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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 26.11.2007
Aktenzeichen: 1 Ta 256/07
Rechtsgebiete: BetrVG, RVG, GKG, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 99
BetrVG § 100
RVG § 23
RVG § 23 Abs. 1
RVG § 23 Abs. 3 Satz 1
RVG § 23 Abs. 3 Satz 2
RVG § 33 Abs. 3
RVG § 33 Abs. 9
GKG § 2 Abs. 2
GKG § 3 Abs. 2
ArbGG § 2 a
ArbGG §§ 80 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 1 Ta 256/07

Entscheidung vom 26.11.2007

Tenor:

1.) Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird der Gegenstandswertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 30.10.2007 - 9 BV 26/07 - wie folgt abgeändert:

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers wird auf 8.000,00 EUR festgesetzt.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beschwerdeführer zu 5/6.

3.) Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführer begehren die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes im Zusammenhang mit der geltend gemachten wiederholten Verletzung der Mitbestimmungsrechte des Antragstellers gem. §§ 99, 100 BetrVG.

Der Antragsteller, der bei der Antragsgegnerin gebildete Betriebsrat, beantragte mit Schriftsatz vom 25.06.2007 sinngemäß,

1.) die Antragsgegnerin zu verpflichten, es zu unterlassen, ohne zuvor eingeholte Zustimmung des Antragstellers Arbeitnehmer einzustellen;

2.) hilfsweise festzustellen, dass die Antragsgegnerin mit Einstellung von S. S., I. I:, M: M., R. R., P. P., A.-A. A., D. D. ohne Zustimmung des Antragstellers dessen Mitbestimmungsrechte nach den §§ 99, 100 BetrVG verletzt hat;

3.) der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung nach Ziffer 1.) ein Ordnungsgeld von mindestens 10.000,00 EUR anzudrohen;

4.) der Antragsgegnerin aufzugeben, die Zustimmung des Antragstellers zur Einstellung der unter Ziffer 2.) genannten Personen einzuholen und im Falle der Verweigerung das Zustimmungsersetzungsverfahren beim Arbeitsgericht einzuleiten.

Das Verfahren wurde vom Arbeitsgericht Mainz mit Beschluss vom 09.08.2007 - 9 BV 26/07 - infolge Antragsrücknahme eingestellt.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 30.10.2007 den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers auf 6.000,00 EUR festgesetzt. Dabei hat es den Gegenstandswert des Antrags zu Ziffer 1.) mit 4.000,00 EUR und den Antrag zu Ziffer 4.) mit 2.000,00 EUR festgesetzt. Für die Anträge unter Ziffer 2.) und 3.) hat das Arbeitsgericht keinen gesonderten Gegenstandswert veranschlagt.

Gegen diesen Beschluss haben die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers mit Schriftsatz vom 02.11.2007, bei Gericht eingegangen am 05.11.2007, B e s c h w e r d e eingelegt mit dem Ziel, den Gegenstandswert mit 18.500,00 EUR festzusetzen. Nach seiner Meinung sei der Antrag zu Ziffer 1.) mit 8.000,00 EUR und der Antrag zu Ziffer 4.) mit 10.500,00 EUR anzusetzen.

Zur Begründung führen die Beschwerdeführer im Hinblick auf den Antrag zu Ziffer 1.) aus, eine Verdopplung des in § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG genannten Hilfswertes von 4.000,00 EUR rechtfertige sich dadurch, dass es sich nicht um ein einmaliges Vergehen, sondern um eine nachhaltige, über mehrere Jahre andauernde und sich wiederholende Verletzung der Mitbestimmungsrechte des Antragstellers handele. Hierzu verweisen die Beschwerdeführer auf einen Beschluss der erkennenden Kammer vom 07.08.2007 - 1 Ta 188/07. Die Wertfestsetzung für den Antrag zu Ziffer 4.) sei in Anlehnung an einen Beschluss der erkennenden Kammer vom 02.01.2006 - 1 Ta 283/05 - für jeden der namentlich benannten sieben Arbeitnehmer gesondert festzusetzen; auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich um einander ähnliche Fälle und größtenteils um Geringverdienerkräfte handele, dürfe die Reduzierung des Gegenstandswertes pro Fall 1.500,00 EUR keinesfalls unterschreiten. Hieraus ergebe sich für den Antrag zu Ziffer 4.) ein Gesamtwert von 10.500,00 EUR, da es sich um sieben Arbeitnehmer handele. Schließlich weisen die Beschwerdeführer auf die grundlegende Bedeutung der §§ 99 ff. BetrVG hin sowie auf den hohen ideellen Wert, den die Einhaltung dieser Rechte durch die Antragsgegnerin für den Antragsteller habe.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstandes von 200,00 EUR und ist auch sonst zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg.

Den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit hat das Arbeitsgericht hinsichtlich des Antrages zu Ziffer 1.) zutreffend auf 4.000,00 EUR festgesetzt. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen, soweit er sich nicht aus den übrigen Regelungen des § 23 RVG ergibt und auch sonst nicht feststeht; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 4.000,00 EUR, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 EUR anzunehmen.

Die Regelung des § 23 Abs. 1 RVG findet vorliegend schon deshalb keine Anwendung, weil im Beschlussverfahren nach § 2 Abs. 2 GKG i. V. m. §§ 2 a, 80 ff. ArbGG keine Gerichtskosten erhoben werden. Auch die in § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG genannten Gebührentatbestände der Kostenordnung finden im Beschlussverfahren keine, auch keine entsprechende Anwendung (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.04.2007 - 1 Ta 46/07; Beschluss vom 07.08.2007 - 1 Ta 188/07). Der Gegenstandswert steht auch sonst nicht fest. Er bestimmt sich daher nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG.

Bei dem hier gestellten Unterlassungsantrag zur Wahrung des Mitbestimmungsrechts aus § 99 BetrVG handelt es sich um einen nicht vermögensrechtlichen Streitgegenstand (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 07.08.2007 - 1 Ta 188/07). Der Unterlassungsantrag beruht weder auf einer vermögensrechtlichen Beziehung noch ist er auf Geld oder Geldeswert gerichtet, so dass der Gegenstandswert gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG mit 4.000,00 EUR, je nach Lage des Falls niedriger oder höher, anzunehmen ist. Dabei stellt der Wert von 4.000,00 EUR nach ständiger Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.04.2007 - 1 Ta 50/07; Beschluss vom 18.05.2006 - 2 Ta 79/06; vgl. auch Arbeitsrechtslexikon/Schwab: Streitwert/Gegenstandswert II 3) keinen Regelwert dar, von dem nur unter bestimmten Umständen abgewichen werden kann, sondern vielmehr einen Hilfswert, auf den nur dann zurückzugreifen ist, wenn alle Möglichkeiten für eine individuelle Bewertung ausgeschöpft sind. Solche Anhaltspunkte ergeben sich aus der wirtschaftlichen Interessenlage der Beteiligten, inwieweit durch das Beschlussverfahren finanzielle Ansprüche einzelner Arbeitnehmer berührt werden, aus der Bedeutung, dem Umfang und der Schwierigkeit einer Sache. Auch ist der objektive Arbeitsaufwand des Rechtsanwaltes im Einzelfall nicht außer Acht zu lassen.

Bei der Anwendung der genannten Grundsätze erscheint die Festsetzung des Gegenstandswertes für den Antrag zu Ziffer 1.) mit 4.000,00 EUR als angemessen. Der Umstand, dass sich in den Fällen, für die der Antragsteller die Verletzung seines Mitbestimmungsrechts durch die Antragsgegnerin gerügt hat, überwiegend um Geringverdienerkräfte mit einer Monatsvergütung von 400,00 EUR handelt, vermag eine Reduzierung des Hilfswertes nicht zu rechtfertigen. Auch in solchen Fällen hat der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 99 BetrVG in vollem Umfang zu beachten. Ein "gradueller Unterschied" zur Mitbestimmungspflichtigkeit einer Einstellung von höher verdienenden Arbeitskräften besteht nicht. Eine Erhöhung des Hilfswertes hat das Arbeitsgericht ebenfalls zu Recht abgelehnt. Für das Begehren, der Arbeitgeber solle es künftig unterlassen, ohne die vorherige Zustimmung des Betriebsrates Arbeitnehmer einzustellen, kommt es nicht auf die Zahl der in der Vergangenheit erfolgten Verstöße gegen ein solches Mitbestimmungsrecht an. Es handelt sich insoweit um eine Verpflichtung, die zwar vor dem Hintergrund einer Mehrzahl von Verstößen angestrebt wird. Der Gegenstand dieser Verpflichtung bezieht sich jedoch nicht auf mehrere konkrete Einzelfälle, sondern auf eine allgemeine vom Arbeitgeber zu erfüllende Rechtspflicht.

Dagegen war der für den Antrag zu Ziffer 4.) festgesetzte Gegenstandswert auf 4.000,00 EUR zu erhöhen. Zwar hat das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt, dass für diesen Antrag wegen seiner inhaltlichen Überschneidung mit den Antrag zu Ziffer 1.) der für diesen in Ansatz gebrachte volle Hilfswert mit einem Abschlag von 50 % zu versehen ist. Hier ist aber zu berücksichtigen, dass Gegenstand des Antrages die Pflicht der Antragsgegnerin sein soll, die Zustimmung des Antragstellers in Bezug auf sieben namentlich genannte und damit näher bestimmte Personen einzuholen. Daher wirkt sich im Rahmen dieses Antrages werterhöhend aus, dass es sich um eine Mehrzahl von Arbeitnehmern handelt. Dies rechtfertigt vorliegend eine Verdopplung des auf 50 % reduzierten Hilfswertes, so dass im Ergebnis für den Antrag zu Ziffer 4.) letztlich ein voller Hilfswert i. H. v. 4.000,00 EUR festzusetzen ist.

Aus den genannten Gründen war der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit insgesamt auf 8.000,00 EUR festzusetzen und der Beschluss des Arbeitsgerichts entsprechend abzuändern.

Die Gerichtsgebühr für das vorliegende Beschwerdeverfahren berechnet sich nach Nr. 8614 von Teil 8 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG ist anders als das Verfahren nach § 33 Abs. 9 RVG nicht gebührenfrei. Dies gilt auch im Beschlussverfahren (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.10.2007 - 1 Ta 232/07). Die in § 2 Abs. 2 GKG bestimmte Kostenfreiheit der Gerichtsgebühren des Beschlussverfahrens erfasst nicht das sich anschließende Beschwerdeverfahren wegen des festgesetzten Gegenstandswertes (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.10.2007 - 1 Ta 232/07; LAG Köln, Beschluss vom 31.03.2000, MDR 2000, 1256; LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.2007, NZA-RR 2007, 491; a. A. LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 16.11.2000, NZA 2001, 1160). Die Gerichtsgebühr haben die Beschwerdeführer gem. § 92 Abs. 1 ZPO zu 5/6 zu tragen.

Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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