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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 29.05.2008
Aktenzeichen: 10 Ta 86/08
Rechtsgebiete: StPO, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

StPO § 170 Abs. 2
ZPO § 141 Abs. 3
ArbGG § 9 Abs. 5
ArbGG § 9 Abs. 5 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 2. April 2008, Az.: 6 Ca 621/07, aufgehoben.

2. Die Entscheidung ergeht kostenfrei.

Gründe:

I. Die Parteien sind Arbeitskollegen. Der Kläger verlangt vom Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld sowie die Unterlassung von Schlägen oder sonstigen körperlichen Misshandlungen, nachdem es zwischen den Parteien am 15.02.2007 zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen war. Der Hergang, insbesondere wer wen angegriffen und verletzt hat, ist streitig. Die Parteien haben wechselseitig Strafanzeige erstattet. Das Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten ist gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Gegen den Kläger wurde Anklage erhoben; der Termin zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Neuwied ist am 24.04.2008 anberaumt worden.

Das Arbeitsgericht hat am 31.10.2007 einen Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf den 02.04.2008 bestimmt und mit Verfügung der Vorsitzenden vom 31.10.2007 das persönliche Erscheinen beider Parteien angeordnet. Dementsprechend ist der Kläger zu dem Verhandlungstermin persönlich geladen worden.

Am 02.04.2008 sind zu der Kammerverhandlung lediglich beide Prozessbevollmächtigten und der Beklagte persönlich erschienen, für den eine Dolmetscherin der russischen Sprache geladen worden war. Der Kläger ist ohne Entschuldigung nicht erschienen.

Das Arbeitsgericht hat am Ende der Sitzung den Rechtsstreit bis zum Abschluss des Strafverfahrens gegen den Kläger ausgesetzt und gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von € 200,00 wegen unentschuldigten Nichterscheinens verhängt. Der Klägervertreter hat gegen den in der mündlichen Verhandlung verkündeten Beschluss am 24.04.2008 Beschwerde eingelegt.

Er macht geltend, sein persönliches Erscheinen sei nicht notwendig gewesen. Das Arbeitsgericht habe bereits zuvor den Rechtsstreit bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens gegen den Beklagten ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund sei bereits vor dem Kammertermin zu erwarten gewesen, dass der vorliegende Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens gegen ihn ausgesetzt werde. Deshalb sei durch sein Nichterscheinen keine Verzögerung des Verfahrens eingetreten. Abgesehen davon sei er nicht in der Lage, das gegen ihn verhängte Ordnungsgeld zu zahlen, weil er nur über ein bescheidenes Einkommen verfüge und gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau und seinen fünf Kindern zum Unterhalt verpflichtet sei. Vor diesem Hintergrund könne von einer pflichtgemäßen Ermessensentscheidung des Arbeitsgerichts keine Rede sein.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 28.04.2008 nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Prozessbevollmächtigte des Klägers sei nicht gemäß § 141 Abs. 3 ZPO vollumfänglich bevollmächtigt gewesen, weil er keine Erklärungen zu den Fragen der Vorsitzenden habe abgeben können. Diese wären aber notwendig gewesen, um im Termin einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten zu können. Dies sei in Ermangelung der Sachinformation des Klägervertreters nicht möglich gewesen. Erst im Anschluss daran habe das Gericht die Absicht zur Aussetzung gefasst.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und insbesondere auf die von beiden Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die als sofortige Beschwerde auszulegende Beschwerde des Klägers ist fristgerecht, weil der Ordnungsgeldbeschluss nicht förmlich zugestellt worden und keine Rechtsmittelbelehrung erfolgt ist. Nach § 9 Abs. 5 S. 3 ArbGG beginnt die Frist für ein Rechtsmittel nur, wenn die Partei über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Auch die sofortige Beschwerde stellt ein Rechtsmittel im Sinne des § 9 Abs. 5 ArbGG dar (Germelmann/ Matthes/ Prütting/ Müller-Glöge, ArbGG, 6. Aufl., § 9 Rz. 27). Daher begann die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels nicht zu laufen (Schwab/ Weth, ArbGG, § 9 Rz. 27).

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet. Der Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts ist aufzuheben.

In Übereinstimmung mit der Auffassung der 4., 6. und 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vertritt auch die erkennende Kammer die Auffassung, dass ein Ordnungsgeld gegen eine Partei, die der Anordnung zum persönlichen Erscheinen nicht nachgekommen ist, nur verhängt werden kann, wenn die ordnungsgemäße Ladung zum persönlichen Erscheinen in der Gerichtsakte dokumentiert ist, die persönlich geladene Partei sich nicht entschuldigt und keinen Vertreter entsandt hat, der zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen fähig ist. Erscheint anstelle der zum persönlichen Erscheinen geladenen Partei ein Prozessbevollmächtigter, so darf gegen sie ein Ordnungsgeld nur dann verhängt werden, wenn in Folge des Ausbleibens der Partei bestimmte Tatsachen nicht geklärt werden können. Entsprechende Feststellungen des Arbeitsgerichts müssen sich entweder aus der Sitzungsniederschrift oder wenigstens aus der Begründung des Beschlusses ergeben (vgl. LAG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 30.01.2006 - 4 Ta 27/06 - Juris; Beschluss vom 23.05.2007 - 6 Ta 120/07, Juris; Beschluss vom 01.12.2006 - 8 Ta 226/06 - Juris; jeweils mit weiteren Nachweisen).

Vorliegend ergibt sich weder aus der Sitzungsniederschrift noch aus dem Ordnungsgeldbeschluss oder aus der Begründung der Nichtabhilfeentscheidung, welche konkreten Tatsachen durch eine Befragung des Klägervertreters nicht geklärt werden konnten. Die Nichtabhilfeentscheidung enthält nur eine allgemeine, nicht fallbezogene Begründung; denn dort ist lediglich ausgeführt, der Klägervertreter habe keine Erklärungen zu den Fragen der Vorsitzenden abgeben können.

Auf die sofortige Beschwerde hin war daher der angefochtene Beschluss aufzuheben.

Da die Beschwerde erfolgreich war, fallen Gerichtskosten nicht an.

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.

Ende der Entscheidung

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