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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 04.04.2007
Aktenzeichen: 1 Ta 46/07
Rechtsgebiete: BetrVG, RVG, GKG, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 99
BetrVG § 99 Abs. 4
BetrVG § 100 Abs. 2 S. 3
BetrVG § 101
BetrVG § 101 S. 1
RVG § 23 Abs. 1
RVG § 23 Abs. 3 S. 1
RVG § 23 Abs. 3 S. 2
RVG § 33 Abs. 3
RVG § 33 Abs. 9 S. 1
RVG § 33 Abs. 9 S. 2
GKG § 2 Abs. 2
GKG § 3 Abs. 2
GKG § 42 Abs. 4
GKG § 68 Abs. 3
GKG § 66 Abs. 8
ArbGG § 2a
ArbGG §§ 80 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 1 Ta 46/07

Entscheidung vom 04.04.2007

Tenor:

1. Die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 31.01.2007 - 10 BV 79/06 - wird auf Kosten der Beschwerdeführer zurückgewiesen.

2. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführer begehren die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes.

Der Beteiligte zu 1, der Betriebsrat der Beteiligten zu 2 (im Folgenden Arbeitgeberin), hat das vorliegende Beschlussverfahren mit Antrag vom 19.10.2006 eingeleitet und darin nach § 101 S. 1 BetrVG beantragt, der Arbeitgeberin aufzugeben, die vorläufige Einstellung eines Mitarbeiters aufzuheben. Bereits mit Schriftsatz vom 12.10.2006, der dem Betriebsrat allerdings erst am 17.10.2006 zugestellt worden ist, hat die Arbeitgeberin im Verfahren 10 BV 77/06 den Antrag nach § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG gestellt.

Im Anhörungstermin vom 08.11.2006 haben die Beteiligten den Antrag des Betriebsrates übereinstimmend für erledigt erklärt.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 03.01.2007 den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten vorliegend auf 1.000,00 Euro festgesetzt.

Gegen diesen, ihnen am 08.01.2007 zugegangenen Beschluss haben die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats mit Schriftsatz vom gleichen Tag (Blatt 33 d.A.) Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, den Gegenstandswert auf ein Vierteljahresverdienst festzusetzen.

Nach Auffassung der Beschwerdeführer seien personelle Maßnahmen nach § 99 BetrVG grundsätzlich nach dem Vierteljahresverdienst des betroffenen Arbeitnehmers zu bewerten. Dementsprechend sei auch ein Antrag nach § 101 BetrVG mit einem Vierteljahresverdienst zu bewerten.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstands von 200,00 Euro. Letzteres ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem von den Beschwerdeführern gestellten Antrag, da dieser nicht beziffert ist. Das Vierteljahresverdienst des in gehobener Stellung einzustellenden Mitarbeiters dürfte aber nach Einschätzung des Gerichts ein vielfaches des festgesetzten Gegenstandswertes von 1.000,00 Euro betragen, sodass der Wert des Beschwerdegegenstands von 200,00 Euro übertroffen ist. Die Beschwerde ist somit zulässig.

In der Sache ist das Rechtsmittel jedoch nicht begründet. Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit ist auf 1.000,00 Euro festzusetzen.

Nach der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts (vgl. nur LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 02.11.2005 - 5 Ta 240/05; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 02.01.2006 - 8 Ta 283/05; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22.06.2005 - 8 Ta 133/05) ist der Gegenstandswert in Beschlussverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG sowie § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG auf der Basis von § 23 Abs. 3 S. 2 RVG zu bestimmen. Dies gilt nach Auffassung des Gerichts auch in Beschlussverfahren nach § 101 BetrVG (so auch LAG Nürnberg, Beschluss vom 27.07.2006 - 4 Ta 100/06).

§ 23 Abs. 1 RVG findet keine Anwendung, weil im Beschlussverfahren nach § 2 Abs. 2 GKG i.V.m. §§ 2a, 80 ff. ArbGG keine Gerichtskosten erhoben werden. Auch die in § 23 Abs. 3 S.1 RVG genannten Gebührentatbestände der Kostenordnung finden im Beschlussverfahren keine, auch keine entsprechende Anwendung (vgl. Steffen, AR-Blattei SD, Arbeitsgerichtsbarkeit XIII A, 160.13.1, Rn. 14).

Nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung ist bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen der Gegenstandswert mit 4.000,00 Euro, je nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 Euro anzunehmen. Von einem nichtvermögensrechtlichen Streitgegenstand ist dann auszugehen, wenn der im Verfahren erhobene Anspruch auf keiner vermögensrechtlichen Beziehung beruht bzw. nicht auf Geld oder Geldeswert gerichtet ist (vgl. Steffen, AR-Blattei SD, Arbeitsgerichtsbarkeit XIII A, 160.13.1, Rn. 199). Dabei kommt nach ständiger Rechtsprechung des Beschwerdegerichts eine Wertfestsetzung nach billigem Ermessen erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. In den Fällen, in denen ein objektiver Wert festgestellt werden kann, kommt es auch im Beschlussverfahren in erster Linie auf die Feststellung dieses Wertes an (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 01.02.2006 - 10 TaBV 193/05; vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16.08.2005 - 6 Ta 199/05). Vorliegend hat der Betriebsrat nach § 101 S. 1 BetrVG die Aufhebung der vorläufigen Einstellung eines Mitarbeiters begehrt. Dieser Antrag beruht nicht auf einer vermögensrechtlichen Beziehung und ist auch nicht auf Geld oder Geldeswert gerichtet. Er ist auch nicht unmittelbar von dem konkret zu zahlenden Gehalt des zur Einstellung vorgesehenen Mitarbeiters abhängig. Entgegen dem Landesarbeitsgericht Hamm (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 29.11.2006 - 13 Ta 529/06; LAG Hamm, Beschluss vom 09.11.2006 - 13 Ta 508/06 NZA-RR 2007, 96) kann somit auch kein Rückgriff auf die Regelung des § 42 Abs. 4 GKG genommen werden (so auch LAG Nürnberg, Beschluss vom 27.07.2006 - 4 Ta 100/06).

Mangelt es im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung an genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Schätzung, dann ist der Gegenstandswert nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG festzusetzen. Dabei ist der Wert von 4.000,00 Euro kein Regelwert, von dem nur unter bestimmten Umständen abgewichen werden kann, sondern ein Hilfswert, auf den nur zurückzugreifen ist, wenn alle Möglichkeiten für eine individuelle Bewertung ausgeschöpft sind (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18.05.2006 - 2 Ta 79/06; Arbeitsrechtslexikon/Schwab: Streitwertgegenstandswert II 3). Solche Anhaltspunkte ergeben sich aus der wirtschaftlichen Interessenlage der Beteiligten, inwieweit durch das Beschlussverfahren finanzielle Ansprüche einzelner Arbeitnehmer berührt werden, aus der Bedeutung, dem Umfang und der Schwierigkeit einer Sache. Unter Umständen ist auch der objektive Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts im Einzelfall nicht ganz außer Acht zu lassen.

Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich der angefochtene Beschluss als zutreffend. Vorliegend hat das Arbeitsgericht den Hilfswert des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG zu Recht um 3/4 verringert. Denn die Arbeitgeberin hat parallel zum vorliegenden beschränkten Antrag des Betriebsrates nach § 101 BetrVG ein zusätzliches Verfahren beim Arbeitsgericht Mainz (10 BV 77/06) nach § 99 Abs. 4 BetrVG und nach § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG initiiert. Beide Angelegenheiten stehen aber in einem engen wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, der im vorliegenden isolierten Verfahren die vorgenommene Reduzierung rechtfertigt.

Die Gebühr berechnet sich nach Nr. 8614 von Teil 8 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG wird anders als das Verfahren über den Antrag von § 33 Abs. 9 S. 1 und S. 2 RVG nicht gebührenfrei gestellt (vgl. auch LAG Hamburg, Beschluss vom 30.06.2005 - 8 Ta 5/05 - juris, mit weiteren Nachweisen). Auch § 68 Abs. 3 GKG und § 66 Abs. 8 GKG finden vorliegend keine Anwendung. Es fallen somit grundsätzlich Gerichtsgebühren an (vgl. Schwab, in: Arbeitsrechtslexikon, Streitwert/Gegenstandswert, S. 6; Natter, NZA 2004, S. 689; Hartmann, Kostengesetze, 36. Auflage 2006, § 33 RVG Rn. 26). Dies gilt entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Kammer (vgl. dazu LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 01.08.2006 - 2 Ta 128/06) auch im Beschlussverfahren. Die in § 2 Abs. 2 GKG bestimmte Kostenfreiheit der Gerichtsgebühren des Beschlussverfahrens erfasst nicht das anschließende Gegenstandswertbeschwerdeverfahren des § 33 Abs. 3 RVG (so auch LAG Köln, Beschluss vom 31.03.2000 - 10 Ta 50/00 MDR 2000, 1256; a.A. LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 16.11.2000 - 1 Ta 67/00 - NZA 2001, 1160). In diesem Beschwerdeverfahren werden gerade keine betriebsverfassungsrechtlichen Ansprüche, sondern eigenständige Ansprüche der Verfahrensbevollmächtigten geltend gemacht, die ihren Ursprung allein im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz haben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beschwerdeführer nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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