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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 29.05.2008
Aktenzeichen: 10 Sa 127/08
Rechtsgebiete: ArbGG, BDG, BBG, SGB VII, ZPO, DO


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
BDG § 5
BDG § 5 Abs. 1 Nr. 5
BDG § 8
BDG § 8 Abs. 1 Satz 1
BDG § 9
BDG § 10
BDG § 13
BDG § 16
BBG § 31 Abs. 1 Nr. 1
BBG § 54 Satz 1
BBG § 54 Satz 3
BBG § 55 Satz 2
BBG § 77 Abs. 1
BBG § 77 Abs. 1 Satz 1
SGB VII § 145
ZPO § 517
ZPO § 519
DO § 8 Abs. 1
DO § 9 Ziff. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.01.2008 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 27.09.2007, Az: 9 Ca 945/07, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Dienstentlassung der Klägerin mit Disziplinarverfügung vom 03.04.2007.

Die Klägerin (geb. am 23.02.1973, inzwischen verheiratet und Mutter eines Kindes) ist seit dem 01.08.1991 bei der Beklagten, seit 1996 in deren Bezirksverwaltung in M. zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt € 2.100,00 beschäftigt. Die beklagte Berufsgenossenschaft ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Die Klägerin ist in der Zeit vom 01.08.1991 zunächst bis zum 31.07.1994 bei der Beklagten unter Ernennung zur Verwaltungsinspektorenanwärterin für den gehobenen berufsgenossenschaftlichen Verwaltungsdienst ausgebildet worden. Aufgrund eines nicht erbrachten Leistungsnachweises ist die Ausbildungszeit bis zum 11.10.1995 verlängert worden. Die Klägerin erzielte die Abschlussnote "ausreichend".

Am 12.10.1995 wurde sie auf Probe eingestellt und im Arbeitsbereich "Schwere Berufskrankheiten" beschäftigt. Sie führte seitdem die Amtsbezeichnung Verwaltungsinspektorin zur Anstellung (z. A.). Damit erhielt sie den Status einer Dienstordnungsangestellten, so dass auf das Arbeitsverhältnis seither die Dienstordnungen der Beklagten (vgl. Bl. 112-132 d. A.) Anwendung finden. Die laufbahnrechtliche Probezeit endete nach zweieinhalb Jahren am 11.04.1998. Am Ende der Probezeit wurden die Leistungen der Klägerin als "mit Einschränkung ausreichend" bewertet. Mit Vollendung des 27. Lebensjahres am 23.02.2000 erfolgte die Anstellung der Klägerin als Dienstordnungsangestellte auf Lebenszeit. Sie führt nunmehr die Dienstbezeichnung "Verwaltungsinspektorin" und wird nach Besoldungsgruppe A 9 BBesO vergütet.

Der Klägerin wurden als Sachbearbeiterin für "Schwere Berufskrankheiten" jährlich etwa 170 Verfahren (neu angemeldete Berufskrankheiten) zugeteilt, monatlich sind etwa 140 Wiedervorlagen zu bearbeiten.

Am 10.04.2000 leitete die Beklagte ein erstes Vorermittlungsverfahren gegen die Klägerin ein. Mit Disziplinarverfügung vom 03.09.2002 (Bl. 78 - 79 d. A.) kürzte sie die Dienstbezüge der Klägerin um monatlich € 50,00 über einen Zeitraum von 24 Monaten (ab Oktober 2002). Zur Begründung führte die Beklagte - auszugs-weise - folgendes aus:

"Sie haben Akten über einen Zeitraum von bis zu 2,5 Jahren unbearbeitet liegen gelassen. In einem Fall (AZ.: .XY) haben Sie 22 telefonische Erinnerungen des Versicherten nicht aktenkundig gemacht. Sie haben dabei dem Versicherten Bearbeitungsschritte bzw. einen Bearbeitungsstand vorgegeben, die nicht den Tatsachen entsprachen. Tatsächlich haben Sie während des gesamten Zeitraums nichts für den weiteren Verfahrensgang veranlasst. Im Oktober 1999 stellte sich heraus, dass Sie diese Akte letztmalig im September 1997 bearbeitet hatten.

Um einer effizienten Kontrolle durch Ihre Vorgesetzten zu entgehen, wurde diese Akte auch nicht von Ihnen in der zu führenden Rückstandsliste aufgelistet.

Darüber hinaus haben Sie drei weitere Akten über einen Zeitraum von 6 bis 12 Monaten nicht bearbeitet. Weitere rückständige Akten haben Sie in Ihrem Schrank versteckt und Ihren Vorgesetzten vorgegeben, dass Sie nichts über den Verbleib der Akten sagen könnten.

In einem zweiten Fall (AZ.:AB) hätte aufgrund der vorliegenden Unterlagen bereits Anfang 1998 eine schwerwiegende Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt werden können. Im Juli 2000 hatten Sie diese Akte immer noch nicht bearbeitet. Auch hier haben Sie auf mindestens fünf telefonische Ermahnungen des Versicherten keine weiteren Bearbeitungsschritte veranlasst.

In drei weiteren Fällen hat sie Bearbeitungsrückstände von 3 bzw. 4 Monaten zu vertreten. ..."

Am 21.01.2005 hemmte die Beklagte den Aufstieg der Klägerin in die nächst höhere Leistungsstufe aufgrund ihrer unterdurchschnittlichen Leistungen.

Am 04.05.2005 leitete die Beklagte ein zweites Vorermittlungsverfahren gegen die Klägerin ein. Am 02.02.2006 erstellte der Vorermittlungsführer seinen Abschlussbericht (Bl. 30-39 d. A.). Mit Datum vom 22.11.2006 legte der Untersuchungsführer, Herr ROVG S., den Untersuchungsbericht (Bl. 57 - 77 d. A.) vor. Auf den Inhalt der beiden Berichte wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Mit Disziplinarverfügung vom 03.04.2007 (Bl. 26-27 d. A.), die der Klägerin am 16.04.2007 zugestellt worden ist, wurde sie aus dem Dienstverhältnis entlassen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 07.05.2007 beim Arbeitsgericht Mainz eingegangenen Klage.

Zur Begründung der Entlassung führte die Beklagte u.a. aus:

"...Sie haben im Zeitraum vom Ende 2002 bis Sommer 2004 insgesamt 14 Akten zwischen 4 und 19 Monaten unbearbeitet liegen gelassen. Während dieser Zeit haben Sie aktiv Kontrollmaßnahmen, die der Sicherung der Einhaltung einer zügigen und umfassenden Bearbeitung dienen, wie etwa generelle Anweisungen zur periodischen Vorlage von Rückständen sowie Einzelanweisungen, ignoriert und zur Verschleierung Ihres Verhaltens Vorgesetzte getäuscht...."

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird von einer nochmaligen Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 27.09.2007 (dort S. 2-7 = Bl. 234-239 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das Dienstordnungs-Anstellungsverhältnis durch den Bescheid der Beklagten vom 03.04.2007, zugegangen am 16.04.2007, nicht aufgelöst worden ist,

2. hilfsweise für Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) anstelle der mit Bescheid vom 03.04.2007 ausgesprochenen Dienststrafe der Entlassung, eine mildere Dienststrafe auszusprechen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit am 25.01.2008 verkündetem Urteil vom 27.09.2007 die Klage abgewiesen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe ein schweres Dienstvergehen begangen, das auch unter Berücksichtigung der Regelung in § 13 BDG ihre Entlassung entsprechend § 10 BDG rechtfertige.

Die Klägerin habe in erheblichem Maße gegen ihre Pflichten verstoßen. Der Untersuchungsführer habe ab Seite 3 unter Ziffer (1) bis Ziffer (16) seines Berichtes die Fehlverhaltensweisen der Klägerin im Einzelnen aufgeführt. Die Tatbestände als solche seien nicht streitig, lediglich die Schlussfolgerungen und Bewertungen der Parteien gingen auseinander. Die Beklagte habe das Verhalten der Klägerin zu Recht als Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 BBG bewertet. Die Beklagte habe auch ihr Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Sie sei ermessensfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass das Fehlverhalten der Klägerin eine Entlassung aus dem Dienst rechtfertige.

Die Beklagte habe sich die überzeugenden Überlegungen im Rahmen von § 13 BDG zu Eigen gemacht, die der unabhängige Untersuchungsführer auf Seite 15 bis 21 seines Untersuchungsberichts unter III dargestellt habe. Diese Ausführungen berücksichtigten umfassend sämtliche für und gegen die Klägerin sprechenden Gesichtspunkte, die auch aus Sicht der Kammer entscheidend seien, um die Entlassung als gerechtfertigt erscheinen zu lassen.

Die Beklagte könne nicht mehr auf eine ordnungsgemäße Aktenbearbeitung und wahrheitsgemäße Angaben der Klägerin vertrauen. Auch wenn man berücksichtige, dass die Klägerin entgegen früherer Verhaltensweise die Beklagte nicht mehr über den Verfahrensstand getäuscht habe, sei keine andere Maßnahme als die der Dienstentlassung verblieben. Eine Kürzung der Bezüge habe die Beklagte schon vorgenommen. Eine Rückstufung sei angesichts der Tatsache, dass sich die Klägerin in der niedrigsten Besoldungsgruppe befinde, nicht in Betracht gekommen. Es habe für die Beklagte auch nicht die rechtliche Möglichkeit bestanden, die Klägerin im Wege der Disziplinarmaßnahme in ein "normales" Angestelltenverhältnis zu überführen. Die Entlassung sei nicht unverhältnismäßig. Die Beklagte sei insbesondere nicht verpflichtet gewesen, mehr Kontrollmechanismen einzurichten und der Klägerin weitergehende Hilfestellung anzubieten. Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Seite 7 bis 14 des Urteils vom 27.09.2007 (Bl. 239-247 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin, der das Urteil am 11.02.2008 zugestellt worden ist, hat am 10.03.2008 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese am 07.04.2008 begründet.

Sie ist der Ansicht, die Disziplinarverfügung hätte nicht ergehen dürfen, zumindest sei die Entlassung unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft. Im Beamtenrecht sei das Entfernen aus dem öffentlichen Dienst als Disziplinarmaßnahme auf Extremfälle beschränkt. Der hier zu beurteilende Sachverhalt erfülle die Voraussetzungen eines Extremfalles nicht. Das erste Disziplinarverfahren beziehe sich auf Vorgänge, die vor Vollendung ihres 27. Lebensjahres gelegen hätten. Die Beklagte habe sie trotz der behaupteten Schlechtleistungen auf Lebenszeit ernannt. Dies stelle zugleich auch konkludent einen Verzicht dar, eine etwaige Schlechterfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten in einem gesonderten Verfahren zu ahnden. Wer genau wisse, dass der Mitarbeiter nicht über die gebotene fachliche Qualifikation verfüge und damit aus seiner Sicht nicht befähigt sei, könne ihn nicht einerseits auf Lebenszeit ernennen und andererseits Vorgänge, die vor dem Zeitpunkt der Ernennung lägen, disziplinarisch ahnden. Insoweit habe die Beklagte ihre Möglichkeiten nach der Disziplinarordnung verwirkt.

Da beamtenrechtlich die Disziplinierung des Beamten auf Probe auf den Verweis und die Geldbuße beschränkt sei, stelle bereits die Kürzung der Bezüge unter dem 03.09.2002 eine nachhaltig ermessensfehlerhafte Entscheidung dar. Die Beklagte habe damit die ihr in § 145 SGB VII auferlegten Grenzen überschritten, so dass ein Ermessensfehlgebrauch vorliege. Die Beklagte habe am 03.04.2007 nur deshalb ihre Entlassung verfügt, weil nach ihrer Auffassung gerade im Hinblick auf die bereits erfolgte Kürzung der Bezüge eine andere mildere Ahndung nicht in Betracht gekommen sei. Dies sei indes falsch. Selbst wenn es der Beklagten gestattet gewesen wäre, Vorgänge aus der Zeit vor ihrer Lebenszeiternennung disziplinarisch zu ahnden, hätte sie bei sorgfältiger Abwägung des Strafmaßes erkennen müssen, dass für die erste Disziplinarmaßnahme vom 03.09.2002 keine Rechtsgrundlage bestanden habe, da sich der Strafrahmen jedenfalls nur nach den für Beamte auf Probe geltend Regelungen hätte bestimmen dürfen. Die Entlassung sei mithin nicht zuletzt auch deshalb ermessensfehlerhaft, weil die erste Disziplinarmaßnahme das Rückwirkungsverbot und damit Art. 103 GG verletzt habe. Dies habe die Beklagte bei der vorzunehmenden Abwägung im Rahmen des zweiten Verfahrens nicht beachtet. So dürfe der Unrechtsgehalt der Tat nicht nachträglich höher bewertet werden.

Unabhängig davon sei ihre Entlassung nicht gerechtfertigt. Dies gelte nicht zuletzt auch deshalb, weil sie im Gesamtzeitraum lediglich 14 Akten nicht oder nicht zeitnah bearbeitet habe. Dieser Umfang stehe außer Verhältnis zum Gesamtumfang der zu bearbeitenden Akten. Auch müsse sich die Beklagte vorhalten lassen, dass sie im Hinblick auf die erste disziplinarische Ahnung nicht zeitnah eine Überprüfung der von ihr zu bearbeitenden Akten vorgenommen habe. Auch der sog. "Low Performer" lasse sich nun einmal nicht ohne Weiteres hinauswerfen. Es wäre angemessen gewesen, nach Ablauf der Wiedervorlagefristen zumindest stichprobenartige Überprüfungen vorzunehmen, was nicht geschehen sei.

Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 03.04.2008 (Bl. 262-269 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 25.01.2008 (Az.: 9 Ca 945/07) aufzuheben und festzustellen, dass das Dienstordnungs-Anstellungsverhältnis durch den Bescheid der Beklagten vom 03.04.2007, zugegangen am 16.04.2007, nicht aufgelöst worden ist,

hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem obigen Antrag, anstelle der mit Bescheid vom 03.04.2007 ausgesprochenen Dienststrafe der Entlassung eine mildere Dienststrafe auszusprechen.

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Entlassung der Klägerin sei nicht unverhältnismäßig. Die Klägerin reduziere den der Disziplinarverfügung vom 03.04.2007 zu Grunde liegenden Sachverhalt zu Unrecht auf "lediglich" 14 Akten. Das Arbeitsgericht habe sich dem Ergebnis des Untersuchungsberichtes des Richters am H. Oberverwaltungsgerichts S. vom 22.11.2006 zu Recht angeschlossen. Es sei unschädlich, dass sich die erste Disziplinarverfügung auf Vorgänge beziehe, die vor der Vollendung des 27. Lebensjahres der Klägerin lagen. Sie habe die Klägerin nicht in Kenntnis ihrer Pflichtverletzungen auf Lebenszeit angestellt. Das der Disziplinarverfügung vom 03.09.2002 zu Grunde liegende Vorermittlungsverfahren sei erst am 10.04.2000 und damit nach der Lebenszeiternennung eingeleitet worden. Erst dieses Vorermittlungsverfahren habe die Vorwürfe zum Vorschein gebracht, die zu der Disziplinarverfügung vom 03.09.2002 geführt hätten. Zum Zeitpunkt der Lebenszeiternennung sei ihr lediglich die unterdurchschnittliche Leistung der Klägerin bekannt gewesen. Die Ursachen hierfür habe sie jedoch in den unzureichenden Fachkenntnissen erblickt, was auch in der dienstlichen Beurteilung vom 29.01.1998 zum Ausdruck gekommen sei.

Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 05.05.2008 nebst Anlagen (Bl. 277-285 d. A.) Bezug genommen. Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt und die Feststellungen im Sitzungsprotokoll vom 29.05.2008 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die nach § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II. In der Sache hat die Berufung der Klägerin keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht ist im angefochtenen Urteil zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Entlassung der Klägerin nach §§ 9 Ziffer 3, 8 Abs. 1 der Dienstordnung der Beklagten (im Folgenden: DO) i.V.m. §§ 13, 10, 5 Abs. 1 Nr. 5 Bundesdisziplinargesetz (BDG) vorgelegen haben.

1. Nach § 8 Abs. 1 DO können Maßnahmen entsprechend des Bundesdisziplinargesetzes getroffen werden, wenn bei einem Dienstordnungsangestellten Tatbestände vorliegen, die bei einem Beamten ein Dienstvergehen darstellen würden. Ein Beamter begeht gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt.

Das Vorliegen von Dienstvergehen ist zwischen den Parteien unstreitig. Nach den Feststellungen des weisungsunabhängigen Untersuchungsführers, Herrn Richter am H. Oberverwaltungsgericht S., in seinem Bericht vom 22.11.2006 sind der Klägerin für den Zeitraum von Ende 2002 bis Sommer 2004 eine Vielzahl von Dienstpflichtverletzungen vorzuwerfen. Es handelt sich dabei um Fehlleistungen im unmittelbaren Zusammenhang mit den Kernpflichten der Klägerin, die Akten zeitgerecht und zuverlässig zu bearbeiten, Anweisungen zur Vorlage von Rückständen zu befolgen und ihren Vorgesetzten Bearbeitungsrückstände wahrheitsgemäß zu melden. Damit hat sie vielfach gegen die Verpflichtung aus § 55 Satz 2 BBG verstoßen, die Dienstpflichten einzuhalten. Zugleich hat sie ihre Pflichten gemäß § 54 Satz 1 und Satz 3 BBG verletzt, nämlich sich mit voller Hingabe ihrem Beruf zu widmen und sich innerhalb des Dienstes vertrauenswürdig zu verhalten.

Der Untersuchungsführer hat folgende Vorwürfe detailliert aufgelistet:

(1) Die Klägerin hatte die Akte Az. XY in Urlaubsvertretung des Sachbearbeiters zu bearbeiten. Ein am 21.02.2003 eingegangenes Nachuntersuchungsgutachten weist eine erhebliche Besserung nach. Zunächst wurde die Akte vom 26. bis 28.02.2003 in der Rechenstelle bearbeitet. Die Anhörung des Versicherten durch die Klägerin erfolgte am 11.07.2003.

Sie hat die Akte mehr als vier Monate nicht bearbeitet.

(2) In der Akte Az. AB ging die abschließende Stellungnahme des Gewerbearztes am 17.02.2003 ein. Erst am 03.07.2003 erfolgte die abschließende Rückfrage der Klägerin an die Versicherte. Der Bescheid wurde daher erst am 11.08.2003 gefertigt.

Die Klägerin hat die Akte mindestens 4 Monate nicht bearbeitet.

(3) In der Akte Az. 123 ging die Meldung der Erkrankung des Versicherten am 10.05.2002 bei der Beklagten ein. Am 26.05.2002 verstarb der Versicherte an einem Adenocarzinom. Am 13.01.2003 gingen zwei Arztberichte ein. Die 12-Monatsvorlage vom 24.05.2003 legte die Klägerin dem Vorgesetzten am 11.07.2003 vor. Mit Schreiben vom 10.07.2003 holte sie eine beratungsärztliche Stellungnahme nach Aktenlage ein.

Die Klägerin hat die Akte ca. 6 Monate nicht bearbeitet. Zudem hat sie die Standardvorlage vom 24.05.2003 erst am 11.07.2003 vorgelegt.

(4) In der Akte Az. 1234 lagen seit dem 16.10.2002 die Daten zur Rentenberechnung vor, die Akte ist jedoch bis zum 19.08.2003 nicht mehr bearbeitet worden. Die Rentenvorauszahlung und Endberechnung erfolgte erst im September 2003.

Die Klägerin hat die Akte 10 Monate nicht bearbeitet. Sie hat die Anweisung des Arbeitsbereichsleiters (ABL) vom 22.04.2003 bis zur Sitzung am 08.05.2003 einen Bescheidentwurf zu fertigen, bis zur Aktenkontrolle Ende Juli 2003 nicht erledigt.

(5) In der Akte Az. 3456 ist die abschließende gewerbeärztliche Stellungnahme am 14.03.2003 eingegangen, ein Bescheidentwurf wurde am 18.03.2003 gefertigt. Im Nachgang wies der ABL die Klägerin an, die Begründung zu überarbeiten. Bei Aktenkontrolle im Juli 2003, während des Urlaubs der Klägerin, wurde die fehlende Bearbeitung festgestellt.

Die Klägerin hat damit die Anweisung nicht befolgt und überdies die Akte über 4 Monate nicht bearbeitet.

(6) In der Akte Az. 5678 hatte die Klägerin den zuständigen Sachbearbeiter vom 03.03.2003 bis zum 07.03.2003 zu vertreten. Mit Vermerk vom 27.02.2003 des zuständigen Sachbearbeiters, der die Zustimmung der zuständigen Sachbereichsleiterin (SBL) gefunden hatte, war eine beratungsärztliche Stellungnahme einzuholen. Einen Eingang der Krankenkasse der Versicherten vom 06.02.2003 bearbeitete die Klägerin am 11.03.2003. Eine Bearbeitung des Vermerks oder Rückgabe der Akte durch die Klägerin erfolgte nicht. Erst nach Suche der Akte durch die Registratur gelangt diese am 15.08.2003 über den ABL wieder an den zuständigen Sachbearbeiter.

Die Klägerin hat die Bearbeitung der Akte über 4 Monate verhindert.

(7) Die Akte, Az. 123456 hat die Klägerin am 20.02.2004 bearbeitet und zum 30.03.2004 eine Wiedervorlage verfügt. Eine Weiterbearbeitung erfolgte jedoch erst am 13.09.2004.

Die Klägerin hat die Akte mehr als 5 Monate nicht bearbeitet.

(8) In der Akte Az. 56767676 stammte der letzte Eingang vom 25.10.2002. Auf den Bearbeitungsvermerk des ABL vom 15.01.2003 bearbeitete die Klägerin die Akte erst am 22.12.2003, d. h. 11 Monate später.

Die Klägerin hat die Akte mithin ca. 11 Monate nicht bearbeitet und darüber hinaus eine Anordnung eines Vorgesetzten nicht befolgt.

(9) In der Akte Az. 9999999 sollte die Klägerin laut Teamgespräch vom 17.02.2003 durch Anfrage beim Versicherten die Lärmbelästigung am Arbeitsplatz klären und anschließend die BG um Übernahme bitten. Mit Vermerk der SBL vom 19.03.2003 wurde die Klägerin angewiesen diese Ermittlungen umgehend durchzuführen. Die Anfrage erfolgte erst am 11.07.2003.

Die Klägerin ist der Anweisung der SBL nicht gefolgt. Sie hat die Akte knapp 4 Monate nicht bearbeitet.

(10) In der Akte Az. 8888888 hat die Klägerin mit Schreiben vom 29.08.2003 den TBC-Fragebogen an den Versicherten gesandt, der ausgefüllt am 12.09.2003 zurückkam. Die 12-Monatsvorlage vom 17.10.2003 wurde dem Vorgesetzten erst am 06.09.2004 vorgelegt.

Die Klägerin hat die Akte 11 Monate nicht bearbeitet. Sie hat die 12-Monatsvorlage fast ein Jahr verspätet dem zuständigen Vorgesetzten vorgelegt.

(11) In der Akte Az. 7777777 ging ein Gutachten am 18.09.2003 ein, welches weitere Ermittlungsschritte erforderlich machte. Am 19.09.2003 informierte die Klägerin die Krankenkasse dahingehend, dass das Gutachten noch nicht eingegangen sei. Trotz weiterer Posteingänge und Standardtermine vom 10.10.2004 nebst Erinnerung und 18.10.2004 nebst Erinnerung wurde die Akte erst am 19.11.2004 dem ABL zur Einsicht gebracht und von diesem dann zunächst weiter bearbeitet.

Die Klägerin hat die Akte über 11 Monate nicht bearbeitet. Sie hat die Akte zu mehreren Standardterminen dem Vorgesetzten nicht vorgelegt.

(12) In der Akte Az. 66666666 datiert der letzte bearbeitete Standardtermin vom 15.08.2002, danach sind bis zum Ablehnungsbescheid vom 09.09.2004 keine weiteren Standardtermine mehr aktenkundig. Am 10.03.2003 gingen eine beratungsärztliche Stellungnahme und weitere Schreiben ein. Entgegen dem Vermerk vom 11.08.2004 hat die Klägerin einen am 24.01.2003 gefertigten Bescheidentwurf am 24.04.2003 und damit nach Eingang der beratungsärztlichen Stellungnahme an die SBL weitergegeben, der aber einer Überarbeitung bedurfte. Diese Überarbeitung erfolgte erst am 07.08.2004, mit der Fertigung eines weiteren Bescheidentwurfes.

Die Klägerin hat die Akte somit über ein Jahr nicht bearbeitet. Sie hat die Akte zu mehreren Standardterminen dem Vorgesetzten nicht vorgelegt.

(13) In der Akte Az. 555555 fertigte die Klägerin am 12.10.2002 einen Vermerk, mit dem sie nach dem weiteren Vorgehen fragt. Die Vorgesetzte SBL antwortete mit Bearbeitungshinweis vom 23.10.2002, wonach die Versicherte in einem persönlichen Gespräch umfassend über die Anspruchsvoraussetzungen und die Beweisführung aufgeklärt werden sollte. Eine aktenkundige Bearbeitung erfolgte erst am 07.02.2003. Die Klägerin fertigte einen eigenen Vermerk mit dem Vorschlag eine Begutachtung durchzuführen, da eine ausreichende Einwirkung vorliege. In Vertretung der SBL erwiderte BK-SBL, gegengezeichnet durch den Arbeitsbereichsleiter mit Vermerk vom 07.02.2003 und verwies auf den Bearbeitungshinweis der SBL.

Die 6-Monatsvorlage vom 12.10.2002 findet sich in der Akte, die 12-Monatsvorlage vom 12.04.2003 dagegen nicht. Eine Vorlage der 12- und 18-Monatsvorlage hat somit nicht stattgefunden. Den Versuch einer Kontaktaufnahme startete die Klägerin laut Akte erst am 01.09.2004. Die Akte ist damit über 19 Monate nicht bearbeitet worden.

Entgegen der Anweisung des stellvertretenden Geschäftsführers vom August 2003 hat die Klägerin die Akte nicht sofort bearbeitet. Zudem hat die Versicherte mit der Klägerin und mit der Sachbereichsleiterin mehrfach telefoniert und sich über die verschleppte Aktenbearbeitung der Klägerin beschwert und kein Verständnis hierfür aufgebracht, da die Versicherte der Ansicht war, alle erforderlichen Angaben gemacht zu haben.

Die Klägerin hat die Akte ca. 19 Monate nicht bearbeitet. Sie hat mehrfache konkrete Anweisungen zur Bearbeitung, u. a. die des stellvertretenden Geschäftsführers vom August 2003, nicht beachtet.

(14) In der Akte Az. 1111111 bezog die Versicherte Verletztengeld, war aber am 20.06.2002 verstorben. Daher war ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu prüfen. Die letzte Bearbeitungshandlung der Klägerin erfolgte am 02.12.2002. Es fehlten noch Berichte des zuletzt behandelnden Krankenhauses zur Todesursache. Ein Abschluss der Akte war jedoch bereits seit dem 30.08.2002 möglich, da laut telefonischer Auskunft des behandelnden Arztes der Tod der Versicherten auf einer berufserkrankungsfremden Ursache, einer durch einen Sturz hervorgerufenen zerebralen Blutung, beruhte. Die Klägerin erinnerte erst mit Telefonat vom 18.08.2003 das Krankenhaus an die Übersendung der Berichte. Anschließend ließ sie die Akte bis August 2004 unbearbeitet und legte die Akte zu dem ABL-Vorlagetermin vom 01.09.2003 nicht vor. Zwei Erinnerungen ließ sie unbeachtet.

Die Klägerin hat die Akte zweimal hintereinander fast 1 Jahr lang nicht bearbeitet. Es lässt sich zwar nicht feststellen, dass sie die Anweisung des Geschäftsführers von August 2003, die rückständigen Akten unverzüglich zu bearbeiten, nicht durch die telefonische Nachfrage vom 18.08.2003 befolgt hat. Weder ist den Akten zu entnehmen, wann die Anweisung erfolgt ist, noch konnten sich Zeugen an einen exakten Zeitpunkt der Anweisung erinnern. Gleichwohl ist festzustellen, dass die Akte faktisch, mit Ausnahme einer ohnehin angesichts der Aktenlage nicht zwingend erforderlichen Rückfrage beim Krankenhaus, von der Klägerin sachlich nicht bearbeitet worden ist, obwohl der Geschäftsführer sie im August 2003 deshalb ermahnt und zur unverzüglichen Bearbeitung aufgefordert und sie das auch zugesagt hatte.

(15) Nach den Anweisungen der BV-M. sind 14 Tage vor dem Urlaub eines jeden Mitarbeiters die rückständigen Akten mit dem zuständigen Sachbereichsleiter zu besprechen. Dies hat die Klägerin vor ihrem Urlaub vom 14.07.2003 bis zum 01.08.2003 nicht getan. Bei einer Kontrolle des Aktenbestandes der Klägerin sind nach Antritt ihres Urlaubs unbearbeitete und rückständige Akten entdeckt worden. Dies betraf die unter den Ziffern 1 bis 6, 8, 9, 12 bis 14 ausgeführten Vorgänge, mithin 11 Akten.

Die Klägerin hat die Arbeitsanweisung zur Aktenvorlage missachtet.

(16) Vor ihrem Sommerurlaub 2004 ist die Klägerin entgegen der Anweisung nicht 14 Tage, sondern erst zwei Tage vorher zur Besprechung ihrer rückständigen Akten zu ihrer Sachbereichsleiterin gegangen. Die Klägerin gab ihr gegenüber an, nur zwei rückständige Akten zu haben, die in der Folge durchgesprochen wurden. Während des Sommerurlaubs der Klägerin wurden bei einer erneuten Kontrolle des Aktenbestandes jedoch nicht nur die gemeldeten zwei, sondern sieben rückständige Akten gefunden.

Die Klägerin hat ihre Vorgesetzten über die Zahl der rückständigen Akten getäuscht.

2. Diese festgestellten Dienstpflichtverletzungen der Klägerin wiegen so schwer, dass ihre Entlassung aus dem Dienst (§§ 13, 10 BDG) gerechtfertigt ist. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall angemessen ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild des Beamten sowie der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (§ 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG). Eine Entfernung aus dem Dienst ist dann auszusprechen, wenn der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BDG). Bei der Frage nach der Schwere des Dienstvergehens ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung sowie besondere Umstände der Tatbegehung), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG Urteil vom 20.10.2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252-265).

Das Arbeitsgericht hat überzeugend ausgeführt, dass die Klägerin trotz einer Ahndung ähnlicher Verhaltensweisen mit Disziplinarverfügung vom 03.09.2002 durch eine Gehaltskürzung auch danach immer wieder gegen dienstliche Kernpflichten verstoßen habe. Ein solches Verhalten könne gerade bei einschlägiger disziplinärer Vorbelastung das Vertrauen des Arbeitgebers darauf, dass die Arbeitnehmerin in Zukunft ihren Pflichten ordnungsgemäß nachkommen wird, nachhaltig zerstören. Hinzu komme, dass die Klägerin auch schon im Sommer 2003 auf die damals aufgefundenen Akten, die in der Anlage B 5 (Bl. 109-110 d. A.) aufgeführt und vom Untersuchungsführer näher behandelt worden sind, angesprochen worden sei. Ihr sei verdeutlicht worden, dass Entsprechendes nicht mehr vorkommen dürfe, es sei ihre "letzte Chance". Der Klägerin sei also noch einmal - unabhängig von der schon verhängten Disziplinarverfügung - klar gemacht worden, dass ein Fehlverhalten, wie es in ihrer Abwesenheit im Sommer 2003 entdeckt worden ist, nicht geduldet werde. Dennoch habe sie sich in den vom Untersuchungsführer aufgeführten Fällen in gleicher Weise verhalten. Sie habe erneute Verzögerungen verursacht und insbesondere gerade auch die ihr im August 2004 aufgegebene Bearbeitung konkreter Akten unterlassen. So sei in der unter (10) auf Seite 5 des Untersuchungsberichts aufgeführten Akte schon knapp drei Monate nach dem Gespräch im August 2003 die 12-Monats-Vorlage nicht beachtet und die Akte elf Monate lang nicht bearbeitet worden. Die unter (8) aufgeführte Akte sei ebenfalls am 22.08.2003 zur Sprache gekommen. Es sei festgestellt worden, dass sie seit dem Bearbeitungsvermerk des Vorgesetzten der Klägerin im Januar 2003 nicht bearbeitet worden sei. Trotz der Anweisung aus August 2003, die rückständigen Akten sofort zu bearbeiten, sei eine weitere Bearbeitung erst am 22.12.2003 erfolgt. Besonders schwerwiegend sei, dass die Klägerin nicht wahrheitsgemäß berichtet habe. So sei nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Beklagten der Bericht vom 01.04.2004 (Anlage B 4, Bl. 108 d. A.) unzutreffend. Statt vier Akten mit einem Bearbeitungsrückstand von über vier Wochen, habe es davon sechs gegeben. Vor ihrem Urlaubsantritt im Sommer 2004 habe die Klägerin, statt 14 Tage vor ihrem Urlaub, erst zwei Tage vor ihrem Urlaub den Bestand an rückständigen Akten angegeben und dies wiederum unzutreffend.

Diesen Ausführungen des Arbeitsgerichts ist nichts hinzuzufügen. Sie werden mit der Berufung auch nicht angegriffen.

Die Berufungskammer teilt die Ansicht des Arbeitsgerichts, dass sich das Fehlverhalten der Klägerin als besonders gravierend darstellt, weil die hier in Rede stehenden Dienstpflichtverletzungen zu einer Zeit begangen wurden, als gegen die Klägerin bereits durch rechtskräftige Disziplinarverfügung vom 03.09.2002 eine Kürzung der Dienstbezüge für 24 Monate von Oktober 2002 bis September 2004 verhängt worden war, wobei es sich bei den zugrundeliegenden Vorwürfen, "mehrmonatige Bearbeitungsrückstände, Täuschung der Vorgesetzten durch Nichtaufführung in der Rückstandliste" um einschlägiges dienstliches Fehlverhalten handelt. Gerade die Täuschung der Vorgesetzten über das wahre Ausmaß der Rückstände, zeigt, dass die Beklagte nicht mehr auf eine ordnungsgemäße Aktenbearbeitung und wahrheitsgemäße Angaben der Klägerin vertrauen konnte.

Die mit Disziplinarverfügung vom 03.09.2002 geahndeten Dienstvergehen, nämlich Akten über einen Zeitraum von mehreren Monaten bis Jahren nicht bearbeitet und ihre Vorgesetzten über die Bearbeitungsrückstände getäuscht zu haben, hat die Klägerin nicht bestritten. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin im Hinblick auf die Wahrnehmung ihrer dienstlichen Kernaufgaben in hohem Maße unzuverlässig war. Es musste jederzeit damit gerechnet werden, dass sie ihre Aufgaben nicht entsprechend den dienstlichen Vorgaben verrichtet. Sie ist letztlich trotz disziplinärer Maßnahmen und den damit verbundenen Ermahnungen und Warnungen völlig uneinsichtig geblieben, so dass die Prognose zukünftigen Fehlverhaltens in hohem Maße gerechtfertigt ist. Dass die Beklagte sich für eine Entfernung aus dem Dienst entscheiden hat, ist unter Ermessensgesichtspunkten deshalb rechtlich nicht zu beanstanden.

Insbesondere die Unehrlichkeit der Klägerin im Zusammenhang mit den Bearbeitungsrückständen ist geeignet, das Vertrauensverhältnis zu zerstören. Aufgrund der Bedeutung und der leichten Einsehbarkeit der Pflicht, keine Bearbeitungsrückstände aufkommen zu lassen bzw. diese wenigstens wahrheitsgemäß zu melden, offenbart sich ein besonders hohes Maß an Verantwortungslosigkeit und Mangel an Einsicht in die Notwendigkeit einer geordneten Verwaltung.

Die Gesamtwürdigung der Dienstvergehen ergibt, dass sich die Klägerin im Hinblick auf die Erfüllung grundlegender Dienstpflichten als in hohem Maße unzuverlässig erwiesen hat. Aus Art, Häufigkeit und zeitlicher Dauer der Verfehlungen muss geschlossen werden, dass sie auch künftig keine Gewähr bietet, ihre arbeitsvertragliche Kernpflicht, insbesondere die Pflicht Akten zuverlässig und zeitnah zu bearbeiten und keine Rückstände aufkommen zu lassen, uneingeschränkt zu erfüllen.

3. Die Berufungskammer pflichtet den Erwägungen des Arbeitsgerichts auch insoweit bei, dass die Beklagte nicht verpflichtet war, aus dem disziplinarrechtlichen Maßnahmenkatalog des § 5 BDG der Klägerin eine mildere Disziplinarmaßnahme aufzuerlegen. Die Beklagte hat ihr Ermessen i.S.d. § 13 BDG fehlerfrei gebraucht.

Eine Kürzung der Dienstbezüge nach § 8 BDG hatte die Beklagte mit Verfügung vom 03.09.2002 schon erfolglos vorgenommen. Eine Zurückstufung nach § 9 BDG kam angesichts der Tatsache, dass sich die Klägerin in der niedrigsten Besoldungsgruppe (A 9 BBesO) ihrer Laufbahn befand, nicht in Betracht. Andere Maßnahmen verblieben nicht. Insbesondere bestand für die Beklagte die rechtliche Möglichkeit nicht, die Klägerin im Wege der Disziplinarmaßnahme in ein "normales" Angestelltenverhältnis - ggf. zu einer geringeren Vergütung - zu überführen (vgl. BAG Urteil vom 25.02.1998 -2 AZR 256/97 - NZA 1998, 1182).

4. Der Einwand der Klägerin, die Beklagte sei am 03.04.2007 daran gehindert gewesen, ihre Dienstvergehen aus der Zeit von Ende 2002 bis Sommer 2004 mit einer Entlassung zu ahnden, weil die erste Disziplinarmaßnahme vom 03.09.2002 auf Kürzung der Dienstbezüge ermessensfehlerhaft gewesen sei, greift nicht durch.

Richtig ist zwar, dass die erste Disziplinarmaßnahme vom 03.09.2002 auf Dienstvergehen beruhte, die die Klägerin bereits vor ihrer Lebenszeiternennung mit Vollendung des 27. Lebensjahres begangen hatte. Das erste Vorermittlungsverfahren ist jedoch erst am 10.04.2000 und damit nach der Lebenszeiternennung vom 23.02.2000 eingeleitet worden. Nach der Ernennung auf Lebenszeit war im Zeitpunkt der Disziplinarmaßnahme am 03.09.2002 die Verhängung der Kürzung der Dienstbezüge nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BDG zulässig. Ein disziplinarrechtliches Ahndungsverbot für Dienstvergehen vor der Lebenszeiternennung besteht gemäß § 16 BDG, der die Verwertungsverbote regelt, nicht.

Auch der Hinweis der Klägerin, dass die Beklagte bei rechtmäßigem Handeln ihre Dienstvergehen vor der Lebenszeiternennung nur mit einem Verweis oder einer Geldbuße hätte ahnden dürfen, begründet keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der ersten Disziplinarverfügung vom 03.09.2002. Nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG kann ein Beamter auf Probe entlassen werden, wenn ein Dienstvergehen vorliegt, das bei einem Beamten auf Lebenszeit mindestens die Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte. Selbst wenn die Klägerin am 23.03.2000 zu Unrecht auf Lebenszeit ernannt worden sein sollte, weil schon damals die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG für ihre Entlassung vorgelegen hätten, führt dies nicht zur Fehlerhaftigkeit der Verhängung einer Gehaltskürzung mit Disziplinarverfügung vom 03.09.2002 nach ihrer Lebenszeiternennung. Ein disziplinarer Verfolgungsanspruch kann durch Verwirkung oder Verzicht nicht ausgeschlossen werden (BVerwG Beschluss vom 06.07.1984 - 1 DB 21/84 - NJW 1985, 15 und Beschluss vom 26.02.1988 - 2 WD 37/87 - NVwZ 1989, 561). Selbst wenn sich die Beklagte aus - womöglich unzutreffenden - Rechtsgründen für verpflichtet gehalten haben sollte, die Klägerin mit Vollendung ihres 27. Lebensjahres auf Lebenszeit zu ernennen, verlieren ihre Pflichtverletzungen vor der Lebenszeiternennung nicht die disziplinare Relevanz. Eine - wie auch immer geartete - Sperrwirkung ist nicht eingetreten.

5. Schließlich ist auch der Umstand, dass die Klägerin eine stärkere Kontrolle oder Hilfestellung vermisst, nicht geeignet, eine mildere Disziplinarmaßnahme zu rechtfertigen. Der Beklagten kann nicht zugemutet werden, eine ordnungsgemäße Sachbearbeitung auf Dauer durch eine ständige Überprüfung der Klägerin zu gewährleisten. Lückenlose Kontrollen sind mit dem Prinzip effektiver und sparsamer Erfüllung der Aufgaben öffentlicher Verwaltung nicht zu vereinbaren.

III. Nach alledem ist die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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