Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 10.01.2001
Aktenzeichen: 10 Sa 949/00
Rechtsgebiete: KSchG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

KSchG § 4
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 1
ArbGG § 72 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 31.05.2000 - AZ: 2 Ca 95/00 -wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie um Arbeitsentgeltansprüche des Klägers.

Der Kläger war seit dem 05.07.1999 bei der Beklagten als Elektroinstallateur beschäftigt. Die näheren Modalitäten des Arbeitsverhältnisses bestimmen sich nach dem Inhalt des zwischen den Parteien am 05.07.1999 geschlossenen Arbeitsvertrages (Bl. 5 u. 6 d. A.), der in § 2 nach Ablauf einer 6-wöchigen Probezeit eine Kündigungsfrist von 4 Wochen zum Monatsende vorsieht. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig nicht mehr als 5 Arbeitnehmer.

Mit Schreiben vom 03.01.2000 (Bl. 11 d. A.), welches dem Kläger am 05.01.2000 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Als Kündigungsgrund gab die Beklagte in dem betreffenden Schreiben an, der Kläger habe seit dem 28.12.1999 unentschuldigt gefehlt. Gegen diese Kündigung richtet sich die vom Kläger am 06.01.2000 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage.

Bereits unter dem Datum vom 22.12.1999 (Bl. 47 d. A.) hatte die Beklagte ein Schreiben verfasst, welches den Ausspruch einer fristlosen Kündigung beinhaltet. Dieses Schriftstück hat die Beklagte am 28.12.1999 als Einschreiben bei der Post zur Übersendung an den Kläger eingeliefert. Nachdem der Kläger bei Postaustragung nicht zu Hause angetroffen wurde, wurde das Einschreiben beim zuständigen Postamt hinterlegt. Ausweislich einer Auskunft der Deutschen Post vom 07.02.2000 (Bl. 100 d. A.) wurde der Kläger am 30.12.1999 über die Hinterlegung benachrichtigt. Der Kläger veranlasste jedoch nicht die Abholung des Schreibens, so dass dieses nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist an die Beklagte zurückgesandt wurde.

Der Kläger hat beantragt,

1. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 03. Januar 2000, zugegangen am 05. Januar 2000, zum 29. Februar 2000 sein Ende gefunden hat,

2. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger brutto 16.036,50 DM zu zahlen abzüglich erhaltener netto 1.578,91 DM nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag ab 01. Februar 2000.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 31.05.2000 (Bl. 114 bis 116 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag zu 1.) mit Teilurteil vom 31.05.2000 stattgegeben. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 bis 8 dieses Urteils (= Bl. 116 bis 120 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihm am 06.07.2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, dem 07.08.2000 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 07.09.2000 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 09.10.2000 begründet.

Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, das Arbeitsverhältnis sei erst durch die Kündigung vom 03.01.2000 beendet worden. Vielmehr sei dem Kläger bereits am 17.12.1999 auf der Baustelle mündlich fristlos gekündigt worden. Grund hierfür sei gewesen, dass der Kläger an dem betreffenden Tag betrunken auf der Baustelle gewesen sei und mutwillig mit einem Hammer eine Rigipswand eingeschlagen habe. Soweit sie - die Beklagte - erstinstanzlich vorgetragen habe, dass der Kläger wegen dieses Vorfalles am 17.12.1999 lediglich abgemahnt worden sei, so beruhe dieser falsche Sachvortrag auf einem Verständnisfehler ihres Prozessbevollmächtigten. Darüber hinaus gelte auch die im Schreiben vom 22.12.1999 enthaltene Kündigungserklärung als zugegangen, da der Kläger trotz Erhalt eines diesbezüglichen Benachrichtigungsscheines das beim Postamt niedergelegte Einschreiben nicht abgeholt habe. Dieses Verhalten des Klägers sei eindeutig als treuwidrig zu erachten. Sowohl hinsichtlich der mündlichen Kündigung vom 17.12.1999 als auch der im Schreiben vom 22.12.1999 enthaltenen Kündigung habe der Kläger die 3-wöchige Klagefrist des § 4 KSchG versäumt.

Zur Darstellung des Berufungsvorbringens der Beklagten im Weiteren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 09.10.2000 (Bl. 141 bis 143 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Teilurteil vom 31.05.2000 abzuändern und den Feststellungsantrag des Klägers abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das mit der Berufung angefochtene Urteil und trägt im Wesentlichen vor, es treffe nicht zu, dass ihm bereits am 17.12.2000 gekündigt worden sei. Richtig sei insoweit vielmehr der erstinstanzliche Vortrag der Beklagten, wonach er - der Kläger - am 17.12.2000 ermahnt bzw. abgemahnt worden sei. Es sei der Beklagten nunmehr nicht möglich, unter Hinweis auf einen Verständnisfehler das erstinstanzliche Vorbringen dahingehend abzuändern, dass aus den Vorgängen vom 17.12.1999 der Ausspruch einer fristlosen Kündigung hergeleitet werde. Zutreffend sei das Arbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass ihm - dem Kläger - die im Schreiben der Beklagten vom 22.12.1999 enthaltene Kündigungserklärung nicht zugegangen sei.

Zur Darstellung der Berufungserwiderung im Weiteren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 08.11.2000 (Bl. 160 bis 162 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden und erweist sich somit als insgesamt zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 03.01.2000 nicht mit sofortiger Wirkung sondern erst zum 29.02.2000 geendet hat. Die Berufungskammer folgt den zutreffenden und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Teil-Urteil und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 543 Abs. 1 ZPO fest. Von der Darstellung eigener Entscheidungsgründe wird daher insoweit abgesehen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen besteht lediglich Anlass zu folgenden Ergänzungen:

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht schon durch eine am 17.12.1999 von der Beklagten ausgesprochene Kündigung beendet worden. Es kann nämlich bereits nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte - wie nunmehr in zweiter Instanz behauptet - das Arbeitsverhältnis am 17.12.1999 außerordentlich gekündigt hat. Die Beklagte hat erstinstanzlich substantiiert dargetan, dass der Kläger an dem betreffenden Tag lediglich abgemahnt worden sei. Dies ergibt sich aus dem insoweit eindeutigen erstinstanzlichen Sachvortrag der Beklagten, wonach dem Kläger wegen des Vorfalls vom 17.12.1999 vom Geschäftsführer "verdeutlicht wurde, dass ein derartiges Verhalten auf der Baustelle untragbar sei und dass im Wiederholungsfalle selbstverständlich das Arbeitsverhältnis außerordentlich gekündigt werden müsse". Demgegenüber hat die Beklagte im Berufungsverfahren lediglich pauschal vorgetragen, ihr bisheriges diesbezügliches Vorbringen sei nicht richtig, vielmehr sei dem Kläger an dem betreffenden Tag fristlos gekündigt worden. Zwar ist es einer Prozesspartei nicht verwehrt, unrichtige Behauptungen im Laufe eines Prozesses fallen zu lassen und durch richtigen Sachvortrag zu ersetzen. Erforderlich ist diesbezüglich jedoch eine ausreichende Substantiierung des neuen Vorbringens. Die Beklagte hat indessen den behaupteten Kündigungsausspruch, der in krassem Widerspruch zu ihrem erstinstanzlichen Sachvortrag steht, in keiner Weise durch konkreten Tatsachenvortrag substantiiert. Eine Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige, rechtsgestaltende Willenserklärung, durch die das Arbeitsverhältnis für die Zukunft aufgelöst werden soll. Bei der Frage, ob eine rechtsgeschäftliche Erklärung einer Partei eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses darstellt, ist darauf abzustellen, wie der Erklärungsempfänger nach der allgemeinen Verkehrssitte und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben die ihm zugegangene Erklärung auffassen musste. Der kündigende Arbeitgeber braucht zwar nicht ausdrücklich die Worte "kündigen" oder "Kündigung" zu gebrauchen. Er muss aber eindeutig seinen Willen zum Ausdruck bringen, das Arbeitsverhältnis durch eine einseitige Gestaltungserklärung für die Zukunft lösen zu wollen (vgl. KR-Etzel, 5. Auflage, § 1 KSchG Rd-Ziffer 161 m. w. N.). Es wäre daher Sache der insoweit darlegungsbelasteten Beklagten gewesen, durch eine zumindest sinngemäße Wiedergabe der gegenüber dem Kläger am 17.12.1999 getätigten Äußerungen darzulegen, dass eine Kündigungserklärung im Rechtssinne vorliegt. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass die im Berufungsverfahren pauschal behauptete Kündigungserklärung im krassen Widerspruch zum eigenen erstinstanzlichen Sachvortrag der Beklagten steht, mit welchem hinsichtlich des 17.12.1999 substantiiert die Erteilung einer Abmahnung vorgetragen worden war. Soweit die Beklagte für ihre Behauptung, am 17.12.1999 eine Kündigung ausgesprochen zu haben, Beweis durch Zeugenvernehmung angeboten hat, so handelt es sich in Ermangelung einer ausreichenden Substantiierung der diesbezüglichen Behauptung um einen Ausforschungsbeweisantrag, dem nicht zu entsprechen war. Im Übrigen spricht der Inhalt des Kündigungsschreibens vom 03.01.2000 (Bl. 11 d. A.) gegen das Vorliegen einer fristlosen Kündigung vom 17.12.1999. Die Beklagte begründet nämlich ihre Kündigung im Schreiben vom 03.01.2000 mit einem unentschuldigten Fehlen des Klägers seit dem 28.12.1999. Wenn dem Kläger aber tatsächlich bereits am 17.12.1999 fristlos gekündigt worden wäre, so hätte für ihn keinerlei Verpflichtung mehr bestanden, seine Arbeitskraft weiterhin der Beklagten anzubieten. Für den im Kündigungsschreiben erhobenen Vorwurf des unentschuldigten Fehlens seit dem 28.12.1999 hätte daher - gerade aus Sicht der Beklagten - keinerlei Veranlassung bestanden.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch nicht bereits durch die im Schreiben der Beklagten vom 22.12.1999 enthaltene Kündigungserklärung aufgelöst worden. Die betreffende Erklärung ist dem Kläger nämlich nicht zugegangen. Der Zugang einer eingeschriebenen Sendung ist erst dann bewirkt, wenn sie dem Empfänger oder einer empfangsberechtigten Person ausgehändigt wird. Erst dadurch gelangt sie in den Machtbereich des Empfängers. Sie ist also noch nicht zugegangen, wenn - wie vorliegend - der Postbote, der in der Wohnung niemanden angetroffen hat, einen Benachrichtigungszettel hinterlässt und den Brief auf dem Postamt niederlegt. Der Benachrichtigungszettel ersetzt nicht den Zugang des eingeschriebenen Briefes (vgl. BAG, EzA § 13 SchwbG Nr. 13 ; BAG, EzA § 130 BGB Nr. 2 ; BAG, EzA § 794 ZPO Nr. 7 ; BAG EzA § 18 SchwbG Nr. 7). Der Kläger muss vorliegend auch keinen Zugang des betreffenden Schreibens gegen sich geltend lassen. Der Empfänger einer Benachrichtigung über die Niederlegung eines eingeschriebenen Briefes ist nämlich nicht ohne weiteres gehalten, das für ihn niedergelegte Schriftstück abzuholen (vgl. BGH, NJW 1977, 194). Zwar muss er, falls mit einer Kündigungserklärung zu rechnen war, sich so behandeln lassen, als sei das Schreiben in seinen Machtbereich gelangt (vgl. BAG, EzA § 130 BGB Nr. 2 ; KR-Friedrich, 5. Auflage, § 4 KSchG Rd-Nr. 124). Im Streitfall sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger mit einer rechtsgeschäftlichen Erklärung oder gar einer Kündigung seines Arbeitgebers zu rechnen hatte. Ein rechtsmissbräuchliches Unterlassen der Abholung des Einschreibebriefes oder eine bewusste Zugangsverhinderung seitens des Klägers liegen daher nicht vor.

Nach allem war die Berufung mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand angesichts der in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

Zurück