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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 20.04.2005
Aktenzeichen: 10 Sa 986/04
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, BRTV-Baugewerbe


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 626 Abs. 1
BRTV-Baugewerbe § 12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 10 Sa 986/04

Entscheidung vom 20.04.2005

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 23.09.2004, AZ: 3 Ca 477/04, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen.

Der 42-jährige Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.03.1999 als Bauarbeiter, zuletzt in der Funktion eines Kolonnenführers beschäftigt. Er ist verheiratet und nach eigener Behauptung vier Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 02.02.2004 fristlos sowie vorsorglich ordentlich zum 31.03.2004. Hiergegen richtet sich die vom Kläger am 11.02.2004 beim Arbeitsgericht eingereichte Kündigungsschutzklage. Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 11.02.2004 erneut fristlos sowie vorsorglich ordentlich zum 31.03.2004 gekündigt hatte, hat der Kläger seine Klage am 24.02.2004 hinsichtlich dieser Kündigung erweitert.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten weder durch die fristlose Kündigung vom 02.02.2004 noch durch die ordentliche Kündigung vom 02.02.2004 zum 31.03.2004, jeweils zugestellt am 04.02.2004, beendet wurde.

2. Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten weder durch die fristlose Kündigung vom 11.02.2004 noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 11.02.2004 zum 31.03.2004 beendet wurde.

3. Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 04.02.2004 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 23.09.2004 (Bl. 106-112 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen A und T . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23.09.2004 (Bl. 95-101 d. A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.09.2004 abgewiesen. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 9-15 dieses Urteils (= Bl. 112-118 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihm am 18.11.2004 zugestellt Urteil hat der Kläger am 08.12.2004 Berufung beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und diese am 17.01.2005 begründet.

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, das Arbeitsgericht habe bei der Bewertung seines - des Klägers - Verhaltens vom 02.02.2004 nicht ausreichend die Umstände berücksichtigt, die zu dem betreffenden Vorfall geführt hätten. Diesbezüglich sei insbesondere von Bedeutung, dass der Ausgangspunkt der Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Geschäftsführer der Beklagten die Übergabe eines Abmahnungsschreibens gewesen sei, wobei der Geschäftsführer der Beklagten von ihm gefordert habe, eine handschriftliche Erklärung zu unterzeichnen. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer der Beklagten mündlich eine fristlose Kündigung ausgesprochen und ihn - den Kläger - mittels körperlicher Gewalt aus der Lagerhalle gedrängt habe. Durch die vorangegangene Auseinandersetzung und den tätlichen Angriff sei er - der Kläger - sehr erregt gewesen. Dies sei umso verständlicher, als er der Auffassung gewesen sei, dass ihm bezüglich der Abmahnung Unrecht widerfahren sei. Er habe es auch als gerechtfertigt angesehen, die für ihn und seinen Bruder bestimmten Gehaltsabrechnungen an sich zu nehmen. Die vom Arbeitsgericht durchgeführte Beweisaufnahme habe auch nicht ergeben, dass die beiden anderen Mitarbeiter der Beklagten durch sein Verhalten die Autorität des Geschäftsführers der Beklagten als untergraben angesehen hätten. Vor Kündigungsausspruch habe es zunächst der Erteilung einer Abmahnung bedurft. Jedenfalls erweise sich die Kündigung bei Durchführung einer Interessenabwägung und Berücksichtigung aller Umstände des Vorfalles vom 02.02.2004 als unwirksam.

Zur Darstellung des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird ergänzend auf die Berufungsbegründungsschrift vom 17.01.2005 (Bl. 169-175 d. A.) sowie auf den ergänzenden Schriftsatz vom 08.04.2005 (Bl. 209-212 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 23.09.2004, AZ. 3 Ca 477/04, abzuändern und wie folgt zu erkennen:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten weder durch die fristlose Kündigung vom 02.02.2004 noch durch die ordentliche Kündigung vom 02.02.2004 zum 31.03.2004, jeweils zugestellt am 04.02.2004, beendet wurde.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten weder durch die fristlose Kündigung vom 11.02.2004 noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 11.02.2004 zum 31.03.2004 beendet wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages und ihrer Rechtsansichten das mit der Berufung angefochtene Urteil und macht darüber hinaus geltend, das Arbeitsverhältnis sei jedenfalls durch die fristlose Kündigung vom 11.02.2004 aufgelöst worden.

Zur Darstellung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren im Einzelnen wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 15.02.2005 (Bl. 187-191 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist bereits mit Zugang der mit Schreiben vom 02.02.2004 ausgesprochenen fristlosen Kündigung mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden. Die fristlose Kündigung erweist sich wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB sowie in Ermangelung sonstiger Unwirksamkeitsgründe als rechtswirksam.

Ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB ist nach der gesetzlichen Definition gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortzusetzen. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt - ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles - (überhaupt) geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, d. h. ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zu dem gemäß § 626 Abs. 1 BGB relevanten Zeitpunkt fortzusetzen.

Im Streitfall beinhalten die Geschehnisse vom 02.02.2004 ein Fehlverhalten des Klägers, welches geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben. Dabei kann offen bleiben, ob der Ansicht des Arbeitsgerichts zu folgen ist, wonach bereits das (erneute) Betreten der Lagerhalle durch den Kläger gegen den vom Geschäftsführer der Beklagten eindeutig zum Ausdruck gebrachten Willen an sich geeignet ist, den Ausspruch einer fristlosen Kündigung zu rechtfertigen. Aufgrund des unstreitigen Sachverhaltes steht nämlich fest, dass sich der Kläger nach Betreten der Halle zum Schreibtisch des Geschäftsführers der Beklagten begeben, und mindestens ein auf diesem Schreibtisch liegendes Schriftstück an sich genommen bzw. entwendet hat. Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob es sich bei diesem Schriftstück, wie die Beklagte behauptet, um ein Abmahnungsschreiben oder aber - so die Behauptung des Klägers - um die ihn und seinen Bruder betreffenden Lohnabrechnungen handelte. In beiden Fällen handelte es sich nämlich um Geschäftsunterlagen der Beklagten, zu deren Wegnahme der Kläger in keiner Weise berechtigt war. Die unberechtigte Entwendung geschäftlicher Unterlagen durch den Arbeitnehmer stellt zweifellos ein Fehlverhalten dar, welches in der Regel geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden.

Unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalles sowie nach Abwägung der Interessen beider Parteien wiegt das Fehlverhalten des Klägers so schwer, dass der Beklagten nicht mehr zugemutet werden konnte, den Kläger noch wenigstens bis zum Ende der gemäß § 12 BRTV-Baugewerbe am 31.03.2004 ablaufenden ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Zwar sind zugunsten des Klägers zunächst seine Unterhaltsverpflichtungen, die nach seiner Behauptung gegenüber vier Kindern bestehen, zu berücksichtigen. Die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit belief sich bei Kündigungsausspruch hingegen noch nicht ganz auf fünf Jahre; auch seinem Lebensalter (42 Jahre) kommt im Rahmen der Interessenabwägung keine entscheidende Bedeutung zu. Allerdings kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass davon auszugehen ist, dass sich der Kläger infolge der vorherigen Auseinandersetzung mit dem Geschäftsführer der Beklagten wohl in einem sehr erregten Zustand befand. Immerhin hatte der Geschäftsführer der Beklagten kurz zuvor das Arbeitsverhältnis mündlich fristlos gekündigt und den Kläger mittels körperlicher Gewalt aus den Betriebsräumen herausgedrängt. Diese Geschehnisse sind jedoch nicht geeignet, das anschließende Fehlverhalten des Klägers zu rechtfertigen oder auch nur - in einem gewissen Umfang - zu entschuldigen. Es ist nicht erkennbar, wieso die vorherige Auseinandersetzung mit dem Geschäftsführer der Beklagten den Kläger veranlassen konnte, noch im Eigentum der Beklagten befindliche Schriftstücke, die als Geschäftsunterlagen zur qualifizieren sind, zu entwenden. Die Behauptung des Klägers, er habe es als gerechtfertigt angesehen, die für ihn und seinen Bruder bestimmten Gehaltsabrechnungen an sich zu nehmen, erscheint nicht nachvollziehbar. Für den Kläger war vielmehr ohne weiteres klar, dass ihm ein erneutes Betreten der Halle überhaupt nicht mehr gestattet war. Unstreitig hatte ihn der Geschäftsführer der Beklagten aus der Halle verwiesen. Darüber hinaus hat der Zeuge A. bei seiner Vernehmung im Rahmen der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme glaubhaft bekundet, dass der Geschäftsführer der Beklagten in der zur Halle führenden Eingangstür die Hände, am Türrahmen angelehnt, stand und durch seine Haltung eindeutig zu erkennen gab, dass dem Kläger ein Betreten nicht mehr gestattet war. Demzufolge war der Kläger auch gezwungen, sozusagen unter dem Arm des Geschäftsführers hindurch in die Halle zu schlüpfen. Dies haben sowohl der Zeuge A. als auch der Zeuge T. bei ihrer Vernehmung glaubhaft ausgesagt. Zugunsten der Beklagten ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass sie als Arbeitgeber die Entwendung von Geschäftsunterlagen und damit ein strafrechtlich relevantes Verhalten ihrer Arbeitnehmer keineswegs hinnehmen kann und dass sich das Fehlverhalten des Klägers - auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles - als sehr schwerwiegend erweist. Die Beklagte war auch nicht gehalten, dem Kläger zunächst lediglich eine Abmahnung zu erteilen. Besonders schwere Verstöße - wie im vorliegenden Fall - bedürfen nämlich keiner Abmahnung, weil hier der Arbeitnehmer von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann und er sich bewusst sein muss, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt. Insgesamt überwiegt das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Klägers, dieses jedenfalls noch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist (31.03.2004) fortzusetzen. Dies war der Beklagten in Ansehung aller Umstände nicht mehr zumutbar.

Da das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits mit Zugang des Kündigungsschreibens vom 02.02.2004 am 04.04.2004 geendet hat, erweist sich die Klage auch insoweit als unbegründet, als sie sich gegen die im selben Schreiben vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung und auch gegen die mit Schreiben vom 11.02.2004 ausgesprochene fristlose sowie vorsorglich ordentliche Kündigung richtet.

Die Berufung des Klägers war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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