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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 06.10.2008
Aktenzeichen: 10 Ta 163/08
Rechtsgebiete: ArbGG, GVG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 b
ArbGG § 48 Abs. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
GVG § 17 a Abs. 4 Satz 3
ZPO § 256 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 21.08.2008, Az.: 1 Ca 1342/08, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. Gründe:

I. Die Parteien streiten vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen im Metzgereibereich mit mehreren Verkaufsstätten. Sie schloss mit dem Kläger am 28.02.2007 einen Agenturvertrag. Danach übernahm der Kläger ab dem 28.03.2007 die mit "S." bezeichnete Verkaufsstätte in einem r.,- Markt in L.-Stadt als Agent. In der Präambel des Vertrages ist geregelt, dass der Agent die Ware in Agentur führt und selbständiger Gewerbetreibender ist. Die Parteien haben den Vertrag am 13.07.2007 im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst. Der Kläger vertritt die Auffassung, zwischen ihm und der Beklagten habe ein Arbeitsverhältnis bestanden. Dennoch habe er ausweislich der Bestimmungen des Agenturvertrages sämtliche Personal,- Miet,-, Verpackungs- und Reinigungskosten sowie die Kosten für Arbeitskleidung selbst tragen müssen. Außerdem habe er Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen und die eigenen Sozialversicherungsbeiträge vollständig selbst tragen müssen. Hierbei handele es sich um typische Kosten, die die Beklagte als Arbeitgeberin zu tragen habe. In der Zeit vom 28.03. bis zum 13.07.2007 seien Kosten in Höhe von insgesamt € 19.568,25 angefallen.Im gleichen Zeitraum habe ihm die Beklagte Provisionen in Höhe von insgesamt € 26.500,31 brutto gezahlt. Demgegenüber hätte ihm als Arbeitnehmer ein monatlicher Tariflohn von mindestens € 3.600,00 brutto zugestanden. Dies ergebe einen Lohnanspruch in Höhe von insgesamt € 12.840,00 brutto. Als Arbeitnehmer könne er deshalb die Zahlung von weiteren € 5.907,94 (€ 19.568,25 plus € 12.840,00 minus € 26.500,31) beanspruchen.

In seiner Klageschrift vom 14.07.2008 beantragt der Kläger, 1. festzustellen, dass er in der Zeit von 28.03.2007 bis zum 13.07.2007 als Betreiber des "S." im "r.-Markt", P.-Straße in L.-Stadt, nicht als selbständiger Gewerbetreibender tätig, sondern als Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt war, 2. hilfsweise für den Fall der Begründetheit des Klageantrags zu 1), die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 5.907,94 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagte beantragt Klageabweisung und rügt die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen. Mit Beschluss vom 21.08.2008 (Bl. 98-100 d. A.) hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für eröffnet erklärt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, hinsichtlich des Klageantrags zu 1) liege ein sic-non-Fall im Sinne der Rechtsprechung vor. Für den Klageantrag zu 2) folge die Zuständigkeit bereits daraus, dass er als uneigentlicher Hilfsantrag hinsichtlich des Rechtswegs das Schicksal des Hauptantrags teile. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des genannten Beschlusses verwiesen. Gegen diesen Beschluss, der ihr am 27.08.2008 zugestellt worden ist, hat die Beklagte am 28.08.2008 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, ein sic-non-Fall liege nicht vor, weil die rechtliche Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht im Streit stehe. Der Kläger begehre mit seinem Klageantrag zu 1) lediglich die Erstellung eines Rechtsgutachtens. Hierfür fehle das Feststellungsinteresse. Dieser unzulässige Antrag sei nicht geeignet, die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen zu begründen. Ansonsten wäre einer Rechtswegerschleichung Tür und Tor geöffnet. Der Feststellungsantrag in der gestellten Form diene der Vorbereitung des Zahlungsantrags. Es wäre für den Kläger ohne Weiteres möglich gewesen, seinen Zahlungsantrag direkt zu stellen und dann innerhalb dieses Antrags inzident auch die Rechtswegzuständigkeit entscheiden zu lassen. Stattdessen habe der Kläger einen unechten Hilfsantrag auf Zahlung gestellt. Hierbei handele es sich nicht um einen sic-non-Antrag mit der entsprechenden Zuständigkeitsprivilegierung. Mit Beschluss vom 18.09.2008 (Bl. 112-113 d. A.), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig. Sie ist nach §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG an sich statthaft und wurde form- und fristgerecht (§ 48 Abs. 1 ArbGG, § 569 ZPO) eingelegt. In der Sache hat die sofortige Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zu Recht für eröffnet erachtet. Die Beschwerdekammer folgt zunächst in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG den Gründen des angefochtenen Beschlusses und ergänzend der Begründung des Nichtabhilfebeschlusses und stellt dies hiermit fest.

Hinsichtlich des Klageantrags zu 1) hat das Arbeitsgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung einen sic-non-Fall im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts angenommen. Streitgegenstand ist vorliegend die Feststellung, dass zwischen den Parteien in der Vergangenheit ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Für die Feststellung des Bestands eines Arbeitsverhältnisses sind die Gerichte für Arbeitssachen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 b ArbGG ausschließlich zuständig. Entgegen der Ansicht der Beklagten, spielt es für die Frage, ob ein sic-non-Fall gegeben ist, keine Rolle, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien unstreitig am 13.07.2007 im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst worden ist. Für die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs ist allein die Rechtsbehauptung des Klägers, er sei Arbeitnehmer der Beklagten gewesen, maßgeblich. Ein sic-non-Fall setzt nicht voraus ist, dass neben der Feststellung des Arbeitnehmerstatus, zusätzlich noch die Beendigung des Vertragsverhältnisses (z.B. durch Aufhebungsvertrag oder Kündigung) im Streit steht. Vielmehr liegt ein sic-non-Fall stets dann vor, wenn der Kläger - wie hier - die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses beantragt. Die entsprechenden Tatsachenbehauptungen des Klägers und seine Rechtsansicht sind hier "doppelrelevant", also sowohl für die Rechtswegzuständigkeit, als auch für die Begründetheit der Klage maßgebend (st. Rspr. BAG seit Beschluss vom 24.04.1996 -5 AZB 25/95-NZA 1996, 1005, vgl. auch die bereits vom Arbeitsgericht zitierten Fundstellen). Der Anspruch der Prozessbeteiligten auf den gesetzlichen Richter wird durch die Auffassung, dass in sic-non-Fällen die bloße Rechtsbehauptung des Klägers ausreicht, um die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zu begründen, nicht verletzt. Manipulationsmöglichkeiten werden hierdurch nicht eröffnet. Stellt sich heraus, dass der Kläger in Wahrheit kein Arbeitnehmer war, so steht damit voraussetzungsgemäß zugleich fest, dass seine Klage unbegründet ist. Eine Verweisung des Rechtsstreits in einen anderen Rechtsweg wäre sinnlos (so ausdrücklich: BVerfG Beschluss vom 31.08.1999 - 1 BvR 1389/97 - NZA 1999, 1234). Soweit die Beklagte einwendet, dass die vergangenheitsbezogene Feststellungsklage unzulässig sei, weil sie auf die Erstattung eines Rechtsgutachtens hinauslaufe, ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung über die Eröffnung des Rechtswegs vorrangig ist. Die gerichtlichen Entscheidungen über Zulässigkeit und Begründetheit der Feststellungsklage sind von dem im Rechtsweg zuständigen Gericht zu treffen. Dies gilt auch für die Entscheidung über die Frage, ob das erforderliche Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung besteht, das vergangene Rechtsverhältnis sei ein Arbeitsverhältnis gewesen. Diese Frage kann nicht bereits im Vorabentscheidungsverfahren über die Eröffnung des Rechtswegs entschieden werden (vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 27.02.2007 - 3 Ta 42/07). Ebenso wenig ist es rechtlich zu beanstanden, dass das Arbeitsgericht die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für den Klageantrag zu 2) angenommen hat, weil er als uneigentlicher Hilfsantrag hinsichtlich des Rechtswegs das Schicksal des Hauptantrags teilt (BAG Beschluss vom 17.01.2001 - 5 AZB 18/00 - NZA 2001, 341, zu II 2 c der Gründe). III. Die sofortige Beschwerde der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Diese Entscheidung ist daher unanfechtbar.

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