Betriebsvereinbarung 1/07 hingegen gelte nach wie vor unverändert fort, da sie nicht wirksam gekündigt worden sei. Hieraus ergebe sich zugleich, dass die Angelegenheit auch keine besondere finanzielle Bedeutung habe, da es mangels Änderung der Rechtslage an finanziellen Auswirkungen für die Arbeitnehmer fehle. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. II. Die Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstandes von 200,00 € und ist auch sonst zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg. Für die Anträge zu 1) und 3) war insgesamt ein Gegenstandswert von 8.000,00 € anzusetzen, während der Antrag zu 2) nicht streitwerterhöhend ist. 1. Grundsätzlich ist der Gegenstandswert, soweit er sich nicht aus den übrigen Regelungen des § 23 RVG ergibt und auch sonst nicht feststeht, gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 4.000,00 €, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 € anzunehmen. Die Regelung des § 23 Abs. 1 RVG findet vorliegend schon deswegen keine Anwendung, weil im Beschlussverfahren nach § 2 Abs. 2 GKG in Verbindung mit §§ 2 a, 80 ff ArbGG keine Gerichtskosten erhoben werden. Auch die in § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG genannten Gebührentatbestände der Kostenordnung finden im Beschlussverfahren keine, auch keine entsprechende Anwendung (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.07.2007 - 1 Ta 173/07). Da der Gegenstandswert auch sonst nicht feststeht und es sich bei den gestellten Anträgen um nicht vermögensrechtliche Streitgegenstände handelt, da sie weder auf einer vermögensrechtlichen Beziehung beruhen noch auf Geld oder Geldeswert gerichtet sind, bestimmt sich der Gegenstandswert insoweit nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG. Dabei stellt der in dieser Norm genannte Wert von 4.000,00 € nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. nur Beschluss vom 04.03.2008 - 1 Ta 26/08 m. w. N.) keinen Regelwert dar, von dem nur unter bestimmten Umständen abgewichen werden kann, sondern vielmehr einen Hilfswert, auf den nur dann zurückzugreifen ist, wenn alle Möglichkeiten für eine individuelle Bewertung ausgeschöpft sind. Solche Anhaltspunkte ergeben sich aus der wirtschaftlichen Interessenlage der Beteiligten, inwieweit durch das Beschlussverfahren finanzielle Ansprüche einzelner Arbeitnehmer berührt werden sowie aus der Bedeutung, dem Umfang und der Schwierigkeit einer Sache; auch der objektive Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts im Einzelfall ist im Beschlussverfahren nicht ganz außer Acht zu lassen (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20.06.2008 - 1 Ta 105/08; Beschluss vom 04.03.2008 - 1 Ta 26/08; Beschluss vom 17.07.2007 - 1 Ta 173/07). Bei Anwendung dieser Grundsätze war der Hilfswert von 4.000,00 € im vorliegenden Fall zu verdoppeln. Verfahrensgegenstand war die Anwendbarkeit der Betriebsvereinbarung 1/07, die ihre Vorgängerregelungen - die Betriebsvereinbarungen 1/05 und 2/05 - unstreitig abgelöst hatte. Zwar ergibt sich eine Erhöhung des Hifswerts nicht allein aus der Anzahl der von der Betriebsvereinbarung betroffenen Arbeitnehmer, da die insoweit maßgeblichen Rechtsfragen hiervon unabhängig bestehen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.03.08 - 1 Ta 26/08). Die Betriebsvereinbarung 1/07 beinhaltete unter anderem auch Regelungen, die nicht nur die wirtschaftliche Interessenlage des Arbeitgebers in nicht unerheblichem Maße betrafen, sondern darüber hinaus auch finanzielle Ansprüche der Arbeitnehmer berührten. So sah die Betriebsvereinbarung insbesondere unter Ziffer 2.2. eine Vergütung der Arbeitnehmer auf Basis einer 37,5 Stunden-Woche selbst für den Fall vor, dass die wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 40 Wochenstunden ausgedehnt würde. Insoweit hinge für jeden der Betriebsvereinbarung unterfallenden Arbeitnehmer die Frage nach einer "Mehrvergütung" für bis zu 2,5 Stunden pro Woche von der Gültigkeit und Anwendbarkeit der Betriebsvereinbarung ab. Gleiches gilt in umgekehrter Weise für den Fall der Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 35 Stunden bei gleich bleibender Vergütung auf Basis von 37,5 Wochenstunden. In diesem Fall betrifft eine "Mehrvergütung" von bis zu 2,5 Stunden pro Woche die wirtschaftlichen Belange des Arbeitgebers, da er insoweit Lohn ohne Arbeit leisten müsste. Geht man nach dem unwidersprochenen Vortrag des Betriebsrates davon aus, dass die Anwendbarkeit der Betriebsvereinbarung ca. 400 Arbeitnehmer betrifft, die jeweils einen Stundenlohn von 12,00 € verdienen, so ergibt sich hochgerechnet allein aus der vorgenannten Regelung der Betriebsvereinbarung ein finanzielles Volumen, das dem Verfahrensgegenstand eine besondere Bedeutung für die Beteiligten verleiht und insoweit eine Erhöhung des in § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG genannten Hilfswerts von 4.000,00 € rechtfertigt. Ausreichend und angemessen erscheint der Kammer insoweit eine Verdoppelung des Hilfswerts auf 8.000,00 €. Eine darüber hinausgehende Erhöhung war nicht angezeigt. Zum einen handelt es sich vorliegend um einen in tatsächlicher Hinsicht einfach gelagerten und klar verständlichen Sachverhalt, der auch in rechtlicher Hinsicht für die Verfahrensbeteiligten und -bevollmächtigten keinen besonderen Aufwand mit sich gebracht oder sie vor nennenswerte Schwierigkeiten gestellt hat. Zum anderen war eine solche Erhöhung auch nicht vor dem Hintergrund geboten, dass der Betriebsrat vorliegend zwei gesonderte Anträge (die Anträge zu Ziffer 1 und 3) gestellt hat, da dem Antrag zu 1 neben dem Antrag zu 3 keine weitergehende Bedeutung und daher auch kein eigenständiger "Mehrwert" zukommt. Der Antrag zu 3 zielte auf die Feststellung ab, dass die Betriebsvereinbarung 1/07 keine Rechtswirkungen über den 31.12.2007 hinaus entfaltet, da sie wirksam gekündigt worden sei und auch keine Nachwirkung entfalte. Daran knüpft sich aber als automatische Konsequenz das mit dem Antrag zu 1 begehrte Verhalten der Arbeitgeberin, eine Durchführung der Betriebsvereinbarung zu unterlassen. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitgeberin auch für den Fall, dass der Betriebsrat mit seinem Antrag zu Ziffer 3 durchdringt, die Betriebsvereinbarung 1/07 dennoch weiterhin im Betrieb zur Anwendung bringen wollte, sind weder ersichtlich noch wurden sie vom Betriebsrat vorgetragen. Vielmehr hat die Arbeitgeberin die fortwährende Anwendung der genannten Betriebsvereinbarung gerade damit begründet, diese sei nicht wirksam vom Betriebsrat gekündigt worden. Beide Anträge betrafen letztlich die identische und allein maßgebliche Rechtsfrage, welche Vereinbarung von der Kündigung des Betriebsrats erfasst sei. 2. Den Antrag zu 2 hat das Arbeitsgericht zu Recht nicht gesondert bewertet. Einem Antrag auf Androhung eines Ordnungsmittels, der zusammen mit den Anträgen in der Hauptsache gestellt wird, ist grundsätzlich kein eigenständiger Wert beizumessen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 03.01.2006 - 7 Ta 179/05; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.05.2007 - 9 Ta 2/07; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl. 2008, VV 3309 Rdnr. 299; a. A. LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24.07.2006 - 2 Ta 86/06; ArbG Würzburg, Beschluss vom 22.10.2001 - 10 BV 7/01 S). Dieser ist vielmehr mit der Verfahrensgebühr für die Hauptsache gemäß VV 3100 abgegolten (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a. a. O., VV 3309 Rdnr. 299; Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 890 Rdnr. 29). Der Grund hierfür liegt darin, dass die - bei zulässigem und begründetem Antrag erfolgende - Androhung eines Ordnungsgeldes hauptsächlich die Bereitschaft des Gläubigers signalisiert, notfalls ein Zwangsvollstreckungsverfahren einzuleiten. Sofern dies jedoch geschieht - wozu es eines Antrages auf Festsetzung des Ordnungsgeldes bedarf - sind für das Vollstreckungsverfahren eigene Gebührentatbestände eröffnet (VV 3309 und 3310). Selbst in diesem Fall, in dem sich die Androhung des Ordnungsgeldes letztlich auswirkt, wird aber insoweit kein eigenständiger Wert der Androhung angenommen, da diese gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 18 Nr. 3 RVG als unselbständiger (zusammenhängender) Teil des Vollstreckungsverfahrens anzusehen ist; ihr Wert wird damit durch die im Zwangsvollstreckungsverfahren anfallenden Gebühren (VV 3309 und 3310) mit abgegolten (Zöller/Stöber, a. a. O., § 890 Rdnr. 29). Nach alledem war der Beschluss wie geschehen abzuändern. Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren berechnet sich nach Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG ist anders als das Verfahren nach § 33 Abs. 9 RVG nicht gebührenfrei. Dies gilt auch im Beschlussverfahren. Die in § 2 Abs. 2 GKG bestimmte Kostenfreiheit der Gerichtsgebühren im Beschlussverfahren erfasst nicht das sich anschließende Beschwerdeverfahren wegen des festgesetzten Gegenstandswertes (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.04.2007 - 1 Ta 50/07 - m. w. N.; ferner LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.2007 NZA - RR 2007, 491). Die Gerichtsgebühr hat die Beschwerdeführerin im Umfange ihres Unterliegens gemäß § 92 Abs. 1 ZPO zu 1/2 zu tragen. Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG nicht gegeben.

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