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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 23.10.2007
Aktenzeichen: 1 Ta 217/07
Rechtsgebiete: RVG, GKG, BBiG


Vorschriften:

RVG § 23 Abs. 3 Satz 2
RVG § 33 Abs. 3
RVG § 33 Abs. 9
GKG § 3 Abs. 2
GKG § 42 Abs. 4
GKG § 63 Abs. 1
BBiG § 23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 1 Ta 217/07

Entscheidung vom 23.10.2007

Tenor:

1. Die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 16.08.2007 - 6 Ca 640/07 - wird auf Kosten der Beschwerdeführer zurückgewiesen.

2. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführer begehren die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Rechtsanspruchs auf Ausbildung zum Bürokaufmann sowie eines Schadensersatzanspruchs wegen verzögerter Ausbildung.

Der in seinem bisherigen Beruf arbeitsunfähige Kläger erhielt im Februar 2005 von der Z. als Rentenversicherungsträger eine Weiterbildung zum Bürokaufmann bewilligt. Die Maßnahme sollte vom 30.06.05 bis 29.06.07 dauern und wurde von der Beklagten durchgeführt. Im Laufe dieser Ausbildung trat die Beklagte unter anderem an den Kläger heran und warb für eine Umschulung zur Fachkraft für Lagerlogistik. Der Kläger stimmte einer entsprechenden Änderung seines Ausbildungsziels zu. Als sich nach einiger Zeit herausstellte, dass er die Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik aufgrund seiner, auch der Beklagten bekannten Rückenprobleme nicht werde durchführen können, verlangte der Kläger von der Beklagten die Fortführung der ursprünglichen Ausbildung zum Bürokaufmann. Einen Vorschlag der Beklagten, das Ausbildungsziel im Rahmen einer "Kurzausbildung" nachzuholen, lehnte der Kläger ab. Auch mit einem weiteren Angebot der Beklagten, ihm in der Zeit vom 16.04.2007 bis 20.07.2007 einen "Intensivunterricht" zu erteilen und den dann noch fehlenden, mit 320 Stunden bezifferten Prüfungsstoff im Rahmen der Prüfungsvorbereitung in der Zeit vom 13.08.2007 bis 16.11.2007 zu vermitteln, erklärte sich der Kläger nicht einverstanden.

Mit seiner Klage vom 09.05.2007 begehrte der Kläger,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihn zum Bürokaufmann in Vollzeit auszubilden sowie

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm den Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik anstelle der Ausbildung zum Bürokaufmann in der Zukunft entstehe.

Am 13.06.2007 schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht Mainz im Gütetermin einen Vergleich. Darin vereinbarten sie die Ausbildung des Klägers zum Bürokaufmann in Vollzeit durch die Beklagte bei voller Tragung der reinen Ausbildungskosten durch die Beklagte sowie unter Ziffer 2 eine Ausgleichsklausel mit dem Inhalt, dass mit dem Vergleich sämtliche mögliche Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit der zwischenzeitlichen Änderung des Ausbildungsziels sowie des diesem zugrunde liegenden Sachverhalts erledigt seien.

Auf Antrag der Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 16.08.2007 den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit auf 10.000,00 EUR festgesetzt. Dabei hat es die Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung der Ausbildung mit 4.000,00 EUR und den geltend gemachten Schadensersatzanspruch im Wege der Schätzung mit 6.000,00 EUR veranschlagt. Gegen diesen Beschluss haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schriftsatz vom 03.09.2007 Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, den Gegenstandswert für die Ausbildungsverpflichtung mit 15.000,00 EUR und für den Schadensersatzanspruch mit 36.000,00 EUR zu bewerten. Zur Begründung tragen sie hinsichtlich der Ausbildungsverpflichtung vor, eine Ausbildung zum Bürokaufmann in Vollzeit rechtfertige einschließlich der während dieser Zeit erforderlichen Unterstützungsleistungen mindestens einen Betrag von 15.000,00 EUR. Hinsichtlich des Schadensersatzanspruches meinen sie, der Kläger trete infolge der verzögerten Ausbildung drei Jahre verspätet in das Berufsleben ein, so dass ihm der in diesen drei Jahren entgangene Verdienst zu ersetzen sei. Dabei handele es sich nicht um die ersten, sondern um die letzten drei Jahre des Berufslebens. Für diese sei derzeit ein durchschnittlicher Jahresverdienst von 24.000,00 EUR zu veranschlagen, so dass sich der Schaden und damit auch der Gegenstandswert insgesamt auf 72.000,00 EUR belaufe, bei einem Abschlag in Höhe von 50 % wegen Geltendmachung des Feststellungsinteresses auf 36.000,00 EUR.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstands von 200,-- EUR und ist auch sonst zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Hinsichtlich der Ausbildungsverpflichtung der Beklagten hat das Arbeitsgericht zutreffend angenommen, dass die Verpflichtung zur Durchführung einer Ausbildung nicht höher bewertet werden kann als eine entsprechende Bestandsstreitigkeit, da ansonsten ein Wertungswiderspruch zu der Regelung des § 42 Abs. 4 GKG bestünde; diese findet nicht nur auf Arbeits-, sondern auch auf Ausbildungsverhältnisse Anwendung (vgl. BAG, Beschluss vom 22.05.1984, AP Nr. 7 zu § 12 ArbGG 1979 [noch zur Vorgängerregelung des § 12 Abs. 7 ArbGG]; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23.09.1981 - 1 Ta 130/81; Hessisches LAG, Beschluss vom 20.06.1984 - 6 Ta 156/84). Demnach wäre bei einem Streit um das Bestehen oder Nichtbestehen eines Ausbildungsverhältnisses der Gegenstandswert höchstens mit drei Ausbildungsmonatsgehältern anzusetzen; unbeachtlich ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer, welche Kosten das Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis für den Arbeitgeber bzw. den Ausbildenden im Einzelnen mit sich bringt, da § 42 Abs. 4 GKG darauf gerade nicht abstellt. Vorliegend haben die Parteien noch nicht einmal um den Bestand eines Ausbildungsverhältnisses gestritten, sondern lediglich um den Inhalt seiner Weiterführung durch die Beklagte. Dies rechtfertigt einen zusätzlichen Abschlag bei der Berechnung des Gegenstandswerts, so dass das Arbeitsgericht diesen mit 4.000,00 EUR schon sehr hoch und keinesfalls zu niedrig beziffert hat. Im Hinblick darauf, dass im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nach § 33 Abs. 3 RVG - im Gegensatz zum Verfahren nach § 63 Abs. 1 GKG - das Verschlechterungsverbot gilt (vgl. Schwab / Weth, ArbGG, 2004, § 78 Rnr. 59), sieht sich die Beschwerdekammer daran gehindert, vorliegend korrigierend einzugreifen. Schließlich wird üblicherweise der Anspruch auf Beschäftigung nur mit einer Monatsvergütung bewertet.

Auch gegen die arbeitsgerichtliche Bewertung des Gegenstandswertes in Bezug auf den Schadensersatzanspruch wenden sich die Beschwerdeführer zu Unrecht, weil sich das Arbeitsgericht im Rahmen seines ihm durch § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG eingeräumten Ermessens bewegt hat. Nach dieser Regelung ist der Gegenstandswert in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen mit 4.000,00 EUR, nach Lage des Falls niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 EUR anzunehmen. Dabei stellt der Wert von 4.000,00 EUR keinen Regelwert dar, von dem nur unter bestimmten Umständen abgewichen werden kann, sondern einen Hilfswert, auf den nur zurückzugreifen ist, wenn alle Möglichkeiten für eine individuelle Bewertung ausgeschöpft sind (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14.06.2007 - 1 Ta 147/07; Beschluss vom 17.07.2007 - 1 Ta 173/07; LAG Hamm, Beschluss vom 09.11.2005, NZA-RR 2006, 96). Solche Anhaltspunkte ergeben sich aus der wirtschaftlichen Interessenlage der Beteiligten, inwieweit durch das Verfahren finanzielle Ansprüche einzelner Arbeitnehmer berührt werden, aus der Bedeutung, dem Umfang und der Schwierigkeit einer Sache.

Derartige Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich. Weder der Kläger noch die Beschwerdeführer haben weder im streitigen Verfahren noch im Beschwerdeverfahren irgendeinen konkreten Schadensposten benannt, geschweige denn einen solchen beziffert. Das Arbeitsgericht hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass die diesbezüglichen allgemeinen Ausführungen der Beschwerdeführer rein spekulativen Charakter tragen.

Es bleibt schon unklar, warum der Kläger nach Auffassung der Beschwerdeführer erst mit einer dreijährigen Verzögerung in das Berufsleben eintreten können soll. Die vom Kläger zu den Akten gereichte Bewilligung durch die Z. bezieht sich auf eine zweijährige Weiterbildung für den Beruf des Bürokaufmanns, und das ihm von der Beklagten gemachte Angebot zur Durchführung eines "Intensivunterrichts" zur Nachholung des zwischenzeitlich versäumten Stoffes umfasste einen Zeitraum von insgesamt sechs Monaten. Der Kläger begründete die Ablehnung dieses Angebots der Beklagten damit , dass die letzten drei Monate schon in die Zeit der eigentlichen Prüfungsvorbereitung fielen. Damit ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers selbst, dass die Beklagte ihm den versäumten Stoff innerhalb dieser, deutlich unter drei Jahren liegenden Zeit vermitteln könnte. Im Übrigen steht noch nicht einmal fest, ob es überhaupt zu einer Verzögerung kommen wird, weil dem Kläger eine Teilnahme an der Abschlussprüfung im November 2007 nach wie vor offen steht und die Beklagte sich nicht geweigert hat, ihn weiter auszubilden.

Auch der von den Beschwerdeführern behauptete drohende Schaden in Höhe von 72.000,00 EUR ist für das Beschwerdegericht nicht nachvollziehbar. Zwar kennt das Berufsausbildungsrecht Situationen, in denen der Auszubildende im Falle eines verspäteten Eintritts in das Arbeitsleben Schadensersatz verlangen kann, wie etwa bei der vorzeitigen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses nach § 23 BBiG, was den Ausgleich entsprechender Vergütungsunterschiede, die der Auszubildende schon früher hätte erzielen können, einschließt (vgl. dazu LAG Berlin, Urteil vom 26.10.1978 - 7 Sa 33/78; Wohlgemuth/Lakies, BBiG, 3. Auflage 2006, § 23 Rnr. 31; Leinemann/Taubert, BBiG, 2002, § 16 Rnr. 26). Auch ist es in diesem Zusammenhang möglich, eine Feststellungsklage gerichtet auf den Ersatz erst künftig eintretender, noch nicht bezifferbarer Schäden zu erheben (KR-Weigand, 8. Auflage 2007, §§ 21, 22 BBiG Rnr. 135; Leinemann/Taubert, a.a.O., § 16 Rnr. 40). Voraussetzung hierfür ist aber, dass derjenige, der den Anspruch geltend macht, also der Auszubildende, die Umstände darlegt und beweist, aus denen sich eine Wahrscheinlichkeit ergibt, dass er bei gewöhnlichem Verlauf, also bei regulärer Vertragsdurchführung, die Abschlussprüfung bestanden und bei der gegebenen Arbeitsmarktsituation und seiner Qualifikation auch schon zu einem früheren Zeitpunkt eine entsprechende Erstanstellung bekommen hätte (Wohlgemuth/Lakies, a.a.O., § 23 Rnr. 31; Leinemann/Taubert, a.a.O., § 16 Rnr. 42). Hierfür kommen unter anderem in Betracht die Vorlage von Leistungsnachweisen aus der laufenden Ausbildung, die Benennung von Berufsschullehrern als Zeugen für die schulischen Leistungen und den zu erwartenden weiteren Verlauf des schulischen Werdegangs, hinsichtlich der Berufsaussichten etwa eine Auskunft der Arbeitsagentur oder die konkrete Übernahme- oder Einstellungszusage durch einen Arbeitgeber (Leinemann/Taubert, a.a.O., § 16 Rnr. 43).

Nichts von alledem haben weder der Kläger noch die Beschwerdeführer vorgetragen. Sie haben im Klageverfahren in einem Satz ein "besonderes Feststellungsinteresse dahingehend, dass der Zukunftsschaden, der durch die verzögerte Ausbildung entsteht, ersetzt wird" geltend gemacht und sich im Beschwerdeverfahren darauf beschränkt, einen möglichen Schadensersatzanspruch pauschal zu behaupten und zu beziffern.

Auch der Umstand, dass der (im Klageverfahren noch nicht einmal bezifferte) Schadensersatzanspruch in den vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich der Parteien keinen expliziten Eingang mehr gefunden hat, spricht nicht unbedingt dafür, dass die Beschwerdeführer seinerzeit einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 72.000,00 EUR ernsthaft verfolgen wollten.

Nach alledem hat sich das Arbeitsgericht, das den Gegenstandswert für den Schadensersatzanspruch mit 6.000,00 EUR sogar noch über dem Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG festgesetzt hat, auch hier am oberen Rand seines Ermessens bewegt.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren berechnet sich nach Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG ist anders als das Verfahren nach § 33 Abs. 9 RVG nicht gebührenfrei. Die Gerichtsgebühr haben die Beschwerdeführer gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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