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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 16.03.2005
Aktenzeichen: 1 TaBV 40/04
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 37
BetrVG § 37 Abs. 2
BetrVG § 37 Abs. 6
BetrVG § 38 Abs. 4
ArbGG § 87 Abs. 1
ArbGG § 87 Abs. 2
ArbGG §§ 64 ff.
ZPO §§ 511 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 1 TaBV 40/04

Verkündet am: 16.03.2005

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz, A.K. Bad Kreuznach, Aktz.: 6 BV 5/04, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Kosten einer Schulungsveranstaltung zum Thema "Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen" zu tragen und den teilnehmenden Vorsitzenden des Antragstellers für die Schulungszeit freizustellen. Die Antragsgegnerin betreibt in B. K. einen Klinikbetrieb mit einem Rheumakrankenhaus und zwei Rehabilitationskliniken; sie beschäftigt etwa 240 Mitarbeiter. Der Antragsteller ist der dortige Betriebsrat; deren Vorsitzender ist Herr Dr. W., der mit 50% seiner Beschäftigungszeit für die Betriebsratsarbeit freigestellt ist.

Der Antragsteller beschloss auf seiner Sitzung vom 26.2.2003 die Teilnahme seines Vorsitzenden Dr. W. an der Fortbildung "Qualitätsmanagement/ Weiterbildung zum ärztlichen Qualitätsmanager in 5 Wochenkursen 2003/ 2004" gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG zur Vermittlung von Kenntnissen, die für die Betriebsratsarbeit erforderlich sind, "da ein Qualitätsmanagement erneut eingeführt wird", ferner entsprechend § 38 Abs. 4 BetrVG zum "Qualifikationserhalt/ Nachteilsausgleich für den freigestellten Betriebsratsvorsitzenden" (Bl. 9 d. A.). Die Seminarkosten sollten 4.010,- EURO betragen, ausschließlich Fahrtkosten.

Diesen Beschluss teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin mit, die allerdings eine Übernahme der Schulungskosten ebenso ablehnte wie eine Freistellung des Vorsitzenden des Antragsteller für die entsprechende Schulungszeit. Dieser besuchte gleichwohl - unter der Einbringung von Erholungsurlaub bzw. Mehr- und Überstunden - eine Fortbildungsveranstaltung, die von der Akademie für ärztliche Weiterbildung in Rheinland-Pfalz und von der Deutschen Gesellschaft für Qualität e.V. in fünf (Wochen-)Blöcken angeboten wurde. Die Kursgebühr von insgesamt 4.010,- EURO hatte der Vorsitzende der Antragsteller persönlich ausgelegt.

Im Einzelnen hatten die Veranstaltungsblöcke I-IV ausweislich der Lehrgangsteilnahmezertifikate (Bl. 17-20) folgende Inhalte:

Block I: Qualitätsmanagementsysteme und internes Audit im Gesundheitswesen: Vermittlung von Kenntnissen zur Auswahl, Einführung, Dokumentation und Bewertung von Qualitätsmanagementsystemen; Lehrgangsinhalt:

- Entwicklung und heutige Bedeutung von Qualitätsmanagement

- Qualitätsmanagement im Gesundheits- und Sozialbereich

- Vorstellung der ISO-9000-Familie

- Einrichtung und Pflege eines Qualitätsmanagementsystems

- Dokumentation eines Qualitätsmanagementsystems

- Internes Qualitätsaudit

- Zertifizierung und Bewertung von QM-Systemen

- Moderations- und Präsentationstechniken, Visualisierung.

Die einzelne Kursgebühr betrug: 790,- EURO.

Block II: QM-Systeme in der Anwendung im Gesundheitswesen:

Vermittlung von Qualitätstechniken und Methoden, die eine Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung des QM-Systems unter Berücksichtigung menschlicher Faktoren, von Wirtschaftlichkeitsaspekten und Optimierungsansätzen ermöglichen; Lehrgangsinhalt:

- Qualitätsförderung

- Techniken und Werkzeuge des Qualitätsmanagements

- Einführung in prozessorientiertes Qualitätsmanagement

- Qualitätsinformationssysteme, Qualitätsbezogene Kosten

- Praktische Anwendung der Normen DIN EN ISO 9000, 9001 und 9004

- Rechtliche Aspekte im Gesundheitswesen

- Richtlinien, Standards und Leitlinien im medizinischen Bereich

- Strukturreform im Gesundheitswesen.

Die einzelne Kursgebühr betrug: 790,- EURO.

Block III: Statistische Methoden im Gesundheitswesen, Gesundheitsökonomie:

Vermittlung der Grundlagen der Gesundheitsökonomie, der Epidemiologie sowie der statistischen Methoden und deren Anwendung im Gesundheitswesen; Lehrgangsinhalt:

- Epidemiologie

- Klassifikationen

- Grundlagen der Statistik

- Anwendung statistischer Methoden

- Das deutsche Versorgungssystem, u. a. Gesundheitsökonomie

- Betriebswirtschaftliche Aspekte und Kenngrößen

- Disease Management.

Die einzelne Kursgebühr betrug: 810,- EURO.

Block IV: TQM - Prozessverbesserung im Gesundheitswesen:

Vermittlung der qualitätsrelevanten methodischen und sozialen Führungsinstrumente zur Prozessverbesserung im Aufgabenbereich des Qualitätsmanagers; Lehrgangsinhalt:

- TQM-Grundlagen und Modelle

- Das Europäische Excellence-Modell der EFQM

- Spezielle Akkreditierungs- und Zertifizierungsmodelle im Gesundheitswesen

- Instrumente und Werkzeuge des TQM

- TQM-Umsetzung und Bewertung.

Die einzelne Kursgebühr betrug: 810,- EURO.

Block V behandelte schließlich die Inhalte:

- vollständige Erfassung zweckmäßige Interpretation der relevanten Normanforderungen

- nachvollziehbare Darstellung der betrieblichen Situation

- zur Zielerreichung geeignete Struktur und Vorgehensweise des Projekts

- wirksamer Einsatz der verfügbaren Mittel und Methoden zur Präsentation

- Überzeugungskraft und Aussage.

Die einzelne Kursgebühr betrug: 810,- EURO.

Die Blöcke fanden statt am: 1.9. bis 5.9.2003 (Block I), 6.10. bis 10.10.2003 (Block II), 3.11. bis 7.11.2003 (Block III), 2.2. bis 6.2.2004 (Block IV) und 26.4. bis 30.4.2004 (Block V). Ausweislich der Lehrgangsteilnahmezertifikate waren die Blöcke I-IV mit jeweils 20 Fortbildungspunkten der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz akkreditiert.

Ein Qualitätsmanagementsystem besteht bei der Antragsgegnerin nicht. Geplant war allerdings schon im Frühjahr 2003, also zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Betriebsrats, dass eine Qualitätssicherung im Sinne der European FoundationforQuality Management(EFQM) durchgeführt werden sollte. Hierzu hatte die Antragsgegnerin auch einzelne Mitarbeiter individuell geschult. In die bei der Antragsgegnerin gebildete Qualitätskommission wurde der Vorsitzende der Antragsteller im Januar 2004 als Qualitätssicherungsbeauftragter des Rheumakrankenhauses berufen.

Der Antragsteller hat zur Begründung seines Antrags vorgetragen:

Die Antragsgegnerin sei zur Tragung der Lehrgangskosten verpflichtet, da sie ein Qualitätsmanagementsystem wieder einführe. Hierzu bringe die Fortbildung Qualitätsmanagement dem Antragsteller die erforderlichen Kenntnisse ein. In absehbarer Zeit sei nämlich eine Zertifizierung des Krankenhauses aus Wettbewerbsgründen zu erwarten; spätestens die Tagesordnung der Qualitätskommissionssitzung bei der Antragsgegnerin vom 27.4.2004 habe dies auch bestätigt, da sie die "Zertifizierung der Kliniken" thematisiert habe. Gleiches gelte für die Informationsveranstaltung "outcomebenchmarking in der rheumatologischen Akutversorgung" vom 14.5.2004, in der auf die Notwendigkeit einer Zertifizierung hingewiesen worden sei. Im Übrigen sei das von dem Antragsteller ausgewählte Seminar wegen räumlicher Nähe, inhaltlicher Vergleichbarkeit, wegen Neutralität des Anbieters wie auch aufgrund der Erwerbsmöglichkeit eines qualifizierten Abschlusses für den einzelnen Teilnehmer vorzugswürdig gewesen. Die Nachfrage sei groß gewesen, so dass bereits im Frühjahr 2003 die Teilnahme an den Blöcken I-III habe gebucht werden müssen. Gegenüber anderen Betriebsratsseminaren sei der Weiterbildungsinhalt auch nicht untypisch. Wenn die Antragsgegnerin nun einwende, dass eine Schulung zu den Inhalten des EFQM nur untergeordnete Bedeutung im zeitlichen Umfang der Veranstaltung eingenommen habe, so sei zu bedenken, dass die TQM-Informationen des Blocks IV eine übergeordnete Form des EFQM darstelle und zudem die Verfahren nach EFQM und ISO einander nicht nennenswert unterschieden. Hinsichtlich der Kosten sei zu beachten, dass ein unspezifisches Wochenseminar zum Thema QM des Anbieters POKO beispielsweise rund 1.600,- EURO koste, ein umfassenderes vier-wöchiges des DGB zu den Themenkreis: BR-Beteiligung am Aufbau von QM-Systemen, BR-Aufgaben bei der Zertifizierung nach ISO 9000, ISO 9000 als Chance auf dem Weg zur TQM und Interner Auditor 2.505,- EURO und ein Seminar zur Gestaltung von Veränderungsprozessen durch das IFB sogar 3.600,- EURO. Da im SRZ medizinfachliche Fortbildungskosten häufig übernommen würden, sei nicht einzusehen, weshalb die Antragsgegnerin ausgerechnet dem Vorsitzenden des Antragsteller diese Schulung verweigere, zumal er ihr angeboten habe, die Reise- und Verpflegungskosten selbst zu tragen und im Umfang von 50% der Schulungszeit seinen Erholungsurlaub einzubringen. Wenn die Antragsgegnerin unterstelle, es handele sich bei der Schulung um eine medizinfachliche Weiterbildung, so sei dies unzutreffend, da nicht alle Schulungsteilnehmer Ärzte gewesen seien, und der Vorsitzende des Antragsteller die Prüfung zum "DGQ Qualitätsmanager im Gesundheitswesen" gerade nicht zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht habe. Freilich sei in seinem besonderen Fall allerdings zu berücksichtigen, dass er bereits einen persönlichen Qualifikationsverlust durch die Versäumung der Tagungen der DGM für innere Medizin wie auch am deutschen Schmerztag habe hinnehmen müssen.

Der Antragsteller hat beantragt,

1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, 4.010,- EURO Schulungskosten an den Vorsitzenden des Antragsteller zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet war, den Vorsitzenden des Antragsteller für die Teilnahme an der Fortbildung Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen der Deutschen Gesellschaft für Qualität e. V. in Kooperation mit der Akademie für ärztliche Fortbildung in Rheinland Pfalz für die Zeit vom 1. September bis 5. September 2003, 6. Oktober bis 10. Oktober 2003, 3. November bis 7. November 2003, 2. Februar bis 6. Februar 2004 sowie vom 26. April bis 30. April 2004 freizustellen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

Die Teilnahme des Vorsitzenden an dem streitgegenständlichen Seminar sei nicht erforderlich gewesen. Zu Unrecht meine der Antragsteller, dass eine Schulung zum Qualitätswesen nicht undifferenziert danach übernommen werden dürfe, welches konkrete Qualitätssystem im Unternehmen konkret eingesetzt werde. Insofern sei darauf hinzuweisen, dass das durchlaufene Seminar sich maßgeblich mit dem Qualitätsmanagement der ISO-9000-9004-Systeme befasst habe, und nur in marginalem Umfang mit dem tatsächlich von der Antragsgegnerin erwogenen EFQM-System. Zwischen beiden bestünden jedoch erhebliche Unterschiede, wie die, dass im ISO 9000-Verfahren die Durchstrukturierung des gesamten Unternehmens anhand von Prozessen zentraler Inhalt sei, verbunden mit einer entsprechenden Schulung von Führung und Mitarbeitern mit dem Gesamtziel einer Verbesserung der Produktqualität und der Kundezufriedenheit, wohingegen es im EFQM-System lediglich um die Überprüfung und die bedarfsgerechte Anpassung des Schulungserfordernisse der Mitarbeiterschaft anhand der betrieblichen Gegebenheiten gehe. Eine Schulung der Mitglieder des Antragstellers nach dem ISO 9000 Verfahren sei nicht geboten gewesen, da eine Einführung dieses Systems nicht geplant gewesen sei. Auch habe sich das Seminar an Personen gewandt, die zur Einführung, Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung von Qualitätsmanagementsystemen verantwortlich gewesen seien. Der Vorsitzende des Antragsteller: habe dieses Erfordernis jedoch nicht erfüllen können, da er eine derartige Verantwortungsposition im Rahmen seiner Betriebsratsarbeit nicht inne gehabt habe.

Ferner hätte die geltend gemachte Schulung auch nicht als angemessen beurteilt werden können, da sie mit einer Kostenlast von 4.010,- EURO außer Verhältnis zu den denkbaren Aufgaben gestanden habe. Anhand der obergerichtlichen Rechtsprechung seien allenfalls Schulungskosten zum Qualitätsmanagement von rund 260,- EURO für angemessen zu erachten. Die vom Antragsteller verursachten Kosten hätte ein vernünftiger Dritter niemals für notwendig erachten können. Schließlich sei auch zu beanstanden, dass die beanspruchten Kosten nicht auswiesen, in welchem Umfang Pausen- und Tagungsgetränke in den beanspruchten Kosten enthalten seien.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 21.5.2004 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es sich darauf gestützt, dass die Kriterien der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG vorliegend nicht erfüllt seien. Insofern habe nicht dargelegt werden können, weshalb eine Schulung wie die vorgenommene habe durchlaufen werden müssen, wenn noch nicht einmal eine Zertifizierung nach der DIN/ISO 9000-9004 geplant gewesen sei. Zudem sei nicht nachvollziehbar, wie zu dem erwünschten Schulungszweck gerade ein fünf-wöchiges Schulungspensum mit einer Kostenlast von 4.010,- EURO habe ausgewählt werden müssen, wo doch auch die Betriebsratsarbeit dem Interesse einer kostenschonenden Berücksichtigung aller beteiligten betrieblichen Interessen verpflichtet sei. Hinsichtlich eines etwaigen persönlichen Fortbildungsinteresses des Vorsitzenden des Antragstellers sei darauf hinzuweisen, dass dieser jedenfalls nicht im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens zwischen den hiesigen Beteiligten berücksichtigt werden könne. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschlusses wird auf Bl. 76 ff. Bezug genommen.

Der Antragsteller hat gegen den ihm am 20. Oktober 2004 zugestellten Beschluss am 19. November 2004 (per Fax) bei dem Landesarbeitsgericht Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 20. Januar 2005 mit Schriftsatz vom 19. Januar 2005 (eingegangen per Fax) begründet.

Er trägt vor:

Aufgrund der beabsichtigten Einführung eines Qualitätsmanagementsystems bei der Antragsgegnerin, welches den Bedürfnissen eines modernen Krankenhauses habe entsprechen sollen, sei es unvermeidlich gewesen, eine entsprechende Schulung in Angriff zu nehmen. Schon seit 1997 habe ein entsprechendes Schulungsbedürfnis bestanden. Dass sich das EFQM-System gegenüber dem ISO-Verfahren auf eine stärker mitarbeiterbezogene Qualitätsverbesserung beziehe, ändere an der Erforderlichkeit der Schulung nichts. Beide Verfahren seien tatsächlich kaum voneinander zu unterscheiden. Schon im Januar 2003 habe auch bereits eine Einführungsabsicht hinsichtlich des EFQM-Systems bestanden, so dass von einer "Vorratsschulung" nicht auszugehen sei. Ebenso wenig habe es sich auch um eine ärztliche Fort- oder Weiterbildung zum Qualitätsmanager gehandelt; die Schulung habe vielmehr grundsätzliche Fragen des Qualitätsmanagements im Gesundheitswesen behandelt, die für jedes Qualitätsmanagement von Bedeutung seien. Dies könne man anhand der Inhalte der jeweiligen Schulungsblöcke genau ersehen. Zudem sei zu betonen, dass die Schulung keine Abschlussprüfung des teilnehmenden Vorsitzenden des Antragstellers umfasst habe. Eine Unverhältnismäßigkeit der Kosten sei nicht gegeben, da die Veranstaltung fünf Blöcke umfasst habe und in ihrem Gesamtangebot günstiger gewesen sei als entsprechende Kombinationen anderer Anbieter. Ferner müsse berücksichtigt werden, dass die Schulung dem Vorsitzenden des Antragstellers auch die Arbeit in der Qualitätskommission ermöglicht habe und damit für die Antragsgegnerin eine anderweitige Schulung entbehrlich gemacht habe.

Der Antragsteller beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 21.5.2004 - 6 BV 5/04 -,

1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, 4.010,- EURO Schulungskosten an den Vorsitzenden des Antragsteller zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Antragsgegnerin. verpflichtet war, den Vorsitzenden des Antragsteller für die Teilnahme an der Fortbildung Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen der Deutschen Gesellschaft für Qualität e. V. in Kooperation mit der Akademie für ärztliche Fortbildung in Rheinland Pfalz für die Zeit vom 1. September bis 5. September 2003, 6. Oktober bis 10. Oktober 2003, 3. November bis 7. November 2003, 2. Februar bis 6. Februar 2004 sowie vom 26. April bis 30. April 2004 freizustellen.

Die Antragsgegnerin. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss und trägt ergänzend vor:

Bei der Schulung habe es sich eher um eine ärztliche Fortbildung gehandelt als um eine Veranstaltung im Interesse des Betriebsrats. Dies ergebe sich aus dem Titel der Veranstaltung, aus der behandelten Themenstellung wie auch aufgrund der veranstaltenden Organisation. Allenfalls im Block IV sei auf die EFQM-Qualitätssicherung eingegangen worden, allerdings nur als einer unter diversen Unterpunkten der Fortbildung. Der Schwerpunkt der behandelten Qualitätsmanagementsysteme sei stattdessen das Verfahren nach der ISO 9000-Familie gewesen, das im Unternehmen nicht praktiziert worden sei. Eine spätere Entwicklung wie die Bestellung des Vorsitzenden der Antragsteller zum Qualitätssicherungsbeauftragten lasse die Schulung auch nicht nachträglich erforderlich werden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.3.2005 verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 87 Abs. 1 und 2 i. V. m. §§ 64 ff. ArbGG, 511 ff. ZPO sind erfüllt, insbesondere wurde die Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).

2. Die Beschwerde ist jedoch in der Sache nicht begründet. Der Antragsteller hat weder Anspruch auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung der Fortbildungskosten an dessen Vorsitzenden noch auf Feststellung der Verpflichtetheit zur Gewährung von Arbeitsbefreiung.

a) Dabei ist das Arbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Anträge des Antragstellers zulässig sind. Aus dem Rechtsschutzinteresse des § 37 Abs. 6 BetrVG folgt die Befugnis, die Verpflichtung zur Zahlung von Schulungskosten verlangen zu können. Als Zahlungsadressat kommt diejenige Person in Betracht, die gegenüber dem Betriebsrat einen Zahlungsanspruch für diese Schulungskosten besitzt. Dies kann auch eine andere Person als der Veranstalter der Schulung selbst sein (vgl. BAG, 28.6.1995, NZA 1995, 1216). Hinsichtlich des Feststellungsantrags folgt das Rechtsschutzinteresse daraus, dass die Maßnahme noch Auswirkungen in die Zukunft beinhaltet und nicht lediglich abgeschlossene Tatbestände betrifft (vgl. BAG, 16.3.1976, AP Nr. 22 zu § 37 BetrVG 1972). Die begehrte Feststellung der Freistellungsverpflichtung bezieht sich in diesem Sinn auf die Frage eines zukünftigen Ausgleichs der vom Kläger für die Fortbildung aufgebrachten Ausgleichszeiten für Mehrarbeit und Überstunden.

b) Das Arbeitsgericht ist weiterhin zu Recht davon ausgegangen, dass die Ansprüche des Antragstellers in der Sache nicht an § 38 Abs. 4 BetrVG zu messen sind. Nach dieser Bestimmung richtet sich der Anspruch eines Betriebsratsmitglieds zur Teilnahme an Fortbildungen oder Maßnahmen der Berufsbildung. Die Geltendmachung obliegt allein dem einzelnen Betriebsratsmitglied (vgl. Richardi [BetrVG, 7. Aufl. 1998], § 38 Rn. 77). Sie betrifft zudem einen individualrechtlichen Anspruch, der im Urteilsverfahren zu verfolgen ist (GK-BetrVG/Wiese/Weber [7. Aufl., 2002], § 38 Rn. 105). Dem Anspruch nach § 38 Abs. 4 BetrVG kann folglich zwischen den gegenwärtigen Parteien in der vorliegenden Verfahrensart nicht nachgegangnen werden.

c) Als Anspruchsgrundlage kommt mithin allein § 37 Abs. 6 und 2 BetrVG in Betracht. Nach dieser Bestimmung hat der Betriebsrat Anspruch auf Teilhabe an einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung - unter Kostentragung des Arbeitgebers und unter bezahlter Freistellung des einzelnen Betriebsratsmitglieds -, sofern die Veranstaltung Kenntnisse vermittelt, die für die Betriebsratsarbeit erforderlich sind. Die Erforderlichkeit bemisst sich nach gegenwärtigen, konkreten Bedürfnissen der Arbeit des Betriebsrats (BAG, 15.2.1995, NZA 1995, 1036 f.; 14.9.1994, NZA 1995, 381; 20.10.1993, NZA 1994, 190; 16.3.1988, NZA 1988, 875). Für die Beurteilung ist der Maßstab eines "vernünftigen Dritten" in der Rolle des Betriebsrats aus der Perspektive zum Zeitpunkt der Beschlussfassung beachtlich (BAG, 15.2.1995, NZA 1995, 1036 [1037]; 20.10.1993, NZA 1994, 190). Reine Nützlichkeitserwägungen können keine Schulungsnotwendigkeit begründen.

Nach diesen Vorgaben war die vom Antragsteller wahrgenommene Veranstaltung keine erforderliche Schulungs- oder Bildungsveranstaltung.

aa) Erforderlichkeit heißt, dass die vom Betriebsrat zu leistende Arbeit ohne das Schulungswissen entweder gar nicht oder zumindest nur unter erhöhten Anstrengungen sachgerecht erfüllt werden kann. Maßgeblich ist dabei die Mitbestimmungs- oder Mitwirkungspflicht nach dem Betriebsverfassungsgesetz; auf sie muss das Schulungsprogramm zugeschnitten sein. Nicht hingegen kann eine dem persönlíchen Fortbildungsinteresse des einzelnen Betriebsratsmitglieds entgegenkommende Veranstaltung den Anforderungen der Erforderlichkeit genügen. Bei Veranstaltungen, die nur teilweise dem konkreten und aktuellen Interesse der Betriebsratsarbeit notwendigerweise dienen, kommt es darauf an, ob der Anteil erforderlicher Themen 50 % übersteigt (GK-BetrVG/Wiese/Weber, § 38 Rn. 171).

bb) Die vorliegende Schulungsveranstaltung war hinsichtlich ihrer Erforderlichkeit als eine Einheit zu beurteilen. Sie bestand aus fünf Blöcken unter dem einheitlichen Titel "Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen". Die hiervon für die Betriebsratsarbeit erforderlichen Teile nehmen allenfalls einen untergeordneten Stellenwert im Verhältnis zu der Restveranstaltung ein.

(1) Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Betriebsrats am 26.2.2003 war in dem Unternehmen der Antragsgegnerin ein Qualitätsmanagementsystem der Variante DIN-ISO 9000 ff. nicht eingeführt. Anhaltspunkte, dass dies in absehbarer Zukunft anders werden sollte, bestanden nicht. Die Erwägung des Antragstellers, auf Jahre hin hätten allein zertifizierte Gesundheitsbetriebe realistische Überlebenschancen, entbehrt greifbarer Tatsachengrundlagen. Auch ist die spätere Einführung einer Qualitäts- bzw. Qualitätssicherungskommission, der seit Januar 2004 auch der Vorsitzende des Antragstellers angehört, kein gegenteiliges Anzeichen, da diese Kommission keine Einrichtung der benannten DIN-ISO-Qualitätsmanagementsysteme darstellt.

(2) Absehbar erschien zum Zeitpunkt der Beschlussfassung allerdings eine Qualitätssicherung nach dem EFQM-Standard. Dieser war auch Bestandteil der Schulungs- und Fortbildungsveranstaltung, und zwar als vierter Block in einer fünf Gegenstände umfassenden Tagesordnung. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um dem Gesamtumfang der Schulung ein entsprechendes Gepräge zu geben. Allein um diesen Anteil der Fortbildung zu durchlaufen, war es nicht notwendig, den gesamten Schulungsumfang von fünf Blöcken wahrzunehmen. Die vom Antragsteller behauptete Verbindung des EFQM-Systems mit anderen Schulungsinhalten des vierten Blocks, nämlich mit denen der sog. TQM-Gegenstände ist nicht zwingend erkennbar und zudem auch nicht auf einen Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsgegenstand nach dem Betriebsverfassungsgesetz zurück zu führen.

(3) Für die Inhalte der Blöcke I bis III und V sieht die Kammer keinen Bezug zur seinerzeitigen konkreten und aktuellen Betriebsratsarbeit. Insbesondere der spezifisch medizinische Fachbezug des dritten Blocks gibt der Veranstaltung eher den Charakter einer ärztlichen Fortbildungsveranstaltung als den einer Betriebsräteschulung. Auch die auf das DIN-ISO-Verfahren bezogenen Blöcke I und II zeigen keine greifbaren Bezüge zur Betriebsratsarbeit auf, auch nicht bei einer abstrakten Betrachtung. Selbst wenn die Antragsgegnerin beabsichtigt hätte, ein derartiges Qualitätsmanagement-System einzuführen, wäre zweifelhaft, ob die Kenntnisvermittlung der Blöcke I und II der Betriebsratsarbeit dienlich gewesen wäre. Gleiches gilt für den betriebswirtschaftlich ausgestalteten fünften Block, dem ebenfalls kein Bezug zu einer spezifischen Betriebsarbeit zu entnehmen ist.

(4) Allerdings beinhaltet die Beschlussfassung des Antragstellers vom 26.2.2003 auch die "Weiterbildung zum ärztlichen Qualitätsmanager". Diesem Gegenstand dienen die einzelnen Veranstaltungsblöcke in erkennbarer Weise. Der Antragsteller selbst weist hierzu ausdrücklich darauf hin, dass ihm in seiner Funktion als Qualitätssicherungsbeauftragter bis heute keine Schulung erteilt worden sei. Da jedoch die Tätigkeit des Qualitätssicherungsbeauftragten eine funktionale Tätigkeit im Unternehmen und nicht im Institutionsgefüge der betrieblichen Mitbestimmung darstellt, kann die erstrebte Schulung allenfalls individualarbeitsvertraglich, nicht jedoch kollektivrechtlich geboten sein. Ferner lässt auch der Titel der wahrgenommenen Veranstaltung "Qualitätsmanagement/ Weiterbildung zum ärztlichen Qualitätsmanager" erkennen, dass ein tragender Bestandteil der Schulung die individuelle Fortbildung von ärztlichem Fachpersonal war. Dementsprechend erklärt sich auch ohne weiteres, dass die Veranstaltung mit 20 Fortbildungspunkten der Landesärztekammer pro Veranstaltungsblock versehen war. Zudem spricht auch der Umstand, dass einer der Veranstalter die "Akademie für ärztliche Fortbildung" war, für eine ausschließlich dem individuellen Fortkommen des teilnehmenden Arztes dienende Zweckrichtung der Schulung. Auch legen die abgehandelten Themen (Regelungen zur ärztlichen Qualitätssicherung, alternative Gesundheitssysteme, ManagedCare, Epidemilogie, Deutsches Versorgungssystem, Gesundheitsökonomie oder Dease Management) nahe, dass die Veranstaltung der Erweiterung ärztlichen Fachwissens diente. Dass möglicherweise auch nicht-ärztliches Personal unter den Teilnehmern war, mag dies nicht beeinträchtigen. Ein Bezug der Veranstaltung jedoch zur gegenwärtigen Betriebsratsarbeit des Antragstellers ist an keiner Stelle erkennbar. Da § 37 Abs. 6 BetrVG aber nur betriebsverfassungsrechtlich ausgerichtete, kollektive Schulungsveranstaltungen fördert, kann diese Bestimmung eine individuelle, in erster Linie dem persönlichen Fortkommen des Schulungsteilnehmers dienende Bildungsveranstaltung nicht tragen.

(5) Selbst wenn der Antragsteller ergänzend betont, die Geltendmachung der Schulungskosten erfolge bewusst ohne die Erhebung von Unkosten einer etwaigen Abschlussprüfung ihres Vorsitzenden zum ärztlichen Qualitätsmanager, folgt daraus nicht schon von selbst, dass es sich bei der Schulung um eine Betriebsräteschulung handeln müsste. Allein die Ausklammerung der Abschlussprüfungskosten aus einer an sich rein individuellen Fortbildung macht diese nicht automatisch zu einer Angelegenheit der Betriebsratsarbeit.

(6) Weitergehende Anspruchsgrundlagen zugunsten des Antragstellers sind nicht vorhanden; insbesondere ist auch der Gleichheitssatz kein Instrument der Begründung von betriebsverfassungsrechtlichen Schulungsansprüchen.

cc) Der Veranstaltung fehlt zudem auch die gebotene Verhältnismäßigkeit. Schulungs- und Bildungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG stehen unter dem Erfordernis, im Hinblick auf ihre Dauer und ihre Kosten in einem angemessenen Verhältnis zu dem bezweckten Schulungsziel zu stehen (BAG, 8.2.1977, AP Nr. 26 zu § 37 BetrVG 1972; 27.9.1974, AP Nr. 18 zu § 37 BetrVG1972; 8. 10. 1974, AP Nr. 7 zu § 40 BetrVG1972). Hierbei gilt das Prinzip möglichster Kostenschonung auch bei der Wahl der Veranstaltung (vgl. GK-BetrVG/Wiese/Weber, § 37 Rn. 182 f.). Der Antragsteller hat diesem Gebot nicht genügt. Die von ihm gewählte Veranstaltung war teurer als die Vergleichsveranstaltungen und war mit einer fünf-wöchigen Dauer auch länger als sie. Zudem ist eine fünf-wöchige Schulung für mehr als 4.000,- EURO Schulungskosten allein im Hinblick auf eine einzuführende EFQM-Qualitätssicherung schon ihrem Betrag und ihrer Dauer nach nicht ohne weiteres für angemessen zu erachten (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, 29.11.1996, NZA-RR 1997, 215 [216 f.]; ArbG Wetzlar, 22.11.1995, NZA-RR 1996, 336 f.).

d) Die Anträge waren daher in vollem Umfang unbegründet. Die Beschwerde konnte keinen Erfolg haben.

3. Eine Kostenentscheidung entfällt im Hinblick auf § 40 Abs. 1 BetrVG. Gerichtsgebühren und Auslagen werden nicht erhoben.

4. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da Gründe i. S. der §§ 92 Abs. 1 und 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorlagen.

Ende der Entscheidung

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