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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 13.09.2006
Aktenzeichen: 10 Sa 66/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 10 Sa 66/06

Entscheidung vom 13.09.2006

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.11.2005, Az.: 1 Ca 897/05, wie folgt teilweise abgeändert:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Bonusprämie.

Der 55 Jahre alte Kläger war seit dem 01.04.1964 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen, den Firmen O. und P. beschäftigt. In der Zeit vom 01.09.2000 bis 30.09.2003 war er Geschäftsführer der Firma P.. Ab dem 01.10.2003 war er sodann als Vertriebsdirektor Süd für die Beklagte in A-Stadt tätig. Diese Tätigkeit erfolgte auf der Grundlage eines Nachtrages zum Dienstvertrag vom 10.02.1997. Der Nachtrag enthält u. a. folgende Regelung:

§ 1 Aufgaben und Verantwortungsbereich

In Abänderung zu § 1 des o. g. Dienstvertrages übernimmt der Arbeitnehmer im Hause des Arbeitgebers ab dem 01.10.2003 für unsere Gesellschaft P. in A-Stadt die Funktion des Vertriebsdirektors Süd für die Vertriebsleitung Süd.

Die Vertriebsleitung Süd umfasst die in der Anlage 1 erfassten Vertriebsregionen. In dieser Stellung / Funktion berichtet der Arbeitnehmer direkt der Geschäftsleitung. Für die in seinem Bereich eingesetzten Vertriebsleiter und deren Mitarbeiter obliegt ihm die Personalverantwortung.

Der Arbeitnehmer ist für die Koordination sämtlicher vertrieblicher Marketingaktivitäten der Arbeitgeberin in Deutschland (P./E.), insbesondere auch zwischen den beiden Vertriebsbereichen Nord und Süd, zuständig.

Daneben ist der Arbeitnehmer hinsichtlich des Gesamtvertriebes eigenverantwortlich für die Koordination der Preis- und Sortimentspolitik zuständig. In dieser Funktion obliegt ihm die enge Abstimmung mit der Abteilung Einkauf und mit der Geschäftsführung. Auch in dieser Stellung / Funktion berichtet der Arbeitnehmer direkt der Geschäftsführung.

Der Arbeitnehmer wird für diese Position mit Prokura ausgestattet. In seiner Stellung als Prokurist und Vertriebsleiter Süd ist er Mitglied des Direktoriums.

Hinsichtlich des Inhalts der zwischen den Parteien bestehenden arbeitsvertraglichen Vereinbarungen im Einzelnen wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Dienstvertrag vom 10.02.1997 (Bl. 4 - 8 d. A.), auf den 1. Nachtrag zu diesem Dienstvertrag (Bl. 9 d. A.) sowie auf den 2. Nachtrag zum Dienstvertrag vom 10.02.1997 (Bl. 10 und 11 d. A.) Bezug genommen.

Mit einem 3. Nachtrag zum Dienstvertrag vom 10.02.1997 vereinbarten die Parteien die Zahlung einer Bonusprämie in Höhe von 25.000,00 € an den Kläger für den Fall, dass dieser eine bestimmte Zielvereinbarung erfüllt. Das vereinbarte Ziel hat der Kläger unstreitig erreicht.

Ausweislich des Inhalts eines Gesprächsvermerks der Staatsanwaltschaft A-Stadt vom 03.03.2005 hatte eine Person per E-Mail Kontakt mit einem Mitarbeiter der M.-Gruppe aufgenommen und dabei mitgeteilt, über Informationen zu verfügen, die das Unternehmen der Beklagten beträfen. Daraufhin trafen sich der Geschäftsführer der Beklagten sowie der Geschäftführer der E. Immobilien GmbH mit der betreffenden Person, Herrn R., in C.. Herr R. bot anlässlich dieses Gesprächs die Erteilung von Informationen gegen Zahlung eines Geldbetrages i. H. v. 25.000,00 € an. Wegen des Inhalts des Gesprächsvermerks vom 03.03.2005 im Einzelnen wird auf 352-354 d. A. Bezug genommen.

Am 18.04.2005 erteilte Herr R. den Geschäftsführern der Beklagten im Rahmen einer Besprechung Informationen, wonach der Kläger Zahlungen aus fingierten und überhöhten Rechnungen einer Firma S. erhalten hat. Wegen der Angaben des Herrn R. im Einzelnen wird auf die Niederschrift über die Besprechung vom 18.04.2005 (Bl. 342-344 d. A.) Bezug genommen. Dort wird u. a. auch ausgeführt, Herr R. habe sich bereit erklärt, auch mit der Staatsanwaltschaft in Bezug auf die Überprüfung von konkreten Rechnungsvorgängen bzw. deren Plausibilität zu kooperieren. Die Beklagte zahlte an Herrn R. den vereinbarten Betrag von 25.000,00 € und leitete das Gesprächsprotokoll vom 18.04.2005 an die Staatsanwaltschaft A-Stadt weiter, wo Herr R. am 28.04.2005 vernommen wurde.

Bei dieser Vernehmung sagte Herr R. aus, er habe unter dem Namen einer Firma "U." Rechnungen an die Firma P., die Rechtsvorgängerin der Beklagten geschrieben, ohne dass diesen Rechnungen entsprechende Leistungen an die Firma P. gegenüber gestanden hätte. Zu dieser Art der Rechnungsstellung habe ihn Herr D. B., der Geschäftsführer der Firma S., die mit der Firma P. in Geschäftsbeziehungen gestanden habe, angehalten, mit der Begründung, der Kläger brauche Geld. Die Leistungsbeschreibungen in insgesamt sieben unter der Firma U. erstellten Rechnungen stammten von Herrn B., der ihm - Herrn R. - diese Leistungsbeschreibungen diktiert und die Rechnungsbeträge vorgegeben habe. Das von der Firma P. auf das in den Rechnungen angegebene Konto der Frau U. überwiesene Geld habe er (Herr R.) in bar abgehoben, den Umsatzsteuerbetrag von 10 % der Nettorechnungssumme für sich behalten und den Restbetrag an Herrn B. weitergegeben. Dieser habe das Geld an den Kläger weitergeben wollen. Desweiteren habe Herr B. des Öfteren geäußert, "dass er nach C-Stadt fahre, weil Herr S. Geld brauche." Auf die Vernehmungsniederschrift vom 28.04.2005 (Bl. 69-79 d. A.) wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

In der betreffenden Angelegenheit ermitteln die Staatsanwaltschaft A-Stadt, die Staatsanwaltschaft D. sowie die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes O..

Die Beklagte konfrontierte den Kläger am 12.05.2005 mit diesen und anderen Verdachtsmomenten, wobei der Kläger bestritt, Zahlungen für die Begleichung von Scheinrechnungen erhalten zu haben. Am 13.05.2005 fuhr der Leiter der Rechtsabteilung der Beklagten zusammen mit dem Kläger und auf dessen Vorschlag zur Firma S., um anhand von Unterlagen überprüfen zu können, ob bestimmten Rechnungen auch tatsächlich erbrachte Leistungen zugrunde lagen. Abgesehen von insgesamt 22 Seiten zum Thema "Service-Offensive" konnte jedoch niemand bei der Firma S. weitere Unterlagen über tatsächlich erbrachte Leistungen vorlegen. Vielmehr wurde dem Vertreter der Beklagten unter Vorlage der Bescheinigung eine Aktenentsorgungsstelle erklärt, alle Unterlagen seien entsorgt, sodass man leider den Nachweis für erbrachte Leistungen nicht mehr führen könne. Als der Vertreter der Beklagten darum bat, anhand der PCs der Firma S. Nachweise zu erhalten, wurde ihnen erklärt, dass kürzlich bei der Installation eines neuen Betriebssystems leider alle alten Dateien gelöscht worden seien.

Die Sekretärin des Klägers erklärte der Beklagten auf deren Nachfrage u. a., dass sie mit dem Kläger nie über Rechnungen, die von der Firma U. ausgestellt worden seien, gesprochen habe.

Mit Schreiben vom 17.05.2005, welches dem Kläger noch am selben Tag zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Hiergegen richtete sich die vom Kläger am 31.05.2005 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage.

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die fristlose Kündigung sei in Ermangelung eines wichtigen Grundes unwirksam. Darüber hinaus habe die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt, weil sie spätestens am 18.04.2005 von den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen Kenntnis erlangt habe. Die Aussage des Herrn R. sei unglaubwürdig. Den Rechnungen der Firma U. lägen tatsächlich erbrachte Leistungen der Firma S. zu Grunde. Die Firma P. habe nach Übernahme der Firma O. eine eigene, dänische Werbeagentur einsetzen wollen. Diese sei jedoch nicht in der Lage gewesen, die an sie gestellten Anforderungen zu erfüllen. Deshalb habe er, der Kläger, sich auch weiterhin der Leistungen der Firma S. bedienen wollen. Diese habe jedoch nach Beendigung der Zusammenarbeit mit der Firma O. eine Wettbewerbsabrede mit einem Wettbewerber der Beklagten, der Firma ABC, getroffen und habe daher nicht riskieren wollen, gegen dieses Wettbewerbsverbot zu verstoßen. Aus diesem Grund habe die Firma S. mit Schreiben vom 22.02.2002 (Anlage K6 zum Schriftsatz des Klägers vom 11.07.2005) vorgeschlagen, die von ihr erbrachten Leistungen über eine dritte Person, nämlich die Firma U., in Rechnung zu stellen. Den Rechnungen der Firma U. hätte tatsächlich erbrachte Leistungen zu Grunde gelegen. Unmittelbar nach Erhalt des Schreibens der Firma S. vom 22.02.2002 habe er mit seiner Sekretärin, Frau B. über die Angelegenheit gesprochen und sie gebeten, Fotokopien dieses Schreibens jeweils zu den für die Ablage bestimmten Rechnungskopien zu nehmen. Letztlich sei die Kündigung auch mangels vorheriger ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam. Die Beklagte sei auch zur Zahlung der vertraglich vereinbarten Bonusprämie in Höhe von 25.000,00 € verpflichtet.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die fristlose schriftliche Kündigung vom 17.05.2005, zugegangen am 17.05.2005, nicht aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine vereinbarte Bonusprämie für das Jahr 2004 in Höhe von 25.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.06.2005 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die gegen den Kläger vorliegenden Verdachtsmomente rechtfertigten den Ausspruch der streitbefangenen außerordentlichen Kündigung. Die Frist des § 626 Abs. 2 sei gewahrt. Hinsichtlich des Beginns der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei nämlich auf den 03.05.2005, den Zeitpunkt der Kenntniserlangung ihrer Geschäftsführung von den vom Zeugen R. bei der Staatsanwaltschaft A. getätigten Aussagen abzustellen. Die im Rahmen der Anhörung des Klägers am 12.05. bzw. 13.05.2005 gewonnenen Erkenntnisse seien nicht geeignet, den Kläger zu entlasten. Weder sei die Firma S. in der Lage gewesen, Belege für die angeblich den Rechnungen der Firma U. zugrunde liegenden Leistungen vorzulegen, noch habe die Sekretärin des Klägers dessen Darstellung bestätigen können, wonach sie darüber unterrichtet gewesen sei, welche Bewandtnis es nach Behauptung des Klägers mit den Rechnungen der Firma U. gehabt habe. Eine Anhörung des Betriebsrats sei entbehrlich gewesen, weil der Kläger leitender Angestellter gewesen sei. Gleichwohl sei der Betriebsrat auch ordnungsgemäß vor Kündigungsausspruch angehört worden. Hinsichtlich der geltend gemachten Bonusprämie mache sie - die Beklagte - von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch, bis der Streit über die vom Kläger veranlassten ungerechtfertigten Zahlungen und die daraus resultierenden Schadensersatzansprüche gerichtlich geklärt seien. Deren Höhe übersteige betragsmäßig die Bonusprämie des Klägers bei Weitem.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin B.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 02.11.2005 (Bl. 189-192 d. A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 02.11.2005 die Beklagte verurteilt, an den Kläger 25.000,00 € brutto nebst Zinsen zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Wegen der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 8-13 dieses Urteils (= Bl. 205-210 d. A.) verwiesen.

Gegen das dem Kläger am 05.01.2006 und der Beklagten am 04.01.2006 zugestellte Urteil haben der Kläger am 26.01.2006 und die Beklagte am 24.01.2006 Berufung eingelegt. Die Berufung des Klägers ist am 22.02.2006, die der Beklagten innerhalb der ihr mit Beschluss vom 02.03.2006 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 06.04.2006 begründet worden.

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen vor, die Kündigung sei bereits deshalb unwirksam, weil die Beklagte den Betriebsrat vor Kündigungsausspruch nicht ordnungsgemäß angehört habe. Die Anhörung des Betriebsrats sei, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts, erforderlich gewesen, weil er kein leitender Angestellter gewesen sei. Aus der internen Mitteilung vom 29.10.2003 (Anlage K4 zum Schriftsatz des Klägers vom 11.07.2005) ergebe sich nämlich klar und eindeutig, dass er keinerlei Personalentscheidungen mehr habe treffen dürfen. Damit sei jedenfalls eine etwaige zuvor bestehende leitende Stellung weggefallen mit der Folge, dass vor Ausspruch der hier in Rede stehenden Kündigung das Betriebsratsanhörungsverfahren durchzuführen gewesen sei. Dass die von der Beklagten durchgeführte Anhörung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß gewesen sei, habe er - der Kläger - bereits erstinstanzlich ausführlich dargestellt. Die schriftliche Mitteilung der Beklagten an den Betriebsrat enthalte zum einen lediglich pauschale Behauptungen und zum anderen auch unrichtige Tatsache. Weiterhin sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 nicht gewahrt. Der Beklagten seien nämlich die wesentlichen Verdachtsmomente bereits vor der Aussage des Herrn R. bei der Staatsanwaltschaft A. bekannt gewesen. Dies ergebe sich bereits insbesondere aus der Niederschrift über die Besprechung vom 18.04.2005. Bereits bei dieser Unterredung habe Herr R. der Beklagten sämtliche verdachtsbegründenden Informationen mitgeteilt. Es könne zwar nicht in Abrede gestellt werden, dass sich aus den Ausführungen des Herrn R. ein Verdacht gegen ihn, den Kläger, herleiten lasse. Da aber die Beklagte bereits am 18.04.2005 im Besitz sämtlicher relevanter Informationen gewesen sei, sei sie verpflichtet gewesen, ihn schon zu einem früheren Zeitpunkt anzuhören und ggfls. ihre Kündigungsentscheidung zu treffen. Schließlich habe das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen, dass er bis zum 30.09.2003 selbst Geschäftsführer gewesen sei und ihm für die Zeit seiner Geschäftsführertätigkeit Entlastung erteilt worden sei.

Der Kläger beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis durch die fristlose schriftliche Kündigung vom 17.05.2005 - zugegangen am 17.05.2005 - nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

In Erwiderung der Berufung des Klägers trägt die Beklagte im Wesentlichen vor, einer Anhörung des Betriebsrats vor Kündigungsausspruch habe es nicht bedurft. Der Kläger sei nämlich jedenfalls im Hinblick auf die ihm erteilte Prokura, die auch im Verhältnis zu ihr - der Beklagten - keineswegs unbedeutend gewesen sei, als leitender Angestellter anzusehen. Gleichwohl sei der Betriebsrat jedoch auch - wie bereits erstinstanzlich dargetan - ordnungsgemäß angehört worden. Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht versäumt worden. Allein aufgrund der Angaben des Zeugen R. im Gespräch vom 18.04.2005 habe noch keinerlei Veranlassung bestanden, eine Kündigungsentscheidung zu treffen. Das Gesprächsprotokoll vom 18.04.2005 enthalte zwar Beschuldigungen, jedoch keinerlei belastbare Beweise. Die Angaben des Zeugen R. vom 18.04.2005 hätten nicht zum Ausspruch einer Verdachtskündigung ausgereicht. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen hätten zum damaligen Zeitpunkt erhebliche Zweifel bestanden. Es sei schon nicht möglich gewesen, die Personalien des Informanten zu erhalten. Dieser habe einen Personalausweis vorgelegt, der schon lange Zeit nicht mehr gültig gewesen sei. Eine Adresse habe er nicht angegeben und als einzige Möglichkeit der Kontaktaufnahme eine Mobiltelefonnummer genannt. An der im abgelaufenen Personalausweis angegebenen Adresse sei der Zeuge nicht mehr erreichbar gewesen. Er sei auch sonst nirgends polizeilich gemeldet gewesen. Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben des Zeugen hätten sich insbesondere auch daraus ergeben, dass dieser eine Geldforderung erhoben habe. Deshalb habe man bei dem Gespräch am 18.04.2005 Wert darauf gelegt, dass der Informant seine Identität nachprüfbar bei der Staatsanwaltschaft belege und im Übrigen dort auch eine Aussage zu Protokoll mache, die dann wenigstens insoweit belastbar wäre, da er bei einer falschen Aussage mit strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen gehabt hätte. Überhaupt sei für sie - die Beklagte höchst zweifelhaft gewesen, warum der Zeuge die betreffenden Sachverhalte ihr gegenüber offenbart habe. Erst aufgrund des Umstandes, dass der Zeuge R. seine Angaben auch anlässlich seiner Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft am 28.04.2005 gemacht habe, habe gegen den Kläger der begründete Verdacht einer strafbaren Handlung bestanden. Im Übrigen sei die Aussage des Zeugen R. bei der Staatsanwaltschaft, wie sich aus dem Vernehmungsprotokoll ergebe, wesentlich detaillierter, als die vagen Beschuldigungen vom 18.04.2005. Der Umstand, dass der Kläger für seine Geschäftsführertätigkeit entlastet worden sei, stehe der Wirksamkeit der Kündigung in keiner Weise entgegen. Zum Zeitpunkt der gesellschaftsrechtlichen Entlastung des Klägers seien dessen Fehlhandlungen weder als Gerücht noch als Verdacht noch in sonstiger Weise erkennbar gewesen.

Zur Begründung ihrer eigenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor, der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Bonusprämie in Höhe von 25.000,00 € sei infolge Aufrechnung erloschen. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei der aufrechenbare Gegenanspruch bereits erstinstanzlich in substantiierter Weise dargelegt worden. Der Sachvortrag zu den sieben Scheinrechnungen belege nicht nur Verdachtsgründe, sondern darüber hinaus auch die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen diesbezüglichen Schadensersatzanspruch. Durch die Stellung der Scheinrechnungen der angeblichen Unternehmensberatungsfirma U. seitens des Klägers sowie seines Komplizen D. B. und durch die Zahlungsfreigabe dieser Rechnungen durch den Kläger sei ihr, der Beklagten, ein Schaden von insgesamt 25.346,00 € entstanden, mit welchem gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Auszahlung der Bonusprämie erstrangig die Aufrechnung erklärt werde. Nach Kündigungsausspruch habe sie auch Kenntnis davon erlangt, dass ihr durch die Untreuehandlungen des Klägers im Zusammenwirken mit Herrn B. ein wesentlich höherer Schaden entstanden sei. So ergebe sich aus dem bereits erstinstanzlich vorgelegten Protokoll der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes O. vom 03.03.2005 (Bl. 141-143 d. A.) über die Vernehmung des Beschuldigten F. sowie aus den Aufstellungen des Steuerfahnders Z. (Bl. 139 und 140 d. A.), dass der Kläger aus den fingierten bzw. überhöhten Rechnungen der Firma S. insgesamt 557.012,77 € erhalten habe. Ausweislich der von der Staatsanwaltschaft D. nunmehr zur Verfügung gestellten Unterlagen aus einem Strafverfahren (Bl. 284-290 d. A.) seien an den Kläger sogar insgesamt 971.626,00 € geflossen. Wie sich schließlich aus der Aktennotiz der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes O. vom 25.03.2004 (Bl. 300-301 d. A.) ergebe, habe der Kläger selbst eingeräumt, hohe Beträge von Herrn D. B. aus den von der Firma S. an die Firma P. gestellten Rechnungen erhalten zu haben. Ausweislich der Aufstellungen über die Einzahlungen des Klägers auf sein Sparkonto (Bl. 302-303 d. A.) handele es sich insoweit um einen Betrag von 327.487,66 €. Schließlich habe der Kläger - dies ist zwischen den Parteien unstreitig - im Zuge des gegen ihn eingeleiteten Steuerstrafverfahrens bereits am 22.03.2004 Steuern in Höhe von 200.000,00 € nachentrichtet. Ihr stünden daher gegen den Kläger mindestens Schadensersatzansprüche in einer Größenordnung von 327.487,66 € zu, mit denen sie gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Bonusgewährung ebenfalls aufrechne. Im Übrigen stünden die dem Kläger von Herrn B. zugewandten Geldbeträge ohnehin ihr - der Beklagten - als Arbeitgeberin zu.

Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil insoweit, als das Arbeitsgericht seiner Zahlungsklage stattgegeben hat und macht im Wesentlichen geltend, alleine die Behauptung der Beklagten, es handele sich bei den insgesamt sieben "U.-Rechnungen" mutmaßlich um Scheinrechnungen, genüge nicht zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs. Demgegenüber habe er bereits erstinstanzlich umfangreich und nachvollziehbar dargetan, dass, weshalb und von wem die diesen Rechnungen zugrunde liegenden Leistungen erbracht worden seien und seinen Sachvortrag unter Beweis gestellt. Soweit es um die im Steuerstrafverfahren genannten Zahlungen gehe, die er einräume, so könne hieraus ebenfalls kein Schadensersatzanspruch der Beklagten hergeleitet werden. Hintergrund dieser Zahlungen sei gewesen, dass er die geschäftlichen Beziehungen mit der Firma S. gepflegt habe. Diese habe bei großen Aufträgen, wie beispielsweise bundesweit geschalteten Zeitungsanzeigen, für die Vergabe eines Auftrags an einen Verlag eine sog. "Agenturprovision" erhalten. Hierbei habe es sich um Gelder gehandelt, die ohne eine solche Auftragsvergabe nicht geflossen wären und durch die die Beklagte in keiner Form belastet worden sei. Die Zahlungen, die er von Herrn B. erhalten habe, stammten nach den von Herrn B. gegenüber ihm getätigten Äußerungen aus solchen Agenturprovisionen. Diesbezüglich sei ihm von Herrn B. erklärt worden, die betreffenden Beträge seien vorversteuert. Später habe er festgestellt, dass diese Aussage wohl nicht zutreffe und deshalb eine Selbstanzeige beim Finanzanzeige erstattet. Dieser Vorgang habe allein steuerrechtliche Hintergründe und tangiere die Beklagte in keiner Weise.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils und auf die von den Parteien im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I.

Sowohl die Berufung des Klägers als auch die der Beklagten sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Von den beiden hiernach insgesamt zulässigen Rechtsmitteln hat jedoch nur das der Beklagten in der Sache Erfolg.

II.

Die Kündigungsschutzklage des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die streitbefangene außerordentliche Kündigung vom 17.05.2005 aufgelöst worden.

1.

Die Kündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

Im Streitfall bedurfte es vor Kündigungsausspruch keiner Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG, da der Kläger nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG als leitender Angestellter anzusehen ist. Wie sich aus § 1 des zwischen den Parteien vereinbarten 2. Nachtrages zum Dienstvertrag vom 10.02.1997 ergibt und zwischen den Parteien auch unstreitig ist, war der Kläger in seiner Position als Vertriebsdirektor Süd mit Prokura ausgestattet. Diese Prokura war auch im Verhältnis zur Beklagten nicht unbedeutend. Selbst wenn man mit dem Kläger davon ausgeht, dass ihm zuletzt keine Personalverantwortung mehr oblag, so war er jedoch unstreitig und nach dem Inhalt der betreffenden vertraglichen Vereinbarung zuständig für die Koordination sämtlicher vertrieblicher Marketingaktivitäten der Beklagten in Deutschland, insbesondere auch zwischen den beiden Vertriebsbereichen Nord und Süd. Daneben war er hinsichtlich des Gesamtvertriebs eigenverantwortlich für die Koordination der Preis- und Sortimentspolitik zuständig. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag der Beklagten war er für einen höheren siebenstelligen Werbeetat verantwortlich. Der Kläger nahm daher bedeutende unternehmerische Leitungsaufgaben i. S. v. § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG war. Anhaltspunkte dafür, dass die ihm durch die Prokuraerteilung nach außen dokumentierten unternehmerischen Befugnisse soweit aufgehoben oder eingeschränkt waren, dass eine erhebliche unternehmerische Entscheidungsbefugnis in Wirklichkeit nicht bestand, sind nicht ersichtlich.

2.

Die Kündigung erweist sich auch nicht wegen Fehlens eines wichtigen Grundes i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB als unwirksam.

Ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB ist nach der gesetzlichen Definition gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortzusetzen. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt - ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles - (überhaupt) geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, d. h. ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zu dem gemäß § 626 Abs. 1 BGB relevanten Zeitpunkt fortzusetzen.

Es ist allgemein anerkannt, dass der Verdacht, der Arbeitnehmer könne eine strafbare Handlung oder eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen haben, geeignet sein kann, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung zu bilden. Entscheidend ist, dass es gerade der Verdacht ist, der das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstört oder zu einer unerträglichen Belastung des Arbeitsverhältnisses geführt hat. Der Verdacht muss objektiv durch Tatsachen begründet sein, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Der Verdacht muss darüber hinaus dringend sein, d. h. es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der gekündigte Arbeitnehmer die Straftat oder die Pflichtverletzung begangen hat. Der Arbeitgeber muss alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen haben. Er ist insbesondere verpflichtet, den verdächtigen Arbeitnehmer anzuhören, um ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Im Streitfall besteht gegen den Kläger der dringende Verdacht der Beteiligung an Straftaten (Betrug, Untreue) zu Lasten der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin. Dieser Verdacht ergibt sich bereits aus der Aussage des Zeugen R. bei der Staatsanwaltschaft A. vom 28.04.2005. Nach dem Inhalt dieser Aussage wurden der Fa. P. mit Wissen des Klägers Beträge in Rechnung gestellt, für die tatsächlich keine Leistung erbracht worden war. Von den auf diese Rechnungen von der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin gezahlten Geldbeträgen hat der Kläger nach Aussage des Zeugen R. einen Teil erhalten. Unstreitig hat die Firma U., unter deren Namen Rechnungen an die Fa. P. gestellt wurden, keinerlei Leistungen für die Beklagte erbracht. Soweit sich der Kläger diesbezüglich auf ein Schreiben der Firma S. vom 22.02.2002 (Anlage K4 zum Schriftsatz des Klägers vom 11.07.2005 sowie Bl. 131 d. A.) zur Rechtfertigung der Inrechnungstellung durch die Firma U. beruft, so genügt dies nicht, um den gegen ihn bestehenden Verdacht der Untreue zu entkräften; vielmehr werden die sonstigen Verdachtsmomente durch diese Einlassung noch erhärtet. Es spricht nämlich einiges dafür, dass der Kläger kollusiv mit dem Geschäftsführer der Firma S., Herrn B., zusammengewirkt hat und dass das betreffende Schreiben lediglich zu dem Zweck verfasst wurde, das treuwidrige Verhalten des Klägers zu verschleiern. Die Argumentation des Klägers, er habe sich die weitere Zusammenarbeit mit der Firma S. nur dadurch sichern können, dass die Rechnungsstellung über dritte Personen erfolgt sei, weil die Firma S. nicht habe riskieren wollen, gegen ein mit der Firma ABC verabredetes Wettbewerbsverbot zu verstoßen, entbehrt - wie bereits das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils ausgeführt hat - jeder Logik. Zum einen hätte die Firma S. durch die Erbringung der betreffenden Leistungen dennoch gegen ein mit der Firma ABC vereinbartes Wettbewerbsverbot verstoßen. Zum anderen wäre dies auch durch das betreffende Schreiben vom 22.02.2002 bei der Beklagten aktenkundig geworden, verbunden mit der Gefahr, dass hiervon auch weitere Personen Kenntnis nehmen. Besonders widersprüchlich ist in diesem Zusammenhang - wie ebenfalls bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat - dass der Kläger behauptet, er habe seine Sekretärin, die Zeugin S., in den Sachverhalt eingeweiht und sie sogar angewiesen, Fotokopien des Schreibens vom 22.02.2002 anzufertigen und diese Kopien jeweils zu den für die Ablage bestimmten Rechnungskopien zu nehmen. Bei einer solchen Handhabung wäre die angebliche geheime Absprache zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Firma S. sogar noch vervielfältigt in den Akten der Beklagten aufgetaucht.

Erhärtet wird der Verdacht gegen den Kläger auch durch den Umstand, dass die Firma S. am 13.05.2005 - abgesehen von 22 Blättern zum Thema "Service- Offensive" - keinerlei Unterlagen über die tatsächliche Erbringung der den Rechnungen "U" zugrunde liegenden Leistungen vorlegen konnte und zur Begründung auf eine kurz zuvor durchgeführte Aktenentsorgung sowie eine versehentliche Löschung von Dateien verwies.

Der Verdacht gegen den Kläger wird letztlich auch dadurch erhärtet, dass nach dem Ergebnis der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme seine Behauptung als widerlegt anzusehen ist, er habe seine Sekretärin im Sinne des handschriftlichen Vermerks auf dem Schreiben vom 22.02.2002 (Bl. 131 d. A.) in die geheime Absprache mit der Firma S. eingeweiht. Das Berufungsgericht folgt diesbezüglich uneingeschränkt der in jeder Hinsicht zutreffenden Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil (dort Seite 10, letzter Absatz bis Seite 11, 2 Absatz) und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.

Insgesamt besteht somit auch nach Ansicht des Berufungsgerichts unter Berücksichtigung aller Umstände gegen den Kläger der dringende Verdacht, dass er sich zumindest in Einzelfällen sowie im Zusammenwirken mit dem Geschäftsführer der Firma S. finanzielle Vorteile zum Nachteil der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin verschafft hat. Das Verhalten des Klägers, dessen er verdächtig ist, erfüllt sowohl den Tatbestand des Betruges (§ 263 StGB) als auch den Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB). Umstände, die den gegen den Kläger bestehenden Verdacht entkräften könnten, sind auch nicht im Verlauf des vorliegenden Kündigungsrechtstreits zu Tage getreten.

Die Beklagte hat vor Kündigungsausspruch - soweit ersichtlich - auch alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen. Unstreitig ist der Kläger vor Kündigungsausspruch auch zu dem gegen ihn bestehenden Verdacht angehört worden.

Der Umstand, dass dem Kläger für die Zeit seiner Geschäftsführertätigkeit Entlastung erteilt wurde, ist für die Frage der Wirksamkeit der Kündigung ohne Belang. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Gesellschafter der Beklagten bzw. der Fa. P. im Zeitpunkt der Entlastung unstreitig keinerlei Kenntnis von den gegen den Kläger bestehenden Verdachtsmomenten hatten.

Die Beklagte war auch nicht nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehalten, dem Kläger zunächst lediglich eine Abmahnung zu erteilen. Eine solche wäre nämlich vorliegend von vornherein ungeeignet gewesen, das infolge des schwerwiegenden Verdachts gegen den Kläger zerstörte Vertrauen der Beklagten in dessen Redlichkeit wieder herzustellen bzw. die durch den Verdacht eingetretene unerträgliche Belastung des Arbeitsverhältnisses wieder zu beseitigen.

Die durchzuführende Interessenabwägung führt im Streitfall zu dem Ergebnis, dass das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Klägers überwiegt, das Arbeitsverhältnis jedenfalls noch bis zu dem gemäß § 626 Abs. 1 BGB relevanten Zeitpunkt fortzusetzen. Dabei kann offen bleiben, ob und mit welcher Frist das Arbeitsverhältnis in Ansehung der in § 7 des Dienstvertrages vom 10.02.1997 enthaltenen Regelung durch die Beklagte ordentlich gekündigt werden konnte. Denn selbst dann, wenn man im Streitfall lediglich auf die gesetzliche Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsschluss abstellt, war der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf dieser Frist nicht zumutbar. Zwar spricht zu Gunsten des Klägers dessen langjährige Betriebszugehörigkeit von insgesamt 41 Jahren bei Kündigungsausspruch sowie sein fortgeschrittenes Lebensalter (55 Jahre). Demgegenüber ist jedoch zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass der Kläger in leitender Funktion, nämlich als unmittelbar der Geschäftsführung unterstellter Vertriebsdirektor Süd beschäftigt war und daher das Vertrauen in seine Redlichkeit unerlässliche Grundvoraussetzung für die weitere Ausübung dieser verantwortungsvollen Tätigkeit ist. Insgesamt überwiegt das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses deutlich gegenüber dem Interesse des Klägers, das Arbeitsverhältnis auch nur für einen relativ geringen Zeitraum fortzusetzen.

3.

Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Beklagte auch die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Erforderlich ist eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der maßgeblichen Umstände. Es muss alles in Erfahrung gebracht werden, was als notwendige Grundlage für die Entscheidung über den Fortbestand oder die Auflösung des Arbeitsverhältnisses anzusehen ist. Selbst grob fahrlässige Unkenntnis schadet nicht. Unter den Tatsachen, die für die Kündigung maßgebend sind, sind im Sinne der Zumutbarkeitserwägungen sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände zu verstehen. Es genügt somit nicht, die Kenntnis des konkreten, die Kündigung auslösenden Anlasses, d. h. des "Vorfalles", der einen wichtigen Grund darstellen könnte. Dem Kündigungsberechtigten muss eine Gesamtwürdigung nach Zumutbarkeitsgesichtspunkten möglich sein. Bei der Arbeitgeberkündigung gehören deswegen zum Kündigungssachverhalt auch die für den Arbeitnehmer und gegen eine außerordentliche Kündigung sprechenden Gesichtspunkte, die regelmäßig ohne eine Anhörung des Arbeitnehmers nicht hinreichend vollständig erfasst werden können. Solange der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, insbesondere dem Kündigungsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme gibt, kann die Ausschlussfrist nicht beginnen. Hinsichtlich der Anhörung des Arbeitnehmers, die in der Regel geeignet ist, den Fristablauf zu hemmen, gilt eine Regelfrist von einer Woche, die bei Vorliegen besonderer Umstände auch überschritten werden darf (vgl. BAG vom 10.06.1988 - 2 AZR 25/88 - m. w. N.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die streitbefangene Kündigung vom 17.05.2005 innerhalb der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen wurde. Die Frist begann nämlich vorliegend erst am 03.05.2005 mit Kenntnisnahme der Beklagten vom Inhalt der Vernehmungsniederschrift der Staatsanwaltschaft A. vom 28.04.2005.

Keinesfalls kann bereits der Zeitpunkt des Treffens zwischen den Geschäftsführern der Beklagten und dem Zeugen R. in C., welches offenbar bereits vor dem 04.03.2005 stattgefunden hat, eine Relevanz für den Beginn der Kündigungserklärungsfrist beigemessen werden. Ausweislich des über dieses Treffen erstellten Gesprächsvermerks (Bl. 352-354 d. A.) hat der Zeuge R. dabei nur sehr vage Angaben gemacht und angeboten, weitere Informationen gegen Zahlung eines Geldbetrages von 25.000,00 € zu unterbreiten. Irgendwelche konkreten, überprüfbaren Hinweise lassen sich dem betreffenden Gesprächsvermerk nicht entnehmen; vielmehr ergibt sich aus diesem Vermerk, dass der Zeuge R. - wohl auch, um seiner Geldforderung Nachdruck zu verleihen - in Aussicht gestellt hat, auch die Presse zu informieren. In Ansehung der äußerst vagen Angaben, die sich aus dem Gesprächsvermerk über das Treffen in C. ergeben, kann auch offen bleiben, ob dabei - wie vom Kläger behauptet - bereits sein Name genannt worden ist.

Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Beklagte aber auch am 18.04.2005 noch keinerlei hinreichend sichere und vollständige positive Kenntnis von den gegen den Kläger bestehenden Verdachtsmomenten erlangt. Zwar ergibt sich aus der Niederschrift über die Besprechung vom 18.04.2005 (Bl. 342 bis 344 d. A.), dass der Zeuge R. den Kläger bei dieser Besprechung unter Angabe konkreter Tatsachen und Vorlage von insgesamt sieben sog. "U.-Rechungen" belastet hat. Gleichwohl war die Beklagte jedoch auch in Ansehung dieser Angaben noch nicht gehalten, innerhalb der darauf folgenden zwei Wochen eine Kündigungsentscheidung zu treffen. Ebenso wenig hat am 18.04.2004 bereits die einwöchige Regelfrist zur Anhörung des Klägers zu laufen begonnen. Die Beklagte macht diesbezüglich zu Recht geltend, dass sie insbesondere auch in Ansehung der Geldforderung des Zeugen R. dessen Angaben noch nicht als sonderlich glaubwürdig bewerten musste. Demzufolge bestand auch noch keine Veranlassung, den 55-jährigen und immerhin 40 Jahre betriebszugehörigen Kläger vor Durchführung weiterer Ermittlungen und vor einer Aussage des Zeugen R. bei der Staatsanwaltschaft mit dessen Anschuldigungen zu konfrontieren.

Ein ausreichender Verdacht, der sowohl die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB als auch die Frist zur Anhörung des Klägers in Gang setzen konnte, ergab sich für die Beklagte erst aufgrund der Vernehmung des Zeugen R. bei der Staatsanwaltschaft A. vom 28.04.2005. Diesbezüglich ist zunächst zu berücksichtigen, dass die dortigen, auf insgesamt knapp elf Seiten niedergelegten Angaben des Zeugen R. wesentlich ausführlicher und detaillierter sind, als dessen Angaben gemäß der Niederschrift über die Besprechung vom 18.04.2005, die lediglich etwas mehr als zwei Seiten umfasst. Die Vorgehensweise des Klägers (im Zusammenwirken mit dem Geschäftsführer der Firma S.) ist erstmals in der Vernehmungsniederschrift vom 28.04.2004 ausführlich und detailliert dargestellt. Entscheidend ist jedoch, dass die Beklagte erstmals aufgrund der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung ernsthaft in Betracht ziehen musste, dass die Angaben des Zeugen R. der Wahrheit entsprechen. Dies ergibt sich, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, daraus, dass sich der Zeuge R. im Falle der Unrichtigkeit seiner bei der Staatsanwaltschaft getätigten Angaben einer falschen Verdächtigung nach § 164 StGB strafbar gemacht hätte. Der Inhalt der Vernehmungsniederschrift belegt auch die Richtigkeit der Behauptung der Beklagten, wonach sich der Zeuge R. bei der Besprechung am 18.04.2005 noch nicht einmal habe ordnungsgemäß ausweisen können und nirgends polizeilich gemeldet gewesen sei. Ausweislich des Inhalts der letzten beiden Absätze der Vernehmungsniederschrift vom 28.04.2005 hatte der Zeuge R. nämlich auch bei der Staatsanwaltschaft lediglich einen bereits abgelaufenen Personalausweis sowie einen ungültig gemachten Führerschein vorgelegt und war auch nicht bei der zuständigen Meldebehörde gemeldet. Diese Umstände sprachen, worauf die Beklagte ebenfalls zutreffend hinweist, bei der Besprechung vom 18.04.2005 gegen eine Glaubwürdigkeit des Zeugen R.. Aus all dem ergibt sich, dass sowohl die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB als auch die Frist zur Anhörung des Klägers erst in dem Zeitpunkt beginnen konnten, als die Beklagte vom Inhalt der Vernehmungsniederschrift vom 28.04.2005 Kenntnis genommen hat.

Nach den vom Arbeitsgericht im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils getroffenen Feststellungen (dort Seite 3 letzter Absatz), die der Kläger im Berufungsverfahren nicht angegriffen hat, erhielt die Beklagte am 03.05.2005 Kenntnis von der Vernehmungsniederschrift der Staatsanwaltschaft A.. Die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist ist somit, da dem Kläger das Kündigungsschreiben noch am 17.05.2005 zugegangen ist, eingehalten. Diese Frist ist jedoch selbst dann gewahrt, wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass die Beklagte bereits am 28.04.2005 Kenntnis von der Vernehmung des Zeugen R. bei der Staatsanwaltschaft A. erlangt hat. Wie bereits ausgeführt, ist der Arbeitgeber nämlich vor Ausspruch einer Verdachtskündigung in jedem Fall gehalten, den Arbeitnehmer zu den gegen ihn bestehenden Verdachtsmomenten anzuhören, wobei diesbezüglich eine Regelfrist von einer Woche einzuhalten ist. Diese Regelfrist hätte die Beklagte vorliegend bei Fristbeginn am 28.04.2005 zwar überschritten, da sie den Kläger erst am 12.05.2005 angehört hat. Das Überschreiten der Regelfrist führt jedoch nur dazu, dass die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB mit dem Ende der Regelfrist beginnt (vgl. Dörner in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 2. Auflage, § 626 BGB, Rz. 130 m.w.N.). Dies bedeutet im Streitfall, dass die Kündigungserklärungsfrist frühestens mit Ablauf der Regelfrist zur Anhörung des Arbeitnehmers, also am 05.05.2005 beginnen konnte mit der Folge, dass auch dann die Kündigung vom 17.05.2005 innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erfolgt ist.

III.

Die auf Zahlung einer Bonusprämie von 25.000,-- € gerichtete Zahlungsklage des Klägers ist unbegründet.

Der unstreitig entstandene Zahlungsanspruch des Klägers ist infolge Aufrechnung erloschen (§ 389 BGB).

Die von der Beklagten in erster Linie mit einem behaupteten Schadensersatzanspruch in Höhe von 25.346,00 € hat nicht zum Erlöschen des Zahlungsanspruchs des Klägers geführt. Die Beklagte hat nämlich nicht ausreichend dargetan und unter Beweis gestellt, dass dieser Schadensersatzanspruch tatsächlich entstanden ist. Soweit die Beklagte geltend macht, der Schadensersatzanspruch resultiere aus insgesamt sieben fingierten, von der Firma U. ausgestellten Rechnungen, so steht dem der substantiierte (erstinstanzliche) Sachvortrag des Klägers entgegen, wonach für jede dieser Rechnungen tatsächlich Leistungen erbracht worden sind. Zwar besteht unter Zugrundelegung des Vorbringens der Beklagten auch hinsichtlich dieser Rechnungen der Verdacht, dass ihnen keine Leistungen zugrunde liegen. Dieser Verdacht ist indessen nicht ausreichend, einen Schadensersatzanspruch der Beklagten zu begründen. Insoweit hätte es der Erbringung eines Vollbeweises durch die Beklagte bedurft.

Die Beklagte hat jedoch gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Zahlung von 25.000,00 € wirksam aufgerechnet mit ihren Forderungen, die sich daraus ergeben, dass der Kläger unstreitig von der Firma S. bzw. von deren Geschäftsführer, Herrn B., Geldbeträge erhalten hat, die die Bonusprämie bei weitem übersteigen. Dabei kann offen bleiben, ob die dem Kläger zugeflossenen Geldbeträge aus fingierten bzw. überhöhten Rechnungen resultieren. Die Beklagte hat gegen den Kläger nämlich auch dann einen Anspruch auf Herausgabe der erhaltenen Geldbeträge, wenn ihr insoweit kein Schaden entstanden ist. Der Herausgabeanspruch ergibt sich aus den §§ 667, 681, 687 Abs. 2 BGB. Wer für seinen Auftraggeber Geschäfte zu besorgen hat, ist verpflichtet, alles herauszugeben, was er aus der Geschäftsführung erlangt hat, also auch Schmiergelder, " Provisionen", Geschenke und andere Sondervorteile, die ihm von dritter Seite zugewandt worden sind und die eine Willensbeeinflussung zum Nachteil des Auftraggebers befürchten lassen. Dass sie nach dem Willen des Dritten gerade nicht für den Auftraggeber bestimmt waren, ist dabei unbeachtlich (vgl. BAG v. 15.04.1970 - 3 AZR 259/69, LAG Niedersachsen vom 14.09.2005 - 15 Sa 1610/03-; Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 7. Auflage, § 611 BGB, Rz. 32 m.w.N.).

Der Kläger hat selbst eingeräumt, dass er von Herrn B., dem Geschäftsführer der Firma S., erhebliche Geldbeträge aus sogen. Agenturprovisionen erhalten hat. Hintergrund dieser Zahlungen war - unter Zugrundlegung des Vorbringens des Klägers - die Pflege der geschäftlichen Beziehungen zwischen der Beklagten und der Firma S. bzw. die Erteilung von Aufträgen durch den Kläger an dieses Unternehmen. Nicht bestritten hat der Kläger die Behauptung der Beklagten, dass es sich hierbei mindestens um insgesamt 327.487,66 € gehandelt hat. Dies steht auch in Einklang mit dem Umstand, dass der Kläger am 22.03.2004 wegen dieser Zahlungen einen Betrag von 200.000,00 € an das Finanzamt gezahlt hat. Dass die Zahlungen des Herrn B. an den Kläger geeignet waren, diesen in seiner Entscheidung über die Vergabe von Werbeaufträgen zu beeinflussen, steht außer Zweifel.

Die Beklagte hat somit gegen den Kläger einen Anspruch auf Herausgabe der diesem von Seiten der Firma S. bzw. Herrn B. zugewandten Geldbeträgen. Mit diesem Anspruch, der die Bonusprämie des Klägers für das Jahr 2004 bei weitem übersteigt, hat die Beklagte gegenüber dem vom Kläger geltend gemachten Zahlungsanspruch in Höhe von 25.000,00 € wirksam die Aufrechnung erklärt. Der streitgegenständliche Zahlungsanspruch ist daher erloschen.

IV.

Nach alledem war die Klage unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils insgesamt abzuweisen. Die Berufung des Klägers war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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