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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 23.10.2008
Aktenzeichen: 10 Sa 303/08
Rechtsgebiete: BGB, ArbGG, ZPO, KSchG


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 174
BGB § 612 a
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 517
ZPO § 519
KSchG § 1 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 10. April 2008, Az.: 6 Ca 89/08, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien streiten - nach Rücknahme der Berufung im Übrigen - noch über die Wirksamkeit zweier Kündigungen der Beklagten vom 11.01 und 31.01.2008. Der Kläger (geb. am 15.06.1961) ist seit dem 16.05.2007 im Betrieb der Beklagten zu einem Monatspauschallohn von € 1.700,00 brutto als Kraftfahrer beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt ca. 20 Arbeitnehmer. Der schriftliche Arbeitsvertrag zwischen den Parteien hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut: "Arbeitsvertrag

Für Kraftfahrer und Beifahrer im Güter- und Möbelfernverkehr 1. Beginn: Herr C. wird ab 16.05.2007

als Kraftfahrer im Güter-/Möbelfernverkehr eingestellt.

...

4. Inhalt der Tätigkeit, Umfang der Pflichten:

Der Arbeitgeber behält sich ausdrücklich vor, dem Arbeitnehmer innerhalb des Unternehmens jeweils andere zumutbare Tätigkeiten zu übertragen, wenn die Verwendung auf dem vorgesehenen Arbeitsplatz vorübergehend oder dauernd nicht möglich ist oder eine Umsetzung oder eine Versetzung betrieblich notwendig ist.

..." Mit Anwaltsschreiben vom 11.01.2008, das der Beklagten am selben Tag per Telefax übermittelt worden ist, mahnte der Kläger u.a. die Zahlung seiner Löhne für die Monate November und Dezember 2007 an. Mit Schreiben vom 11.01.2008, dem Kläger am 15.01.2008 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 15.02.2008. Das Kündigungsschreiben (Bl. 18 d. A.) ist von Herrn C.-P. D., dem Sohn des Geschäftsführers, als Logistikmanager unterzeichnet worden. Der Kläger wies die Kündigung mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde mit Schreiben vom 21.01.2008 zurück. Daraufhin kündigte die Beklagte mit weiterem Schreiben vom 31.01.2008 (Bl. 36 d. A.), dem Kläger zugegangen am 02.02.2008, das Arbeitsverhältnis zum nächstmöglichen Zeitpunkt, spätestens zum 15.03.2008 erneut. Diese Kündigung wies der Kläger mit der Begründung zurück, es sei nicht erkennbar, dass die Unterschrift vom Geschäftsführer stamme. Der Kläger wendet sich gegen beide Kündigungen mit seiner am 28.01.2008 erhobenen und am 06.02.2008 erweiterten Klage. Der Kläger hat außerdem die Zahlung seiner Monatslöhne für November 2007, Dezember 2007 und Januar 2008 in Höhe von jeweils € 1.700,00 brutto und die Erteilung von Lohnabrechnungen für die Zeit von Oktober 2007 bis Januar 2008 geltend gemacht. Außerdem begehrte er die Zahlung von Überstundenvergütung für die Zeit von Mai bis Dezember 2007 in einer Gesamthöhe von € 3.420,50 brutto. Das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - hat über die Überstundenvergütung noch nicht entschieden und mit Teil-Urteil vom 10.04.2008 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch beide Kündigungen der Beklagten nicht aufgelöst worden ist und die Beklagte zur Zahlung der rückständigen Monatslöhne sowie zur Erteilung von Lohnabrechnungen verurteilt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die erste Kündigung vom 11.01.2008 sei bereits nach § 174 BGB unwirksam, die zweite Kündigung vom 31.01.2008 sei weder aus betriebsbedingten noch aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Seite 5 bis 9 des Teilurteils (= Bl. 79 - 83 d. A.) Bezug genommen. Die Beklagte, der das Teilurteil am 28.04.2008 zugestellt worden ist, hat am 28.05.2008 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese innerhalb der bis zum 25.07.2008 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit am 25.07.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet. Im Termin vor der Berufungskammer hat sie die Berufung teilweise zurückgenommen, soweit sie zur Zahlung der drei Monatslöhne und zur Erteilung von Abrechnungen verurteilt worden ist. Die Beklagte macht geltend, die erste Kündigung vom 11.01.2008 scheitere nicht an § 174 BGB. Es habe keiner Vollmachtsvorlage bedurft, weil Herr C. D. für die Abwicklung arbeitsrechtlicher Vorgänge, insbesondere zur selbständigen Einstellung von Arbeitnehmern und zur Kündigung ermächtigt sei. Es sei gerichtsbekannt, dass Herr C. D. bereits seit Jahren für arbeitsrechtliche Vorgänge verantwortlich sei und den Geschäftsführer in Gerichtsterminen vertrete. Der Belegschaft sei bekannt, dass Herr C. D. über entsprechende Vollmachten verfüge. Sowohl für die Erst- als auch für die vorsorgliche Zweitkündigung liege ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vor. Der Arbeitsplatz des Klägers sei weggefallen, eine Umsetzung im Betrieb habe der Kläger verweigert. Ihr Vertragspartner, die Firma Z., sei Ende des Jahres 2007/ Anfang 2008 nicht mehr bereit gewesen, das Vertragsverhältnis fortzusetzen. Dies sei darauf zurückzuführen gewesen, dass der Kläger wiederholt und trotz anderslautender Anweisungen Stückgut, das ihm zum Ausfahren überlassen worden sei, eigenmächtig nicht ausgefahren, sondern zur Firma Z. zurückgebracht oder ihm aufgetragene Touren eigenmächtig umgeplant habe. Nachdem die Firma Z. den Vertrag aufgelöst habe, werde der Lkw, der früher für diese Touren genutzt worden sei, nicht mehr eingesetzt. Dies habe sie nicht zum Anlass genommen, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Sie habe dem Kläger vielmehr angeboten, ihn entweder als Fahrer für die Firma X. (Saarbrücken) oder aber für die Firma Y. (Trier) einzusetzen. Der Kläger habe beide Angebote, die ihm vor Ausspruch der Kündigungen unterbreitet worden seien, trotz genügender Überlegungszeit abgelehnt. Ihm sei erklärt worden, dass er im Falle der Ablehnung mit einer Beendigungskündigung rechnen müsse. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, einen Arbeitsplatz freizukündigen bzw. eine Sozialauswahl durchzuführen, weil der Kläger lediglich als Kraftfahrer im Stückgutbereich beschäftigt worden sei, während andere Arbeitnehmer ausschließlich im Speditionsgewerbe tätig seien. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 25.07.2008 (Bl. 108-113 d. A.) Bezug genommen. Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 10.04.2008, Az.: 6 Ca 89/08, aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er bestreitet, dass die Firma Z. das Vertragsverhältnis mit der Beklagten aufgelöst habe. Von anderen Mitarbeitern sei ihm vielmehr berichtet worden, dass der von ihm zuvor gefahrene Lkw auf derselben Tour weiter eingesetzt werde. Die Beklagte habe ihm vor Ausspruch der Beendigungskündigungen keine Alternativbeschäftigungen angeboten. Wegen der Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 12.09.2008 (Bl. 143-147 d. A.) Bezug genommen. Entscheidungsgründe:

I. Die nach § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig. II. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die erste Kündigung der Beklagten vom 11.01.2008 zum 15.02.2008 noch durch die zweite Kündigung vom 31.01.2008 spätestens zum 15.03.2008 aufgelöst worden ist. Beide Kündigungen sind nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt, weil sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen, bedingt sind. Die beiden Beendigungskündigungen sind unverhältnismäßig, weil der Kläger nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten im Zeitpunkt der Kündigungen auf anderen Arbeitsplätzen im Betrieb, entweder als Fahrer für die Kundin X. aus Saarbrücken oder als Fahrer für die Kundin Y. aus Trier, hätte weiterbeschäftigt werden können. Selbst wenn die bestrittene Behauptung der Beklagten zutreffen sollte, dass der ursprüngliche Arbeitsplatz des Klägers als Fahrer für die Kundin Z. weggefallen ist, hätte sie als milderes Mittel gegenüber einer Beendigungskündigung, dem Kläger kraft ihres Direktionsrechts einen freien Arbeitsplatz als Fahrer für ihre anderen Kundinnen X. oder Y. zuweisen müssen. Dies hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrages ist der Kläger als Kraftfahrer im Güter-/ Möbelfernverkehr eingestellt worden. In Ziffer 4 des Vertrages hat sich die Beklagte ausdrücklich vorbehalten, dem Kläger innerhalb des Unternehmens jeweils andere zumutbare Tätigkeiten zu übertragen, wenn die Verwendung auf dem vorgesehenen Arbeitsplatz vorübergehend oder dauernd nicht möglich ist oder eine Umsetzung oder eine Versetzung betrieblich notwendig ist. Da die von der Beklagten beabsichtigte Änderung der Arbeitsbedingungen - wovon das Arbeitsgericht zu Recht ausgegangen ist - bereits durch die Ausübung des Weisungsrechts hätte erreicht werden können, bedurfte es keiner Beendigungskündigung. Selbst eine Änderungskündigung wäre unverhältnismäßig gewesen (vgl. zur "überflüssigen" Änderungskündigung: BAG Urteil vom 06.09.2007 - 2 AZR 268/06 - AP Nr. 135 zu § 2 KSchG 1969). Das Vorbringen der Beklagten, sie hätte dem Kläger vor Ausspruch der beiden Kündigungen angeboten, ihn als Fahrer für die Firmen X. oder Y. einzusetzen, ist unsubstantiiert. Das gleiche gilt für ihre Behauptung, der Kläger habe diese Angebote trotz genügender Überlegungszeit abgelehnt. Dem Vorbringen der Beklagten lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, wann genau und bei welcher Gelegenheit, sie dem Kläger die Änderungsangebote mit welchem konkreten Inhalt unterbreitet haben will und welche Überlegungszeit ihm eingeräumt worden sein soll. Der Antrag der Beklagten, den Zeugen C. D. zu ihrem Vortrag zu vernehmen, war demgemäß auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gerichtet. Der als Zeuge benannte C. D., der im Termin als Vertreter für die persönlich geladene Beklagte erschienen ist, konnte auf Befragen der Berufungskammer im Rahmen seiner Anhörung nur vage antworten, er habe die Änderungsangebote "Anfang 2008" unterbreitet und dem Kläger "zwei bis drei Wochen" Überlegungszeit eingeräumt. Angesichts des Umstandes, dass die erste Kündigung bereits am 11.01.2008 erklärt worden ist, kann seine Behauptung so nicht zutreffen. Es kann letztlich auch dahinstehen, ob die Beklagte dem Kläger vor Ausspruch der beiden Kündigungen angeboten hat, für die Firmen X. oder Y. zu fahren. Selbst wenn der Kläger die Angebote abgelehnt haben sollte, hätte der Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung eine vorherige Abmahnung erfordert, welche ihm die Gefährdung des Bestandes des Arbeitsverhältnisses vor Augen geführt hätte, worauf bereits das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat. Dem Arbeitgeber wird nichts Unzumutbares abverlangt, wenn er darauf verwiesen wird, von seinem Direktionsrecht Gebrauch zu machen. Er kann dem Arbeitnehmer die betreffende Tätigkeit ohne Weiteres zuweisen. Weigert sich der Arbeitnehmer, die Tätigkeit auszuüben, kann der Arbeitgeber nach Abmahnung verhaltensbedingt kündigen. Eine betriebsbedingte Kündigung ist jedoch unverhältnismäßig, wenn es ihrer nicht bedarf, weil die Arbeitsbedingungen bereits aufgrund der Ausübung des Direktionsrechts geändert werden können. Auf die Frage, ob die erste Kündigung vom 11.01.2008 auch wegen fehlender Vorlage einer Vollmachtsurkunde nach § 174 BGB unwirksam ist, kommt es nicht mehr an. Ebenso kann dahinstehen, ob die beiden Kündigungen nach §§ 612 a, 134 BGB unwirksam sind, weil sie dem Maßregelungsverbot widersprechen. Der zeitliche Zusammenhang zwischen der Anmahnung der Löhne für November und Dezember 2007 mit Telefax vom 11.01.2008 und dem Ausspruch der Kündigungen ist jedenfalls evident. III. Nach alledem ist die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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