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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 06.12.2007
Aktenzeichen: 10 Sa 534/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, KSchG, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 517
ZPO § 519
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 2 Ziffer 1 b
KSchG § 2
BetrVG § 102
BetrVG § 102 Abs. 1 Satz 2
BetrVG § 102 Abs. 1 Satz 3
BetrVG § 102 Abs. 2 Ziff. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 10 Sa 534/07

Entscheidung vom 06.12.2007

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 24.04.2007, Az.: 5 Ca 1236/06, aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung der Beklagten vom 29.06.2006 zum 31.12.2006.

Der Kläger (geb. am 09.05.1958, verheiratet, zwei Söhne in Berufsausbildung) war seit dem 01.02.1990 bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 3.234,00 beschäftigt. Das Gehalt setzt sich aus dem Tarifentgelt E 10 in Höhe von € 3.004,00 und einem sog. Abgrenzungsposten in Höhe von € 230,00 zusammen. Bis zum 30.11.2000 wurde der Kläger als Versandmitarbeiter im Werk N eingesetzt; seit dem 01.12.2000 als Sachbearbeiter Vertrieb/ Versand im Werk Neuwied. Die Beklagte beschäftigt weit mehr als zehn Arbeitnehmer.

Am 24.04.2006 beschloss die Beklagte ein neues Vertriebskonzept, demzufolge im Vertriebs-, Verkaufs- und Versandbereich des Unternehmens, beginnend mit dem 01.07.2006 eine neue Organisationsstruktur etabliert wurde, die spätestens zum 31.12.2006 abgeschlossen sein sollte. Infolge dieses neuen Vertriebskonzepts, verbunden mit einer Umverteilung und Zentralisierung von Aufgaben, fiel unter anderem der bisherige Arbeitsplatz des Klägers in N sukzessive ab 01.07.2006 ersatzlos weg, weil das Vertriebsbüro in N vollständig aufgelöst worden ist. Für die Versandabteilung in N ist in Zukunft nur noch eine Planstelle erforderlich, die mit dem Arbeitnehmer Klaus S (beschäftigt seit 01.12.1966, geb. am 07.01.1952) besetzt ist. Vorübergehend bis zum Beginn der Freistellungsphase der Altersteilzeit am 01.10.2008 verbleibt noch Frau Inge P (beschäftigt seit 15.01.1970, geb. 12.09.1949) im Versand. Danach soll die Urlaubs- und Krankheitsvertretung des einzigen Versandmitarbeiters S vom Versandleiter der Werksgruppe Südwest, Herrn B, übernommen werden.

Mit Schreiben vom 05.05.2006 (Bl. 68/69 d. A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat erstmals zu einer beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Der Betriebsrat erhob unter dem 15.05.2006 Widerspruch (Bl. 70 d. A.). Mit Schreiben vom 20.06.2006 (Bl. 71-77 d. A.) erfolgte eine zweite Anhörung des Betriebsrates. Der Betriebsrat äußerte unter dem 26.06.2006 (Bl. 78 d. A.) Bedenken.

Am 07.06.2006 teilte der Personalleiter der Beklagten dem Kläger und anderen Arbeitnehmern per E-Mail (Bl. 125 d. A.) mit, dass in der Hauptverwaltung in W voraussichtlich offene Stellen im Rechnungswesen zu besetzen seien. Der Kläger bekundete sein Interesse an einem Info-Gespräch, das er am 14.06.2006 mit den Herren S (Rechnungswesen) und M (Zentrale Personalabteilung) in W führte. Auf seine Bitte vom 21.06.2006 übersandte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 23.06.2006 (Bl. 126 d. A.) ein schriftliches Vertragsangebot vom 22.06.2006 (Bl. 127-133 d. A.), das bereits von zwei Prokuristen der Beklagten unterzeichnet war. Die Beklagte bot dem Kläger an, ihn ab dem 01.07.2006 in ihrer Hauptverwaltung in Wiesbaden als Mitarbeiter im Rechnungswesen zu beschäftigen. Als Vergütung bot sie ihm ein Monatsentgelt von € 3.000,00 brutto an, das sich aus dem Tarifentgelt E 8 von € 2.576,00 und einer Leistungszulage von € 424,00 zusammensetzen sollte. Das Angebot war aus Sicht des Klägers wegen der schlechteren Bezahlung, der Anrechenbarkeit der Leistungszulage auf Tariferhöhungen, der fehlenden Stellenbeschreibung und der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist unannehmbar. Er lehnte das Angebot deshalb ab.

Daraufhin sprach die Beklagte mit Schreiben vom 29.06.2006, das dem Kläger am gleichen Tag überreicht worden ist, eine Beendigungskündigung unter Einhaltung der tarifvertraglichen Kündigungsfrist zum 31.12.2006 aus. Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 30.06.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

Im Gütetermin vom 26.07.2006 wiederholte die Beklagte ihr Änderungsangebot nochmals. Der Kläger erbat sich Bedenkzeit bis zum 08.08.2006. Am 10.08.2006 forderte der Personalleiter der Beklagten den Kläger per E-Mail auf, nun umgehend definitiv mitzuteilen, ob er das Angebot annehme oder ablehne (Bl. 168 d. A.). Die Prozessbevollmächtigte des Klägers antwortete mit E-Mail vom gleichen Tag (Bl. 169 d. A.) wörtlich: "Der Kläger ist mit den Vertragsbedingungen für Wiesbaden nicht einverstanden".

Der Kläger hat erstinstanzlich die Kündigungsberechtigung der beiden Unterzeichner der Kündigungserklärung gerügt und die Kündigung mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückgewiesen. Er hat außerdem die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates bestritten. Die Beendigungskündigung sei sozial nicht gerechtfertigt, weil die Beklagte nach der Rechtsprechung des BAG eine Änderungskündigung über das Angebot in W hätte aussprechen müssen, auch wenn er sich zuvor gegen eine Änderung ausgesprochen habe. Schließlich habe der Personalleiter anlässlich der Aushändigung der Kündigungserklärung nochmals über das Angebot in Wiesbaden gesprochen und ihm erklärt, wenn er das Angebot in W annehme, werde aus der jetzigen Kündigung eine Änderungskündigung. Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags des Klägers wird auf seine Schriftsätze vom 11.01.2007 (Bl. 97-104 d. A.), und vom 16.04.2007 (Bl. 179-184 d. A.) nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.06.2006 zum 31.12.2006 nicht beendet wird,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht,

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den bisherigen Bedingungen als Sachbearbeiter Vertrieb/ Verkauf über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - hat mit Urteil vom 24.04.2007 der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Den Weiterbeschäftigungsantrag hat es teilweise abgewiesen und die Beklagte verurteilt, den Kläger weiter zu beschäftigen. Zur Begründung der Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte hätte vor Ausspruch der Beendigungskündigung eine Änderungskündigung aussprechen müssen. Der Kläger habe im Kammertermin erklärt, dass er auch bereit sei, in Neuss für die Beklagte weiter zu arbeiten. Die Beklagte habe dem Kläger zwar mit Datum vom 22.06.2006 ein schriftliches Vertragsangebot unterbreitet, das jedoch nach den Ausführungen des Klägers für ihn nicht annehmbar gewesen sei. Dennoch hätte die Beklagte eine Änderungskündigung aussprechen müssen. Sie hätte dem Kläger "zumindest eine Arbeitsmöglichkeit an ihrem Betriebsstandort in N" im Wege der Änderungskündigung anbieten müssen. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Seite 6 ff. des Urteils vom 24.04.2007 (Bl. 194 ff. d. A.) verwiesen.

Die Beklagte, der das Urteil am 12.07.2007 zugestellt worden ist, hat am 08.08.2007 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit am 30.08.2007 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Sie trägt vor, der Kläger habe erstmals im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht am 24.04.2007 erklärt, er würde im Werk N "jede Arbeit" machen. Sie habe bereits erstinstanzlich darauf hingewiesen, dass im Werk N der Versand zukünftig mannlos abgewickelt wird. In ihrem Werk N gebe es keinen freien Arbeitsplatz. Auch in Zukunft werde es keinen freien Arbeitsplatz geben, der nicht eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Schlosser oder Elektriker voraussetze. Der Kläger verfüge nicht über die zwingend erforderliche handwerkliche Ausbildung. Diese ergebe sich auch nicht aus dem zweitinstanzlich vorgelegten Berufsschulabschlusszeugnis aus dem Jahre 1976. Für nicht qualifizierte Helferarbeiten bzw. Reinigungsarbeiten setze sie im Werk Neuss Leiharbeitnehmer ein. Auf Arbeitsplätzen, die von Leiharbeitnehmern besetzt seien, bestehe keine Weiterbeschäftigungsverpflichtung. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 30.08.2007 (Bl. 233 - 237 d. A.) und vom 23.11.2007 (Bl. 270- 273 d. A.) nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 24.04.2007, Az.: 5 Ca 1236/06, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt vor, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil die Beklagte eine Änderungskündigung für Wiesbaden hätte aussprechen müssen. Das Arbeitsgericht habe, was den Betriebsstandort N angehe, von "zumindest" gesprochen. Er sei vielseitig einsetzbar, weil er nicht nur eine Ausbildung als Großhandelskaufmann absolviert habe, sondern auch über eine handwerkliche Ausbildung verfüge. Er habe ausweislich des vorgelegten Abschlusszeugnisses vom 23.06.1976 (Bl. 257-258 d. A.) die zweijährige gewerblich-technische Berufsfachschule besucht. Er sei bereit, jede Arbeit anzunehmen und auch eine einfache gewerbliche Tätigkeit auszuüben. Die Beklagte setzte in ihrer Zementproduktion in N Facharbeiter und ungelernte Mitarbeiter sowie monatelang auch Aushilfen und Leiharbeiter ein. Er sei nach einer kurzen Anlernzeit im Leitstand oder anderswo einsetzbar, z.B. als Anlagenwärter oder Leitstandfahrer. Schließlich habe er über zehn Jahre in Neuss im Versand gearbeitet und kenne die Produktionsabläufe und technischen Zusammenhänge sehr gut. Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 24.09.2007 (Bl. 244 - 248 d. A.) genommen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 06.12.2007 hat der Kläger nochmals betont, er sei bereit, jede Arbeit zu verrichten, insbesondere auch die (einfachen) Arbeiten, für die die Beklagte unqualifizierte Leiharbeitnehmer einsetze. Er vertritt die Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet, den Einsatz von Leiharbeitnehmern aufzugeben, um ihm eine Beschäftigung in Neuss zu ermöglichen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel der Beklagten auch Erfolg. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung der Beklagten vom 29.06.2006 mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.12.2006 aufgelöst worden. Die Kündigung der Beklagten ist nicht sozialwidrig (§ 1 Abs. 2 KSchG), weil sie durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die der Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen.

1.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte am 24.04.2006 ein neues Vertriebskonzept beschlossen hat, demzufolge im Vertriebs-, Verkaufs- und Versandbereich des Unternehmens, beginnend mit dem 01.07.2006 eine neue Organisationsstruktur etabliert wurde, die spätestens zum 31.12.2006 abgeschlossen sein sollte. Diese Entscheidung hat die Beklagte auch umgesetzt. Infolge dieses neuen Vertriebskonzepts, verbunden mit einer Umverteilung und Zentralisierung von Aufgaben, fiel unter anderem der bisherige Arbeitsplatz des Klägers als Sachbearbeiter Vertrieb/ Versand in N sukzessive ab 01.07.2006 ersatzlos weg, weil das Vertriebsbüro in Neuwied vollständig aufgelöst worden ist. Für die Versandabteilung in N ist in Zukunft nur noch eine Planstelle erforderlich, die mit dem Arbeitnehmer Klaus S (beschäftigt seit 01.12.1966, geb. am 07.01.1952) besetzt ist. Vorübergehend bis zum Beginn der Freistellungsphase der Altersteilzeit am 01.10.2008 verbleibt noch Frau Inge P (beschäftigt seit 15.01.1970, geb. 12.09.1949) im Versand. Danach soll die Urlaubs- und Krankheitsvertretung des einzigen Versandmitarbeiters S vom Versandleiter der Werksgruppe Südwest, Herrn B, übernommen werden.

Als unternehmerische Entscheidung ist die Entschließung der Beklagten, das Vertriebsbüro in Neuwied aufzulösen, nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Soweit der Kläger befürchtet, Herr B könne ab 01.10.2008 die Urlaubs- und Krankheitsvertretung des - dann - einzigen Versandmitarbeiters in Neuwied nicht zusätzlich zu seinen sonstigen Aufgaben bewältigen, sind Anhaltspunkte für eine nicht bindende Entscheidung über die Unternehmensgestaltung nicht gegeben. Der Arbeitgeber ist frei, die betrieblichen Abläufe so zu organisieren, wie er es für zweckmäßig hält. Es macht seine Entscheidung weder missbräuchlich noch willkürlich, wenn er die vorübergehende Urlaubs- und Krankheitsvertretung eines Mitarbeiters einem anderen Mitarbeiter zusätzlich zu seinen sonstigen Aufgaben überträgt. Dies ist im Arbeitsalltag gängige Praxis. Personalengpässe bei Urlaub oder Krankheit rechtfertigen im Übrigen noch keine Vollzeitbeschäftigung für einen weiteren Arbeitnehmer.

2.

Die Kündigung vom 29.06.2006 ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unwirksam, weil die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, eine Änderungskündigung mit dem Angebot einer Weiterbeschäftigung des Klägers als Mitarbeiter im Rechnungswesen in ihrer Hauptverwaltung in W auszusprechen.

2.1.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, muss der Arbeitgeber vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer grundsätzlich eine Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz auch zu geänderten Arbeitsbedingungen anbieten. Eine Änderungskündigung darf nur in "Extremfällen" unterbleiben, wenn der Arbeitgeber bei vernünftiger Betrachtung nicht mit einer Annahme des neuen Vertragsangebots durch den Arbeitnehmer rechnen konnte und ein derartiges Angebot vielmehr beleidigenden Charakter gehabt hätte. Grundsätzlich soll der Arbeitnehmer selbst entscheiden können, ob er eine Weiterbeschäftigung unter erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen für zumutbar hält oder nicht. Insbesondere darf der Arbeitgeber ein erheblich verschlechterndes Angebot nicht allein mit der Begründung unterlassen, mit dem zu erzielenden Einkommen könne der Arbeitnehmer seine Familie nicht ernähren oder er verdiene weniger, als er Sozialleistungen erhalten würde, wenn dieses Angebot die einzige Alternative zu einer Beendigungskündigung ist. Es mag gute Gründe geben (lange Bindung an den Arbeitgeber, die Region oder den örtlichen Bekanntenkreis, familiäres Umfeld, Hoffnung "auf Besserung" im Arbeitsverhältnis u.ä.), warum sich ein Arbeitnehmer mit den schlechteren Arbeitsbedingungen arrangieren will. Allein die hierarchische Rückstufung und die zu erwartenden erheblichen Vergütungseinbußen machen einen Sachverhalt noch nicht zu einem "Extremfall" im Sinne der dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze (vgl. BAG Urteil vom 21.04.2005 - 2 AZR 244/04 - AP Nr. 80 zu § 2 KSchG 1969 und Urteil vom 21.09.2006 - 2 AZR 607/05 - AP Nr. 130 zu § 2 KSchG 1969).

Ein wesentliches Indiz für das Vorliegen einer solchen aus Sicht beider Arbeitsvertragsparteien gegebenen "Extremsituation" ist auch das Verhalten des betroffenen Arbeitnehmers nach Ausspruch der Beendigungskündigung und während des Kündigungsschutzprozesses. Beruft er sich trotz Kenntnis von einer freien in der betrieblichen Hierarchie weit entfernten Stelle nicht zeitnah auf eine solche, sondern erst lange nach Beginn der Auseinandersetzung, spricht vieles dafür, dass er selbst von einer unzumutbaren Situation im Betrieb und bei seiner Tätigkeit ausgeht, in der er keine Weiterbeschäftigungsperspektiven mehr sieht und deshalb ein entsprechendes Änderungsangebot ausnahmsweise auch nicht unterbreitet werden musste. Ein solches Verhalten des Arbeitnehmers indiziert auch, dass er sich selbst bei Angebot einer derartigen Stelle vor Ausspruch der Kündigung in keinem Fall mit einer Annahme - auch nicht unter Vorbehalt - einverstanden erklärt hätte. Die - verspätete - Berufung auf eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erscheint dann nicht mehr widerspruchsfrei (vgl. BAG Urteile vom 21.04.2005 und vom 21.09.2006, a.a.O.).

2.2.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall, war die Beklagte nicht verpflichtet, dem Kläger im Wege der Änderungskündigung einen Arbeitsplatz im Rechnungswesen in ihrer Hauptverwaltung in Wiesbaden anzubieten.

Der Kläger hat unstreitig vor Ausspruch der Beendigungskündigung am 14.06.2006 mit den Herren Schaaf und M ein Informationsgespräch über die offenen Stellen im Rechnungswesen in Wiesbaden geführt. Auf seine Bitte vom 21.06.2006 übersandte ihm die Beklagte unstreitig mit Schreiben vom 23.06.2006 ein schriftliches Vertragsangebot vom 22.06.2006, das bereits von zwei Prokuristen der Beklagten unterzeichnet war. Die Beklagte hat dem Kläger angeboten, ihn ab dem 01.07.2006 in ihrer Hauptverwaltung in W als Mitarbeiter im Rechnungswesen zu beschäftigen. Als Vergütung hat sie ihm ein Monatsentgelt von € 3.000,00 brutto angeboten, das sich aus dem Tarifentgelt E 8 von € 2.576,00 und einer Leistungszulage von € 424,00 zusammensetzen sollte.

Der Kläger lehnte das Angebot, das ihm die Beklagte bei Aushändigung der Kündigungserklärung am 29.06.2006 nochmals unterbreitet hat, unstreitig ab. Im Gütetermin vom 26.07.2006 wiederholte die Beklagte ihr Änderungsangebot erneut. Der Kläger erbat sich Bedenkzeit bis zum 08.08.2006. Auf die Bitte des Personalleiters vom 10.08.2006 nun umgehend definitiv mitzuteilen, ob er das Angebot annehme, antwortete die Prozessbevollmächtigte des Klägers per E-Mail wörtlich: "Der Kläger ist mit den Vertragsbedingungen für W nicht einverstanden".

Noch in ihrem Schriftsatz vom 11.01.2007 führte die Prozessbevollmächtigte des Klägers auf Seite 8 (Bl. 104 d. A.) wörtlich aus: "Dieses Angebot gefiel dem Kläger gar nicht, denn die Vertragsmodalitäten waren derart schlecht, dass zu seinem bisherigen Vertrag eine unverhältnismässige und sozial unvertretbare Veränderung eingetreten wäre, wenn er das Angebot - schon zum 01.07.2006! - angenommen hätte. Schon die nachfolgenden Punkte Bezahlung, Anrechenbarkeit der Leistungszulage bei Tariflohnerhöhung, fehlende Angabe der Tätigkeit/ Stellenbeschreibung sowie Kündigungsfrist waren unannehmbar." Der Kläger handelt widersprüchlich, wenn er einerseits den Nichtausspruch einer Änderungskündigung reklamiert, andererseits das Angebot der Beklagten Monate nach Ausspruch der Beendigungskündigung ausdrücklich als "unverhältnismässig", "sozial unvertretbar" und "unannehmbar" kritisiert.

Hinzu kommt, dass eine ordentliche Änderungskündigung der Beklagten, die auf eine vor Ablauf der sechsmonatigen Kündigungsfrist des Klägers bereits am 01.07.2006 wirksam werdende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen gezielt hätte, nach § 1 Abs. 2, § 2 KSchG sozial ungerechtfertigt gewesen wäre (vgl. BAG Urteil vom 21.09.2006 - 2 AZR 120/06 - AP Nr. 86 zu § 2 KSchG 1969). Mit dem Argument, die Beklagte hätte unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine sozial ungerechtfertigte Änderungskündigung aussprechen müssen, kann der Kläger nicht durchdringen. Auf die Frage, ob eine sofortige Besetzung der Arbeitsplätze im Rechnungswesen aus betrieblichen Gründen dringlich war oder ob die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, dem Kläger eine Stelle im Rechnungswesen sechs Monate bis zum 01.01.2007 freizuhalten, kommt es nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalles nicht an. Der Kläger hat sowohl mit E-Mail vom 10.08.2006 als auch noch in seinem Schriftsatz vom 11.01.2007 mit keiner Silbe erwähnt, dass er sich mit einem Vertragsangebot zum 01.01.2007 - unter einem § 2 KSchG entsprechenden Vorbehalt - einverstanden erklärt hätte. Im Gegenteil: Er hat das Angebot für Wiesbaden wegen der schlechteren Bezahlung, der Anrechenbarkeit der Leistungszulage bei Tariflohnerhöhungen und der fehlenden Angabe der Tätigkeit/ Stellenbeschreibung als "unannehmbar" klar und deutlich abgelehnt.

3.

Die Wirksamkeit der Kündigung vom 29.06.2006 scheitert auch nicht daran, dass die Beklagte dem Kläger keinen Arbeitsplatz in ihrem Werk N angeboten hat.

Ist der bisherige Arbeitsplatz weggefallen, ist der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung verpflichtet, zu prüfen, ob der Arbeitnehmer nicht an einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann. Die Prüfung einer derartigen Möglichkeit erstreckt sich nicht nur auf den Beschäftigungsbetrieb, sondern auch auf andere Betriebe desselben Unternehmens. Sie ist unabhängig davon, ob in dem Betrieb ein Betriebsrat besteht und dieser gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Ziffer 1 b KSchG in Verbindung mit § 102 Abs. 2 Ziffer 1 BetrVG der Kündigung widersprochen hat.

Voraussetzung der Weiterbeschäftigungspflicht ist das Vorhandensein einer freien Stelle, die der Arbeitnehmer aufgrund seiner beruflichen Qualifikation ausfüllen kann. Im Werk Neuss der Beklagten stand weder im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung am 29.06.2006 noch zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31.12.2006 eine freie Stelle für den Kläger zur Verfügung. Die Beklagte hat in ihrem Werk Neuss am 01.08.2007 einen ausgebildeten Industriemechaniker und am 01.10.2007 einen ausgebildeten Elektroniker für Automatisierungstechnik eingestellt. Unabhängig davon, dass diese Stellen erst über ein Jahr nach Ausspruch der Kündigung besetzt worden sind, erfüllt der Kläger nicht das erforderliche Anforderungsprofil. Er hat zwar ein Abschlusszeugnis aus dem Jahr 1976 über den zweijährigen Besuch einer gewerblich-technischen Berufsfachschule vorgelegt, eine einschlägige Berufsausbildung zum Elektriker oder Industriemechaniker hat der Kläger jedoch nicht.

Soweit der Kläger seine Bereitschaft erklärt, im Werk N jede Arbeit anzunehmen und auch eine einfache Helfertätigkeit auszuüben, kann er hiermit nicht durchdringen. Die Beklagte muss dem Kläger keinen Arbeitsplatz in ihrem Werk N freikündigen. Denn dies würde zu einem durch das Kündigungsschutzgesetz nicht eröffneten "Verdrängungswettbewerb" von Stufe zu Stufe nach unten und einer Mehrzahl von Kündigungsschutzprozessen führen. Denn konsequenterweise müsste dann auch weiteren betroffenen Arbeitnehmern das Recht eingeräumt werden, vom Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung auf einem (noch) geringerwertigen Arbeitsplatz zu fordern. Der Arbeitnehmer kann den für die soziale Auswahl maßgeblichen Personenkreis nicht durch die vor oder nach der Kündigung erklärte Bereitschaft zu einer Weiterbeschäftigung unter verschlechterten Arbeitsbedingungen erweitern (so schon: BAG Urteil vom 29.03.1990 - 2 AZR 369/89 - EzA § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 29; BAG Urteil vom 04.02.1993 - 2 AZR 463/92 - juris).

Schließlich war die Beklagte auch nicht verpflichtet, anstelle des saisonalen Einsatzes von Leiharbeitnehmern in der Zementproduktion, den Kläger mit entsprechenden - wesentlich geringerwertigen und schlechter bezahlten - Hilfsarbeitertätigkeiten in ihrem Werk N zu betrauen. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Stammarbeitnehmer einen entsprechenden Arbeitsplatz anzubieten, wenn Daueraufgaben im Betrieb von Leiharbeitnehmern erbracht werden, muss vorliegend nicht weiter vertieft werden (vgl. hierzu: APS-Kiel, KSchG, 3. Aufl., § 1 Rz. 606, ErfK-Oetker, 8. Aufl., § 1 KSchG Rz.. 256 , jeweils m.w.N.). Der Kläger behauptet selbst nicht, dass es sich hier um Dauerarbeitsplätze handelt, die die Beklagte in der Vergangenheit in nahtloser Reihenfolge mit Leiharbeitnehmern besetzt hätte. In der Berufungserwiderung führt er lediglich aus, die Beklagte setzte in der Zementproduktion in N "monatelang" Leiharbeiter ein. Damit behauptet der Kläger selbst nicht, dass ein zusätzlicher Beschäftigungsbedarf gegeben ist, der seinen dauerhaften Arbeitseinsatz erlaubt hätte. Hinzu kommt, dass der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer am 06.12.2007 deutlich gemacht hat, dass er auch bereit sei, die einfachen Helfertätigkeiten zu verrichten, für die die Beklagte ungelernte Leiharbeitnehmer einsetze. Mit dieser Bereitschaft musste die Beklagte im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung am 29.06.2006 nicht ernsthaft rechnen, nachdem der Kläger eine mit € 3.000,00 vergütete kaufmännische Tätigkeit im Rechnungswesen wegen der schlechten Bezahlung abgelehnt hat. Wenn sich der Kläger eineinhalb Jahre nach Ausspruch der Kündigung darauf beruft, er hätte auch eine deutlich unterwertige Beschäftigung als Hilfsarbeiter angenommen, kann dieses widersprüchliche Verhalten seiner Klage nicht zum Erfolg verhelfen.

4.

Die Interessenabwägung geht zu Lasten des Klägers aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, kann sich eine einzelfallbezogene Interessenabwägung bei betriebsbedingten Kündigungen, wenn überhaupt, so allenfalls in seltenen Ausnahmefällen zu Gunsten des Arbeitnehmers auswirken (vgl. BAG Urteil vom 20.01.2005 - 2 AZR 500/03 - NZA 2005, 687, 689). Die aufgestellten Voraussetzungen für eine derartige "Härtefallregelung" sind so hoch angesetzt, dass kaum mehr Raum für eine praktische Anwendung einer solchen Interessenabwägung bleibt. Ein Härtefall ist vorliegend weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere liegt mangels gegenteiliger Anhaltspunkte keine besondere Schutzbedürftigkeit des Klägers aufgrund schwerwiegender persönlicher Umstände vor.

5.

Die Kündigung der Beklagten vom 29.06.2006 ist auch nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung gemäß § 102 BetrVG ordnungsgemäß angehört.

Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat diejenigen Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Diesen Kündigungssachverhalt muss er in der Regel unter Angabe von Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, so beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann.

Die Beklagte hat den Betriebsrat vorliegend mit Schreiben vom 05.05.2006 und erneut mit Schreiben vom 20.06.2006 umfassend über den aus ihrer Sicht maßgeblichen Kündigungssachverhalt informiert. Sie hat dem Betriebsrat im Einzelnen geschildert, dass die bisherige Stelle des Klägers in Neuwied infolge ihrer neuen Organisationsstruktur ersatzlos wegfällt. Sie hat dem Betriebsrat außerdem die Sozialauswahl zwischen den im Werk N beschäftigten Mitarbeiter dargestellt und schließlich ausgeführt, dass eine Versetzung des Klägers auf einen freien Arbeitsplatz nicht möglich ist. Damit hat die Beklagte ihrer Unterrichtungspflicht genügt.

Soweit der Kläger erstinstanzlich gerügt hat, die Betriebsratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß, weil die Sozialauswahl unternehmensbezogen vorzunehmen sei, verkennt er, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die soziale Auswahl betriebsbezogen erfolgt (vgl. unter vielen: BAG Urteil vom 18.02.2006 - 2 AZR 676/05 NZA 2007, 798, mit zahlreichen Nachweisen). Da die Beklagte, für den Betriebsrat erkennbar, keine unternehmensbezogene Sozialauswahl durchführen wollte, braucht sie ihm auch keine unternehmensbezogene Auswahlliste vorzulegen. Die weiteren Angriffe des Klägers gegen die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung sind unverständlich. Sie beziehen sich teilweise auf den Rechtsstreit einer anderen Mitarbeiterin der Beklagten, der mit dem vorliegenden Verfahren nichts zu tun hat. Die Beklagte hat dem Betriebsrat vollumfänglich den Sachverhalt geschildert, auf den sie ihre Kündigung stützen wollte. Wie ausführlich der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Kündigungsgründe zu informieren hat, ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens. Geht der Arbeitgeber davon aus, dass im Betrieb kein geeigneter Arbeitsplatz vorhanden ist, auf dem der zur Kündigung anstehende Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werden könnte, so ergibt sich für den Betriebsrat mit hinreichender Deutlichkeit, dass eine Kündigung erfolgen soll, weil andere geeignete Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten aus der Sicht des Arbeitgebers nicht bestehen. Im Hinblick auf die subjektive Determinierung der Mitteilungspflicht des Arbeitgebers bei der Betriebsratsanhörung war die Beklagte nicht gehalten, den Betriebsrat über die Aspekte zu unterrichten, die dem Kläger unklar waren, da sie derartige Erwägungen nicht als veranlasst betrachtet hat.

Nach alledem ist das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.06.2006 mit Ablauf der tariflichen sechsmonatigen Kündigungsfrist zum 31.12.2006 aufgelöst worden. Der Kläger hat deshalb keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.

3.

Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil er in vollem Umfang unterlegen ist.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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