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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 27.11.2007
Aktenzeichen: 10 Ta 263/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 62
ArbGG § 62 Abs. 1 Satz 1
ArbGG § 78 Satz 1
ZPO §§ 567 ff.
ZPO § 707
ZPO § 719
ZPO § 767
ZPO § 793
ZPO § 888
ZPO § 888 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 12.11.2007 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 31.10.2007 (3 Ga 37/07) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf € 1.075,00 festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist seit dem 10.05.1998 in der Kanzlei der Beklagten zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 4.294,21 als Rechtsanwältin angestellt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 28.09.2007 zum 31.12.2007 und stellte die Klägerin mit sofortiger Wirkung von ihrer Arbeitsverpflichtung frei.

Die Klägerin, die die ordentliche Kündigung nicht gerichtlich angegriffen hat, ist mit der Freistellung nicht einverstanden. Sie beantragte deshalb mit Schriftsatz vom 04.10.2007 den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Beschäftigung. Mit Urteil vom 09.10.2007, Az.: 3 Ga 37/07 (Bl. 38 - 50 d. A.), hat das Arbeitsgericht dem Antrag stattgegeben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum 31.12.2007 als Rechtsanwältin in ihrer Kanzlei zu beschäftigen. Gegen das ihr laut Empfangsbekenntnis am 12.10.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.11.2007 unter dem Aktenzeichen 10 SaGa 21/07 Berufung eingelegt, die sie noch nicht begründet hat.

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 10.10.2007 (Bl. 76 d. A.), das der Klägerin am 12.10.2007 zugegangen ist, fristlos gekündigt. Eine zweite fristlose Kündigung erfolgte mit Schreiben vom 19.10.2007 (Bl. 81 d. A.), die der Klägerin am 22.10.2007 zugegangen ist.

Auf den Antrag der Klägerin vom 16.10.2007 hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 31.10.2007 (Bl. 83 - 90 d. A.) zur Erzwingung der im Urteil vom 09.10.2007 erfolgten Verurteilung zur Beschäftigung der Klägerin bis zum 31.12.2007 ein Zwangsgeld in Höhe von € 2.150,00, ersatzweise Zwangshaft, festgesetzt. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, durch die zwischenzeitlich ausgesprochenen fristlosen Kündigungen der Beklagten vom 10.10.2007 und vom 19.10.2007 sei der Beschäftigungsanspruch der Klägerin nicht entfallen. Das Gericht müsse von einer offensichtlichen Unwirksamkeit der beiden fristlosen Kündigungen ausgehen. Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des Beschlusses vom 31.10.2007 (S. 4 ff = Bl. 86 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss, der ihr am 05.11.2007 zugestellt worden ist, hat die Beklagte am 12.11.2007 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 12.11.2007 (Bl. 101 - 102 d. A.) nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Schreiben vom 09.11.2007 (Bl. 131 d. A.) und vom 15.11.2007 (Bl. 129 - 130 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut fristlos.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin habe spätestens seit Zugang der ersten fristlosen Kündigung vom 10.10.2007 am 12.10.2007 keinen Anspruch auf Beschäftigung bis zum 31.12.2007. Diese fristlose Kündigung sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht offensichtlich unwirksam. Allein aus dem Umstand, dass sie die fristlose Kündigung nicht begründet habe, dürfe das Arbeitsgericht nicht auf eine offensichtliche Unwirksamkeit schließen.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen. Außerdem wird Bezug genommen auf den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akte 3 Ca 2439/07.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten ist nach § 78 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 793, 567 ff. ZPO zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Die Voraussetzungen für eine Vollstreckung gemäß § 888 ZPO liegen vor. Das Urteil vom 09.10.2007, Az.: 3 Ga 37/07, aus dem vollstreckt werden soll, ist gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG kraft Gesetzes vorläufig vollstreckbar. Es hat auch einen vollstreckungsfähigen Inhalt, denn es verpflichtet die Beklagte, die Klägerin bis zum 31.12.2007 als Rechtsanwältin in ihrer Kanzlei zu beschäftigen.

Dem so titulierten Anspruch kann die Beklagte im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO nicht entgegenhalten, dass sie das Arbeitsverhältnis mit vier Schreiben vom 10.10.2007, 19.10.2007, 09.11.2007 und 15.11.2007 außerordentlich gekündigt hat. Dabei kann dahinstehen, ob diese Kündigungen offensichtlich unwirksam sind oder nur dazu dienen, die Beschäftigungspflicht zu umgehen.

Zwar endet nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (grundlegend: Urteil vom 19.12.1985 - 2 AZR 190/85 - EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 17) der Weiterbeschäftigungsanspruch materiell-rechtlich ab dem Zeitpunkt, ab dem eine weitere ausgesprochene Kündigung wirksam werden soll, wenn diese Kündigung nicht offensichtlich unwirksam ist. Solche nachträglich entstandenen Einwendungen gegen den durch das erstinstanzliche Urteil festgestellten Anspruch kann der Arbeitgeber jedoch nur mit der Berufung oder im Wege der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO geltend machen (vgl. auch BAG vom 19.12.1985, a. a. O., Ziff. II 2 d der Entscheidungsgründe; LAG Thüringen Beschluss vom 05.01.2005 - 1 Ta 148/04 - Juris; LAG Hessen, Beschluss vom 23.02.2002 - 8 Ta 504/01 - LAGE § 888 ZPO Nr. 48, LAG München, Beschluss vom 11.09.1993 - 2 Ta 214/93 - LAGE § 888 ZPO Nr. 34).

Die Beklagte ist vorliegend sowohl mit der Berufung (10 SaGa 21/07) als auch mit der Vollstreckungsgegenklage (ArbG Koblenz 3 Ca 2439/07) dem titulierten Weiterbeschäftigungsanspruch entgegengetreten. Hier kann sie ihre nachträglich entstandenen materiell-rechtlichen Einwendungen unter Hinweis auf die weiteren Kündigungen geltend machen. Ein Anspruch auf Beschäftigung kann zwar aufgrund einer Folgekündigung entfallen. Es berührt aber grundsätzlich nicht den Bestand und die Vollstreckbarkeit eines Titels, wenn der titulierte Anspruch nach Ansicht der Beklagten nicht oder nicht mehr besteht. Erst wenn der Titel aufgehoben oder abgeändert oder die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung angeordnet worden ist, kann aus ihm nicht mehr vollstreckt werden.

Bei der Zwangsvollstreckung aus einem Titel wird nicht geprüft, ob der dem Titel zu Grunde liegende Anspruch bestanden hat oder noch besteht. Bei rechtskräftigen Titeln liegt das auf der Hand. Für vorläufig vollstreckbare Titel ergibt sich aus den §§ 62 ArbGG, 707, 719 ZPO unter welchen Bedingungen die Zwangsvollstreckung eingestellt werden kann. Schließlich regelt § 767 ZPO unter welchen Bedingungen Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, geltend gemacht werden können.

Nach alledem steht der Zwangsvollstreckung des titulierten Beschäftigungsanspruchs nach § 888 Abs. 1 ZPO nicht entgegen, dass die Beklagte nach Verkündung des Urteils vom 09.10.2007 vier fristlose Kündigungen ausgesprochen hat.

Die Beklagten hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wurde gemäß § 63 Abs. 2 GKG mit einem Bruchteil des Hauptsacheverfahrens festgesetzt.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es unter Berücksichtigung von §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass. Dieser Beschluss ist daher nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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